Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Verstößt ein Auslieferungsfahrer für Flüssigsauerstoff gegen ein mehrfach ausdrücklich mit ihm vereinbartes absolutes Rauchverbot, berechtigt dies den Arbeitsgeber grundsätzlich zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. 2. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn noch 3 1/2 Monate vor dem Verstoß ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart worden ist, dass ein absolutes Rauchverbot gilt und ein Verstoß hiergegen zur fristlosen Kündigung berechtigt.
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Streitwert: 8.500,00 €.
U. a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die arbeitgeberseitige außerordentliche fristlose Kündigung vom 07.10.2010 sowie über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der Kläger, 26 Jahre alt und ohne Unterhaltsverpflichtungen, war bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 als Auslieferungsfahrer und Servicetechniker für die Region X. gegen ein monatliches Bruttoentgelt i. H. v. 1.700,00 € beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 27.12.2008, der auszugsweise wörtlich wie folgt wiedergegeben wird:
"§ 1 Beginn des Anstellungsverhältnisses/Tätigkeit
Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung zum 01.01.2009 als Auslieferungsfahrer und Servicetechniker für die Region X. eingestellt, die wie folgt definiert ist:
?Lieferung und Einweisung in die Handhabung von Sauerstoffgeräten (Gox und Konzentratoren), Flüssigsauerstoff (Lox) und Verbrauchsmaterial nach Disposition der Firma
?Wartung und Instandhaltung von Sauerstoffsystemen ...
§ 13 Betriebliche Bestimmungen
... Bezüglich der allgemeinen Sicherheitsvorschriften gilt ab sofort ein uneingeschränktes Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen (im Führerraum sowie im Laderaum) und im Umkreis von ca. 10 Metern. Dies gilt bei allen Arten von Auslieferungen, also LOX, GOX und Konzentratoren und ist von jeder mitfahrenden Person zu beachten. ..."
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig ca. 20 Arbeitnehmer. Ihr alleiniger Auftraggeber ist die Firma W. E. GmbH, für die sie unter anderem unter Einsatz des Klägers Flüssigsauerstoff an Patienten ausliefert.
Am 05.06.2010 nahm der Kläger an einer Schulung der Firma W. teil, bei der unter anderem auch auf das von der Firma W. geforderte absolute Rauchverbot hingewiesen wurde.
Unter dem 24.06.2010 trafen die Beklagte und der Kläger eine schriftliche "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag", die wörtlich wie folgt wiedergegeben wird :
"Rauchverbot
Bezüglich der allgemeinen Sicherheitsvorschriften gilt ein uneingeschränktes Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen und im Umkreis von mindestens 10 Metern.
Bei Nichteinhaltung des Rauchverbotes berechtigt dies den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung.
Dies ist eine vertragliche Vereinbarung mit unserem Auftraggeber W. E. GmbH."
Am 06.10.2010 wurde der Kläger dabei beobachtet, wie er im Führerhaus seines Auslieferungsfahrzeuges eine Zigarette rauchte. Daraufhin wurde der Beklagten am 07.10.2010 von der W. E. GmbH mitgeteilt, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers für Fahrten der Firma W. untersagt sei. Hierüber verhält sich auch ein Schreiben der Firma W. E. GmbH an die Beklagte vom 08.10.2010, wegen dessen Wortlauts auf Blatt 15 der Akte Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 07.10.2010, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, sprach die Beklagte die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus .
Mit der am 12.10.2010 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Kündigungsschutzklage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Er ist der Ansicht, diese sei unverhältnismäßig. Er sei vor Ausspruch der Kündigung - insoweit unstreitig - noch nie abgemahnt worden. Daher sei die Reaktion der Beklagten, ihm wegen des einmaligen Vorfalls vom 06.10.2010 fristlos zu kündigen, überzogen. Der Kläger bestreitet, dass sich in dem Auslieferungsfahrzeug am 06.10.2010, als er geraucht habe, noch Flüssigsauerstoff befunden habe. Das Fahrzeug sei zu diesem Zeitpunkt vielmehr vollständig leer gewesen. Darüber hinaus bestreitet der Kläger, dass Flüssigsauerstoff hochexplosiv sei. Flüssigsauerstoff sei lediglich brandfördernd. Ein Rauchverbot, das wie hier absolut gelte, betreffe jedenfalls dann, wenn wie hier keine konkrete Gefährdungslage bestehe, allein das innerbetriebliche Ordnungsverhalten. Ein Verstoß hiergegen berechtige nicht zum sofortigen Ausspruch einer fristlosen Kündigung.
