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1.Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten (hier: Studien- und Prüfungsgebühren) in jedem Fall einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung vorsieht, ohne solche Kündigungen des Arbeitnehmers auszunehmen, die aus Gründen erfolgen, die der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. 2.Eine solche Klausel ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass der Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind, zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet ist. Dies wäre eine geltungserhaltende Reduktion, die im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich ist (vgl. BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - NZA 2012, 738 = AP Nr. 45 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 2012, 1155 [Rz.26]).
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.023,10
nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basis-
zinssatz seit dem 27.01.2013 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.023,10 EUR
festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Studiengebühren.
3Der 1981 geborene Kläger absolvierte bei der Beklagten ab dem 01. August 2002 zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft.
4Nach Beendigung dieser Ausbildung war der Kläger auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14. Juni 2005 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter tätig.
5Im Anschluss an eine von ihm selbst finanzierte Fortbildung zum Immobilienfachwirt begann der Kläger im Jahre 2008 eine berufliche Weiterbildung zum Bachelor of Arts Real Estate. Seine Ausbildung zum Immobilienfachwirt wurde hierbei mit zwei Semestern angerechnet, so dass der Kläger sein Studium formal mit dem 3. Semester begann. Die Kosten für diese Weiterbildungsmaßnahme übernahm von Anfang an die Beklagte - und zwar zunächst ohne, dass über deren eventuelle Rückzahlung durch den Kläger gesprochen oder gar eine Vereinbarung getroffen worden war. Diesbezüglich teilte die Personalabteilung der Beklagten dem Kläger unter dem 14.11.2008 per E-Mail mit:
6"Hallo Herr L.,
7Übernahmeerklärung ist raus. Habe vorab auch mit Frau T.
8gesprochen.
9Wenn Sie mir bitte die Kostenaufstellung und den Titel des Studiengangs
10schicken, damit wir dies zu den Unterlagen nehmen können.
11Nochmals ein schönes Wochenende!
12Mit freundlichen Grüßen
13Ute H.
14Personalreferentin"
15Dementsprechend war die Rechnung des Fortbildungsinstituts vom 15.11.2008 auch bereits unmittelbar an die Beklagte adressiert, die diese beglich.
16Etwa ein Jahr später, nämlich im September 2009 trat die Beklagte an den Kläger heran, um mit diesem hinsichtlich einer eventuellen Rückzahlung von Studien- und Prüfungsgebühren für seine Fortbildung zum Bachelor of Arts Real Estate eine Rückzahlungsvereinbarung zu treffen, welche zunächst folgenden Wortlaut hatte:
17"Berufliche Weiterbildung/Übernahme der Studien- und Prüfungsgebühren
18Sehr geehrter Herr L.,
19wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir die Studien- und Prüfungsgebühren für Ihre Fortbildung zum Bachelor of Arts Real Estate übernehmen und vereinbaren mit Ihnen hierzu folgendes.
20Sie verpflichten sich, nach Abschluss des Lehrgangs mindestens 36 Monate in unserem Unternehmen tätig zu sein. Sollten Sie während dieser Zeit aus unseren Diensten ausscheiden, haben Sie im Austrittsmonat für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens 1/36-tel der von uns erstatteten Kosten zurückzuzahlen.
21Präsenzphasen werden durch Urlaub bzw. Gleitzeit und dem Ihnen zustehenden Bildungsurlaub von jährlich 5 Tagen abgegolten.
22Des Weiteren haben Sie bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung oder Abbrechen des Studiums die gesamten von uns erstatteten Kosten zurückzuzahlen.
23Ihr Einverständnis mit dieser Regelung bitten wir, auf der beiliegenden Zweitschrift zu bestätigen."
24Unter dem 07.10.2009 bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift sein Einverständnis mit dieser Regelung.
25Auf Grund von Nachverhandlungen des Klägers mit dem damaligen Personalleiter der Beklagten wurde die Bindungsfrist später von 36 Monaten auf 30 Monate verkürzt und dementsprechend die vom Kläger im Falle seines vor-zeitigen Ausscheidens aus den Diensten der Beklagten für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens zu erstattenden Kosten von 1/36 auf 1/30 abge-ändert. Diese Regelung bestätigten sowohl der Kläger als auch der Personal-leiter der Beklagten durch entsprechende Paraphierung auf der Vereinbarung vom 24.09./07.10.2009 jeweils am 15.12.2009.
