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kein Leitsatz vorhanden
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert beträgt 19.286,40 EUR.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über den Umfang des vom Arbeitgeber zu tragenden Teils der betrieblichen Altersversorgung nach einem Betriebsübergang in der Insolvenz der Rechtsvorgängerin.
3Der am 05.11.1969 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01.11.1987 zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 5.357,58 € bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als technischer Angestellter beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich ein Unternehmen der U.-Gruppe, einer führenden Herstellerin von Bremsbelagstechnologie.
4Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis wurde zwischen der klägerischen Partei und der U. GmbH begründet. Es erfolgten im Anschluss mehrere Betriebsübergänge, im September 2000 auf die U. G. GmbH (Schuldnerin). Mit Beschluss vom 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Mit Zustimmung des Insolvenzverwalters wurde der Geschäftsbetrieb zunächst in vollem Umfang fortgesetzt.
5Mit Kaufvertrag vom 2. April 2009 veräußerte der Insolvenzverwalter den gesamten Geschäftsbetrieb an die G. P. 2 GmbH. Der Betriebsübergang fand zum Stichtag 22. April 2009 statt. Mit Schreiben vom 23.04.2009 (vgl. Bl. 16 ff d.A.) informierte die G. P. 2 GmbH die Mitarbeiter über den Betriebsübergang. Die G. P. 2 GmbH firmiert seit dem 04.06.2009 wieder unter dem Namen U. G. Services GmbH. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 01.01.2010 auf die Beklagte überführt.
6Die U. GmbH hatte Ihren Arbeitnehmern eine Versorgungszusage auf betriebliche Altersversorgung im Wege Direktzusage gegeben. Die Höhe der Versorgungsleistungen bestimmt sich danach in Abhängigkeit von der anrechnungsfähigen Dienstzeit und dem ruhegeldfähigen Entgelt. Ausweislich der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. September 1979 (vgl. Bl. 32, Pensionsordnung Bl 33 ff. d.A.; nachfolgend: "GBV") ermittelte sich das ruhegeldfähige Entgelt nach dem zuletzt bezogenen Gehalt. Eine Aufkündigung der Zusagen erfolgte - auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens - nicht.
7Mit Schreiben vom 24.01.2011 (Bl. 41 f. d.A.) erteilte der Pensions-Sicherungs-Verein aG (nachfolgend: "PSV") der klägerischen Partei einen Anwartschaftsausweis, wonach der PSV im Versorgungsfall für einen Betrag in Höhe von 458,19 € hafte.
8Im Jahr 2013 stellte sich heraus, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Berechnung der betrieblichen Altersversorgung zwischen den Arbeitnehmern und der Beklagten gab. Diesbezügliche Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten blieben erfolglos.
9Die klägerische Partei ist der Ansicht, die Höhe der Verpflichtung der Beklagten betrage 100 % des aufgrund der Versorgungszusage geschuldeten Anspruches abzüglich des vom PSV übernommenen Teils. Dies bedeute insbesondere, dass auch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anrechnungsfähige Dienstjahre zu berücksichtigen seien. Der Kläger geht von einer voraussichtlichen monatlichen Differenz in Höhe von 459,20 € aus (vgl. Bl. 5 d.A.).
10Ein Feststellungsinteresse bestehe bereits jetzt, da die Beklagte diese Berechnungsgrundlage bestreite. Zudem bestehe bereits jetzt ein Interesse der klägerischen Partei im Rahmen der Rentenplanung Sicherheit über die betrieblichen Rentenbezüge zu erlangen. Ein einfacherer Weg, das Klageziel zu erreichen, bestehe nicht. Das feststellungsfähige gegenwärtige Rechtsverhältnis bestehe in der Versorgungsanwartschaft, welche ein betriebsrentenrechtliches Rechtsverhältnis begründe.