Der Kläger beantragt,
1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 07.10.2010, zugegangen am gleichen Tage, nicht aufgelöst worden ist;
2.die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 07.10.2010 hinaus bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die fristlose Kündigung sei wirksam. Sie behauptet, zum Tatzeitpunkt sei das Auslieferungsfahrzeug des Klägers noch nicht vollständig leer gewesen. In dem Tank hätten sich vielmehr nach dem Auslieferungsbericht noch 66 Liter Flüssigsauerstoff als Restmenge befunden. Unabhängig davon sei das Rauchverbot absolut einzuhalten. Insoweit verweist die Beklagte auf einen Schadensfall aus dem Jahr 2001, in dem ein Auslieferungsfahrzeug der W. E. GmbH infolge unerlaubten Rauchens vollständig ausgebrannt sei und zwei Menschen erheblich verletzt worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Beklagten zur Akte gereichte Urteil des Amtsgerichts Neumarkt vom 01.08.2002 Bezug genommen. Die Beklagte behauptet weiter, dass sich Flüssigsauerstoff beim Befüllen des Fahrzeugs in diesem verteile, so dass eine ständige Explosionsgefahr gegeben sei. Sie verweist schließlich darauf, dass der Kläger mehrfach ausdrücklich auf das absolute Rauchverbot hingewiesen worden sei und hierzu zweimal vertragliche Vereinbarungen mit der Beklagten getroffen habe. Vor dem Hintergrund, dass ihr alleiniger Auftraggeber, die W. E. GmbH, den weiteren Einsatz des Klägers nach dem Verstoß gegen das absolute Rauchverbot untersagt habe, sei ihr eine Weiterbeschäftigung weder möglich noch zumutbar, so dass die fristlose Kündigung unumgänglich gewesen sei.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20.01.2011 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2I.
3Die form- und fristgerecht i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2, §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Die fristlose Kündigung vom 07.10.2010 ist entgegen der Ansicht des Klägers wirksam und beendet das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum gleichen Tage. Die - innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochene - Kündigung genügt auch im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen des § 626 BGB.
41.Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, kann eine schwere, schuldhafte Vertragspflichtverletzung die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Dabei kann ein Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht nur in der Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht, sondern auch in der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht liegen (BAG vom 12.05.2010 - 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348, 1349 f.; BAG vom 26.11.2009 - 2 AZR 751/08, AP Nr. 61 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Auflage, Rn. 603/605). Da die ordentliche Kündigung die übliche und grundsätzlich ausreichende Reaktion auf die Verletzung einer Nebenpflicht ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das Gewicht dieser Pflichtverletzung durch erschwerende Umstände verstärkt wird (BAG vom 12.05.2010 - 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348, 1350).
5Es ist anerkannt, dass der Verstoß gegen ein aus sachlichen Gründen gebotenes absolutes Rauchverbot an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz vom 27.08.2009 - 11 Sa 207/09, Juris; HWK/Sandmann, 4. Auflage, § 626 BGB Rn. 221; KR/Fischermeier, 9. Auflage, § 626 BGB Rn. 440; zu der vergleichbaren Situation bei einem Verstoß gegen ein absolutes Alkoholverbot siehe LAG Köln vom 08.11.2010 - 2 Sa 612/10, Juris; LAG Köln vom 19.03.2008 - 7 Sa 1369/07, Juris).
