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1. Verursacht ein Arbeitskollege eine Explosion dadurch, dass er eine übermäßige Menge Raumspray in einem Toilettenraum des Betriebs versprüht, so haftet er seinem hierbei verletzten Kollegen auf Schmerzensgeld. Zu den Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 SGB VII (hier verneint).
1.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von € 20.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2009 zu zahlen.
2.Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 19.09.2006 im F.-Markt Zur I. in F. zu ersetzen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4.Streitwert: € 25.000,00.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um einen Schmerzensgeldanspruch.
3Die Parteien waren Arbeitnehmer desselben Betriebs, eines Supermarktes. Der Beklagte ist am 7.9.1979 geboren. Am 19.9.2006 suchte der Kläger die Mitarbeitertoilette auf. Während er die Toilette benutzte, wurde der Inhalt von zwei bis drei Dosen Raumspray in den Raum gesprüht. Hierbei wurde der Mechanismus der Spraydosen durch das Verwenden von Papierkügelchen so manipuliert, dass die Spraydosen dauerhaft sprühten. Auf die entsprechenden Fotos (Bl. 7 d.A.) wird Bezug genommen.
4Die Sprühdosen hatte der Zeuge G. in den Toilettenraum gebracht. Ob dies aus Eigeninitiative oder auf Anweisung des Beklagten geschah, wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt.
5Es kam anschließend zu einer Explosion, wobei ungeklärt blieb, wodurch sich das Luft-Gas-Gemisch letztlich entzündete. Der Kläger wurde bei der Explosion lebensgefährlich verletzt und erlitt Verbrennungen 2. Grades an 31% seines Körpers. Wegen der Einzelheiten wird auf das fachärztliche Gutachten vom 12.4.2007 (Bl. 10 d.A.) Bezug genommen. Der Beklagte, der sich bei der Explosion auch in dem Toilettenraum aufhielt, wurde ebenfalls schwer verletzt. Im Toilettenraum sowie in angrenzenden Räumen entstand erheblicher Sachschaden. Beide Parteien haben ihrer Einlassung nach kaum Erinnerungen den Unfallhergang.
6Der Kläger wurde zunächst bis zum 6.10.2006 auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt und wurde nach weiterem stationären Aufenthalt am 13.10.2006 aus dem Krankenhaus entlassen. Er leidet nach wie vor unter den Verbrennungen, in Form von Juckreiz und schmerzhaften Beeinträchtigungen beim Schwitzen. Auch war eine psychologische Behandlung aufgrund des erlittenen Schocks notwendig. Der Heilungsverlauf hinsichtlich der Folgen der Verbrennungen ist noch ungewiss, gegebenenfalls wird in Zukunft eine Hauttransplantation erforderlich sein.
7Mit seiner am 10.6.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 15.6.2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten Schmerzensgeld und nach einer Klageerhöhung zusätzliche Feststellungen.
8Der Kläger behauptet, der Beklagte habe sich zunächst beim Zeugen H. über die vom Kläger auf der Toilette verursachten Gerüche beschwert. Der Beklagte habe sodann den Zeugen G. angewiesen, mehrere Dosen Raumspray zur Toilette zu bringen. Der Beklagte habe dann unter Verwendung von geformten Papierkügelchen die Dosen auf Dauerbetrieb gestellt, obwohl der Zeuge G. ihn angewiesen habe, damit aufzuhören.
9Der Kläger beantragt,
101.den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber € 20.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2009 zu zahlen.
112.festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 19.09.2006 im F.-Markt Zur I. in F. zu ersetzten.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte bestreitet, die Explosion verursacht zu haben. Vielmehr sei es der Zeuge G. gewesen, der sich über die Gerüche beschwert habe und den Vorraum der Toilette mit den Dosen betreten habe.
15Das Gericht hat die Verfahrensakte 39 Ls-70Js 546/06-518/07 beigezogen. Sie war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf den mit Einverständnis der Parteien zur Akte genommenen Auszug aus dieser Verfahrensakte wird Bezug genommen. Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. und H.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.2.2010 Bezug genommen. Für das weitere Vorbringen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 1.10.2009, 16.12.2009 und 17.2.2010 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist zulässig und begründet.
