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kein Leitsatz vorhanden
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3.Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten darüber, ob zwischen dem Kläger und der W. in der Zeit vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1996 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
3Der am 25. April 1954 geborene, ledige Kläger war seit dem 01. Juli 1979 bei der Firma Ingenieurbüro I. [i.d.F.: Fa. I.], die im Rahmen von Werkverträgen für die W. [i.d.F.: W.] tätig war, als Elektromeister beschäftigt.
4Während seines mit der Fa. I. bestehenden Arbeitsvertrages war der Klä-ger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der W., ab 19. Februar 1981 im Einsatz. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger ausschließlich für die W. tätig war. Er wurde dort als Tarifprüfer und technischer Außendienst-mitarbeiter eingesetzt.
5Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Fa. I. endete auf-grund betriebsbedingter Kündigung der Fa. I. zum 31. März 1996. Da die Beklagte Vertretern der Fa. I. zugesagt hatte, sich bei den Stadtwerken P. und C. dafür einzusetzen, dass die von einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer der Fa. I. - darunter auch der Kläger - dort einen Arbeitsvertrag erhielten, gelang es dem Kläger, unmit-telbar im Anschluss an das Arbeitsverhältnis mit der Fa. I. einen Arbeitsvertrag bei den Stadtwerken P. abzuschließen, bei denen er seit nunmehr rund zehn Jahren arbeitet.
6Mit der vorliegenden, am 05. April 2004 beim Arbeitsgericht N. eingegan-genen, durch Beschluss vom 18. Mai 2004 an das Arbeitsgericht F. verwie-senen, Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen ihm und der W. in der Zeit vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1996 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
7Er ist der Ansicht, bei seinem Einsatz für die Fa. I. habe es sich um einen Fall unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG gehandelt. Er sei vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1996 ausschließlich für die W. tätig und in deren Betrieb arbeitstechnisch eingebunden gewesen. Arbeitsanweisun-gen habe er durch das Verkaufsbüro der W. in N. erhalten. Auch seine Urlaubsplanung sei nach Rücksprache mit dem zuständigen Verkaufsingenieur der W. erfolgt. Im Krankheitsfall habe das jeweilige Verkaufsbüro der W. von ihm eine Nachricht über seine Erkrankung und deren voraussichtliche Dauer erhalten, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe er allerdings der Fa. I. vorgelegt. Ansonsten habe eine Verbindung zwischen dem Kläger und der Fa. I. nur noch insoweit bestanden, als dass sein Gehalt von der Fa. I. gezahlt worden sei. Infolge dessen sei er im Rahmen einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung bei der W. tätig gewesen.
8Der Kläger beantragt
9festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der W. in der Zeit vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1996 ein Arbeitsverhältnis bestan-den hat.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Annahme des Klägers habe zwischen ihm und der W. kein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Kläger sei von der Fa. I. auch nicht ausschließlich bei der W. eingesetzt worden. Jedenfalls sei sein Einsatz bei dieser nur im Rahmen von Werkverträgen erfolgt. Die Fa. I. habe jeweils ein konkretes Angebot für bestimmte zu erledigende Arbeiten erstellt, worauf jeweils eine Auftragsertei-lung durch W. erfolgt sei. Es sei davon auszugehen, dass die Werkverträge auch entsprechend umgesetzt worden seien. Wo die Fa. I. zur Erfüllung ihrer Aufträge welche Mitarbeiter eingesetzt habe, habe allein deren Einsatz-planung oblegen. Unterlagen aus früheren Zeiten könnten aber wegen des Ablaufs der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nicht mehr vorgelegt werden. Arbeitsvertragliche Weisungen hätten dem Kläger jedenfalls allein seine Vorgesetzten bei der Fa. I. erteilt. Seinen Urlaub habe der Kläger zwar in Anpassung an die Gegebenheiten vor Ort abgestimmt, genehmigt worden sei der Urlaub jedoch ausschließlich von der Fa. I.. Wie der Kläger selbst vor-trage, habe er Erkrankungen gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber, der Fa. I., gemeldet. Wie sich das Arbeitsverhältnis des Klägers zu seinem Vertragsarbeitgeber im Übrigen gestaltet habe, sei der Beklagten nicht bekannt und müsse daher mit Nichtwissen bestritten werden.
