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Arbeitsgericht Essen, 5 Ca 652/08

Datum:
24.04.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Essen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 652/08
ECLI:
ECLI:DE:ARBGE:2009:0424.5CA652.08.00
 
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:

kein Leitsatz vorhanden

 
Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.01.2008     bis 30.06.2008 € 1.282,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf     Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.07.2008     bis 31.03.2009 € 1.942,29 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf     Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.04.2009 bis auf     Weiteres über den Betrag von 3.908,84 € brutto hinaus monatlich     weitere 215,81 € brutto, jeweils fällig am Monatsende, zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 39% und die     Beklagte zu 61%.

6. Die Berufung wird nicht unabhängig vom Wert des Beschwerdegegen-    standes zugelassen.

7. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.167,20 € festgesetzt.

T b. t b e s t b. n d:

Die Parteien streiten über die Anpassung von betrieblichem Ruhegeld.

Der am 3. geborene Kläger war bis zum 31.12.1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Seit Januar 1996 erhält er ein Ruhegeld, welches anfänglich umgerechnet 3.375,33 € betrug. Hinsichtlich der Altersversorgung enthielt der Anstellungsvertrag vom 20.10.1975 folgende Regelung:

"6. Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung

Sie erhalten eine Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung nach

Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien für die Ruhegeld- und

Hinterbliebenenversorgung des S.."

Die bei Abschluss des vorgenannten Vertrages gültigen S. - Ruhegeldrichtlinien vom 18.05.1966 wurden durch eine mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Ruhegeldrichtlinie vom 09.02.1989 (kurz: RL 02/89) ersetzt. Hierin heißt es auszugsweise:

"§ 6. Berechnung des ruhegeldfähigen Diensteinkommens

(6.) Die S.-Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung wird für Pen-

sionsfälle ab 1992 höchstens um die Inflationsrate angepasst, soweit

diese zum Zeitpunkt einer Rentenerhöhung unterhalb der Erhöhungen

der Nettovergütungen der aktiven S. - Mitarbeiter liegt. Übersteigt

die Inflationsrate die Erhöhung der Nettovergütungen, verbleibt es bei

der Anhebung der Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung um den

Prozentsatz der Erhöhung dieser Nettovergütungen.

(8) Stichtag für die Anpassung der Betriebsrenten ist jeweils der Zeit-

punkt der Anpassung der gesetzlichen Sozialversicherungsrenten.

(9) § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersver-

sorgung vom 19.12.1974 bleibt unberührt. Dabei sind zwischenzeitlich

nach den vorstehenden Absätzen erfolgte Anhebungen zu berück-

sichtigen.

…"

Unter dem 18.12.2006 hatten die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Änderung der "Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft" vom 09. Februar 1989 geschlossen. § 2 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung (kurz: GBV 2006) enthält folgende Regelung:

"Neufassung des § 6. Absätze 6. bis 9 RL 02/89

§ 6. Absätze 6. bis 9 RL 02/89 wird in allen bis zum Inkrafttreten dieser

Betriebsvereinbarung geltenden Fassungen durch folgende Regelung

ersetzt:

Das Unternehmen verpflichtet sich, jeweils zum 1. Juli eines jeden

Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 1% anzupassen.

Steigen die Verbraucherpreise in einem Jahr um 4,75% oder mehr oder

in drei aufeinander folgenden Jahren um 11,6 % oder mehr, verpflichten

sich die Betriebsparteien, über eine einmalige Neuregelung der

Anpassung zu verhandeln mit dem Ziel eine Entwertung der Renten zu

verhindern.

Im Übrigen bleiben die Regelungen der RL 02/89 unberührt."

Auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung wurde die Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2007 um 1% auf 3.870,14 € brutto erhöht. Der Verbraucherpreisindex stieg vom 30.06.2006 bis zum 30.06.2007 um 1,81 %.

Mit der vorliegenden - der Beklagten am 04.03.2008 zugestellten - Klage hat der Kläger zunächst die monatliche Differenz zwischen der bei Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes errechneten monatlichen Betriebsrente von 3.901,18 € brutto und des tatsächlich erhaltenen Ruhegeldes für die Zeit ab Juli 2007 geltend gemacht. Sodann hat er mit einer Klageerweiterung vom 14.04.2008 Teuerungsausgleich gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG zu einem Anpassungstermin 01.07.2008 begehrt. Mit einem Schriftsatz vom 24.06.2008 hat er die Klage auf eine Anpassung gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG zum 01.01.2008 erweitert. Mit Schriftsatz vom 06.03.2009 hat er die Klage sodann auf diesen Teuerungsausgleich zuzüglich einer Erhöhung um 1% zum 01.01.2008 beschränkt, zugleich aber erklärt, er behalte sich weitergehende Zahlungsansprüche zum 01.07.2007 und 01.07.2008 auf der Grundlage der Ruhegeldrichtlinie 02/89 vor. Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassungsüberprüfung gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG vorzunehmen. Die in der Ruhegeldrichtlinie vom 18.12.2006 vorgesehene 1% - Regelung habe nicht gemäß § 16 Abs.3 Nr. 1 BetrAVG dazu geführt, dass die Anpassungs-verpflichtung gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG entfallen sei. Gemäß § 30c Abs.1 BetrAVG gelte § 16 Abs.3 Nr.1 BetrAVG nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhten, die nach dem 31.12.1998 erteilt worden seien. Zudem hätten die Betriebsparteien ohnehin keine Regelung zu Lasten des Klägers treffen dürfen, da ihre Regelungsmacht nicht die Ruhestandsverhältnisses erfasse.

