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Arbeitsgericht Oberhausen, 4 BVGa 5/13

Datum:
19.09.2013
Gericht:
Arbeitsgericht Oberhausen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 BVGa 5/13
ECLI:
ECLI:DE:ARBGOB:2013:0919.4BVGA5.13.00
 
Schlagworte:
Mitbestimmung Dienstplan ÖPNV
Normen:
§§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 23 Abs. 3, 76 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:

Einzelfallentscheidung zum Antrag des Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung der Durchführung eines Dienstplanes, der durch einen Einigungsstellenspruch zu Stande gekommen ist. Dem Betriebsrat steht ein allgemeiner Unterlassungsanspruch, der nicht von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG abhängig ist, zusteht, wenn der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verletzt, indem er ohne Zustimmung des Betriebsrates einseitig Dienstpläne aufstellt und diese durchführt. Dieser Unterlassungsanspruch kann, sofern ein Verfügungsgrund vorliegt, im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchgesetzt werden. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes setzt ein eindeutig überwiegendes Interesse des Betriebsrates an der Unterlassung voraus. Es kommt für den Verfügungsgrund nicht alleinentscheidend darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausübung seiner Rechte ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird. Maßgeblich ist in erster Linie, ob der Schutz der Arbeitnehmer in der Zeit bis zum Inkrafttreten einer mitbestimmten Regelung oder einer rechtskräftigen Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren unwiderleglich vereitelt wird und dies zu wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft führt. Verletzt der Arbeitgeber fortgesetzt und eindeutig bestehende Mitbestimmungsrechte, bedarf es in diesem Zusammenhang keiner in die Einzelheiten gehende Feststellung der Nachteile für die Belegschaft.

 
Tenor:

Die Anträge des Betriebsrates werden zurückgewiesen

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über Unterlassungsansprüche wegen Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Aufstellung von Dienstplänen.

Der Antragsteller ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein von der T. betriebenes Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, das Bus- und Straßenbahnlinien betreibt.

Der Einsatz des Fahrpersonals im Nahverkehr wird über Dienstpläne geregelt. Die Zuordnung der Fahrer zu den einzelnen Dienstplänen erfolgte bisher durch den Arbeitgeber ohne weitere Beteiligung des Betriebsrates.

Die T. fasste u.a. den Beschluss, das Liniennetz im ×. zum 09.06.2013 "auszudünnen". Die Arbeitgeberin stellte deshalb im Juni 2013 veränderte Dienstpläne für den Bus- und Straßenbahnverkehr auf und setzte den sog. "Feriendienstplan" ohne Zustimmung des Betriebsrates in Kraft.

Der Betriebsrat leitet daraufhin vor dem Arbeitsgericht P. ein Beschlussverfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein, das unter dem Aktenzeichen 3 BVGa 4/13 anhängig war. Die Arbeitgeberin leitet vor dem Arbeitsgericht P. mit Schriftsatz vom 23.07.2013 ein Verfahren gemäß § 98 ArbGG auf Einsetzung einer Einigungsstelle über Dienstpläne für den Zeitraum vom 22.07.2013 bis 03.09.2013 ein. Das Verfahren 4 BV 38/13 endet durch einen Vergleich. Hinsichtlich des Inhalts dieses Vergleichs wird auf Bl. 9 R. d.A. verwiesen.

Am 06.08.2013 schlossen die Beteiligten im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens unter Vorsitz der Direktorin des Arbeitsgerichts Wuppertal, Frau S., eine Betriebsvereinbarung über die Dienstpläne für die Zeit vom 06.08.2013 bis einschließlich 03.09.2013 ab. Hinsichtlich des Inhalts dieser Betriebsvereinbarung wird auf Bl. 11 d.A. verwiesen.