13Darüber hinaus hätte ein etwa zwischen dem Kläger und W. jemals bestehendes Arbeitsverhältnis dem MTV-W. unterlegen. Dieser enthalte in § 22 MTV eine Ausschlussklausel, wonach gegenseitige Ansprüche aus diesem Tarifvertrag innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden müssten. Der Kläger habe jedoch erstmals im Jahre 2004 geltend gemacht, zwischen 1981 und 1996 habe ein Arbeitsverhältnis zu W. bestanden. Die Geltendmachung eines vermeintlichen Arbeitsverhältnis-ses acht Jahre nach dessen Beendigung sei aber bereits tarifvertraglich ausge-schlossen. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben.
14Im Übrigen könne sich der Kläger auch wegen Verwirkung nicht mehr auf ein etwa zwischen ihm und W. gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zustande gekommenes Arbeitsverhältnis berufen. Nachdem der Kläger seit Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei der Fa. I. bereits fast zehn Jahre bei den Stadtwerken P. gearbeitet und all die Jahre über untätig geblieben sei, sei das Zeitmoment offenkundig erfüllt, da der von dem Kläger geltend gemachte Einsatzzeitraum zum Teil bereits fast zwanzig Jahre zurückliege. Auch das Umstandsmoment sei erfüllt, denn dem Kläger seien die Ausgestaltung und praktische Durchführung seines Arbeitsverhältnisses und die hieraus möglicher-weise resultierenden Ansprüche bekannt gewesen. Insbesondere sei ihm bekannt gewesen, dass sein ebenfalls bei der Fa. I. beschäftigter Kollege V. bereits unmittelbar nach Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Fa. I. und dem fehlgeschlagenen Versuch der Beklagten, Herrn L. an die Stadtwerke C. zu vermitteln, Anfang des Jahres 1998 versucht habe, sich wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten einzuklagen. Gleichwohl habe sich der Kläger gegenüber der Beklagten nie darauf berufen, es habe für die Zeit von 1981 bis 1996 wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zwischen ihm und der W. ein Arbeits-verhältnis bestanden. Nachdem der Kläger dann fast zehn Jahre, ohne sich je an die Beklagte gewandt zu haben, bei den Stadtwerken P. gearbeitet habe, habe die Beklagte in Kenntnis dessen darauf vertraut, dass er ihr gegenüber keine Ansprüche mehr geltend machen wolle.
15Insofern habe der Kläger gleich mehrfach einen Umstand gesetzt, der es für die Beklagte unzumutbar mache, die geforderten Ansprüche zu erfüllen. Hätte die Beklagte nämlich hiermit gerechnet, hätte sie - schon im Hinblick auf den gesetzlichen Passivierungszwang - die für die Finanzierung hieraus resultieren-der zukünftiger Altersversorgungsansprüche des Klägers erforderlichen Rück-stellungen gebildet. Damit wäre der Bilanzgewinn der Beklagten entsprechend gemindert worden und die Besteuerung der Beklagten entsprechend niedriger ausgefallen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers seien die in Rede stehenden Passivierungen unterblieben. Der Kläger könne nicht, nachdem er nach eigenem Vortrag jeglichen Kontakt zur Beklagten vor fast zehn Jahren beendet und durch sein Verhalten mehrfach ihr gegenüber signalisiert habe, dass er sie nicht als Arbeitgeberin betrachte, nun mit dem Ziel, die eigene Altersversorgung aufzubessern, nachträglich ein Arbeitsverhältnis einklagen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Klage ist nicht begründet.
19A.
20Die Klage ist zulässig.
21Insbesondere begegnet die Zulässigkeit der Feststellungsklage keinen recht-lichen Bedenken, da das Feststellungsinteresse des Klägers gegeben ist.
221. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass dieses durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-richts (vgl. BAG vom 28. Juni 2000 - 7 AZR 100/99 - BAGE 95,165 = NZA 2000, 1160 = AP Nr. 3 zu § 13 AÜG; BAG vom 25. Oktober 2000 - 7 AZR 487/99 - BAGE 96,150 = NZA 2001, 259 = AP Nr. 15 zu § 10 AÜG; BAG vom 06. August 2003 - 7 AZR 180/03 - AP Nr. 6 zu § 9 AÜG = EzA § 1 AÜG Nr. 13 = BB 2004, 669; ebenso: Becker/ Wulfgramm, AÜG, 3. Auflage, Art. 1 § 10 Rz. 38 a; Schüren, AÜG, § 10 Rz. 126) kann ein Arbeitnehmer das Bestehen und den Beginn eines Arbeitsverhältnisses bei einem Entleiher auf der Grundlage der Art. 1 § 15, 13 AÜG a.F. mit einer allgemeinen Feststellungsklage ver-folgen.
23Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerich-tet, ist sie nur dann zulässig, wenn sich gerade aus dieser Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (vgl. BAG vom 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/98 - AP Nr. 60 zu § 256 ZPO 1977 m.w.N.; BAG vom 09. Juli 2003 - 5 AZR 595/02 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung besteht, wenn dem Recht des Feststellungsklägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BAG vom 19. Oktober 1993 - 9 AZR 478/91 - AP Nr. 23 zu § 256 ZPO 1977; BGH vom 07. Februar 1986 - V ZR 201/84 - MDR 1986, 743).
242. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist die vom Kläger erhobene Klage zulässig.
25Da es um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht, kann der Arbeitnehmer das Bestehen sowie den Beginn und das Ende eines Arbeitsver-hältnisses zu einem Entleiher auf der Grundlage des Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO verfolgen (st. Rspr. vgl. z.B. BAG vom 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 - AP Nr. 5 zu § 13 AÜG m. w. N.). Dies gilt im Streitfall auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das zwischen dem Kläger und der Fa. I. bestehen-de Arbeitsverhältnis seit dem 31. März 1996 beendet ist, denn es können sich aus der von dem Kläger begehrten Feststellung, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft, wie insbeson-dere ein Anspruch des Klägers auf betriebliche Altersversorgung gegen die Beklagte, ergeben.
26B.
27Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, wobei dahinstehen kann, ob zwischen dem Kläger und der W. in dem Zeitraum vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1986 gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG in Verbindung mit Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Denn jedenfalls hat der Kläger sein Recht, sich hierauf zu berufen, verwirkt.
28I.
29Das Rechtsinstitut der Verwirkung gemäß § 242 BGB ist auch bei der Geltendmachung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zu beachten. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - AP Nr. 5 zu § 242 Prozessverwir-kung; BAG vom 12. August 1999 - 2 AZR 632/98 - AP Nr. 41 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung - Verwirkung = NZA 2000, 106).
301. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der sog. unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Sie soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen (vgl. LAG Düsseldorf vom 14. Januar 2002 - 5 Sa 1448/01 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 105). Es ist aber nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger längere Zeit ihre Rechte nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechtes nicht rechtfertigen. Um den Tatbestand der Verwirkung auszufüllen, muss neben das Zeitmoment das Umstandsmoment treten. Es müssen also beson-dere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichte-ten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumut-bar anzusehen (vgl. BAG vom 25. März 2004 - 2 AZR 295/03 - AP Nr. 36 zu § 9 MuSchG 1968 = EzA § 9 MuSchG n. F. Nr. 40 = NZA 2004, 1064 [LS]; BAG vom 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - NZA 2004, 1383 = AP Nr. 274 zu § 613 a BGB = EzA § 613 a BGB 2202 Nr. 27, zu B II 2 d der Gründe).
31Voraussetzung ist, dass ein Rechtsträger ein Recht längere Zeit nicht ausgeübt hat (Zeitmoment), der Gegner nach dem früheren Verhalten des Rechtsträgers damit rechnen durfte, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht wird (Umstandsmoment) und die späte Erfüllung des Rechts dem Verpflichteten nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. nur BAG vom 23. Dezember 1958 - 1 AZR 565/56 - AP Nr. 4; BAG vom 09. Juli 1958 - 2 AZR 438/56 - AP Nr. 9; BAG vom 01. August 1958 - 1 AZR 475/55 - AP Nr. 10; BAG vom 28. Juli 1960 - 2 AZR 105/59 - AP Nr. 17, alle zu §§ 242 BGB Verwirkung m.w.N.; BAG vom 25. März 2004 - 2 AZR 295/03 - EzA § 9 MuSchG n.F. Nr. 40; BAG vom 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 27).
322. Die Verwirkung des Rechts, sich auf das Bestehen eines kraft Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnisses zu berufen, setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer den Eintritt der gesetzlichen Fiktionswirkung kennt.
33Die Kenntnis eines Rechts ist in Fällen der vorliegenden Art für den Eintritt der materiellen Wirkung ebenso wenig erforderlich, wie in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses mit der Begrün-dung geltend macht, dessen Befristung sei unwirksam. Auch in Fällen der Unwirksamkeit der Befristung eines Arbeitsplatzverhältnisses kann das Recht des Arbeitnehmers, sich hierauf zu berufen, verwirken, ohne dass der Arbeit-nehmer die Unwirksamkeit der Befristung kennt.