18A. Das Arbeitsgericht ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG zuständig. Für eine Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 108 Abs. 1 u. 2 SGB VII bestehen keine Anhaltspunkte. Das Gericht hat daher von einer Aussetzung abgesehen.
19B. Die Klage auf die Zahlung von Schmerzensgeld ist zulässig und begründet.
20I. Die Klage ist zulässig. Sie scheitert nicht an § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist anerkannt, dass der Anspruchsteller eines Schmerzensgeldanspruchs lediglich einen Mindestbetrag seiner Forderung anzugeben hat (Zöller/Greger, § 253 ZPO Rn. 14 m.w.N.). Diesem Erfordernis ist der Kläger nachgekommen.
21II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 1 u. 2 BGB in Höhe von 20.000,- EUR. Der Beklagte hat gegenüber dem Kläger eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB begangen.
221. Dass der Kläger schwere Verletzungen an seinem Körper bei der Explosion erlitten hat, ist unstreitig.
232. Der Beklagte ist für diese Verletzungen auch kausal verantwortlich. Er hat einen wesentlichen Kausalbeitrag durch das Versprühen einer großen Menge Duftspray geleistet und die Verletzungen des Klägers sind dem Beklagten auch objektiv zurechenbar.
24a) Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 BGB), dass der Beklagte eine große Menge Duftspray in dem Toilettenraum versprüht hat. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Grundlage der Beweiswürdigung ist damit das gesamte Ergebnis der Beweisaufnahme, darüber hinaus aber auch jede sonstige Wahrnehmung aus der mündlichen Verhandlung (Zöller/Greger, § 286 ZPO Rn. 2). § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Dies bedeutet, dass der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Er darf also zum Beispiel trotz mehrerer bestätigende Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, § 286 ZPO Rn. 13). Nach § 286 Abs. 1 ZPO bezieht sich die Beweiswürdigung auf den gesamten Inhalt der Verhandlungen. Verwertbar ist deshalb der Inhalt der Schriftsätze und ihrer Anlagen, die Äußerungen der Parteien gemäß § 141 ZPO, aber auch Art, Zusammenhang und Zeitpunkt des Vorbringens, etwa eine Verletzung der Wahrheitspflicht oder eine nicht durch die Prozessentwicklung erklärbare Änderung des Sachvortrags (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 5.7.1995 - KZR 15/94, NJW-RR 1995, 1340).
25§ 286 Abs. 1 ZPO regelt nicht nur den Vorgang der freien Beweiswürdigung, sondern zugleich deren Ziel, dass Beweismaß. Dies ist das Kriterium für das Bewiesensein der streitigen Behauptung. Danach ist für das Bewiesensein erforderlich, dass der Richter davon überzeugt ist, dass die streitige Behauptung der Wahrheit entspricht. Eine bloßes glauben, wähnen oder für wahrscheinlich halten berechtigt den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals. Rechtsfehlerhaft wäre es aber, einen Beweis deswegen als nicht erbracht anzusehen, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden konnte. Der Richter muss sich vielmehr mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, Welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245; BGH, Urt. v.6.6.1973 - IV ZR 164/71, BGHZ 61, 169; BGH, Urt. v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935).
26b) Die Kammer hat im vorliegenden Fall eine Beweisaufnahme durchgeführt, obwohl der Beklagte offensichtlich bei dem Unfall selbst anwesend war, da er sonst nicht ebenfalls verletzt worden wäre. Die Kammer hat es in dieser Situation für eine zulässige prozessuale Vorgehensweise des Beklagten gehalten, die eigene Verursachung des Schadens (mit Nichtwissen) zu bestreiten, weil die Kammer es für nachvollziehbar hält, dass der Beklagte sich an den Vorfall nicht mehr erinnern kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2001 - I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612).