6Im vorliegenden Fall haben die Parteien nicht nur in § 13 Abs. 3 des Arbeitsvertrages, sondern nachfolgend noch einmal ausdrücklich mit der Zusatzvereinbarung vom 24.06.2010 festgelegt, dass ein uneingeschränktes, absolutes Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen und im Umkreis von mindestens 10 Metern besteht und ein Verstoß gegen dieses Rauchverbot zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigt. Zwar kann durch vertragliche Vereinbarung ein ansonsten nicht bestehender wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht geschaffen werden. Es kann allerdings durch vertragliche Regelung - wie hier - eine Nebenpflicht festgelegt und ihrer Einhaltung eine herausgehobene, besondere Bedeutung beigemessen werden. Dementsprechend haben die Parteien hier mehrfach vertraglich ausdrücklich die Einhaltung eines absoluten Rauchverbotes als herausgehobene Nebenpflicht in dem Arbeitsverhältnis vereinbart. Hintergrund dieser Vereinbarungen ist zum einen die Vorgabe des alleinigen Auftraggebers der Beklagten, der W. E. GmbH, zum anderen die besondere Brandgefahr im Umgang mit dem von dem Kläger zu transportierenden Flüssigsauerstoff. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob das von dem Kläger zu transportierende Gas darüber hinaus "hochexplosiv" ist, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Denn unstreitig besteht im Umgang mit Flüssigsauerstoff jedenfalls eine erhöhte Brandgefahr. Dies ergibt sich insbesondere aus dem von dem Kläger mit Schriftsatz vom 20.01.2011 vorgelegten Sicherheitsdatenblatt. Die Festlegung eines absoluten Rauchverbotes ist damit ohne Zweifel sachlich begründet.
7Es ist von dem Arbeitgeber auch nicht zu fordern, dass er das Rauchverbot einschränkt auf Fahrten, bei denen nachweisbar noch Flüssigsauerstoff im Auslieferungsfahrzeug vorhanden ist. Denn dies dürfte sich ohnehin jeweils nur schwer exakt nachweisen lassen. Der Arbeitgeber ist auch nicht gehalten, sich einer Auseinandersetzung oder Diskussion mit dem Auslieferungsfahrer zu stellen, ab welcher Restmenge noch welche Brandgefahr beim Rauchen einer Zigarette besteht. Aufgrund der grundsätzlich gegebenen besonderen Gefährdungslage bei dem Transport von Flüssigsauerstoff ist es vielmehr ohne weiteres sachlich nachvollziehbar, dass die Beklagte hier ein absolutes Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen und im Umkreis von 10 Metern erlassen hat, ohne Rücksicht darauf, ob und welche Menge Flüssigsauerstoff zum jeweiligen Zeitpunkt geladen ist. Nur ein klares, eindeutiges und einschränkungsloses Verbot ist bei einer so hohen Gefährdungslage wie bei dem Transport von Flüssigsauerstoff geeignet, den notwendigen Schutz der Allgemeinheit und auch des Klägers selbst zu gewährleisten. Nicht zuletzt hat der Kläger dies bislang auch selbst so gesehen, da er sowohl bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages als auch bei Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung vom 24.06.2010 ausdrücklich mit dem absoluten, uneingeschränkten Rauchverbot einverstanden war.
8Der unstreitige Verstoß gegen das absolute Rauchverbot am 06.10.2010 berechtigt an sich zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Es handelt sich hier um eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Obwohl dem Kläger mehrfach und ausdrücklich schriftlich vor Augen gehalten wurde, dass die Einhaltung des absoluten Rauchverbotes von herausgehobener Bedeutung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses ist, hat er gleichwohl am 06.10.2010 in dem Auslieferungsfahrzeug geraucht. Es ist nicht entscheidend, ob sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch Flüssigsauerstoff in dem Fahrzeug befunden hat oder das Fahrzeug - wie vom Kläger behauptet - "leer" war. Dem Kläger war klar, dass er eine zentrale Verhaltenspflicht verletzte, als er sich bei der Fahrt mit dem Auslieferungsfahrzeug die Zigarette anzündete. Auch der einmalige Verstoß gegen eine derart in den Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses gestellte Verhaltenspflicht begründet an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
92.Entgegen der Ansicht des Klägers war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich. Zwar liegt dem Kündigungsschutzrecht das Prognoseprinzip zu Grunde, so dass Zweck einer verhaltensbedingten Kündigung nicht die Sanktion für die begangene Pflichtverletzung, sondern die Vermeidung künftiger Pflichtenverstöße ist. Die fragliche Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine entsprechende Prognose ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, nur dann berechtigt, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch künftig erneut in gleicher oder in ähnlicher Weise verletzen. Da dies häufig ungewiss ist, ist eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig nicht ohne einschlägige vorausgegangene Abmahnung zulässig. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine solche Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer gleichwohl erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, Juris; BAG vom 26.11.2009 - 2 AZR 751/08, AP Nr. 61 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG vom 23.06.2009 - 2 AZR 283/08, Juris).