26Zum Zeitpunkt der Aufnahme seines Studiums im Jahre 2008 war der Kläger bei der Beklagten in der Abteilung "Vertriebsmanagement" tätig. Zum 01. August 2010 erfolgte die mit dem Kläger abgestimmte Versetzung in die Abteilung "Asset Management".
27Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete auf Grund einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung zum 31. Dezember 2012.
28Im Hinblick auf die Vereinbarung vom 24.09./07.10./15.12.2009 [im Folgenden: Vereinbarung] errechnete die Beklagte als Rückzahlungsverpflichtung des Klägers einen Betrag von € 2.023,10 netto, welchen sie mit dem November-Gehalt des Klägers verrechnete.
29Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Zahlungsklage. Er ist der Auffassung, die Rückzahlungsklausel sei unwirksam, denn sie benachteilige ihn unangemessen. Die Rückzahlungsklausel verpflichte den Kläger nämlich unter jeglichem Gesichtspunkt bei vorzeitigem Ausscheiden zur Rückerstattung der Fortbildungskosten. Außerdem sei die in der Vereinbarung enthaltene Verpflichtung, bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung oder Abbrechen des Studiums - gleich aus welchem Grund - sämtliche Kosten zurückzahlen zu müssen, intransparent. Daher habe die Beklagte als Klauselverwender keinen Anspruch auf Rückerstattung der Fortbildungskosten.
30Der Kläger ist im Übrigen der Ansicht, die Klausel benachteilige ihn auch dadurch unangemessen, dass für die Berechnung der Höhe der Rückzahlung die Gesamtkosten quasi "als Block" angesetzt worden seien. Die Rechnungen für die Aus- und Fortbildung zum Bachelor of Arts Real Estate seien zwischen 2008 und 2010 semesterweise durch das Europäische Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an die Beklagte versandt worden. Somit lägen zwischen Erstellung der ersten Rechnung und dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb der Beklagten insgesamt 48 Monate. Bei der von der Beklagten aufgestellten Berechnung der angeblichen Restschuld des Klägers seien jedoch sämtliche Kosten zur Rückzahlung ab dem Prüfungsdatum 22.11.2010 berechnet worden. Zu diesem Zeitpunkt seien zumindest die Abrechnungen für die in 2008 absolvierten Semester beinahe zwei Jahre alt gewesen, hätten jedoch bei der Berechnung zum Austrittstermin 31.12.2012 vollständig Anrechnung gefunden.
31Auch enthalte die Vereinbarung vom 24.09./15.12.2009 keinen Hinweis, ab wann die vereinbarten 30 Monate Bindungsfrist begännen. Insoweit sei in der Vereinbarung lediglich "nach Abschluss des Lehrgangs" angegeben, dieser habe jedoch bereits mit Ablauf des Monats April 2010 geendet. Lediglich die Abschlussprüfung habe zu diesem Zeitpunkt noch ausgestanden, diese sei am 22.11.2010 erfolgt.
32Im Übrigen sei die Vereinbarung auch deshalb unwirksam, weil dem Kläger bereits gut ein Jahr vor Abschluss der Vereinbarung seitens der Beklagten zugesichert worden sei, dass diese die Kosten für seine Fortbildung übernehme. Als ihm dann die Vereinbarung vom 24.09.2009 zur Unterzeichnung vorgelegt worden sei, habe er keine Möglichkeit mehr gehabt, die Unterzeichnung zu verweigern, da er habe befürchten müssen, dass andernfalls sein bereits laufendes Studium seitens der Beklagten nicht weiter finanziert werde, falls er nicht unterzeichne. In diesem Fall wäre die in der Fortbildungsmaßnahme zu diesem Zeitpunkt bereits geleistete Arbeit dann vergeblich gewesen.
