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Einzelfallentscheidung über die Anpassung einer Betriebsrente Anforderungen an die Darlegung zur wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin unter Beachtung der §§ 242 ff HGB
1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.11.2011 eine um 88,87 € monatlich höhere Betriebsrente, insgesamt 2.497,30 € brutto, zu zahlen.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 888,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 434,35 € seit dem 02.06.2011, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 88,87 € seit dem 02.07.2011, aus weiteren 88,87 € seit dem 02.08.2011, aus weiteren 88,87 € seit dem 02.09.2011, aus weiteren 88,87 € seit dem 02.10.2011 sowie aus weiteren 88,87 € seit dem 02.11.2011 zu zahlen.
3.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.Der Streitwert beträgt 4.621,3. €.
5.Die Berufung wird - soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist - nicht gesondert zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2011.
3Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. Juni 1989 beschäftigt. Seit dem 1. Juli 1990 bezieht er von der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung, die seit der letzten Anpassung am 1. Januar 2008 2.408,34 € brutto beträgt.
4Die Beklagte ist Teil des G.-Konzerns bzw. des Konzerns der D. H. NV und entstammt einem Zusammenschluss aus fünf Traktorenherstellern, die sich im Wesentlichen zu den Firmen N. und E. sowie zur International I. Company (ICH) verbanden. Die Produktion wurde im Laufe der Jahre auf andere Konzerngesellschaften übertragen; bei der Beklagten verblieb lediglich der Vertrieb der Traktoren und Landmaschinen. Die Gewinne werden nicht mehr aus der Herstellung, sondern ausschließlich aus dem Verkauf der Landmaschinen erzielt, die von anderen Konzerngesellschaften gefertigt wurden. Mit der Firma D. Baumaschinen GmbH besteht seit dem 19. Dezember 2007 ein Ergebnisabführungsvertrag (Bl. 143 ff. d. GA).
5Mit Schreiben vom 03. März 2011 teilte der mit der Abwicklung der Betriebsrentenangelegenheiten der Beklagten beauftragte Dienstleister Firma B. I. D. E. GmbH dem Kläger mit, eine Anpassung der Betriebsrente zum Stichtag 1. Januar 2011 könne nicht erfolgen.
6Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 14. März 2011 (Bl. 17 d. GA). Über ihre Prozessbevollmächtigten ließ die Beklagte mit Schreiben vom 07. Juli 2011 (Bl. 66 ff. d. GA) mitteilen, sie sei aus wirtschaftlichen Gründen zu einer Anpassung der Rente nicht in der Lage. Dem Schreiben beigefügt waren Kopien von Bilanzen (Bl. 69 ff. d. GA) und Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2007 bis 2010 (Bl. 73 ff. d. GA). Aus diesen Unterlagen leitete die Beklagte Fehlbeträge und Bilanzverluste in Millionenhöhe ab.
7Mit seiner am 06. Juni 2011 bei Gericht eingegangenen Klage, der Beklagten zugestellt am 10. Juni 2011, begehrt der Kläger unter Zugrundelegung einer unstreitigen Steigerung des Verbraucherpreisindexes in der Zeit von Januar 2008 bis Januar 2011 in Höhe von 3,69 % eine Anpassung seiner monatlichen Betriebsrente um 88,87 € auf 2.497,30 €.
8Der Kläger vertritt die Auffassung, die wirtschaftliche Lage der Beklagten lasse eine Anpassung in Höhe der Veränderung des Verbraucherpreisindexes zu. Die von der Beklagten eingereichten Unterlagen seien ohne jeglichen Beweiswert, da es sich um undatierte, nicht unterzeichnete und nicht testierte Bilanzen handele. Zudem fehle der jährliche Lage- und Geschäftsbericht. Die einzelnen Positionen der Bilanzen seien nicht aufgeschlüsselt und daher nicht nachvollziehbar. In Anbetracht des Ergebnisabführungsvertrages mit der D. Baumaschinen GmbH und der Einbindung in den Konzern sei davon auszugehen, dass die Beklagte von den sie beherrschenden Unternehmen gezielt wirtschaftlich so gestaltet werde, dass sie nach dem äußeren Anschein nicht in der Lage sei, die Betriebsrenten anzupassen. Zudem sei nicht ersichtlich, warum die Beklagte trotz der von ihr behaupteten, seit Jahren bestehenden bilanziellen Überschuldung zum 1. Januar 2008 eine Erhöhung der Renten vorgenommen habe.