10Allerdings ist eine Abmahnung grundsätzlich dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, Juris; BAG vom 23.06.2009 - 2 AZR 103/08, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
11In Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze ist hier davon auszugehen, dass eine Abmahnung vor Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht erforderlich war. Denn spätestens nach der Zusatzvereinbarung vom 24.06.2010, die noch nicht einmal vier Monate alt war, als der Kläger gegen sie verstoßen hat, war ihm klar, dass ein Verstoß gegen das absolute Rauchverbot unweigerlich zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen würde. In Absatz zwei der Vereinbarung ist dies ausdrücklich und ohne irgendeinen Interpretationsspielraum festgelegt worden. Es handelte sich bei dem Verstoß gegen das Rauchverbot, wie dem Kläger aufgrund der mehrfachen Hinweise bekannt war, auch um eine Pflichtverletzung von zentraler Bedeutung für die Beklagte. Daher liegt hier eine besonders schwere Pflichtverletzung vor, deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war.
12Hinzu kommt, dass der Sinn und Zweck des Ausspruchs einer Abmahnung als Vorstufe zur Kündigung darin liegt, den Arbeitnehmer aufgrund eines bestimmten Fehlverhaltens auf den Pflichtenverstoß hinzuweisen, diesen zu dokumentieren und den Arbeitnehmer für den Fall künftiger Wiederholung zu warnen, dass kündigungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Zur Vorbereitung der Kündigung ist die Warnfunktion der Abmahnung von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn jedoch wie hier kurz vor der Pflichtverletzung erst durch vertragliche Vereinbarung noch einmal klar und deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass ein solches Verhalten unweigerlich zum Ausspruch der fristlosen Kündigung führen wird, ist die Warnfunktion durch die vertragliche Vereinbarung bereits erfüllt und macht den zusätzlichen Ausspruch einer Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung entbehrlich (vgl. LAG Köln vom 12.11.1993 - 13 Sa 726/93, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 40; LAG Hamm vom 16.12.1982 - 10 Sa 965/82, BB 1983, 1601 f.; KR/Fischermeier, 9. Auflage, § 626 BGB Rn. 266).
133.Schließlich kommt auch die erforderliche Interessenabwägung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund der Pflichtverletzung vom 06.10.2010 fristlos beendet werden muss. Der Beklagten war es hier angesichts der Gesamtumstände nicht zumutbar, den Kläger - und sei es auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist - weiter zu beschäftigen.
14Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass es keine "absoluten Kündigungsgründe" gibt. Bei der nach § 626 Abs. 1 BGB stets durchzuführenden Prüfung, ob dem Arbeitgeber trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09, Juris; BAG vom 28.01.2010 - 2 AZR 1008/08, DB 2010, 2709; BAG vom 10.11.2005 - 2 AZR 623/04, AP Nr. 196 zu § 626 BGB).
15Im vorliegenden Fall ist zunächst zu Gunsten des Klägers zu unterstellen, dass das Auslieferungsfahrzeug am 06.10.2010, als er gegen das absolute Rauchverbot verstoßen hat, tatsächlich keine brandgefährdende Ladung an Flüssigsauerstoff mehr enthielt und somit keine konkrete Gefährdungslage bestanden hat. Weiterhin ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis bisher über einen Zeitraum von fast zwei Jahren beanstandungslos durchgeführt worden ist und insbesondere keine Abmahnungen gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden sind.