33Schließlich habe die berufliche Weiterbildungsmaßnahme auch im ureigensten Interesse der Beklagten gelegen, denn die Beklagte habe, indem sie ihn zum 01.08.2010 in den Bereich "Asset Management" versetzt habe, sich das Know-how des Klägers nutzbar gemacht. Hätte der Kläger die berufliche Weiterbildung nicht wahrgenommen, wäre dieser Wechsel nicht vollzogen worden. Schließlich sei die vereinbarte Bindungsdauer von 30 Monaten auch deshalb unangemessen gewesen, weil der Beklagten für den gesamten Zeitraum der Fortbildungsmaßnahme die Arbeitskraft des Klägers zur Verfügung gestanden habe, dieser sei nicht etwa freigestellt gewesen, sondern habe nahezu seinen gesamten Jahresurlaub für die Fortbildung investieren müssen und darüber hinaus noch Mehrarbeit leisten müssen, um das Gleitzeitkonto zwecks Wahrnehmung von Präsenzphasen des Lehrgangs aufzufrischen.
34Der Kläger beantragt,
35die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 2.023,10 nebst Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Zur Begründung macht die Beklagte geltend, die in Frage stehende Rückzahlungsklausel sei wirksam. Es habe sich um eine Fortbildungsmaßnahme gehandelt, die außerhalb des mit der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses bestanden habe und für die Erfüllung des Arbeitsvertrags auch nicht erforderlich gewesen wäre. Die Übernahme der Finanzierungskosten sei insofern eine freiwillige Leistung der Beklagten gewesen, deren Modalitäten individuell mit dem Kläger vereinbart worden seien. Aufgrund der individuell ausgehandelten Vertragsinhalte über die Bedingungen der Finanzierung des Studiums des Klägers sei der Rückgriff auf die vom Kläger vorgenommene Inhaltskontrolle i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB verwehrt, weil treuwidrig. Im Übrigen sei auch nicht erkennbar, warum die Rückzahlungsklausel den Kläger benachteilige. Ebenso wenig sei eine Intransparenz der Klausel erkennbar. Da es sich bei der Fortbildungsmaßnahme um eine mehrsemestrige Veranstaltung mit einer Gesamtdauer von ca. drei Jahren gehandelt habe, sei eine Bindungsfrist für eine mehr als zweijährige Dauer auch zulässig gewesen. Eine Unangemessenheit könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Bindungsdauer erst ab Abschluss der Fortbildungsmaßnahme rechne. Schließlich sei dem Kläger anhand der Ausbildungsunterlagen auch bekannt gewesen, dass sein Studium mit einer Abschlussprüfung ende und dass der Studiengang erst mit Bestehen dieser Prüfung als abgeschlossen gelte. Das Abschlussdatum sei dem Kläger im Übrigen mit der Zeugniserteilung ausdrücklich mitgeteilt worden. Das Abschlussdatum sei somit eindeutig zu identifizieren gewesen, so dass der Kläger auch nicht behaupten könne, ihm sei unklar gewesen, wann die Bindungsfrist begonnen habe.
39Bei dem Studiengang des Klägers habe es sich um eine Maßnahme ohne Bezug zu dem aktuellen Tätigkeitsbereich des Klägers bei der Beklagten gehandelt. Das Studium habe allein der Vertiefung der bereits vom Kläger selbst für eigene Zwecke begonnenen Ausbildung gedient. Den anders lautenden Vortrag des Klägers bestreite die Beklagte. Ebenso fehle es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme des Studiums und der später, nämlich zum 01.08.2010, auf eigenen Wunsch des Klägers vorgenommenen Versetzung in die Abteilung Asset Management. Die Beklagte habe dem Kläger auch zu keinem Zeitpunkt jemals signalisiert, die Fortbildungskosten ohne entsprechende Vereinbarung einer Rückzahlung übernehmen zu wollen. Die Behauptung des Klägers, die Beklagte solle einem Mitarbeiter ohne erkennbares Eigeninteresse mehrere Tausend Euro ohne Gegenleistung zukommen lassen, sei sachfremd und werde bestritten. Zwischen den Parteien sei auch jederzeit klar gewesen, dass bezüglich der Kostenübernahme, die die Beklagte im November 2008 im Verhältnis zur Hochschule entgegenkommender Weise erklärt habe, um dem Kläger zum gewünschten Termin die Aufnahme seines Studiums zu ermöglichen, die Vereinbarung einer angemessenen Bindungsfrist zu treffen wäre. Insofern habe der Kläger nicht darauf vertrauen können, dass eine Rückzahlung der von der Beklagten übernommenen Kosten, wie in der Vereinbarung festgelegt, nicht verlangt werden würde. Vom Ausnutzen einer Zwangslage seitens der Beklagten könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil - wie die unter dem 15.12.2009 vereinbarte Verkürzung der Bindungsfrist beweise - die Beklagte sich jederzeit kooperativ gegenüber dem Kläger gezeigt und verhalten habe.