11Letztlich gehe es um die Rechtsfrage, ob die Beklagte verpflichtet sei, die Dynamik in ihrer Versorgungsverpflichtung zu berücksichtigen, die im Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2009 begründet worden sei. Der Anspruch sei auch begründet. Mit Bezug auf die betriebliche Altersversorgung sei die gesetzliche Regelung nicht in dem weiten Verständnis, wie die Beklagte es vertrete, teleologisch zu reduzieren. Insbesondere lasse sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnehmen, dass die Beklagte nur die Dynamik der Gehaltserhöhung übernehmen müsse, soweit diese nach der Insolvenzeröffnung erdiente Anwartschaften betreffe. Vielmehr sei aus der GBV, deren Anspruchsvoraussetzung - dies ist im Grundsatz unstreitig - durch die klägerische Partei erfüllt seien, der Anspruch begründet. Ein anderes Verständnis würde zu einer unangemessenen Benachteiligung der klägerischen Partei führen und die Beklagte doppelt begünstigen. Denn zum einen hafte sie nur zeitanteilig für den Zeitraum ab Insolvenz der Schuldnerin. Zum anderen könne die Beklagte ihrer Berechnung bei "Null" anfangen, was zu einer erheblich geringeren Kostenlast im Versorgungsfall führe. Dies könne im Einzelfall dazu führen, dass Arbeitnehmer trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit keine Rentenansprüche gegenüber der Beklagten hätten, was dem mit § 613a BGB bezweckten Schutz widerspräche und auch der gesetzlichen Regelungen des BetrAVG nicht entspräche.
12Eine Unterbrechung des Berechnungszeitraums durch die Insolvenz sei auch in der GBV nicht vorgesehen. Die Beklagte treffe daher eine Ausfallhaftung. Auch das BAG gehe von einem einheitlichen Gesamtanspruch aus, der durch die Insolvenz auf zwei Schuldner verteilt werde. Die durch die Insolvenz eintretende Zäsur führe aber nicht dazu, dass die Beklagte nur für die Beschäftigungszeiten nach der Insolvenzeröffnung hafte. Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung sei nicht betroffen, da die Gesamtheit der entstandenen Forderungen zum Stichtag vollumfänglich in das Verfahren einflössen und so eine gleichmäßige Befriedigung erzielt werde. Der Erwerber hätte sich in seiner Kalkulation entsprechend an die zukünftig fällig werdenden Betriebsrentenansprüche anpassen können. Beispielsweise sei es möglich gewesen, die GBV durch den Insolvenzverwalter ordentlich kündigen zu lassen. Von dieser Möglichkeit sei aber bewusst Abstand genommen worden. Auch eine nachträgliche Änderung der Versorgungsordnung sei nicht erfolgt.
13Die Beklagte habe auch keine nach der in der Rechtsprechung entwickelte sogenannte Dreistufentheorie triftigen Gründe für eine Änderung vorgetragen.
14Der Kläger beantragt
15festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn monatlich ab dem ersten Tag des jeweiligen Monats beginnend mit dem Eintritt des Versorgungsfalls für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr ab dem 1.1.1990 0,5 %, höchstens aber 22,5 % der ruhegeldfähigen Bezüge abzüglich des vom Pensions-Sicherungs-Verein zu tragenden Anteils in Höhe von 458,19 € als betriebliche Altersversorgung zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie ist der Ansicht, sie hafte nur für nach dem Erwerb aus der Insolvenz begründete Verbindlichkeiten. Der Erwerber eines Betriebes hafte lediglich beschränkt auf die ab dem Insolvenzstichtag zu berechnenden Versorgungsanwartschaften. Andernfalls läge ein unzulässiger Eingriff in den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung vor. Die streitgegenständliche Rechtsfrage sei abschließend höchstrichterlich beantwortet.