16Gleichwohl überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten deutlich, denn der Kläger ist mehrfach auf das absolute Rauchverbot nachdrücklich hingewiesen worden. Es ist Gegenstand von zwei ausdrücklich mit ihm getroffenen schriftlichen Vereinbarungen. Zuletzt noch am 24.06.2010 und damit weniger als vier Monate vor dem Pflichtverstoß hat der Kläger ausdrücklich seine Zustimmung dazu erklärt, dass ein unbeschränktes Rauchverbot in allen Auslieferungsfahrzeugen gilt und die Nichteinhaltung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. An dieser vertraglichen Vereinbarung muss er sich jetzt festhalten lassen.
17Denn der Beklagten kann es nicht zugemutet werden, ihre Auslieferungsfahrer, denen sie ein besonderes Vertrauen entgegenbringen muss, ständig zu überwachen um auszuschließen, dass diese gegen das Rauchverbot verstoßen und - wenn Ladung vorhanden ist - damit ihr eigenes und das Leben unbeteiligter Dritter gefährden. Das dem Kläger bekannte Urteil des Amtsgerichts Neumarkt zeigt nachdrücklich, welche Gefahr damit verbunden ist, wenn ein Arbeitnehmer meint, sich über die aus Sicherheitsgründen angeordneten Beschränkungen einseitig hinwegsetzen zu können. Dementsprechend spielt es nur eine ganz untergeordnete Rolle, dass - zu Gunsten des Klägers unterstellt - hier zum Tatzeitpunkt keine konkrete Brandgefahr mehr bestanden haben mag, weil das Auslieferungsfahrzeug leer war. Der Kläger zeigt jedenfalls durch sein Verhalten, dass er nicht gewillt ist, sich an ausdrückliche vertragliche Absprachen zu halten. Die Beklagte muss vor diesem Hintergrund befürchten, dass der Kläger die ihm gezogenen Grenzen künftig immer weiter ausdehnen wird. Die damit verbundene Gefahr des Eintritts schwerster Schäden liegt auf der Hand. Aufgrund des Tätigkeitsbildes des Auslieferungsfahrers, der keiner permanenten Überwachung unterliegt, muss in das Fahrpersonal einerseits ein erhebliches Vertrauen gesetzt werden, andererseits wiegt der Vertrauensverlust umso stärker, wenn sich - wie hier - über ausdrücklich mehrfach vereinbarte Pflichten einseitig und grundlos hinweggesetzt wird.
18Zu Lasten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er vorsätzlich gehandelt und sich in Kenntnis des Verbots und der zu erwartenden Folgen gleichwohl und ohne jeden nachvollziehbaren und irgendwie anerkennenswerten Grund über das Rauchverbot hinweggesetzt hat. Da sein Arbeitsverhältnis noch nicht einmal zwei Jahre bestanden hat, kommt dem Umstand, dass er bislang noch nicht mit Pflichtverletzungen aufgefallen ist, auch keine gesteigerte Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist zwar, dass der Ausspruch einer fristlosen Kündigung mit einem gewissen "Makel" verbunden ist und die weiteren Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt naturgemäß stärker beeinträchtigt als eine zu einem "geraden Datum" ausgesprochene ordentliche Kündigung. Jedoch ist der Kläger mit 26 Jahren noch jung und gehört sowohl einer Altersgruppe als auch einer Berufsgruppe an, bei der nicht mit gesteigertem Arbeitslosigkeitsrisiko zu rechnen ist. Die - auch fristlose - Kündigung trifft ihn damit zwar hart, aber angesichts der vorsätzlichen und schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht unverhältnismäßig hart.
