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Einzellfallentscheidung zur Auslegung einer atypischen Vereinbarung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt 9.208,09 EUR.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Zahlung einer Nettoabfindung.
3Der Kläger trat zum 01.10.1975 als Geschäftsführer in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte ist die G.
4Unter dem 01.10.2003 vereinbarte der Kläger mit dem damaligen Vorsitzenden der Beklagten, dem k., unter anderem folgendes:
5"Der Geschäftsführer erhält bei seinem Eintritt in den Ruhestand eine Abstandszahlung von drei Monatsgehältern als Ausgleich für nicht übernommene Sozialleistungen der Fraktion.".
6Am 11.06.2007 erhielt die Beklagte folgendes Schreiben des Klägers:
7"...,
8vereinbarungsgemäß bestätige ich Ihnen, dass ich damit einverstanden bin, das vereinbarte Honorar aus dem Beratervertrag in 4 gleichen Raten zu zahlen. Als Einkommen aus selbständiger Arbeit werde ich dieses Honorar selbst versteuern.
9Mit freundlichen Gruß ...".
10Die Beklagte verpflichtete sich mit Schreiben vom 09.07.2007, dem Kläger zusätzlich zu der Abstandszahlung ein halbes 13. Monatsgehalt für das Jahr 2007 zu überweisen.
11Zuletzt verdiente der Kläger monatlich 6.302,83 € brutto. Mit Wirkung zum 30.06.2007 trat der Kläger in den Ruhestand.
12Im Anschluss an das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhielt der Kläger für August und September 2007 Gehaltsabrechnungen, die für August einen Betrag in Höhe von 12.605,66 € brutto und für September einen Betrag in Höhe von 9.454,24 € brutto auswiesen. Die daraus resultierenden Nettobeträge in Höhe von 7.501,25 € und 5.350,56 € wurden an den Kläger ausgezahlt.
13Mit Schreiben vom 24.08.2007 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Restbetrag, der sich bei einer Nettoberechnung der Abfindung ergeben würde, auf sein Konto zu zahlen. Eine weitere Zahlung erfolgte nicht.
14Der Kläger hat mit bei Gericht am 12.03.2008 eingegangener, der Beklagten am 19.03.2008 zugestellter Klage die Forderung gerichtlich geltend gemacht.
15Der Kläger behauptet, bei Vereinbarung der Abfindungszahlung zwischen ihm und dem damaligen Fraktionsvorsitzenden sei beiden klar gewesen, dass es sich bei der Abstandszahlung nicht um eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes handeln sollte. Es sei vereinbart gewesen, dass er bei seinem Eintritt in den Ruhestand eine Leistung von drei Gehältern ohne Abzüge im steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Bereich erhalten sollte.
16Er habe dem Schatzmeister der Beklagten im Juni 2007 den genannten Brief deshalb geschrieben, weil ihm die Gestaltung der Auszahlung egal gewesen sei. Er habe den Schatzmeister darauf hingewiesen, dass man die Zahlungen ggf. auch als Beraterhonorar deklarieren könne.
17Der Kläger beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.151,41 € brutto und
1918.908,49 € netto abzüglich gezahlter 12.851,81 € netto zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte behauptet, eine Nettoauszahlung der Abfindung sei nicht vereinbart worden. Eine ausdrückliche Vereinbarung sei nicht getroffen worden. Aus dem bei der Fraktion am 11.06.2007 eingegangenen Schreiben gehe ebenfalls hervor, dass auch der Kläger von der Steuerpflichtigkeit der Abfindung ausgegangen sei. Insoweit verhalte sich der Kläger widersprüchlich.
23Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Herrn P.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26I.
27Die Klage ist zulässig.
28Die Beklagte ist parteifähig. Bei der c. handelt es sich um einen bürgerlich-rechtlichen, nicht rechtsfähigen Verein (vgl. OLG München, VersR 1992, 312, 313; OLG Schleswig, NVwZ-RR 1996, 103, 104; OLG Stuttgart). Nicht rechtsfähige Vereine sind gem. § 50 Abs. 2 ZPO - jedenfalls als Beklagte - parteifähig.
29II.
30Die Klage ist nicht begründet.
31Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch steht diesem aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung einer Nettoabfindung verlangen.
32Die Höhe der Abfindung ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch die Beklagte hat den von ihr vorgenommenen Zahlungen einen Betrag in Höhe von 18.908,49 € zugrunde gelegt. Dieser Betrag entspricht genau drei Monatsgehältern. Die Beklagte hat diesen Betrag, aufgeteilt auf 2/3 im Monat August 2007 und auf 1/3 im September 2007 ausgezahlt. Hinzugesetzt hat sie im September die zwischen den Parteien unstreitige Zahlung des 13. Monatsgehaltes für das Jahr 2007 in Höhe von 3.151,41 €.