19Sämtliche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdiente Anwartschaften bzw. Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung seien entweder vom Betriebsveräußerer (verfallbare Anwartschaften) oder aber vom PSV (unverfallbare Anwartschaften) zu tragen. Sofern weitergehende Ansprüche von keinem der beiden bedient würden, sei dies Konsequenz der gesetzlichen Regelung. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der in § 1 InsO normierte Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu einer teleologischen Reduktion des § 613a BGB zwinge. Andernfalls würden die aus der Insolvenz übernommenen Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Gläubigern bevorteilt, da sie in dem Erwerber einen zweiten Gläubiger für ihre betriebsrentenrechtlichen Ansprüche erhielten. Der Betriebserwerber würde in einem solchen Fall den Kaufpreis für den Betrieb wegen der zu übernehmenden Haftung im Verhandlungswege mindern, so dass für die übrigen Gläubiger der Schuldnerin eine geringere Masse zur Verfügung stünde. Auch die Regelungen des § 7 BetrAVG stünden einer derartigen Zäsur nicht entgegen. Diese sichere im Falle der Insolvenz die Versorgungsverpflichtungen der Schuldnerin, wobei in der PSV insoweit nur einen gesetzlichen Mindestschutz übernehme. Diese haftungseinschränkende Grundabsicherung sei zugunsten einer Finanzierbarkeit bewusst in Kauf genommen. Der Betriebserwerber trete daher nur für die zukünftigen Zuwachsraten ein. Er müsse daher nur die beim Insolvenzverwalter und bei ihm selbst zurück gelegten Betriebszugehörigkeit Zeiten leistungssteigernd berücksichtigen. Davor liegende Zeiten seien hingegen nicht zu berücksichtigen. Letzteres sei bereits deshalb ausgeschlossen, da entsprechende Ansprüche mit dem vorgesehenen Eintritt des PSV auf diesen übergingen und am Insolvenzverfahren teilnähmen.
20Eine derartige Reduktion stehe auch im Einklang mit europarechtlichen Vorschriften. Soweit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Betriebsrentenansprüche oder Anwartschaften entstanden gewesen seien, nähmen sie an der Verteilung als Insolvenzforderung teil. Bei Unverfallbarkeit hafte der PSV zeitanteilig. Bei der Berechnung des Teilanspruches seien Veränderungen Bemessungsgrundlagen außer Betracht zu lassen, soweit sie nach dem Insolvenzfall einträten. Die Haftung des PSV umfasse daher insbesondere nicht die Steigerungen, die sich aus einer dynamischen Bemessungsgrundlage, insbesondere eine Entgeltbelegen Versorgung ergäben. Die Beklagte sei daher nicht verpflichtet, auch die vor Insolvenz liegenden Dienstjahre mit einem bestimmten Rentensteigerungssatz pro Beschäftigungsjahr und einer der Versorgung innewohnenden Dynamik anzuerkennen.
21Vorliegend gehe es auch nicht um die Frage der Eingriffsmöglichkeit in eine bestehende betriebliche Altersversorgung sowie deren Rechtfertigungsmöglichkeiten, sondern um Gesetzesanwendung. Der Insolvenzschutz der betrieblichen Altersversorgung sei eben gerade nicht eine vollständige Absicherung jeglicher Anwartschaften. Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen der Arbeitnehmer sollten gerade nicht anders behandelt werden als Forderungen anderer Gläubiger. Ihren besonderen Schutz der Fall erführen die Arbeitnehmer bereits über das Insolvenzausfallgeld und den Schutz des PSV. Der Antrag der klägerischen Partei führe dazu, dass die Insolvenz völlig unberücksichtigt gelassen würde.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
25A.
26I. Der Feststellungsantrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die betriebliche Altersversorgung in vollem Umfange gemäß der Pensionsordnung 1979 zu erbringen hat. Insbesondere soll die Berechnung der Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung unter Einschluss der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdienten Dynamik erfolgen.