34Vielmehr kommt es allein darauf an, ob das Zeitmoment und das Umstands-moment vorliegen und die erforderliche Abwägung ergibt, dass dem Schuldner die gegenwärtige Erfüllung des Rechts oder Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG vom 27. November 1987 - 7 AZR 314/87 - RzK I 9 a Nr. 29; BAG vom 25. Oktober 1989 - 7 AZR 578/88 - RzK I 9 a Nr. 48; LAG Düsseldorf vom 02. Juni 2005 - 11 Sa 218/05 - EzA-SD 2005 Nr. 16,13).
353. Dabei ist es in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, dass nicht nur das Recht zur Geltendmachung einzelner Ansprüche aus einem Arbeitsverhält-nis, sondern ebenso das Recht, klageweise das Bestehen oder Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, insgesamt verwirken kann (vgl. BAG vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - AP Nr. 5 zu § 242 Prozessverwirkung = EzA § 242 BGB Prozessverwirkung Nr. 1; BAG vom 02. Dezember 1999 - 8 AZR 890/98 - AP Nr. 6 zu § 242 BGB Prozessverwirkung = NZA 2000, 540; BAG vom 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - AP Nr. 46 zu § 242 BGB Unzulässi-ge Rechtsausübung - Verwirkung = NZA 2001, 966 = EzA § 242 BGB Verwir-kung Nr. 1; KR-Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 13 KSchG Rz. 304 ff. m. w. N.).
36Auch das Recht eines Leiharbeitnehmers, sich gegenüber dem Entleiher darauf zu berufen, infolge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung gelte zwischen ihnen gemäß Artikel 1 § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zustande gekom-men, kann verwirken (vgl. BAG vom 30. Januar 1991 - 7 AZR 239/90 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 68; BAG vom 30. Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - NZA 1992, 19 = AP Nr. 8 zu § 10 AÜG = DB 1991, 2342, zu I 2 der Gründe; BAG vom 19. März 2003 - 7 AZR 267/02 - AP Nr. 4 zu § 13 AÜG; BAG vom 19. März 2003 - 7 AZR 269/02 - n. v., zu III 4 b der Gründe; LAG Köln vom 03. Juni 2003 - 13 (3) Sa 2/03 - EzAÜG § 9 AÜG Nr. 13; LAG Düsseldorf vom 02. Juni 2005 - 11 Sa 218/05 - EzA-SD 2005, Nr. 16, 13).
37II.
38Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, dass das Recht des Klägers auf Geltendmachung seiner Rechte verwirkt ist.
391. Das sog. Zeitmoment ist erfüllt, da zwischen der letztmalig möglichen Verwirklichung einer unerlaubten Arbeitsvermittlung im Sinne des Artikel 1 § 13 AÜG a.F. und der erstmaligen Geltendmachung des Klägers gegenüber der Beklagten ein Zeitraum von über 8 Jahren gelegen hat.
40Hinsichtlich des Beginns des Verwirkungszeitraums ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu welchem - bei Unterstellung des Vorbringens des Klägers bezüglich einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung als zutreffend - letztmalig die Voraussetzungen für die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten verwirklicht werden konnten. Dies war im März 1996 der Fall.
41Die Frage, welcher zeitliche Ablauf für die Verwirklichung des Zeitmoments ausreichend ist, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Es ist vielmehr immer auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (vgl. BAG vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - a. a. O.). Im Regelfall dürfte zumindest ein Zeitablauf von 11 Monaten für die Verwirklichung des Zeitmoments ausreichen (vgl. BAG vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - a.a.O., zu II 2 der Gründe).
42Dieses Zeitmoment ist im Streitfall ohne jeden Zweifel verwirklicht, da der Kläger über 8 Jahre gewartet hat, bevor er erstmalig Anfang 2004 gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hat, dass er davon ausgehe, zwischen ihm und der W. habe in der Zeit vom 19. Februar 1981 bis zum 31. März 1996 ein Arbeitsverhältnis bestanden. In Anbetracht des vorliegend erfüllten Zeitraums von mehr als 8 Jahren kann dahinstehen, ob nicht auch ein deutlich geringerer Zeitraum ausgereicht hätte (vgl. drei Monate: BAG vom 30. Januar 1991 - 7 AZR 239/90 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 68; ein Jahr: LAG Köln vom 03. Juni 2003 - 13 (3) Sa 2/03 - EzAÜG § 9 AÜG Nr. 13).