9Der Kläger beantragt zuletzt,
101.die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.2011 eine um 88,87 € brutto monatlich höhere Betriebsrente, insgesamt also 2.497,30 € brutto zu zahlen;
112.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 888,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 434,35 € seit dem 02.06.2011 sowie Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 88,70 € seit dem 02.07.2011, dem 02.08.2011, dem 02.09.2011, dem 02.10.2011 sowie dem 02.11.2011 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie vertritt die Auffassung zur Anpassung aus wirtschaftlichen Gründen nicht verpflichtet zu sein. Dies ergebe sich aus den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre vor dem Anpassungsstichtag, die in Anbetracht der jährlichen Fehlbeträge und Verlustvorträge eine bilanzielle Überschuldung widerspiegelten. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sei desaströs, und auch die Aussichten für die kommenden Jahre ließen keine Besserung erwarten.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02. November 2011 Bezug genommen.
16E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
17I.
18Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
19Die betriebliche Altersrente des Klägers erhöht sich ab dem 01. Januar 2011 von monatlich 2.408,34 € brutto um 88,87 € auf 2.497,30 € brutto.
20Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach in ihrem Urteil vom 10.11.2011 in dem Parallelverfahren 4 Ca 2256/11 an.
21Diese lauten wie folgt:
22"Der für die Zeit ab dem 1. November 2011 in die Zukunft gerichtete Klageantrag zu 2.) ist in der Sache erfolgreich.
23Dem Kläger steht ab dem Anpassungsstichtag 1. Januar 2011 gemäß § 16 BetrAVG ein Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente und Ausgleich des Kaufkraftverlustes in Höhe des Anstiegs des Verbraucherpreisindexes in der Zeit von Januar 2008 bis Januar 2011 von unstreitigen 3,69 % zu. Damit erhöht sich die betriebliche Altersrente des Klägers von zur Zeit monatlich (…) brutto für den mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachten Zeitraum ab 1. November 2011 um (…) € auf (…) € brutto.
241.
25Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Gerichte haben in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat (BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - AP BetrAVG § 16 Nr. 56, zu II der Gründe, Rn. 17; 23. April 1985 - 3 AZR 156/83 - BAGE 48, 272, 276; 23. April 1985 - 3 AZR 548/82 - BAGE 48, 284 - 293, zu I 2. a der Gründe; 10. September 2002 - 3 AZR 593/01 - AP BetrAVG § 16 Nr. 52, zu II der Gründe).
26Die Belange der Versorgungsempfänger werden durch den Anpassungsbedarf bestimmt, der sich aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust ergibt, der anhand der Veränderungen des Verbraucherpreisindexes für Deutschland zu ermitteln ist.
27Zur Überprüfung der Einhaltung des dem Arbeitgeber eingeräumten Ermessensspielraums bedarf es einer Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers. Die Anpassungsprüfung verpflichtet den Arbeitgeber grundsätzlich, den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Die Belange des Versorgungsempfängers bestehen im Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen (zuletzt BAG 29. September 2010 - 3 AZR 427/08). Hierbei bildet die Anpassung der Betriebsrente den gesetzlichen Regelfall, die Nichtanpassung ist die Ausnahme (BAG 11. März 2008 - 3 AZR 358/06, BAGE 126, 120).
28Der Arbeitgeber darf die Anpassung der Betriebsrente an die Kaufkraftentwicklung hiernach nur insoweit ablehnen, als dadurch sein Unternehmen übermäßig belastet würde. Eine solche übermäßige Belastung hätte vorgelegen, wenn die Beklagte am Stichtag 1. Januar 2011 annehmen durfte, es werde ihr mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein, den Teuerungsausgleich künftig aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung der Betriebsrente entgegen (BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1 bis 11 = AP BetrAVG § 16 Nr. 35, zu I 2 a der Gründe, Rn. 15; 17. Oktober 1995 - 3 AZR 881/94 - AP BetrAVG § 16 Nr. 34, zu II 2 b der Gründe).