40Der Kläger erwidert, entgegen der Behauptung der Beklagten habe es sich bei der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht um eine individuell ausgehandelte Vereinbarung gehandelt. Hiergegen spreche bereits der Wortlaut der Vereinbarung, die mit den Worten "wir … vereinbaren mit Ihnen hierzu Folgendes:" beginne. Vor der abschließenden Grußformel werde dann ausgeführt "Ihr Einverständnis mit dieser Regelung bitten wir … zu bestätigen". Diese Textpassagen gäben den tatsächlichen Verlauf des Geschehens wieder. Der Kläger habe überhaupt nichts mit der Beklagten ausgehandelt, vielmehr sei ihm die Vereinbarung vorgelegt und um Bestätigung auf der Zweitschrift gebeten worden. Vor Vorlage des Schreibens vom 24.09.2009 habe es zwischen den Parteien keinerlei Gespräche über den Verlauf der beruflichen Weiterbildung, geschweige denn über Rückzahlungsmodalitäten, gegeben. Vielmehr habe die Beklagte bis zum 24.09.2009 ihm gegenüber signalisiert, sie übernehme die Fortbildungskosten ohne Rückzahlung.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die zulässige Klage ist begründet.
44I.
45Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Studien- und Prüfungsgebühren nach der Vereinbarung. Die Rückzahlungsklausel benachteiligt den Kläger unangemessen und ist damit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht.
461. Die Klausel zur Rückzahlung der Studien- und Prüfungsgebühren in der Vereinbarung ist am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB zu messen. Die Vereinbarung enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat, wie ihr Geschäftsführer in der letzten mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, gleichlautende Rückzahlungsvereinbarungen wie im Streitfall in der Vereinbarung auch mit mehreren anderen Arbeitnehmern vereinbart, weswegen sie eine grundsätzliche gerichtliche Klärung von deren Zulässigkeit anstrebe.
472. Die Rückzahlungsverpflichtung in der Vereinbarung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Der Kläger wird durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt.
48a) Die von der Beklagten gestellte Klausel belastet den Kläger ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Rückzahlungspflicht für entstandene Fortbildungskosten. Die Bestimmung unterscheidet insoweit nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammt. Die Klausel differenziert nicht einmal zwischen zwei unterschiedlichen Beendigungstatbeständen, und zwar zwischen der vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung einerseits und der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung andererseits. Die Rückzahlungspflicht besteht vielmehr ohne Einschränkung, also auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zum Beispiel durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers. Dadurch wird der Kläger unangemessen benachteiligt (vgl. hierzu ausführlich: BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - NZA 2012, 738 = AP Nr. 45 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 2012, 1155).
49b) Es ist im Übrigen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht einmal zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden (vgl. BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - NZA 2006, 1042 = AP Nr. 16 zu § 307 BGB = DB 2006, 2241 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 14 [Rz. 27]). Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie entgegen § 307 Abs. 1 BGB nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragspartner, sondern nur diejenigen des Arbeitgebers. Dadurch wird der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (vgl. BAG vom 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/03 - NZA 2004, 1035 = AP Nr. 34 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 2004, 2427 = EzA § 611 BGB 2002 Ausbildungsbeihilfe Nr. 6, zu B II 2 a der Gründe; BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - NZA 2012, 738 = AP Nr. 45 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 2012, 1155 [Rz. 26] ).
503. Die Klausel ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass der Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind, zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet ist.
51Dies wäre eine geltungserhaltende Reduktion, die im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich ist (vgl. ausführlich BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - a.a.O. [Rz. 29 ff.]). Auch eine dahin gehende ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel mit einem zulässigen Inhalt. Im Zeitpunkt der Verwendung der Klausel im Jahre 2009 war bereits bekannt, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, die an Beendigungstatbestände eine Rückzahlungspflicht knüpft, deren Ursache der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Das ergab sich bereits aus den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Mai 1998 - 5 AZR 535/97 - (NZA 1999, 79 = AP Nr. 28 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 1999, 156 = EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 19, zu II 4 der Gründe), vom 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/03 - (a.a.O.) und vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - (a.a.O.). Deshalb konnte die Beklagte auch nicht auf den Fortbestand einer anderslautenden früheren Rechtsprechung vertrauen.
