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Eine ordentliche Kündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des Arbeitsgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen.
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26.02.2008 nicht beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Leiter Key-Account Management New Channel Vertrieb Fachhandel weiter zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Streitwert: 38.123,35 €.
T A T B E S T A N D
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Änderungskündigung. Der 53jährige, verheiratete Kläger ist seit dem 01.10.1986 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Leiter Key Account Management New Channel Vertrieb Fachhandel, zuvor als Verkaufsleiter. Das durchschnittliche Monatsgehalt des Klägers beläuft sich auf 7.624,67 €. Der Kläger ist nach dem internen Vergütungssystem in dem sogenannten Hay-Grade 10 eingruppiert.
3Mit Schreiben vom 26.02.2008 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus. Diese Änderungskündigung hatte folgenden Wortlaut:
4Sehr geehrter Herr W.
5leider sind wir gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.09.2008 zu kündigen.
6Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus weiter zu beschäftigen, wenn Sie sich bereit erklären, ab dem 01.10.2008 eine Tätigkeit als Bezirksleiter Depot mit unveränderten 173 Stunden im Monat und einem Bruttomonatsengelt von 3.902,-- € aufzunehmen. Der Bonus wird durch eine Zielprämie in Höhe von 4.100,-- € ersetzt. Alle anderen Punkte des bestehenden Dienstvertrages bleiben weiterhin bestehen.
7Diese Kündigung steht unter der Bedingung, dass Sie das Angebot zum Abschluss eines dreiseitigen Vertrages über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der U. und zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit der U. GmbH, das Ihnen am 18.03.2008 ausgehändigt wurde und das Sie bis zum 03.03.2008 annehmen können, nicht annehmen.
8Mit der rechtzeitigen Annahme des vorgenannten Angebots durch Sie ist diese Kündigung gegenstandslos.
9Der Betriebsrat ist zu dieser personellen Maßnahme nach § 120 BetrVG angehört worden. Er hat der Kündigung nicht widersprochen.
10Ihr Einverständnis wollen Sie bitte bis zum 25.03.2008 schriftlich erklären.
11Die Kündigung ist dem Kläger am 01.03.2008 zugegangen. Es wurde in Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt mit einer Liste der betroffenen Arbeitnehmer.
12Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung aus verschiedenen Gesichtspunkten unwirksam ist, u. a. auch weil die Frist nicht eingehalten wurde.
13Der Kläger beantragt
141. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2008 nicht beendet wird,
152. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen über den 30.09.2008 hinaus fortbesteht,
163. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen als Leiter Key-Account-Management New Channel Vertrieb Fachhandel weiter zu beschäftigen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie ist der Auffassung, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen und das gemachte Angebot sei für den Kläger durchaus zumutbar.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
21E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
22Die Klage ist zulässig und begründet.
23Der Kläger hat die Kündigung vom 26.02.2008 rechtzeitig mit seiner Klage vom 18.03.2008 angegriffen.
24Im Hinblick auf die Dauer der Beschäftigung (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer genießt der Kläger Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.
25Die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung ist nicht sozial gerechtfertigt.
26Eine Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn die Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages unvermeidbar ist und die neuen Bedingungen für den Arbeitnehmer annehmbar sind. Es ist zu prüfen, ob die Änderung des Arbeitsvertrages unabweisbar geworden ist, und ob die vorgesehenen Änderungen dem Gekündigten zumutbar sind (BAG 06.03.1986 EZA § 15 KSchG n. F. Nr. 34). Es ist zu fragen, ob eine Änderung erforderlich ist. Im zweiten Schritt ist die angebotene Änderung zu untersuchen.
27Bei einem anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung muss sich der Arbeitgeber auf solche Änderungen beschränken, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG 13.06.1986 EZA §1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 23). Angebotene Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrages entfernen als zur Erreichung des angestrebten Zieles unter Berücksichtigung des Inhaltsschutzinteresses des Arbeitnehmers unbedingt erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren freien Arbeitsplätzen denjenigen anbieten, der dem bisherigen Arbeitsplatz in der Gesamtheit der Arbeitsbedingungen am nächsten kommt.
28Enthält das Änderungsangebot des Arbeitgebers eine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen, muss die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Punkt geprüft werden (BAG 07.06.1973 EZA § 626 n. F. 29; BAG 06.03.1986 EZA § 15 KSchG n. F. Nr. 34). Genügt eine der beabsichtigten Änderungen den Anforderungen nicht, hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge. Das Gericht kann nicht die Änderungskündigung teilweise für unwirksam erklären (BAG 06.03.1986 a. a. O.) . Das Änderungsangebot muss sich auf die Änderungen beschränken, die unbedingt erforderlich sind.
29Ist eine Änderung der Tätigkeit unabweisbar und daher an sich geeignet, eine Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies grundsätzlich auch für die damit einhergehende Änderung der Vergütung in die für den neuen Arbeitsplatz geschuldete Vergütung.
30Das Angebot der Beklagten, der Kläger solle vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu erheblichen schlechteren Bedingungen weiterarbeiten, ist sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Da die Kündigung erst am 01.03.2008 zugegangen ist, wurde die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Eine ordentliche Kündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen (vgl. insoweit BAG U. v. 21.04.2005 - 2 AZR 244/04). Das Änderungsangebot sieht vor, dass der Kläger eine erhebliche Gehaltsminderung hinnehmen muss. Mit der Änderungskündigung soll das Gehalt von durchschnittlich 7.600,00 € abgesenkt werden auf ca. 4.000,-- €. Diese Lohnabsenkung wirkt zu einem Zeitpunkt, an dem die Frist der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgelaufen ist. Die Kammer ist auch der Auffassung, dass eine Auslegung des Änderungsangebotes nicht möglich ist, denn insoweit ist die Rechtslage bei einer Änderungskündigung nicht vergleichbar mit einer Beendigungskündigung. Es ist zutreffend, dass bei einer ordentlichen Beendigungskündigung in aller Regel die Auslegung so erfolgt, dass sie das Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin beenden soll. Mit einer solchen Auslegung wird dem arbeitgeberseitigen Willen Rechnung getragen, das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit Ablauf der einschlägigen Kündigungsfrist zu beenden. Bei einem vorfristigen Änderungsangebot kann nicht von dem mutmaßlichen Willen des Arbeitgebers ausgegangen werden, die neuen Arbeitsbedingungen vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gelten zu lassen (vgl. insoweit U. d. BAG v. 21.09.2006 - 2 AZR 220/06). Der Arbeitnehmer kann von seiner Sicht aus nicht beurteilen, ob nicht schon das Änderungsangebot des Arbeitgebers damit Stehen und Fallen soll, dass die neuen Arbeitsbedingungen schon zu dem in dem Kündigungsschreiben genannten Termin gelten. Das Interesse des Arbeitnehmers, der bei einer Änderungskündigung sich innerhalb einer kurzen Zeit entscheiden muss, ob er die neuen Arbeitsbedingungen annimmt oder ablehnt, erfordert eine enge Auslegung des Änderungsangebotes des Arbeitgebers. Es ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, das zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll.
31Aus diesen Gründen ist die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt.
32Die anderen Fragen können daher offen bleiben.
33Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
34Der Klage war daher stattzugeben.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
36Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO.
37Die Kammer hat fünf Monatsverdienste in Ansatz gebracht.
38Rechtsmittelbelehrung
39Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
40B e r u f u n g
41eingelegt werden.
42Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
43Die Berufung muss
44innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
45beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen sein.
46Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
47Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
481. Rechtsanwälte,
492. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
503. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
51Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
52* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
53gez. N.