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§ 5 Abs. 1 c) BUrlG ist mit der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar.
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 13 % die Beklagte und die Klägerin zu 87 %.
3.Streitwert: 7.602,59 €.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten nach einem Teilvergleich noch über Zahlungsansprüche und insoweit insbesondere über Urlaubsabgeltungsansprüche.
3Die Klägerin war vom 05.04.2007 bis zum 30.04.2012 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des " in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Im Dienstvertrag vom 05.04.2007 bezogen sich die Parteien für die Dauer des Erholungsurlaubs auf § 3 der Anlage 14 zu den AVR.
4Im November 2011 zahlte die Beklagte an die Klägerin ein Leistungsentgelt in Höhe von 36,48 € brutto.
5Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Eigenkündigung der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen. Mit Schreiben vom 30.03.2012 stellte die Beklagte die Klägerin ab dem 17.04.2012 frei.
6Die Klägerin war bis zum Beendigungszeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt.
7Im Juni 2012 zahlte die Beklagte an die Klägerin 1.209,90 € brutto als Urlaubsabgeltung.
8Ferner erteilte sie der Klägerin für den Monat April 2012 eine Endabrechnung und Rückrechnung.
9Die Klägerin behauptet einen jährlichen Urlaubsanspruch von 32 Tagen zu haben. Sie ist der Ansicht, dass der gesamte Jahresurlaub für das Jahr 2012 abzugelten sei. Sie ist der Ansicht, § 1 Abs. 6 der Anlage 14 AVR sei eine überraschende Klausel. Zudem seien sowohl § 5 Abs. 1 c) BUrlG als auch Anlage 14 zu den AVR europarechtswidrig.
10Die Klägerin beantragt,
111.die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.706,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Mai 2012 zu zahlen.
122.die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin für den Monat April 2012 abzurechnen und entsprechend Zahlung zu leisten.
133.die Beklagte zu verurteilen, an sie 145,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Mai 2012 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin lediglich die Abgeltung für zehn nicht genommene Urlaubstage zusteht. Der Urlaub sei entsprechend lediglich anteilig zu gewähren.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
20I.
21Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub in Höhe von 4.706,67 € aus § 5 Abs. 1 Anlage 14 AVR noch aus § 7 Abs. 4 BUrlG.
221. Zunächst ist festzuhalten, dass der Klägerin grundsätzlich nur ein Anspruch auf 30 Tage Urlaub jährlich zustand. Soweit die Klägerin behauptet, sie habe einen Anspruch von 32 Tagen gehabt, ergibt sich dies nicht aus dem Arbeitsvertrag. § 6 des Arbeitsvertrages verweist für die Dauer des Jahresurlaubes auf § 3 Anlage 14 AVR. Dort sind 29 bzw. 30 Tage vorgesehen. Insoweit geht aber auch die Beklagte davon aus, dass der Klägerin 30 Tage Urlaub zustehen.
23Voraus sich der darüber hinausgehende Anspruch von zwei Tagen ergeben soll trägt die Klägern nicht vor.
242. a) Es waren auch lediglich zehn Tage abzugelten. Gemäß § 1 Abs. 6 Anlage 14 AVR beträgt der Jahresurlaub bei einem Ausscheiden im Urlaubsjahr ein Zwölftel für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Dies ergäbe sich, die Unwirksamkeit der Regelung im AVR unterstellt, auch aus § 5 Abs. 1 c) BUrlG. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei § 1 Abs. 6 Anlage 14 AVR um eine überraschende Klausel nach § 305c BGB handelt. Wäre sie danach unwirksam, käme § 5 Abs. 1 c) BUrlG zur Anwendung, woraus sich die gleiche Rechtsfolge, nämlich lediglich zehn abzugeltende Urlaubstage, ergeben würde.
25b) Die entsprechenden Regelungen in Anlage 14 AVR und in § 5 Abs. 1 c) BUrlG sind auch nicht europarechtswidrig, wie es die Klägerin annimmt.