27Die Beweisaufnahme hat eindeutig ergeben, dass der Beklagte das Raumspray versprüht hat. Zunächst ist festzustellen, dass sich zum Zeitpunkt der Explosion lediglich der Kläger und der Beklagte in dem Toilettenraum aufhielten. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sich die Dosen mit dem Raumspray selbst beschafft hat, spricht diese Tatsache schon in erheblicher Weise für eine Verursachung der Explosion durch den Beklagten. Darüber hinaus hat der Zeuge G. ausgesagt, er sei vom Beklagten angewiesen worden, das Raumspray in den Bereich der Toiletten zu bringen. Auch hat der Zeuge G. bekunden können, dass der Beklagte das Raumspray mit Papierkügelchen auf einen Dauerbetrieb gestellt hat. Der Zeuge G. ist glaubwürdig, seine Aussage glaubhaft. Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass der Zeuge G. zwar neben dem Beklagten allein als Verursacher in Frage kommt. Jedoch hat der Zeuge G. auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache - und nach entsprechendem Hinweis auf § 384 ZPO - einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Er hat die Ereignisse durchaus glaubhaft geschildert. Soweit kleinere Widersprüche zur Aussage des Zeugen H. oder zu seiner eigenen Aussage im Strafverfahren aufgetreten sind, spricht dies nicht gegen seine Glaubwürdigkeit, zumal der Vorfall zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme schon dreieinhalb Jahre vorüber war. Der Zeuge G. machte einen ruhigen Eindruck und war erkennbar bemüht, dem Gericht bei der Ermittlung des Sachverhalts zu helfen. Darüber hinaus spricht gegen die Täterschaft des Zeugen G. auch die Tatsache, dass er unstreitig bei der Explosion im Gegensatz zum Beklagten nicht zugegen war. Der Zeuge H., der im Übrigen nicht viel zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen konnte, hat überdies glaubhaft ausgesagt, dass der Zeuge G. sich zumindest in dem Moment, in welchem der Zeuge H. unmittelbar nach der Explosion wieder den fraglichen Bereich betrat, im Büro aufhielt. Nach alledem war die Kammer insbesondere aus zwei Gründen davon überzeugt, dass der Beklagte das Raumspray versprüht hat: Nach dem vom Zeugen G. geschilderten Geschehensablauf war der Beklagte in jedem Fall der Täter, doch selbst wenn dieser Zeugenaussage keine überragende Bedeutung beigemessen werden würde, verbleibt kein realitätsnaher alternativer Sachverhalt. Es ist unstreitig, dass weder der Zeuge H. noch der Kläger selbst das Raumspray verwendet haben. Wenn es der Zeuge G. gewesen wäre, dann müsste dieser das Raumspray versprüht haben, nachdem sich der Beklagte vorübergehend aus dem Toilettenraum entfernt hätte. Ferner müsste sich dann der Zeuge G. entfernt haben und der Beklagte müsste unmittelbar (im Zeitraum von ca. 2-3 Minuten) zurückgekehrt sein, um dann zufälliges Opfer der Explosion zu werden. Es besteht allerdings kein Grund, welcher den Beklagten veranlasst haben könnte, nach derart kurzer Zeit in den Toilettenraum zurückzukehren. Diesen alternativen Geschehensablauf hält die Kammer aus den geschilderten Erwägungen für nicht realitätsnah. Das Gericht ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Beklagte das Raumspray in der geschilderten Weise verwendet hat.
283. Der Beklagte hat hierbei fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 1 u. 2 BGB gehandelt. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Dies ergibt sich schon daraus, dass er die Sprühdosen so manipuliert hat, dass sie im Dauerbetrieb sprühten, was vom Hersteller offenbar nicht vorgesehen war. Dass das in solchen Dosen verwendete Treibgas leicht entzündlich ist, damit musste der Beklagte jedenfalls rechnen. Auch kann nie ausgeschlossen werden, dass es zu einer Entzündung eines solchen Gas-Luft-Gemischs kommt. Die Parteien haben im Laufe des Verfahrens im Anschluss an eine entsprechende Zeugenaussage im Strafverfahren geäußert, eine Entzündung könne auch durch ein angeschaltetes Mobiltelefon, etwa bei einer eingehenden sms, erfolgen. Insofern konnte die Kammer an dieser Stelle offen lassen, wie die Explosion letztlich verursacht wurde.
294. Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) liegt nicht vor. Der Beklagte hätte hierbei darlegen und beweisen müssen, dass die Explosion etwa auch dadurch verursacht wurde, dass der Kläger auf der Toilette geraucht habe oder mit Feuer gespielt habe. Auf diese im Strafprozess erörterte Möglichkeit hat sich der Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Dass der Kläger möglicherweise bei dem Gang auf die Toilette sein Mobiltelefon empfangsbereit hielt und dadurch möglicherweise auch eine Ursache für die Explosion setzte, ist ein Verhalten, welches jedenfalls kein Mitverschulden begründen kann, sondern in jeder Hinsicht rechtlich neutral ist.
305. Das Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) hat die Kammer der Höhe nach mit 20.000,- EUR festgesetzt. Die Kammer hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes einerseits das Ausmaß und die Schwere der bislang erlittenen physischen und psychischen Verletzungen berücksichtigt, hinzu das Maß der Lebensbeeinträchtigung. Darüber hinaus war auch das Maß des Verschuldens des Beklagten zu berücksichtigen und dessen Leistungsfähigkeit (vgl. Palandt/Heinrichs, § 253 ZPO RN. 19 ff.). Unter Zugrundelegung der erlittenen Verletzungen mag das zuerkannte Schmerzensgeld noch relativ gering sein. So hat das LG Duisburg bereits im Jahr 1993 ein Schmerzensgeld von umgerechnet 92.032,54 EUR für Verbrennungen 2. und 3. Grades an 32% des Körpers zuerkannt. In einem anderen Fall hat das LG F. im Jahr 1991 umgerechnet 35.790,43 EUR bei Verbrennungen 3. Grades an 40% der Hautoberfläche ausgeurteilt (www.beck-online.de, Schmerzensgeldtabelle Stichwort Verbrennungen). Allerdings haben sich die Verhältnisse des Beklagten anspruchsmindernd ausgewirkt. Dieser ist noch relativ jung und derzeit arbeitslos und wird kaum in der Lage sein, das Schmerzensgeld für den Kläger in angemessener Zeit aufzubringen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte den Kläger mit seiner Verhaltensweise nicht schädigen oder gefährden wollte. Die Kammer hat jedenfalls keine Hinweise für eine derartige Gefährdungsabsicht. Es ging allenfalls darum, den Kläger zu necken oder zu ärgern. Dass es zu einer derart verheerenden Explosion gekommen ist, hat der Beklagte nicht vorausgesehen. Er hat zwar eine entscheidende Ursache bewusst gesetzt, doch die schwerwiegenden Folgen waren auch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Zuletzt hat die Kammer berücksichtigt, dass der Beklagte durch die Explosion ebenfalls schwer verletzt wurde. Insofern hielt die Kammer das vom Kläger als Mindestbetrag geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,- EUR für angemessen, aber auch ausreichend.
31II. Die Ersatzpflicht des Beklagten ist auch nicht nach § 105 SGB VIl ausgeschlossen.
321. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, zum Ersatz des Personenschadens nur bei Vorsatz oder bei einem Wegeunfall verpflichtet. Der Haftungsausschluss umfasst auch und insbesondere solche Schäden, die nicht vom Träger der Unfallversicherung erstattet werden, wie etwa Schmerzensgeld (BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII). Auf diese Weise wird - verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 7.11.1972 - 1 BvL 17/71 u.a., BVerfGE 34, 118) - die Kollision von Zivil- und Sozialrecht gelöst, welche dadurch entsteht, dass der zur Unfallversicherung allein herangezogene Arbeitgeber bei Personenschäden, die durch fahrlässiges Handeln von Arbeitskollegen untereinander verursacht werden, bei Anerkennung einer Ersatzpflicht der Arbeitnehmer untereinander befürchten müsste, nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zusätzlich in Regress genommen zu werden (vgl. BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII). Der Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII ist allerdings auf betriebliche Tätigkeiten beschränkt, da auch nur bei solchen ein innerbetrieblicher Schadensausgleich zulasten des Arbeitgebers stattfinden kann (BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994 - GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; ErfK/Rolfs, § 105 SGB VII Rn. 3).
33Die Kammer folgt im Ergebnis der Rechtsauffassung, die beide Parteien während des Verfahrens haben zum Ausdruck kommen lassen, dass nämlich der Unfall nicht durch eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 105 SGB VII verursacht wurde (vgl. einerseits Klageschrift Bl. 6 d.A. und andererseits Klageerwiderung, Bl. 21 d.A.). Betrieblich ist eine Tätigkeit, die dem Arbeitnehmer, der einen Schaden verursacht, entweder ausdrücklich von dem Betrieb und für den Betrieb übertragen ist oder die er im Interesse des Betriebes ausführt, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis steht und in diesem Sinne betriebsbezogen ist (BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG, Urt. v. 18.01.2007 - 8 AZR 250/06, AP Nr. 15 zu § 254 BGB; ErfK/Rolfs, § 115 SGB VII Rn. 3). Entscheidend ist nicht, ob die zu dem schädigenden Ereignis führende Arbeitstätigkeit zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehört, wenn sie nur überhaupt mit dem Betriebszweck in Zusammenhang steht (ErfK/Rolfs, § 105 SGB VII Rn. 3 m.w.N.). Andererseits ist die missbräuchliche Benutzung eines Betriebsmittels für die Annahme einer betrieblichen Veranlassung nicht ausreichend (BAG, Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Tritt der Personenschaden bei einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei ein, so wurde er nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht. Vielmehr ist der Unfall dann dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzuordnen (BAG, Urt. v. 9.8.1966 - 1 AZR 426/65, AP Nr. 1 zu § 637 RVO; BGH, Urt. v. 30.6.1998 - VI ZR 286/97, NZA-RR 1998, 454; BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII). Das BAG legt das Erfordernis der betrieblichen Tätigkeit weit aus und hat in einem Fall, bei welchem sich ein Arbeitnehmer über das Zuspätkommen eines anderen Arbeitnehmers geärgert hatte und diesen geschubst hatte, wobei dieser verletzt wurde, eine betriebliche Tätigkeit bejaht und hierzu ausgeführt:
34Für die Haftungsfreistellung ist danach maßgeblich, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit im dargestellten Sinne oder aber bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb durch den Schädiger verursacht wurde und folglich nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt (BAG 9. August 1966 - 1 AZR 426/65 - BAGE 19, 41 = AP RVO § 637 Nr. 1; BGH 30. Juni 1998 - VI ZR 286/97 - NZA-RR 1998, 454). Die Betriebsbezogenheit einer Tätigkeit entfällt daher immer, wenn die schädigende Handlung nach ihrer Anlage und der Intention des Schädigers erst gar nicht auf die Förderung der Betriebsinteressen ausgerichtet ist oder ihnen gar zuwiderläuft (BGH 30. Juni 1998 - VI ZR 286/97 - aaO mwN). Es kommt mithin darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war (Senat 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70). Eine betriebliche Tätigkeit liegt vor, wenn der Schädiger bei objektiver Betrachtungsweise aus seiner Sicht im Betriebsinteresse handeln durfte, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch ist und keinen Exzess darstellt (BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII).
352. Nach diesen Maßstäben handelte es sich im vorliegenden Fall nicht um eine betriebliche Tätigkeit, sondern um eine dem privaten Bereich zuzuordnende Verursachung des Unfalls. Eine andere Auffassung könnte man nur mit dem Argument vertreten, der Beklagte habe durch die Verwendung des Duftsprays entweder die Toilette wieder benutzbar machen wollen oder der Beklagte habe den Kläger dazu bringen wollen, seine Arbeit alsbald wieder aufzunehmen. Dieser Gedanke ist aus verschiedenen Gründen jedoch nicht durchgreifend. Zunächst hat der Beklagte keine solchen Umstände behauptet. Der Beklagte trägt aber die Darlegungs- und Beweislast für die Annahme solcher Motive. Denn § 105 SGB VII stellt eine Ausnahme von der normalweise bestehenden zivilrechtlichen Haftungsverpflichtung dar.
36Doch auch sonst kommt ein Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII nicht in Betracht. Für die Anwendung der Vorschrift spricht zwar, dass sich der Unfall während der Arbeitszeit im Betrieb ereignete. Dies ist für die Annahme einer betrieblichen Tätigkeit jedoch nach den oben formulierten Voraussetzungen nicht entscheidend. Vielmehr kommt es auf den mit der Handlung verfolgten Zweck an. Soweit im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme mögliche Motive des Beklagten erörtert wurden, ergaben sich hieraus auch keine entsprechenden Anhaltspunkte, im Gegenteil. Der auch insoweit glaubwürdige Zeuge G. hat ausgesagt, er habe den Beklagten gleich zweimal darauf hingewiesen, dass er das Versprühen unterlassen solle. Hierbei hat der Zeuge G. den Beklagten sogar noch darauf hingewiesen, dass er den Käse lassen solle, weil der Chef gleich komme. Damit hat der Zeuge G. den Beklagten eindrücklich darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit nicht im betrieblichen Interesse sein könne. Vielmehr war danach zumindest für den Zeugen G. klar, dass die Handlung des Beklagten betrieblichen Interessen sogar zuwiderlief. So darauf hingewiesen, besteht kein Anlass zu der Annahme, dass der Beklagte es trotzdem anders sah, zumal der Zeuge G. diese Handlung nicht als Arbeit des Beklagten einschätzte und darüber hinaus darauf hinwies, dass der gemeinsame Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht dulden würde. Anders kann der Hinweis auf das alsbaldige Eintreffen des Arbeitgebers nicht verstanden werden. Gleiches gilt für die weitere Begründung des Zeugen G., man habe keine Zeit für so etwas, weil der Laden aussehe wie Kraut und Rüben. Deutlicher konnte dem Beklagten - und das, bevor er mit dem Sprühen begann - nicht vor Augen geführt werden, welche Handlungen Betriebsinteressen zu dienen bestimmt sind und welche nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte eine andere Auffassung vertreten hätte und etwa meinte, im betrieblichen Interesse zu handeln.
37Eine betriebliche Tätigkeit kann auch deswegen nicht angenommen werden, weil der Beklagte das offenbar gewünschte Ziel, möglichst viel Duftspray auf einmal freizusetzen, nur durch Manipulation der Dosen mit Papierkügelchen erreichen konnte. Eine solche Tätigkeit kann aus Sicht der Kammer per se nicht im betrieblichen Interesse liegen, sondern muss zwangsläufig diesen zuwiderlaufen. Jedenfalls ist eine Verwendung solchermaßen manipulierter Dosen nicht verkehrsüblich im Sinne der Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII), sondern stellt vielmehr zugleich einen Exzess dar, selbst wenn der Beklagten meinte, auch betriebliche Interessen mit der Beseitigung schlechter Gerüche oder eines übermäßig Pause machenden Arbeitnehmers aus dem Toilettenraum zu verfolgen (vgl. BAG, Urt. v. 22.4.2004 - 8 AZR 159/03, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII). Spätestens, als der Kläger - wie er im Rahmen der Kammerverhandlung geschildert hat - darum gebeten hatte, mit dem Sprühen aufzuhören, hätte der Beklagte daher die Handlungen einstellen müssen.
38Nach alledem greift der Haftungsausschluss des § 105 SGB VII nicht ein. Die Klage ist begründet.
39III. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 ZPO.
40C. Der zusätzliche Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig und begründet.
41I. Der Antrag ist zulässig. Es besteht auch für einen derartigen Antrag das notwendige Feststellungsinteresse, zumal der Kläger deutlich gemacht hat, dass in Zukunft mit weiteren psychischen oder physischen Beeinträchtigungen zu rechnen sei (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2001 - VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431).
42II. Der Antrag ist auch begründet.
43Hinsichtlich der Begründetheit des Antrags kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Da darüber hinaus in Zukunft nach der Darstellung des Klägers mit gewisser Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines weiteren immateriellen Schadens zu rechnen.
44D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat neben dem ausgeurteilten Betrag 25% dieses Betrags für den weiteren Feststellungsantrag gem. § 3 ZPO in Ansatz gebracht.
45Rechtsmittelbelehrung
46Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
47B e r u f u n g
48eingelegt werden.
49Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
50Die Berufung muss
51innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
52beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
53Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
54Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
55* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
56E.