524. Ob der Kläger von der Beklagten zur Kündigung veranlasst wurde und ob der Kläger zur Kündigung berechtigt war oder sich als berechtigt dazu ansehen durfte, ist unerheblich. Die §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (vgl. BAG vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - a.a.O. [Rz. 38]; BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - a.a.O. [Rz. 39]; BGH vom 28. Oktober 1981 - VIII ZR 302/80 - BGHZ 82, 121).
535. Der Kläger ist auch nicht verpflichtet, der Beklagten die aufgewendeten Fortbildungskosten wegen der vorzeitigen Kündigung des Arbeitsvertrags im Wege des Schadensersatzes nach § 280 BGB zu erstatten. Ein solcher Anspruch wäre nach § 249 Abs. 1 BGB darauf gerichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hätte der Kläger nicht gekündigt, würde der Vertrag weiterhin bestehen. An der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB würde dies nichts ändern, so dass die Beklagte auch in diesem Fall keine Erstattung der Fortbildungskosten verlangen könnte.
546. Die Beklagte kann ihr Zahlungsverlangen auch nicht auf bereicherungsrechtliche Vorschriften stützen.
55a) Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten nach § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2 BGB. Der Kläger hat die Fortbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der rechtliche Grund besteht in der - mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel - wirksamen Fortbildungsvereinbarung (vgl. ausführlich: BAG vom 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - NZA 2012, 1428 = AP Nr. 46 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 2012, 2894 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 58 [Rz. 33 ff.]).
56b) Im Übrigen stehen Sinn und Zweck des Rechtsfolgensystems des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen entgegen. Der Zweck der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB würde unterlaufen, wenn der Klauselverwender einen vertraglich vereinbarten Rückzahlungsanspruch infolge einer unangemessen benachteiligenden Vertragsgestaltung verlieren, anschließend aber über den Bereicherungsausgleich das nach §§ 305 ff. BGB missbilligte Ziel erreichen würde (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., Einf vor § 812 Rz. 5). Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfolgt mit dem beim Klauselverwender eintretenden Rechtsverlust den Zweck, die erfolgte Vermögensverschiebung bestehen zu lassen. Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB kommt ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB in Betracht (vgl. hierzu: BAG vom 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - a.a.O. [Rz. 46]; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 306 Rz. 19). Diese Voraussetzungen haben im Streitfall ersichtlich nicht vorgelegen.
57Wird der Kläger nach allem bereits aus den genannten Gründen durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Fortbildungsvereinbarung zudem nicht auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB unwirksam ist. Allerdings spricht aus der Sicht der erkennenden Kammer einiges dafür, dass die von der Beklagten gestellte Klausel nicht hinreichend klar und verständlich ist, denn sie lässt nicht erkennen, welche finanziellen Belastungen - ggf. in welcher Größenordnung - auf den Kläger zukommen konnten (vgl. hierzu: BAG vom 21. August 2012 - 3 AZR 698/10 - a.a.O. [Rz. 18 ff.]). Dies mag jedoch letztendlich dahinstehen.
58Fehlt es nach allem an einem Rückzahlungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger, so ist die Beklagte verpflichtet, an den Kläger den von dessen November-Gehalt einbehaltenen Betrag von 2.023,10 € zur Auszahlung zu bringen.
59II.
601. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf § 288 Abs. 1 S. 2 BGB, § 286 Abs. 1 S. 2 BGB, § 291 S. 1, 1. Halbs. BGB.
612. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbin- dung mit § 46 Abs. 2 ArbGG als unterlegene Partei die Beklagte zu tragen.
623. Den Wert des - auch für die Gerichtskosten maßgebenden - Streitgegenstandes hat die Kammer gemäß den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit den §§ 3 ff. ZPO in Höhe der Klageforderung festgesetzt.
63RECHTSMITTELBELEHRUNG
64Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
65B e r u f u n g
66eingelegt werden, sofern der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt.
67Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
68Die Berufung muss
69innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
70beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 schriftlich oder in elektronischer Form ein-gegangen sein.
71Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
72Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
73Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein.
74Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
751.Rechtsanwälte,
762.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
773.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
78Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
79* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.