26Die Klägerin bezieht sich für ihre Ansicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Schultz-Hoff (EuGH, 20.01.2009, C-350/06 und C-350/06, juris) und insoweit auf einen vermeintlichen Verstoß gegen die (am 01.08.2004 außer Kraft getretene) Richtlinie 93/104/EG bzw. die seit dem 02.08.2004 (Art. 28 Richtlinie EG/2003/88) geltende Richtlinie 2003/88/EG.
27Die Schultz-Hoff Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs selbst enthält keine Ausführungen zu einer § 5 BUrlG entsprechenden Regelung, hierauf bezogen sich die Vorlagefragen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und des House of Lords nicht (vgl. EuGH, 20.01.2009, C-350/06 und C-350/06, juris). Entsprechend kann dieser Entscheidungen weder mittelbar noch unmittelbar entnommen werden, dass § 5 BurlG oder Anlage 14 zu den AVR europarechtswidrig wäre. Dies folgt auch nicht aus den folgenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Soweit ersichtlich ist hierzu noch keine Entscheidung ergangen, weder durch das Bundesarbeitsgericht noch durch Landesarbeitsgerichte oder Arbeitsgerichte.
28In Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG heißt es:
29"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind."
30In Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG heißt es:
31"Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden."
32Damit steht § 5 Abs. 1 c) BUrlG aber bereits nicht im Widerspruch. Denn diese Regelung verhindert bereits nicht, dass ein Arbeitnehmer den entsprechenden Jahresurlaub erwirbt, sei es ob er für die vertraglich geschuldete Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber arbeitsunfähig ist oder nicht. Auch der für eine konkrete Tätigkeit bei einem Arbeitgeber arbeitsunfähige Arbeitnehmer kann bei einer Beendigung im ersten Halbjahr des Urlaubsjahres noch den vollen Jahresurlaub erwerben. Beginnt er ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber und übt er dort eine Tätigkeit aus, für die er arbeitsfähig ist oder wird er auch im Übrigen wieder arbeitsfähig, kann er dennoch den gesamten Jahresurlaub erwerben. Dies gilt erst Recht für einen durchgehend arbeitsfähigen Arbeitnehmer. Mehr fordert die Richtlinie 2003/88/EG nicht.
33Zudem ist es Sache der Mitgliedstaaten, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer von diesem Anspruch Gebrauch machen können, ohne dabei aber bereits die Entstehung dieses Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig zu machen (EuGH, 20.01.2009, C-350/06 und C-350/06, juris). Von einer Voraussetzung macht das Bundesurlaubsgesetz die Entstehung des Jahresurlaubsanspruchs nicht abhängig. § 5 BUrlG regelt lediglich, für welchen Zeitraum dem Arbeitnehmer welcher Urlaubsanspruch zusteht. So ist die hiesige gesetzliche Regelung etwa bereits nicht mit der in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vergleichbar, in welcher der Anspruch grundsätzlich erst nach sechs Beschäftigungsmonaten entstand (EuGH, 26.06.2011 - C-173/99, AP Nr. 3 zu EWG-Richtlinie93/104). Insoweit führt der Europäische Gerichtshof dort auch aus, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, die Art und Weise der Ausübung des Rechts auf Jahresurlaub im Einzelnen festzulegen, indem sie z. B. regeln, wie die Arbeitnehmer den Urlaub nehmen können, der ihnen für die ersten Wochen ihrer Beschäftigung zusteht (EuGH, 26.06.2011 - C-173/99, AP Nr. 3 zu EWG-Richtlinie 93/104). Der Europäische Gerichtshof setzt insofern jedenfalls voraus, dass es nationalen Regelungen möglich ist, bestimmten Zeiträumen einen bestimmten Anteil des Jahresurlaubs zuzuweisen.