43Unerheblich ist, ob der Kläger Kenntnis von möglichen Rechtsansprüchen, insbesondere der Rechtslage bezüglich Art. 1 § 13 AÜG a.F. oder §§ 9, 10 AÜG hatte. Das Zeitmoment beginnt nämlich schon dann, wenn der Anspruchs-berechtigte positive Kenntnisse von den tatsächlichen Umständen hat, die seinen Anspruch auslösen könnten (vgl. für den Fall unerlaubter Arbeitnehmer-überlassung: LAG Düsseldorf vom 14. Januar 2002 - 5 Sa 1448/01 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 105; für den Fall eines Betriebsübergangs: BAG vom 27. Januar 2000 - 8 AZR 106/99 - ZInsO 2000, 2569 = RzK I 5 e Nr. 128). Die positive Kenntnis von allen möglicherweise anspruchsbegründenden Tatsachen hatte der Kläger aber seit Beginn seiner Tätigkeit in den Diensten der Firma I. für die W..
442. Auch das sog. Umstandsmoment hat im Streitfall vorgelegen. Die Beklagte durfte sich darauf verlassen, der Kläger werde sie nicht als seine Arbeitgeberin in Anspruch nehmen.
45Der Kläger hat gegenüber der Beklagten nicht nur bis zur Zustellung seiner Klage kein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der W. reklamiert, sondern er hat durch sein Verhalten ihr wie auch der W. gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin nicht als seine Arbeitgeberin betrachte. Denn der Kläger hat allein aufgrund dessen seine Tätigkeit bei der W. eingestellt, dass die Firma I. sein mit ihm beste-hendes Arbeitsverhältnis zum 31. März 1996 gekündigt hatte. Der Kläger hat sich hierauf auch nicht etwa - wie man doch aufgrund seiner jetzigen Klage eigentlich annehmen sollte - an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin gewandt, sondern auf Vermittlung der Beklagten einen Arbeitsvertrag mit den Stadtwerken P. abgeschlossen, bei denen er seitdem bis dato - also seit rund zehn Jahren - unverändert tätig ist.
46Damit hat der Kläger einen Umstand gesetzt, auf den die Beklagte vertrauen durfte und vertraut hat, nämlich den, dass er selbst nicht sie, sondern die Fa. I. als seine Arbeitgeberin angesehen hat (vgl. BAG vom 30. Januar 1991 - 7 AZR 239/90 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 68).
47a) Die Anerkennung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen der W. und dem Kläger zwischen dem 19.02.1981 und dem 31.03.1996 kann der Beklagten infolge des langen Zeitablaufes nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden.
48Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger es der Beklagten mit seinem Zuwarten erschwert hat, Sachverhalte aus der Vergangenheit - insbesondere bezüglich der Rechtsvorgängerin - aufzuklären, die es der Beklagten gegebenenfalls ermöglicht hätten, sich zu der Behauptung des Klägers, die zwischen der W. und der Firma I. abgeschlossenen Werkverträge seien von Beginn an als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren, substantiiert einzulassen. Weder die W. noch die Beklagte waren nämlich verpflichtet, für den gesamten abgelaufenen Zeitraum über Jahrzehnte die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren. Insbesondere erschwert es der Zeitablauf heute der Beklagten, zu Rahmenverträgen, alten Dienstplänen, Urlaubsplanungen und ähnlichen vom Kläger pauschal behaupte-ten Indizien Stellung zu nehmen.
49b) Darüber hinaus hätte die W. bzw. die Beklagte als deren Rechtsnach-folgerin bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses für die von dem Kläger mittelbar begehrte höhere Altersversorgung entsprechende Rücklagen bilden müssen. Das sich hieraus ergebende Rücklagen-Defizit hat sich zwangsläufig mit jedem Jahr erhöht, in dem der Kläger untätig abgewartet hat.
50c) Hätte der Kläger nicht gegenüber der Beklagten bzw. der W. zum Aus-druck gebracht, dass er sie nicht als seine Arbeitgeberin betrachte, hätte die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin für die Finanzierung zukünftiger Alters-versorgungsansprüche des Klägers die erforderlichen Rückstellungen gebildet, wodurch der Bilanzgewinn der Beklagten entsprechend gemindert und sich zu Gunsten der Beklagten eine entsprechend niedrigere Besteuerung ergeben hätte. Aufgrund der Untätigkeit des Klägers sind die in Rede stehenden Passivierungen jedoch unterblieben.
51Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
52C.
531. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
54in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG der Kläger zu tragen.
552. Den Wert des Streitgegenstandes hat die Kammer gemäß den
56§§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. den §§ 3 ff. ZPO festgesetzt.
57RECHTSMITTELBELEHRUNG
58Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
59B e r u f u n g
60eingelegt werden, da der Rechtsstreit das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses betrifft.
61Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
62Die Berufung muss
63innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils
64beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
65Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
66* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
67gez. B a c h l e r