33Die Beklagte hat zu Recht die auf die Abfindung entfallende Lohnsteuer einbehalten und nur den verbleibenden Nettobetrag an den Kläger ausgezahlt.
34Es kann dahinstehen, inwieweit der Fraktionsvorsitzende allein die Beklagte wirksam verpflichten konnte. Jedenfalls ist eine Nettovereinbarung, wie sie der Kläger behauptet, nicht vereinbart worden.
35Die Vereinbarung, die der Kläger mit dem Fraktionsvorsitzenden, getroffen hat, ist auslegungsbedürftig.
36Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG v. 26.09.2001, 4 AZR 544/00, BAGE 99, 120, 123; BAG v. 19.09.2007, 4 AZR 710/06, AP Nr. 54 zu § 133 BGB).
37Die Parteien haben die Zahlung als Abstandszahlung bezeichnet. Allein aus dieser Bezeichnung, bei der es sich um eine nichttypische Vereinbarung handelt, ergibt sich nicht, ob der Betrag in voller Höhe an den Kläger auszukehren war ("netto"), wie der Kläger behauptet, oder ob der Betrag den allgemeinen lohnsteuerlichen Regelungen für Abfindungen unterworfen sein sollte. Fehlt es an einer abweichenden Regelung, so unterliegt die Abfindung gem. § 2 Abs. 1 EStG dem Steuerabzug (vgl. BAG v. 21.11.1985, 2 AZR 6/85, RzK I 9j Nr 2).
38Der Kläger hat seine Behauptung, dass sich aus den Gesprächen im Vorfeld der Vereinbarung vom 01.10.2003 eine Verpflichtung zur Auszahlung ohne sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerliche Abzüge ergeben habe, nicht bewiesen.
39Der als Zeuge vernommene seinerzeitige Fraktionsgeschäftsführer hat den entsprechenden Vortrag nicht bestätigt. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Seine Aussage war glaubhaft. Sie war in sich schlüssig und lebensnah. Insbesondere hat der Zeuge auch die Hintergründe der Vereinbarung geschildert. Demnach steht die entscheidende Aussage, dass über Einzelheiten nicht weiter gesprochen wurde, nicht zusammenhanglos im Raum, sondern ist Teil eines einheitlichen, widerspruchsfrei geschilderten Lebenssachverhalts. Der Zeuge hat ausgeführt, dass der Kläger selbst es übernommen habe, die Vereinbarung schriftlich niederzulegen. Auch hieraus wird deutlich, dass der Zeuge offenbar selbst keine detaillierten Vorstellungen über Auszahlungsmodalitäten hatte. Dies wird weiter bestätigt durch die Bemerkung, dass er nach der Rechtskonformität der Vereinbarung gefragt habe und sich insoweit auf die Aussage des Klägers, der Jurist ist, verlassen habe.
40Fehlt es aber an Vereinbarungen und sind keine weiteren Einzelheiten erörtert worden, gibt es keinen Grund, von der Vereinbarung einer von der gesetzlichen Grundregel abweichenden Auszahlungsweise auszugehen.
41Weiter hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger anschließend auf ihn zugekommen sei und ihn darum gebeten habe, die Zahlung so vorzunehmen, dass er eine Komplettzahlung erhalte, die er dann selbst versteuere. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass die Parteien bei Vertragsschluss im Oktober 2003 tatsächlich eine Nettozahlung beabsichtigt hatten. Denn wäre dies der Fall gewesen, so ist nicht verständlich, warum der Kläger im Jahr 2007 damit einverstanden gewesen sein sollte, selbst für die Versteuerung zu sorgen. Denn auch Einnahmen aus Beraterverträgen unterliegen gem. § 2 Abs. 1 EStG der Einkommensteuer.
42Jedenfalls hat der Kläger für das Gericht nachvollziehbar nicht erläutern können, aufgrund welcher sonstigen Umstände eine Steuer auf diese Einnahmen nicht angefallen wäre.
43III.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.
45Der Streitwert ist gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG im Urteil festzusetzen.
46Soweit die Berufung nicht ohnehin zulässig ist, da der Wert der Beschwer 600,00 € übersteigt (vgl. nachfolgende Rechtsmittelbelehrung), war die Berufung nicht zusätzlich gem. § 64 Abs. 2 a) ArbGG gesondert zuzulassen.
47Rechtsmittelbelehrung
48Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
49B e r u f u n g
50eingelegt werden.
51Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
52Die Berufung muss
53innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
54beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen sein.
55Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
56Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
571. Rechtsanwälte,
582. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
593. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
60Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
61* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.