27Feststellungsanträge bedürfen anders als Leistungsanträge keiner Bezifferung. Es genügt, dass der Inhalt des geltend gemachten Anspruchs hinreichend klar beschrieben ist (BAG, 28.10.2008 - 3 AZR 171/07). Ein Rechtsverhältnis besteht auch bereits vor Eintritt des Versorgungsfalls.
28Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Wege eine sachgemäße, einfachere Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 28.10.2008 - 3 AZR 171/07). Das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO liegt vor, da die Beklagte sich außergerichtlich geweigert hat, das vom Kläger durchgeführte Rechenmodell anzuerkennen und insoweit auch zukünftig die entsprechende Differenzleistungen nicht erbringen wird. Bei künftigen Leistungen besteht kein Vorrang der Leistungsklage gegenüber einer Feststellungsklage.
29II. Die Klage ist aber unbegründet. Hierzu haben bereits das Arbeitsgericht Koblenz (ArbG Koblenz, 16.02.2016 - 11 Ca 3222/15) und die 2. Kammer (ArbG Solingen, 24.05.2016 - 2 Ca 1812/15 lev) Folgendes ausgeführt:
30"Die Beklagte ist im Falle des Eintritts des Versorgungsfalles nicht verpflichtet, in dem seitens des Klägers begehrten Umfang Leistungen gemäß der Pensionsordnung zu erbringen. Sie ist berechtigt, einen Rechenweg hinsichtlich der konkreten Höhe der betrieblichen Altersversorgung zu wählen, der hinsichtlich der Zeiten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kürzungen (etwa im Hinblick auf die erdiente Dynamik) vorsieht, die über den auch seitens des Klägers anerkannten Abzugsposten des durch den PSV zu leistenden Betrages hinausgehen.
31Eine umfassende Haftung der Beklagten im Sinne des Antrags ergibt sich nicht aus § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB.
321.
33Gemäß dieser Vorschrift ist im Falle eines Betriebsübergangs der Erwerber verpflichtet, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen einzutreten. Diese Haftung schließt grundsätzlich sämtliche Rechte und Pflichten aus betrieblicher Altersversorgung ein. Namentlich sind insbesondere die bereits erdiente Zugehörigkeit anzuerkennen. Der Erwerber tritt in Infolge eines Betriebsübergangs sowohl hinsichtlich des erdienten Teils auch hinsichtlich potentieller Steigerungsbeträge unverändert in eine bestehende Ordnung ein. Im Ergebnis bleiben die Versorgungsanwartschaften durch den Betriebsübergang grundsätzlich unberührt (vgl. nur BAG, Urteil vom 20.04.2010, 3 AZR 22/08, Juris).
342.
35Dass vorliegend durch den Erwerb der U. G. GmbH durch die Beklagte die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613 a BGB gegeben sind, ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben.
363.
37Die Beklagte haftet jedoch bei Eintritt des Versorgungsfalls nicht im zur Entscheidung gestellten Umfang; dies folgt aus der gebotenen teleologischen Reduktion des § 613 a BGB bei Erwerb in der Insolvenz.
38a)
39§ 613 a BGB ist nach herrschender Meinung im Rahmen der Insolvenz grundsätzlich anwendbar, soweit es um den Schutz der Arbeitsplätze und die Kontinuität des Betriebsrates geht (vgl. hierzu grundlegend BAG vom 17.01.1980, 3 AZR 160/79, Rn. 27 ff.) Soweit die Rechtsfolgen des § 613 a BGB mit den Grundsätzen der Insolvenzordnung kollidieren, ist nach mittlerweile gefestigter Auffassung in höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur eine teleologische Reduktion geboten. Die gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene, umfassende Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten sei nicht mit den Grundsätzen der Insolvenzordnung zu vereinbaren. Namentlich stehe dem der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als tragende Säule des Insolvenzrechts entgegen. Die auf den Erwerber übergehenden Arbeitnehmer wären bei uneingeschränkter Anwendung des § 613 a BGB gegenüber den übrigen Gläubigern bevorzugt, da ihnen ein (weiterer) solventer Schuldner zur Verfügung stünde, wohingegen die übrigen Gläubiger benachteiligt würden, in dem der Erwerber eine vollumfängliche Haftung bei der Kalkulation des Kaufpreises zu berücksichtigen hätte und so die Masse geschmälert würde. Darüber hinaus wären auf den Erwerber übergehende Arbeitnehmer gegenüber denjenigen, die bei dem Veräußerer verblieben, begünstigt, da sie bei uneinschränkter Anwendbarkeit der Vorschrift bei einem zusätzlichen Gläubiger Befriedigung suchen könnten (vgl. nur BAG, Urteil vom 17.01.1980 a.a.O., Rn. 30 ff.; BAG Urteil vom 19.05.2005, 3 AZR 649/03, Rn. 43, Juris; Erfurter Kommentar/Preis, 15. Aufl. 2015, 613 a BGB, Rn. 146; Henssler/Willemsen/Kalb 6. Aufl. 2014, § 613 a BGB, Rn. 366; Langohr/Plato, Betriebliche Altersversorgung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1716, jeweils m.w.N.).
40b)
41Für die vorliegend maßgebliche Frage, in welchem Umfang der Erwerber bei einem Erwerb in der Insolvenz für Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung haftet, folgt hieraus, dass dieser zwar in die Versorgungsanwartschaft eintritt, aber im Versorgungsfall nur für den bei ihm erdienten Anteil der Versorgungsleistung haftet. Eine - mit Ausnahme des durch den PSV getragenen Anteils - umfassende Haftung der Beklagten, deren Feststellung der Kläger mit dem Antrag verfolgt, ist dementsprechend nicht gegeben.
42aa)
43Der PSV haftet gemäß § 7 BetrAVG mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für fällige Versorgungsansprüche sowie für unverfallbare Anwartschaften, § 7 Abs. 1, 2 BetrAVG. Diese Haftung ist vorliegend dem Grunde und der Höhe nach unstreitig und wurde bei der Antragstellung berücksichtigt.
44bb)
45Für ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdiente Steigerungsbeträge haftet - dies ist ebenfalls unstreitig - die Beklagte als Erwerber im Sinne des § 613 a BGB in vollem Umfang.
46cc)
47Die mit dem Antrag verfolgte vollumfängliche Haftung der Beklagten für Steigerungsbeträge, die den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen, scheidet infolge der gebotenen teleologischen Reduktion des § 613 a BGB aus.
48Diese Frage konnte das BAG in seiner grundlegenden Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 613 a BGB im Rahmen der Insolvenz vom 17.01.1980 (a.a.O.) noch offen lassen; insofern sind die seitens des Klägers angeführten, sich auf diese Entscheidung (namentlich auf Rn. 38,39 zitiert nach Juris) stützenden Erwägung aufgrund der ergänzenden Rechtsprechung als überholt anzusehen. Das BAG hat mit Urteil vom 29.10.1985 (3 AZR 485, 83 Juris) ausdrücklich entschieden, dass Versorgungsanwartschaften, die bis zur Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung erdient wurden - zur Konkurs- bzw. Insolvenztabelle anzumelden sind und nicht auf den Erwerber übergehen (vgl. Rn. 35 ff. d. Urteils zitiert nach Juris). Diese Auffassung, nach der der Erwerber im Versorgungsfall nicht die volle Betriebsrente, sondern nur den Teil der Leistung, den der Arbeitnehmer seit Insolvenzeröffnung erdient hat, schuldet, ist heute ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.1992, 3 AZR 117/91, Juris; BAG, Urteil vom 19.05.2005 a.a.O., BAG Urteil vom 20.12.2009, 3 AZR 814/07, Juris; Langohr/Plato, a.a.O., Rn. 1717; Henssler/Willemsen/Kalb a.a.O., § 613 a, Rn. 366; Jäger/Giesen, InsO, vor § 113 Rn. 135).
49c)
50Ihr schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Die seitens des Klägers vorgetragenen Gesichtspunkte veranlassen zu keiner anderen Beurteilung.
51aa)
52Das seitens des Klägers zugrunde gelegte Verständnis für die Reichweite der teleologischen Reduktion des § 613 a BGB bei Eröffnung der Insolvenz ist nach Überzeugung der Kammer verkürzt.
53Demnach soll durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich der Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung eine "Anspruchsspaltung" erfolgen, mit dem Ergebnis, dass hinsichtlich dieser Ansprüche zwei Schuldner, namentlich der PSV und der Erwerber, bestehen. Dies soll nach Auffassung des Klägers dazu führen, dass eine Reduzierung der Ansprüche für vor Eröffnung der Insolvenz liegende Zeiten nicht erfolgen kann. Ein anderes Verständnis würde, so der Kläger, auf eine doppelte Begünstigung des Erwerbes hinauslaufen, da dieser einerseits nicht den Anteil zu tragen hätte, den der PSV übernimmt und andererseits nicht für erdiente Steigerungsbeträge, die Zeiten vor der Insolvenzeröffnung betreffen, haften würde.
54bb)
55Diese Folge ist für den die teleologische Reduktion des § 613 a BGB bei Erwerb in der Insolvenz rechtfertigenden Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung unerheblich.
56Unter dem der Insolvenzordnung zugrundeliegenden Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO) ist der seitens des Klägers angestellte Vergleich zwischen Erwerber und den auf ihn übergehenden Arbeitnehmern nicht entscheidend. Denn der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zielt darauf ab, dass sämtliche Gläubiger des Schuldners gleichmäßig aus der Insolvenzmasse befriedigt werden sollen. Ein die teleologische Reduktion tragendes Argument ist daher auch, dass durch die Reduzierung des Haftungsumfangs bei Erwerb in der Insolvenz die Masse durch einen möglichst hohen Kaufpreis größtmöglich ausfällt. Die so erreichte Maximierung der Masse mag im Hinblick auf die Erwerber-Haftung im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB mit einer Begünstigung des Erwerbers einhergehen; diese Folge wird aufgrund des anerkannten Vorgangs der insolvenzrechtlichen Bestimmungen und Haftungsfolgen jedoch in Kauf genommen (so auch BAG, Urteil vom 29.10.1985 a.a.O., Rn. 36). Im Ergebnis ist die seitens des Klägers erkannte Begünstigung der Beklagten gerade Ausfluss und logische Folge der in der gegebenen Fallkonstellation vorzunehmenden telelogischen Reduktion.
57cc)
58Die für Eingriffe in Ordnungen zur betrieblichen Altersversorgung entwickelte s.g. Drei-Stufen-Theorie des BAG ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
59Ein Eingriff in das Versorgungswerk durch die Beklagte liegt gerade nicht vor. Weder löst sie die Pensionsordnung ab noch modifiziert sie sie. Sie tritt vielmehr in die bestehende Versorgungszusage ein. Die Höhe einer im Versorgungsfall zu erbringenden Versorgungsleistung ergibt sich aufgrund der vorzunehmen teleologischen Reduktion des § 613 a BGB ipso jure."
60Diesen zutreffenden Urteilsgründen schließt sich die erkennende Kammer des Arbeitsgerichts Solingen voll umfänglich an.
61Es ist lediglich ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
62Anderweitige Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Nach Auffassung der Kammer hat der Kläger keine Haftung der Beklagten aufgrund des Schreibens vom 23.04.2009 geltend gemacht. Für diesen Fall hätte der Kläger übrigens einen weiteren Streitgegenstand eingeführt, so dass er eine Prüfungsreihenfolge hätte vorgeben müssen; andernfalls wäre die Klage bereits unzulässig.