19Darüber hinaus ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese auch aus generalpräventiven Erwägungen für eine klare und eindeutige Handhabung des absoluten Rauchverbots in der Belegschaft sorgen muss. Trotz klarer vertraglicher Vereinbarung der fristlosen Kündigung als Reaktionsmittel im Falle eines Verstoßes dann im Einzelfall selbst bei einem lediglich kurze Zeit beschäftigten Mitarbeiter zu einem schwächeren Reaktionsmittel wie der ordentlichen Kündigung oder gar einer Abmahnung zu greifen, hieße auch in der Außenwirkung gegenüber den übrigen Auslieferungsfahrern eine gewisse Beliebigkeit zum Ausdruck zu bringen mit der Folge, dass auch bei anderen Auslieferungsfahrern die Nichteinhaltung des Rauchverbotes und damit eine weitere deutliche Erhöhung des Gefährdungsrisikos droht. Solchermaßen begründete generalpräventive Erwägungen sind grundsätzlich ebenfalls im Rahmen der Interessenabwägung geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (vgl. LAG Köln vom 19.03.2008 - 7 Sa 1369/07, Juris).
20Schließlich kommt hinzu, dass die Beklagte unbestritten ausschließlich für die W. E. GmbH als Auftragnehmer tätig ist. Unstreitig ist ferner, dass der Auftraggeber der Beklagten dieser am 07.10.2010 und mithin vor Ausspruch der Kündigung erklärt hat, dass der Kläger nicht mehr eingesetzt werden dürfe. Wenn dem Arbeitgeber - wie hier -der weitere Einsatz des Mitarbeiters aufgrund dessen vorsätzlichen Pflichtverstoßes gar nicht mehr möglich ist, bleibt keine andere Wahl als der Ausspruch der fristlosen Kündigung. Der Umstand, dass der Kläger das Bestätigungsschreiben vom 08.10.2010 als Gefälligkeitsschreiben bezeichnet, spielt in diesem Zusammenhang schon deshalb keine Rolle, weil das Schreiben, da es erst nach Ausspruch der Kündigung ergangen ist, keine eigenständige Bedeutung für die Begründung der Kündigung erlangt. Die Einwendung des Klägers, die Weigerung der W. E. GmbH, ihn weiter einzusetzen, stelle eine Nötigung der Beklagten dar, ist abwegig. Aufgrund des vorsätzlichen Pflichtverstoßes des Klägers hat er sich diese Folge vielmehr selbst zuzuschreiben. Es ist ohne weiteres und gut nachvollziehbar, dass der Auftraggeber der Beklagten die weitere Auslieferung durch den Kläger ablehnt, nachdem dieser gegen ein absolutes Rauchverbot verstoßen hat, das ihm mehrfach nachdrücklich vor Augen geführt worden ist. Weder der Auftraggeber der Beklagten noch diese selbst sind verpflichtet, dem Kläger in dieser Situation seinen Arbeitsplatz zu erhalten und damit ihr Eigentum und Leib oder Leben sowohl des Klägers als auch unbeteiligter Dritter aufs Spiel zu setzen.
21Abschließend kann nur noch einmal betont werden, dass der Kläger aufgrund der klar und deutlich formulierten Zusatzvereinbarung vom 24.06.2010 genau wusste, was von ihm erwartet wurde und was passieren würde, wenn er gegen das absolute Rauchverbot verstößt. Nicht die Reaktion der Beklagten, nach dem Vorfall vom 06.10.2010 die fristlose Kündigung ausgesprochen zu haben, trifft somit auf Verwunderung, sondern die Reaktion des Klägers, gegen die Kündigung Klage zu erheben und die Unverhältnismäßigkeit eines Mittels zu rügen, das er selbst vertraglich als das angemessene Reaktionsmittel anerkannt hat.
22II.
23Mangels erfolgreicher Kündigungsschutzklage ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers von vornherein nicht begründet.
24III.
25Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO, 42 Abs. 3 GKG (Antrag 1: 3 Gehälter; Antrag 2: 2 Gehälter).
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
29B e r u f u n g
30eingelegt werden, weil es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt.
31Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
32Die Berufung muss
33innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
34beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen sein.
35Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
36Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
371.Rechtsanwälte,
382.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
393.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
40Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
41* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
42KleinAusgefertigt
43(Schwabe)
44Regierungsbeschäftigte als
45Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle