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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
3. Der Streitwert wird auf 32.400,-- € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Frage der korrekten Eingruppierung des Klägers im Rahmen des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (Im Folgenden: TV-Ärzte/VKA).
3Der am 26.05.1973 geborene Kläger ist Facharzt. Er war für die Beklagte zunächst als Assistenzarzt beschäftigt. Die Parteien vereinbarten in ihrem vorletzten Arbeitsvertrag vom 31.05.2006 die Anwendung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst und dem Besonderen Teil L.. Der Kläger war dort eingruppiert in die Entgeltgruppe 14. Mit Datum vom 01.06.2006 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 01.09.2006 eine Änderung ihres Arbeitsvertrags ab. Der Kläger wird seit diesem Zeitpunkt als vollbeschäftigter Oberarzt eingesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Arbeitsverträge wird auf die Ablichtungen Bl. 5 bis 8 der Gerichtsakten Bezug genommen.
4Am 17.08.2007 schloss der Marburger Bund mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände den Tarifvertrag TV-Ärzte/VKA ab. Dieser sieht für die Ärzte in § 16 für die Eingruppierung folgende Regelung vor:
5Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:
6a) Entgeltgruppe I:
7Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.
8b) Entgeltgruppe II:
9Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
10Protokollerklärung zu Buchst. b:
11Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der
12aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem
13Fachgebiet tätig ist.
14c) Entgeltgruppe III:
15Oberärztin/Oberarzt
16Protokollerklärung zu Buchst. c:
17Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
18...
19In dem Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom 17.08.2006 haben die Tarifvertragsvertragsparteien in der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 folgendes ausgeführt:
20Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung Oberärztin/Oberarzt führen, ohne die Voraussetzung für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.
21Im Rahmen der Geltung des BAT war der Begriff Oberarzt tarifvertraglich nicht definiert.
22Der Kläger hat neben der Ausbildung zum Facharzt für innere Medizin eine zweijährige klinische Weiterbildung absolviert und die Prüfung vor der Ärztekammer im Mai 2006 abgelegt. Er ist berechtigt, die Zusatzbezeichnung Nephrologie zu führen. Zudem ist er mit den Aufgaben der Beauftragten Person nach Gefahrgutverordnung sowie des Medizinprodukteverantwortlichen für den Bereich der Medizinischen Klinik III betraut.
23Der Kläger ist in die Entgeltgruppe II des TV-Ärzte/VKA eingruppiert. Er ist auf den Dialysestationen 2 bis 4, in der Funktionsdiagnostik, in der Nephrologie und Tagesklinik eingesetzt.
24Der Kläger meint, er sei in die Vergütungsgruppe E III des TV-Ärzte/VKA einzugruppieren. Die tarifvertraglichen Voraussetzungen lägen vor. Unstreitig ist er Facharzt. Der Teil- bzw. Funktionsbereich der Dialysestation 2 bis 4 bei der Beklagten sei selbständig. Es handele sich um einen räumlich abgegrenzten Bereich. Im ärztlichen Bereich sind zwei im Schichtdienst arbeitende Assistenzärzte neben seiner Person tätig. Ihm sind Studenten zur Ausbildung zugewiesen. Des Weiteren gibt es eine Pflegeleitung für den Bereich der Dialysestationen 2 bis 4. Aus dem vom Direktor der medizinischen Klinik III erstellten Organigramm folge, dass er als Oberarzt tätig sei. Die Zuweisung hierzu sei durch den Chefarzt in mündlicher Form erfolgt.
25Der Kläger beantragt,
26festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Zeit ab dem 01.09.2006 eine Vergütung gemäß Entgeltgruppe III Stufe I gemäß Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) zu zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Dem Kläger stünde die begehrte Eingruppierung nicht zu. Ihm sei kein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich übertragen worden. Er sei so genannter Titular-Oberarzt . Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung sei ebenfalls nicht erfolgt.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Klage ist zulässig.
33Der Kläger hat eine nach der Rechtsprechung gemäß § 256 ZPO regelmäßig als zulässig erachtete Eingruppierungsklage als Arbeitnehmer gegen seine Arbeitgeberin erhoben.
34Die Klage ist jedoch unbegründet.
35Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.09.2006 Vergütung aus der Vergütungsgruppe III Stufe 1 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen. Gemäß § 611 BGB wird der Arbeitgeber durch den Arbeitsvertrag verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Die Vergütung des Klägers für die erbrachte Arbeitsleistung, also die von der Beklagten geschuldete Gegenleistung im Sinne des § 611 BGB, richtet sich nach § 16 des TV-Ärzte/VKA.
36Auf das Arbeitsverhältnis fanden ursprünglich die Bestimmungen des BAT/TVöD Anwendung. Der Marburger Bund verhandelte den Tarifvertrag TV-Ärzte/VKA mit Datum vom 17.08.2006. Er lag in vollständiger Form incl. eines Überleitungstarifvertrages am 22.11.2006 vor. Aufgrund des Überleitungstarifvertrages finden die Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
37Der Kläger hat nach der allgemeinen Beweislastregel als Anspruchsteller auch im Rahmen einer Eingruppierungsklage die Einzelheiten seiner Tätigkeit und die Tatsachen vorzutragen, die Schlüsse auf die zu erbringenden Arbeitsvorgänge zulassen (vgl. BAG, Urteil vom 17.01.1968 - 4 AZR 117/67 - AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 27.03.1968 - 4 AZR 256/67 - AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 20.10.1993 - 4 AZR 47/93 - AP Nr. 173 zu §§ 22,23 BAT 1975).
38Ihm obliegt in diesem Zusammenhang sodann die Darlegung von substanziierten Tatsachen, aus denen vom Gericht auf die Erfüllung der tariflichen qualifizierenden Merkmale geschlossen werden kann (BAG, Urteil vom 25.02.1970 - 4 AZR 168/69 - AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 18.05.1977 - 4 AZR 18/76 - AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
39Der Kläger ist dieser Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. § 15 des Tarifvertrages bestimmt insoweit, dass der Arzt in die Entgeltgruppe einzugruppieren ist, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderung eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
40Insoweit muss dem Arzt mindestens für einen zeitlichen Anteil von 50 v.H. seiner Arbeitszeit Tätigkeiten als Oberarzt im tariflichen Sinne übertragen bekommen haben. Dies vermochte die Kammer dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Der Kläger hat allgemein seine Aufgaben als Mediziner geschildert. Er hat jedoch nicht dargelegt, in welchem zeitlichen Umfang sie anfallen.
41Der Kläger vermochte auch nicht mit seiner Argumentation durchzudringen, wonach er im Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.06.2006 als Oberarzt bezeichnet wird und dem entsprechend auch als Tarifoberarzt im Sinne des § 16 des TV-Ärzte/VKA zu bezahlen ist. Bei Unterzeichnung der Änderungen des Arbeitsvertrages am 01.06.2006 war der TV-Ärzte/VKA noch gar nicht abgeschlossen. Der Tarifvertrag wurde erst Ende August 2006 abgeschlossen. Insofern ist die Bezeichnung als Oberarzt nach den vormaligen tariflichen Bestimmungen nicht maßgeblich für die Eingruppierung im Rahmen des TV-Ärzte/VKA. Diese Ansicht teilt letztlich auch der Marburger Bund, wenn er mit den kommunalen Arbeitgebern in der Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 des Überleitungstarifvertrages ausführt, dass eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA mit dem Führen der Bezeichnung Oberärztin/Oberarzt nicht verbunden ist.
42Des Weiteren konnte bei Unterzeichnung keine der vertragsschließenden Parteien absehen, zu welchem Verhandlungsergebnis die Verhandlungen des Marburger Bundes führen würden.
43Schlussendlich verweist die Kammer darauf, dass es auch an dem Erfordernis einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche durch die Arbeitgeberin fehlt. Der Chefarzt der Abteilung des Klägers ist nicht sein Arbeitgeber und mangels diesbezüglicher Vollmacht auch nicht berechtigt, dem Kläger die vorgenannte medizinische Verantwortung zu übertragen.
44Die Kammer vermochte auch kein treuwidriges Vereiteln eines Bedingungseintrittes anzunehmen, § 162 BGB. Danach gilt eine Bedingung dann als eingetreten, wenn der Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert würde. Demzufolge müsste die Beklagte den Eintritt der Bedingung verhindert haben und diese Einwirkung müsste gegen Treu und Glauben verstoßen (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 162 Rnr. 3). Ein solches Handeln der Beklagten vermochte das Gericht nicht zu bejahen. Die Weiterbeschäftigung des Klägers ab dem 01.09.2006 folgte zunächst unter der Geltung der vorherigen tariflichen Bestimmungen. In dem Tarifwerk des BAT war die Bezeichnung Oberarzt nicht mit tariflichen Merkmalen unterlegt. Dass die Beklagte sich nunmehr treuwidrig weigern würde, den Kläger als Tarifoberarzt nach den Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA einzugruppieren, ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.
45Soweit der Kläger sich auf eine Ungleichbehandlung mit seiner Kollegin Dr. T. beruft, vermochte die Kammer dies ebenfalls nicht festzustellen. Frau Dr. T. ist als Tarifoberärztin von der Beklagten in die Entgeltgruppe III eingruppiert worden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe und eine sachfremde Gruppenbildung (vgl. nur ErfK-Preis, 7. Aufl., § 611 BGB Rnr. 713 ff.).
46Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt mithin die Besserstellung einer Gruppe voraus. Diese muss jedoch denklogisch aus mindestens zwei Arbeitnehmern bestehen. Bei behaupteter Schlechterstellung gegenüber einer Arbeitnehmerin kann er denknotwendig nicht Anwendung finden.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.
48Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 42 Abs. 4 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
49Das Gericht hat den 36-fachen Differenzbetrag zwischen den Vergütungsgruppen II und III des TV-Ärzte/VKA zugrunde gelegt und einen Abschlag in Höhe von 25% im Hinblick auf die Feststellungsklage gemacht.
50Rechtsmittelbelehrung
51Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
52B e r u f u n g
53eingelegt werden.
54Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
55Die Berufung muss
56innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
57beim Landesarbeitsgericht E., Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 E., Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
58Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
59Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
60* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
61gez. Rolfs