63Absoluten Vorrang hat der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Aus diesem Grund ist die Haftung gemäß § 613a BGB beschränkt worden. Diese Beschränkung ist auch europarechtlich zulässig (BAG, 30.10.2008 - 8 AZR 54/07). Der Kläger begehrt im Ergebnis so gestellt zu werden, als ob sein Anspruch auf Leistung einer betrieblichen Altersversorgung nicht von der Insolvenz betroffen worden wäre. Er begehrt die volle Leistung und lässt sich allein die Leistungen des PSV in Abzug bringen. Ein solches Ergebnis ist nicht mit den obigen Grundsätzen in Einklang zu bringen. Zwar ist richtig, dass sich der Anspruch aus der jeweiligen Versorgungsordnung errechnet. Treten die übernommenen Arbeitnehmer in den Ruhestand, so ist ihre Betriebsrente nach den maßgebenden Versorgungsgrundsätzen zu ermitteln. Alle Versorgungszusagen bleiben Inhalt der übernommenen Arbeitsverhältnisse, soweit sie nicht in der folgenden Zeit geändert werden (BAG, 17.01.1980 - 3 AZR 160/79, Rn. 38). Inwieweit sich die Zeiten der Betriebszugehörigkeit auf die Rentenhöhe auswirken, richtet sich nach der Leistungskurve, die sich aus der Versorgungszusage ergibt. Das zwingt dazu, auch zurückliegende Zeiten vor der Insolvenzeröffnung und der Betriebsveräußerung zu berücksichtigen (BAG, 17.01.1980 - 3 AZR 160/79, Rn. 38).
64Entgegen der Auffassung der klägerischen Partei führt dies aber nicht dazu, dass der Betriebserwerber in vollem Umfang haftet mit der Maßgabe, dass lediglich die Leistungen des PSV in Abzug zu bringen sind. Dabei würde zum einen im Ergebnis die Insolvenz unberücksichtigt gelassen sowie zum anderen der Umstand, dass der Anteil des PSV nicht dynamisch ausgestaltet ist. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG, wonach der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch verfallbaren Anwartschaften nicht der Haftung des Betriebserwerbers zuzuordnen sind (BAG, 29.10.1985 - 3 AZR 485/83, Rn. 36). Hinsichtlich der Dynamik bestanden lediglich verfallbare Anwartschaften. Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass die Beklagte die GBV und damit Versorgungsordnung hätte kündigen können. Der Haftungsumfang beim Betriebserwerb im Rahmen der Insolvenz richtet sich nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und wird nicht vom Verhalten des Erwerbers im Nachhinein bestimmt. Im Übrigen wäre bei einem solchen Verständnis jeder Erwerber faktisch gezwungen, eine entsprechende Regelung zu kündigen. Damit wären betroffene Arbeitnehmer nicht besser gestellt.
65Vor diesem Hintergrund erscheint die von der Beklagten, im Termin nochmals klargestellte Berechnungsweise zutreffend: Der Versorgungsanspruch wird nicht mit Insolvenzeröffnung neu berechnet, d.h. die Berechnung beginnt nicht bei "Null". Vielmehr richtet sich die Berechnung nach der Versorgungsordnung. Sodann wird der Anspruch zeitlich in Verhältnis gesetzt: Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung und Zeitraum ab Insolvenzeröffnung. Nur für den letzteren haftet die Beklagte als Erwerberin.
66B.
67Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.
68C.
69Der Streitwert war gemäß § 61 Satz 1 ArbGG im Urteil festzusetzen, wobei von dem 42-fachen Differenzbetrag ausgegangen wurde.
70RECHTSMITTELBELEHRUNG
71Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
72Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
73Landesarbeitsgericht Düsseldorf
74Ludwig-Erhard-Allee 21
7540227 Düsseldorf
76Fax: 0211 7770-2199
77eingegangen sein.
78Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
79Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
80Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
811.Rechtsanwälte,
822.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
833.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
84Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
85* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
86Dr. Hamacher