Der Kläger trägt vor, die Teuerungsrate von Januar 1996 bis Januar 2008 habe 3,09 % betragen. Ihm habe daher ab dem 01.01.2008 eine monatliche Rente von 4.087,19 € zugestanden. Bei Zugrundelegung einer Verpflichtung zur Erhöhung der Betriebsrente zum 01.07.2008 um mindestens 1% betrüge diese statt tatsächlich gezahlter 3.908,84 € 4.128,06 €, woraus sich eine monatliche Differenz von 219,22 € errechne.

Der Kläger beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2008 € 1.302,30 brutto nebst 6.% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 zu zahlen;

2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.03.2009 € 1.972,98 brutto nebst 6.% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 zu zahlen;

3.die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.04.2009 bis auf Weiteres über den Betrag von € 3.904,80 brutto hinaus weitere € 219,22 brutto, jeweils fällig am Monatsende, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie sei nicht zu einer Anpassung der Betriebsrente gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG verpflichtet. Es gelte die GBV 2006 mit der Anpassungsverpflichtung von jährlich 1%. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger bei Inkrafttreten der Gesamtbetriebsvereinbarung kein aktiver Arbeitnehmer mehr gewesen sei, da sein Arbeitsvertrag bezüglich der Betriebsrentenregelungen eine Jeweiligkeitsklausel enthalte. Diese habe zur Folge, dass Änderungen der Altersversorgungsregelungen nach Eintritt in den Ruhestand für den Kläger Geltung entfalteten.

Die in § 2 GBV 2006 vorgesehene jährliche Anpassung um 1% lasse gemäß § 16 Abs.3 Nr.1 BetrAVG die Verpflichtung nach § 16 Abs.1 BetrAVG entfallen. § 16 Abs.3 S.1 BetrAVG sei auf Leistungen, die zwar vor dem 31.12.1998 zugesagt, aber erst ab 1999 angepasst würden, uneingeschränkt anwendbar. Dem stehe § 30c Abs.1 BetrAVG nicht entgegen. Dieser spreche von "laufenden Leistungen", wodurch der Gesetzgeber verdeutlicht habe, dass nur Betriebsrenten erfasst sein sollten, die bereits vor dem 01.01.1999 tatsächlich gezahlt worden seien. Das mit der Einführung der 1%-Regelung verbundene gesetzgeberische Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu erhalten und ihre Verbreitung zu fördern, spreche dafür, die Regelung auf alle Anpassungen ab 1999 anzuwenden. Würde man alle bis zum 31.12.1998 erteilten Versorgungszusagen von der Möglichkeit der 1% - Anpassung ausnehmen, so könnte die Regelung des § 16 Abs.3 Nr.1 BetrAVG faktisch erst in vielen Jahren greifen, was dem dargestellten gesetzgeberischen Ziel zuwiderliefe.

Aber selbst dann, wenn § 16 Abs.3 Nr.1 BetrAVG nicht anwendbar sein sollte, würde zumindest die Umstellung der jährlichen Anpassung von der bisherigen Regelung auf die 1% - Garantieanpassung neben der dann fortbestehenden Anpassungsverpflichtung des § 16 Abs.1 BetrAVG gelten.

Zudem rügt die Beklagte die Berechnung der Klageforderung. Es müsse berücksichtigt werden, dass bis Dezember 2002 der Preisindex für 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittleren Einkommen gegolten habe, ab dem 01.01.2003 hingegen der Verbraucherpreisindex gelte. Außerdem sei es unzulässig, wenn der Kläger die Anpassung gemäß § 16 Abs.1 BetrAVG und § 2 der GBV 2006 kumuliere. Wenn § 16 Abs.1 BetrAVG entsprechend der Auffassung des Klägers Geltung beanspruchen könnte, dann wäre es richtig zwei parallele Berechnungsstränge fortlaufen zu lassen. Zum einen müsste die Betriebsrente auf der Grundlage der in den Betriebsrentenrichtlinien vorgesehenen jährlichen Anpassungen, zum anderen gemäß der dreijährigen Anpassung nach § 16 Abs.1 BetrAVG berechnet werden. Der jeweils höhere Wert müsste gezahlt werden, keinesfalls hingegen dürften beide Anpassungsformen durchmischt werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akteninhalt Bezug genommen.

 
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