29Maßgeblicher Entscheidungs- und Prognosezeitpunkt für die Frage, ob der Arbeitgeber aus eigener Kraft in der Lage ist, einen Teuerungsausgleich zu gewähren, ist der Anpassungsstichtag, während eine spätere tatsächliche Entwicklung die frühere Prognose bestätigen oder entkräften kann. Keine Bedeutung kommt unvorhersehbaren, neuen Rahmenbedingungen zu.
30Den geeigneten Einstieg in die Prüfung der wirtschaftlichen Lage bilden die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse, wie Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber (BAG 23. April 1985 - 3 AZR 548/82 - BAGE 48, 284 bis 293, zu I 2 der Gründe, Rn. 41). Die wirtschaftliche Lage ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers. Die wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Anpassungsstichtag sind insoweit von Bedeutung, als daraus Rückschlüsse für die weitere Entwicklung des Unternehmens gezogen werden können (BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - AP BetrAVG § 16 Nr. 43, zu II 2 a der Gründe, Rn. 2.). Hierbei setzt eine zuverlässige Prognose eine Vorausschau in die nächsten drei Jahre voraus (BAG 17. April 1996 - zu I 2 b bb (2.) der Gründe, Rn. 19; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - BAGE 105, 72 bis 85 = AP BetrAVG § 16 Nr. 53, zu II 2 b der Gründe, Rn. 26).
312.
32Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze entsprach es nicht mehr billigem Ermessen der Beklagten, zum Stichtag 1. Januar 2011 eine Anpassung der Betriebsrente abzulehnen. Hierbei kann für die Entscheidung dahinstehen, ob es dem Kläger gelungen ist, in Anbetracht der Konzernverflechtung der Beklagten und eines bestehenden Ergebnisabführungsvertrages einen sog. Berechnungsdurchgriff auf andere Unternehmen des Konzerns zu begründen. Denn die Beklagte hat bereits trotz der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht darlegen können, dass eine Anpassung an die Teuerungsrate eine übermäßige Belastung ihres eigenen Unternehmens und seiner aktiv tätigen Arbeitnehmer bedeutet.
33Insbesondere kann sie sich zur Begründung einer negativen wirtschaftlichen Lage für die Vergangenheit und einer negativen Prognose für die nächsten Jahre nicht auf die kopierten Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen der Jahre 2007 bis 2010 berufen. Denn diesen Unterlagen kommt keinerlei Aussagekraft zu, da es sich nicht um die nach dem Handelsgesetzbuch vorgesehenen, mit Beweiswert versehenen Jahresabschlüsse handelt.
34Soweit die Beklagte darüber hinaus - vom Kläger bestritten - schriftsätzlich versucht, die für eine schlechte wirtschaftliche Lage sprechenden tatsächlichen Umstände zu skizzieren und zum Beleg negativer Geschäftszahlen die Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Vernehmung von Zeugen benennt, handelt es sich um das Angebot unzulässiger Ausforschungsbeweise. Damit verbleibt es bei dem von § 16 BetrAVG vorgesehenen Regelfall der Anpassung der Betriebsrente.
35aa)
36Die Beklagte hat ihre wirtschaftliche Lage nicht durch Einreichung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse darlegen können. Denn sie hat nicht diejenigen Abschlüsse vorgelegt, die unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der beklagten GmbH i. S. d. § 264 Abs. 2 S. 1 HGB vermitteln. Die zur Akte gereichten Kopien von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen genügen nicht den Anforderungen des Handelsgesetzbuchs und können daher nicht den von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 23. April 1985 - 3 AZR 548/82 - BAGE 48, 284 bis 293, zu I 2 der Gründe, Rn. 41) als erforderlich angesehenen Einstieg in die Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin bilden.
37Gemäß § 242 Abs. 1 S. 1 HGB stellt die Bilanz den Abschluss des Verhältnisses des Vermögens und der Schulden des Unternehmers zum Schluss des Geschäftsjahres dar. Daneben ist nach § 242 Abs. 2 HGB ebenfalls zum Schluss des Geschäftsjahres eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge aufzustellen, die sog. Gewinn- und Verlustrechnung. Die Bilanz bildet zusammen mit der Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresabschluss, § 242 Abs. 3 HGB. Dieser ist nach § 245 HGB mit Datum zu versehen und zu unterzeichnen. Zum Inhalt der Bilanz gehören nach § 247 Abs. 3 HGB auch Rückstellungen. Als Kapitalgesellschaft ist die Beklagte darüber hinaus nach § 264 HGB gesetzlich verpflichtet, durch ihre gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht zu erstellen. Zusammen bilden diese Unterlagen den erweiterten Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft.
38In Bezug auf die von der Beklagten eingereichten Schriftstücke fehlt bereits eine Unterzeichnung oder Testierung des Jahresabschlusses, so dass es sich auch um reine Entwürfe von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen handeln könnte. Ein Anhang zur Bilanz i. S. d. §§ 284 bis 288 HGB fehlt völlig. Damit mangelt es an jeglicher Erläuterung der Bilanz. Da der Anhang eine Einheit mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung bildet, liegt so lange ein Jahresabschluss nicht vor, wie einer der Bestandteile fehlt. Prüfung, Feststellung, Unterzeichnung und Offenlegung des Jahresabschlusses durch die gesetzlichen Vertreter können nur dann ordnungsgemäß erfolgen, wenn alle drei gesetzlichen Teile und nicht nur einzelne Fragmente vorhanden sind. Nur der aus den drei Bestandteilen gebildete Jahresabschluss insgesamt vermittelt ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage der Kapitalgesellschaft (Koller/Roth/Morck, HGB, 5. Aufl. 2005, § 264, Rn. 2).
39Darüber hinaus kann das Gericht mangels Vorlage eines Lageberichts, der zwar nicht Bestandteil des Jahresabschlusses, nach §§ 289 ff. HGB jedoch durch die Kapitalgesellschaft zwingend beizufügen ist, nicht die im Rahmen des § 16 BetrAVG erforderliche Prognose zum Anpassungsstichtag für die nächsten Geschäftsjahre treffen. Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und der Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Deshalb hat der Lagebericht eine Analyse des Geschäftsverlaufs zu enthalten. Es sind die bedeutsamen finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und unter Bezugnahme auf die in dem Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern, § 289 Abs. 1 S. 3 HGB. Die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken ist im Lagebericht zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben, § 289 Abs. 1 S. 4 HGB. Dies erfasst gesamtwirtschaftliche und branchentypische Rahmenbedingungen, die Situation im Beschaffungsbereich, die Verhältnisse auf dem Absatzbereich (Auftragsbestand und -eingang), Finanzierung und Investitionen sowie die Personalsituation (Koller/Roth aaO., § 289 Rn. 2).
40Ohne diese maßgeblichen Bestandteile, die zu einem ordnungsgemäßen Jahresabschluss (Bilanz nebst Anhang, Gewinn- und Verlustrechnung) nebst Lagebericht gehören, können die von der Beklagten vorgebrachten Fehlbeträge und mangels Anhangs nicht erläuterten Rückstellungen in Millionenhöhe, die zu einem negativen Ergebnis führen, ebenso wenig für die Vergangenheit als auch mangels Lageberichts für die Zukunft nachvollzogen werden. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass eine Bilanz vom Unternehmer gestaltet werden kann, bedarf es der nachvollziehbaren Begründung der tatsächlichen Umstände, die zu den in der Bilanz enthaltenen, das Jahresergebnis verschlechternden Zahlen führen sollen. An dieser Erläuterung fehlt es. Dies führt dazu, dass dem schlüssig vorgetragenen Anpassungsbegehren in vollem Umfang stattgegeben werden muss. Hierzu führt das Landesarbeitsgericht Hamm (27. Februar 2001 - 6 Sa 584/97 juris) aus: "Allein die Darlegung der Endergebnisse von Handelsbilanzen und Betriebsergebnisberechnungen reicht insoweit nicht aus. Diese Ergebniszahlen können nicht isoliert betrachtet werden. Aufschlüsse über die Unternehmenssituation geben Bilanzen und Betriebsergebnisberechnungen nur dann, wenn erkennbar wird, in welcher Weise und aufgrund welcher wirtschaftlichen Vorgaben die Ergebnisse dargestellt sind. Allein Endzahlen zu negativen Betriebsergebnissen stellen einen zu engen Ausschnitt für eine sachgerechte Unternehmensbeurteilung dar (BAG 23. April 1985 - 3 AZR 548/82)."
41bb)
42Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, hierbei handele es sich um Geschäftsgeheimnisse, die sie dem Betriebsrentner nicht offen legen müsse. Denn es besteht, wie der Beklagten bekannt, jederzeit für das Gericht die Möglichkeit, die Öffentlichkeit für die Dauer der Erörterung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten auszuschließen und Schweigegebote auszusprechen (§§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG). Hiervon hat das Gericht in anderen Verfahren bereits Gebrauch gemacht.
43cc)
44Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte in dem Termin zur Verhandlung vor der Kammer die Original-Jahresabschlüsse mit Anhang und Lagebericht zur Einsichtnahme hätte zur Verfügung stellen können, denn erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte, nicht rechtzeitig vorab bekannt gemachte Schriftsätze und Unterlagen, deren sofortige Kenntnisnahme wegen Umfangs oder Komplexität weder der Kammer noch der gegnerischen Partei möglich ist, werden nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung und sind daher bei der auf die Verhandlung folgenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen, ohne dass es einer Zurückweisung des Vorbringens als verspätet bedarf (LAG Hamm 27. Februar 2001 - aaO., Leitsatz und zu I 3.3.2.5 der Gründe, Rn. 57). Durch die Vorlage von Unterlagen erst im Kammertermin wird dem Kläger eine angemessene Auseinandersetzung mit deren Inhalt unmöglich gemacht.
45II.
46Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls begründet. Für den vergangenen Zeitraum ab dem 1. Januar 2011 bis zum 31. Oktober 2011 besitzt der Kläger entsprechend seines bezifferten Antrages einen Anspruch auf rückständige Betriebsrente in Höhe von (…) € brutto nebst Verzugszinsen aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach kalendermäßig bestimmter Fälligkeit ab dem jeweiligen 1. des Folgemonats als Verzugsbeginn (a. A. BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09, 2. Leitsatz und zu II der Gründe, Rn. 31/32)."
47Im Anschluss an die vorstehende, zustimmungswürdige Rechtsprechung der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach war dem Kläger auf seinen Klageantrag zu 1) ab dem 01. November 2011 eine erhöhte betriebliche Altersversorgung in Höhe von insgesamt 2.497,30 € brutto zuzusprechen. Ferner war ihm auf seinen Klageantrag zu 2) für den zurückliegenden Zeitraum 01. Januar 2011 bis 31. Oktober 2011 ein rückständiger Betrag in Höhe von 888,70 € brutto (88,87 € x 10 Monate) zuzusprechen.
48II.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V. mit § 91 Abs. 1 S. 1. Der Beklagten waren als unterliegender Partei die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang aufzuerlegen.
50Den gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Wert des Streitgegenstandes (Rechtsmittelstreitwert) hat das Gericht für den Klageantrag zu 1) nach § 9 ZPO auf den 42fachen monatlichen Differenzbetrag (42 x 88,70 €) bestimmt und hierzu für den Klageantrag zu 2) den rückständigen Betrag in Höhe von 888,70 € addiert, § 5 ZPO. Hiervon zu unterscheiden ist der mittels gesonderten Beschlusses festgelegte Gerichtsgebührenstreitwert gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 GKG in Höhe des 36fachen Differenzbetrages ohne Addition rückständiger Beträge, § 42 Abs. 4 S. 1 zweiter Halbsatz GKG.
51Gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG ist im Urteilstenor klarzustellen, ob die Berufung gesondert zugelassen wird. Für eine besondere Zulassung der Berufung nach § 46 Abs. 2 Nr. 2.-3 ArbGG bestand keine Veranlassung. Hiervon unberührt bleibt die Zulässigkeit der Berufung aus anderen Gründen, insbesondere gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG für den Fall, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt (vgl. hierzu die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung).
52RECHTSMITTELBELEHRUNG
53Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
54Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
55Landesarbeitsgericht Düsseldorf
56Ludwig-Erhard-Allee 21
5740227 Düsseldorf
58Fax: 0211-7770 2199
59eingegangen sein.
60Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
61Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
621.Rechtsanwälte,
632.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
643.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
65Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
66* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.