Die Arbeitgeberin leitetet dem Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 24.07.2013 (Bl. 174 f. d.A.) für die Zeit ab dem 04.09.2013 einen Dienstplan Bus (Hauptturnus, Nebenturnus und Teilzeitturnus) zur Zustimmung zu, der, wie in diesem Schreiben ausgeführt ist, inhaltlich dem ursprünglichen Dienstplan vom 09.06.2013 bis zum 21.07.2013 entspracht, der vom Betriebsrat befristet genehmigt wurde. Mit einem Schreiben vom 07.08.2013 (Bl. 176 f. d.A.) übersandte die Arbeitgeberin für die Zeit ab dem 04.09.2013 den sog. Dienstplan "Strab" und den sog. "Kombidienstplan" mit Bitte um Zustimmung.

Der Betriebsrat stimmte diesen Dienstplänen nicht zu.

Mit Schreiben vom 14.08.2013 (Bl. 189 f. d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat u.a. mit, dass diese die Einigungsstelle anrufe, die über die Dienstpläne "Bus" (Hauptturnus, Nebenturnus und Teilzeitturnus), den "Kombidienstplan" und den Dienstplan "Strab" ab dem 04.09.2013 entscheiden solle. Als Vorsitzende schlug die Arbeitgeberin Frau S. vor.

In einem weiteren Beschlussverfahren, das unter dem Aktenzeichen 3 BV 41/13 vor dem Arbeitsgericht P. zwischen den Beteiligten geführt wurde, stelle die Vorsitzende der 3. Kammer mit Beschluss vom 26.08.2013 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs fest, der u.a. den folgenden Inhalt hat:

1.Vorsitzende einer Einigungsstelle über die Verhandlung (i) der Dienstpläne Bus (Hauptturnus, Nebenturnus und Teilzeitturnus), (ii) den Kombidienstplan und (iii) den Dienstplan Strab, jeweils ab dem 04.09.2013, wird die Direktorin des Arbeitsgerichts Wuppertal, G..

2.Sollte G. den Einigungsstellenvorsitz ablehnen, sind sich die Parteien einig, dass die Bestimmung der Person des Einigungsstellenvorsitzenden G. übertragen wird.

[…]

Da Frau Direktorin E. den Vorsitz der Einigungsstelle nicht übernehmen konnte, bestimmte sie den Richter am Arbeitsgericht Herrn K., der am Arbeitsgericht Düsseldorf tätig ist, zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand gemäß dem Vergleich vom 26.08.2013.

Die Einigungsstelle unter Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht Herrn K. tagte erstmals am 11.09.2013. Am 16.09.2013 verkündete die Einigungsstelle um 23:00 Uhr gegen die Stimmen der Beisitzer des Betriebsrates gemäß dem Antrag der Arbeitgeberin den folgenden Spruch:

"Die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die

?Dienstpläne (Hauptturnuns, Nebenturnus und Teilzeitturnuns),

?Kombidienstplan

?Dienstplan Strab,

jeweils mit Gültigkeit ab dem 04.09.2013 wird gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens durch diesen Spruch ersetzt."

Die in dem Spruch der Einigungsstelle genannten Dienstpläne wurden dem Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 24.07.2013 und mit Schreiben vom 07.08.2013 zur Zustimmung zugeleitet.

Mit Schriftsatz vom 12.09.2013 hat der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingeleitet. Mit Schriftsatz 17.09.2013 hat der Betriebsrat das Verfahren um den Antrag, die Arbeitgeberin "zu verurteilen", es zu unterlassen, Beschäftigte den Dienstplänen, die dem Betriebsrat mit Schreiben vom 24.07.2013 und vom 07.08.2013 zugeleitet wurden, zuzuordnen, erweitert.

Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, dass trotz des Spruches der Einigungsstelle vom 16.09.2013 die Anträge aus der Antragsschrift vom 12.09.2013, die er für zulässig hält, weiterhin begründet seien. Der Betriebsrat hält den Spruch der Einigungsstelle vom 16.09.2013 für offensichtlich rechtswidrig. Er habe dem Vorsitzenden der Einigungsstelle anhand der "Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen" (DF Bus) aufgezeigt, dass aufgrund der in der DF-Bus enthaltenen Verpflichtung, während der Wartezeit an Endhaltestelle bestimmte Tätigkeiten zu verrichten, die Pausenzeiten zu knapp bemessen seien. Da nur solche Unterbrechungen als Pause gelten könnten, die mindestens 10 Minuten dauerten und die Arbeitgeberin hier lediglich eine Minute pro Fahrt als Verspätung vorgesehen habe, müsse es zwangsläufig zu Eingriffen in die Pausenzeiten kommen. Auf den Vorhalt des Betriebsrates, dass die Leitstellenberichte zeigten, dass die vorgeschriebenen Pausen mit den Dienstplänen nicht eingehalten werden könnten, habe der Vorsitzende der Einigungsstelle erwidert, dass er nicht alle Anlagen lesen müsse. Es handele sich bei dem Spruch der Einigungsstelle weder um eine vorläufige Regelung, sondern um eine Einmischung in die Kompetenz des Arbeitsgerichts. Die getroffene Entscheidung sei eine spiegelverkehrte einstweilige Verfügung, mit der der Arbeitgeber eine einstweilige Regelung eines Zustandes habe erzielen wollen. In dem Beschlussantrag sei darauf hingewiesen worden, dass die Dienstpläne dem Betriebsrat mit Schreiben vom 24.07.2013 und mit Schreiben vom 07.08.2013 zur Zustimmung vorgelegen hätten. Ob dem Einigungsstellenvorsitzenden diese Dienstpläne vorgelegen haben, sei dem Betriebsrat nicht bekannt. Eine inhaltliche Diskussion habe - abgesehen von den Einwänden des Betriebsrats hiergegen - nicht stattgefunden. Der Einigungsstellenvorsitzende habe verlauten lassen, dass es ihm vor allem darum gegangen sei, den betriebsverfassungsrechtlichen Zustand zu beseitigen. Hierfür habe er auf eine inhaltliche Besprechung der Dienstpläne verzichten können, weil ihm auch von Seiten des Betriebsrates keine relevanten Einwände hiergegen bekannt gemacht worden seien. Die Dienstpläne enthielten lediglich die Dienstzeiten, die am jeweiligen Arbeitstag zu verrichten seien. Jeder Dienst habe einen anderen Zuschnitt, da andere Buslinien zu bedienen seien. Deshalb seien auch die Dienstzeiten in jedem Dienstplan anders. Jeder Dienstplan werde einem Fahrer/eine Fahrerin persönlich zugeordnet. Für die individuellen Arbeitszeiten sei daher einerseits die Zuordnung zu den Dienstplänen maßgeblich. Diese Zuordnung betreffe andererseits auch den Ablauf sowie die Reihenfolge, in denen die Dienste hintereinander gefahren werden müssten. Über beide Fragestellungen sei keine Festlegung der Einigungsstelle getroffen worden. Auch aus den vorgelegten Dienstplänen ergebe sich dieser Sachverhalt nicht. Die Einigungsstelle habe sich ohne erneute Terminierung auf unbestimmte Zeit vertagt. Da keine Zuordnung der Beschäftigten zu den Diensten existiert, sei hier keine Regelung getroffen worden, die den betriebsverfassungswidrigen Zustand beseitige. Zwar existierten jetzt von der Einigungsstelle abgestimmte Dienstpläne, jedoch sei, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden habe, die Zuordnung der Beschäftigten zu diesen Diensten in gleicher Weise mitbestimmungspflichtig. Es handele sich auch nicht um eine vorläufige Regelung. In den vergangen Jahren sei es jeweils zu den Herbstferien zu einer Veränderung der Dienstpläne gekommen, weil der Schülerverkehr wegfallen sei. Es sei damit zu rechnen, dass bereits Ende Oktober ein neuer Dienstplan vorgelegt werde. Da die Einigungsstelle trotz Bereitschaft der Beisitzer auf Seiten des Betriebsrates, im September 2013 einen weiteren Termin durchzuführen, sich hierzu nicht habe bereitfinden können, sei die Regelung als endgültige anzusehen. Eine solche Regelungskompetenz habe die Einigungsstelle nicht.

Der Betriebsrat beantragt sinngemäß,

der Beteiligten zu 2.) aufzugeben,

1.die Dienste TA 11 im Bus-Dienstplan (Montag bis Donnerstag) ab 04.09.2013, bis auf die mit dem Feriendienstplan gültig ab dem 22.07.2013 identischen Dienste 114 in TA 11 und 523 in TA 11 zu unterlassen,

2.weiter sämtliche Dienste der Dienstgruppe TA 12 (Freitag) ab 04.09.2013 bis auf die mit dem Feriendienstplan Bus, gültig ab dem 22.07.2013, identischen Dienste

-Dienst 156 in TA 12 identisch mit Dienst 153 in TA 72

-Dienst 205 in TA 12 identisch mit Dienst 205 in TA 72

-Dienst 401 in TA 12 identisch mit Dienst 402 in TA 72

-Dienst 512 in TA 12 identisch mit Dienst 520 in TA 72

-Dienst 523 in TA 12 identisch mit Dienst 527 in TA 72 zu unterlassen,

3.weiter sämtliche Dienste des Bus-Dienstplans der Dienstgruppe TA 13 (Samstag) ab 04.09.2013, bis auf die mit dem Feriendienstplan, gültig ab dem 22.07.2013, identischen Dienste

-Dienst 111 in TA 13 identisch mit Dienst 111 in TA 73

-Dienst 113 in TA 13 identisch mit Dienst 114 in TA 73

-Dienst 313 in TA 13 identisch mit Dienst 312 in TA 73

-Dienst 412 in TA 13 identisch mit Dienst 410 in TA 73

-Dienst 501 in TA 13 identisch mit Dienst 502 in TA 73

-Dienst 517 in TA 13 identisch mit Dienst 521 in TA 73

-Dienst 520 in TA 13 identisch mit Dienst 524 in TA 73

-Dienst 524 in TA 13 identisch mit Dienst 528 in TA 73

-Dienst 527 in TA 13 identisch mit Dienst 532 in TA 73

-Dienst 606 in TA 13 identisch mit Dienst 606 in TA 73 zu unterlasen,

4.weiter die Dienste aus dem Strab-Dienstplan ab dem 04.09.2013 zu unterlassen,

5.ferner sämtliche Dienste nach dem sog. Kombi-Dienstplan ab dem 04.09.2013 zu unterlassen,

6.sämtliche Dienste aus dem Teilzeitdienstplan zu unterlassen,

7.es zu unterlassen, Beschäftigte den Dienstplänen, die dem Betriebsrat mit Schreiben vom 24.07.2013 und vom 07.08.2013 zugeleitet wurden, zuzuordnen,

8.für jeden Tag und Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anträge zu 1.) bis 7.) ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 10.000 € anzudrohen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hält die Anträge für unzulässig. Die Anträge seien auch unbegründet. Es liege kein Verfügungsgrund vor. Es sei offensichtlich nicht gerechtfertigt, die Zuständigkeit der eingerichteten Einigungsstelle durch den gerichtlichen Erlass einer einstweiligen Verfügung zu unterlaufen. Es könne vor diesen Erwägungen auch dahinstehen, dass auch die im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes notwendige vorzunehmende Interessenabwägung klar ergebe, dass das Interesse des Betriebsrates am Erlass der einstweiligen Verfügung nicht überwiege. Etwaigen - unbenannten - Beeinträchtigungen des Betriebsrates stünden erhebliche materielle Nachteile für die Arbeitgeberin gegenüber, wenn sie die von der T. vergebenen Verkehrsdienstleistungen nicht erbringe bzw. diese nicht erbringen könne. Darüber hinaus stünden mit der Zuverlässigkeit der öffentlichen Verkehrsbedienungen gewichtige Interessen der Allgemeinheit auf dem Spiel.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

 
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