34Auch die Literatur geht davon aus, dass das Zwölftelungsprinzip in § 5 BurlG den Anforderungen der Richtlinie 2003/88/EG genügt (Gallner in Erfurter Kommentar, 12. Auflage 2012, § 5 BUrlG Rdnr. 4; Neumann in Neumann/Fenski, 10. Auflage 2011, § 5 Rdnr. 2; Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 14. Auflage 2011, § 104 Rdnr. 67; grundsätzlich wohl auch Schinz in Henssler/Willemsen/Kalb, 4. Auflage 2010, § 5 BUrlG Rdnr. 11). Soweit Bedenken in der Literatur bestehen betrifft dies lediglich Sachverhalte in denen Arbeitsverhältnisse kürzer als einen Monat bestehen (Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 14. Auflage 2011, § 104 Rdnr. 67; Schinz in Henssler/Willemsen/Kalb, 4. Auflage 2010, § 5 BUrlG Rdnr. 11, Schinz erwägt für diese Konstellation eine richtlinienkonforme Auslegung), mithin nicht die hiesige Konstellation.
353. Die Höhe der täglichen Abgeltung ergibt sich aus § 5 Anlage 14 AVR und beträgt bei einer Fünftagewoche, wie sie zwischen den Parteien galt, 1/22 der Dienstbezüge. Diese betrugen zuletzt unbestritten monatlich 2.661,77 € brutto, mithin betrug die Urlaubsabgeltung pro Tag 120,99 €. Der Vortrag der Beklagten gilt gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
36Insgesamt betrug der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin mithin 1.209,90 € brutto.
374. Der Anspruch der Klägerin ist jedoch gem. § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten im Juni 2012 1.209,90 € gezahlt zu haben nicht bestritten, er gilt somit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
38II.
39Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abrechnung des Monats Aprils 2012 und Auszahlung des sich ergebenden Betrages.
40Dies beinhaltet zunächst einen Auskunftsanspruch. Eine allgemeine Auskunftspflicht auch über die gegnerischen Behauptungen hinaus kennt das materielle Recht jedoch nicht (BAG, 20.11.2003 - 8 AZR 580/02, NZA 2004, 489).
41Keine Partei ist gehalten, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BAG20.11.2003 - 8 AZR 580/02, NZA 2004, 489).
42Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, warum es ihr nicht möglich sein sollte, ihren Anspruch selbst zu berechnen. Es ist nicht Sache der Beklagten, ihr einen etwaigen Anspruch auszurechnen.
43III.
44Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von 145,92 € gem. § 14 Abs. 4 Anlage 33 AVR.
45§ 14 Anlage 33 AVR sieht einen solchen Anspruch erst als Auszahlung mit dem Entgelt für den Monat Januar 2013 vor. Dass es eine nach dieser Regelung mögliche anderweitige Dienstvereinbarung geben würde ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Im Januar 2013 wird die Klägerin aber wegen ihres Ausscheidens aus dem Betrieb der Beklagten kein Entgelt erhalten.
46Ein Anspruch bei vorzeitigem Ausscheiden sieht die Anlage 33 AVR nicht vor. Lediglich § 14 Abs. 5 c) und 6 c) Anlage 33 AVR ermöglicht es den Betriebsparteien durch Dienstvereinbarung eine Kündigungsregelung zu treffen. Darunter fällt grundsätzlich auch eine Regelung bei Kündigungen die nicht zum Jahresende erfolgen.
47IV.
48Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 GKG im Urteil festgesetzt. Soweit der Beklagten Kosten auferlegt wurden beruht dies auf den in der Kammersitzung geschlossenen Teilvergleich.
49RECHTSMITTELBELEHRUNG
50Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
52Landesarbeitsgericht Düsseldorf
53Ludwig-Erhard-Allee 21
5440227 Düsseldorf
55Fax: 0211-7770 2199
56eingegangen sein.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
58Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
591.Rechtsanwälte,
602.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
613.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
62Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
63* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
64E.