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Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist zu erteilen, wenn dieser trotz einer aus betrieblichen Gründen berechtigten Ablehnung des Urlaubsantrages und eines wegen selbst herbeigeführter Eilbedürftigkeit zurückgewiesenen Eilantrages eigenmächtig seinen Urlaub antritt.
Die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3) wird gem. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ersetzt
I.
2Die Beteiligten streiten darüber, ob ausreichende Gründe für eine fristlose Kündigung des Beteiligten zu 3) bestehen und deshalb die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zum Ausspruch einer solchen zu ersetzen ist.
3Der Beteiligte zu 2) ist der siebenköpfige Betriebsrat im Unternehmen der Antragstellerin. Der Beteiligte zu 3), der seit dem 01.08.2002 bei der Antragstellerin tätig ist, ist seit dem 03.05.2018 Mitglied des Betriebsrates. Bis zum 21.01.2020 war er dessen Vorsitzender.
4Das Verhältnis zwischen der Arbeitgeberin und dem Beteiligten zu 3) ist schon seit Längerem belastet. So sprach die Arbeitgeberin unter dem 15.02.2017 eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. In dem anschließenden Kündigungsschutzprozess hat der Beteiligte zu 3) obsiegt. Im Jahr 2018 erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu drei binnen eines halben Jahres insgesamt sieben Abmahnungen (Bl. 45 ff. der Akte) und im März 2020 eine weitere Abmahnung (Bl. 54 der Akte).
5Am 17.10.2019 stellte ein Kollege des Beteiligten zu 3) ein Urlaubsantrag für den Zeitraum 01.03.2020 bis 13.03.2020. Dabei gab er als Vertreter den Beteiligten zu 3) an. Dieser Urlaub wurde dem Mitarbeiter gewährt. Hierüber wurde der Beteiligte zu 3) als genannter Vertreter zeitgleich benachrichtigt.
6Im Januar 2020 forderte der Beteiligte zu 3) seinen Vorgesetzten, auf mitzuteilen, ob ihm auf seinen Antrag Urlaub für den Zeitraum vom 09.03.2020 bis 14.03.2020 gewährt werde. Dies lehnte der Vorgesetzte ab. Hierauf stellte der Beteiligte zu 3) im Februar 2020 einen Antrag beim Arbeitsgericht Düsseldorf mit dem Ziel, ihm im Wege der einstweiligen Verfügung zu gestatten, vom 09.03.2020 bis zum 13.03.2020 der Arbeit fern zu bleiben (Aktenzeichen: 7 Ga 13/20). Dieses Verfahren endete mit einer den Antrag zurückweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.02.2020 (Bl. 58 der Akte). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob die Arbeitgeberin den Urlaubsantrag des Beteiligten zu 3) unter Berufung auf dringende betriebliche Belange bzw. Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer ablehnen durfte. Es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Denn der Beteiligte zu 3) habe die Eilbedürftigkeit selbstverschuldet. Es bestehe kein Grund, warum er Ende Oktober bzw. Anfang November 2019 nicht seinerseits ein Urlaubsantrag gestellt habe, als ihm bekannt wurde, dass sich sein Urlaubswunsch mit dem des Kollegen, mit dem er sich wechselseitig vertritt, zeitlich überschneidet. Vielmehr habe er bis zum 13.01.2020 mit der Beantragung seines bereits gebuchten Urlaubs zugewartet und damit die Eilbedürftigkeit in der Sache selbst herbeigeführt.
7Trotz dieser Entscheidung trat der Beteiligte zu 3) am 09.03.2020 seinen Urlaub an. Am 15. März informierte er seine Arbeitgeberin schriftlich, dass er sich vom 07.-13. 03.2020 in einem Corona-Hochrisikogebiet (Tiroler Land) aufgehalten habe.
8Mit Datum vom 10.03.2020 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts an und bat um Zustimmung (Bl. 74 der Akte). Hierauf erfolgte keine Reaktion des Betriebsrats.
9Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die Zurückweisung des Urlaubsantrages des Beteiligten zu 3) durch den Vorgesetzten nicht zu beanstanden sei. Der Urlaubsgewährung hätten dringende betriebliche Gründe entgegengestanden, da sich sein Urlaubswunsch mit dem des Kollegen, den er in dessen Urlaub vertreten sollte, teilweise überschnitt. Diese Wertung decke sich mit der Einschätzung der 7. Kammer des Arbeitsgerichts, wie in der zwischenzeitlich ergangenen Kostenentscheidung vom 21.08.2020 in dem zum Eilverfahren gehörenden Hauptsacheverfahren zum Ausdruck komme (Bl. 245 ff. der Akte).
10Der Beteiligte zu 3) habe mit dem eigenmächtigen Urlaubsantritt eine schwer wiegende Vertragspflichtverletzung begangen. Vor dem Hintergrund sei ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Er zeige durch sein wiederholtes Fehlverhalten, dass es hin ihm an Einsichtsfähigkeit fehle. Die berechtigten Belange seiner Arbeitgeberin seien ihm offensichtlich völlig gleichgültig.
11Die Arbeitgeberin beantragt:
12Die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3) wird gem. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ersetzt.
13Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) beantragen,
14den Antrag zurückzuweisen.
15Diese vertreten die Auffassung, dass der Beteiligte zu 3) zwar unstreitig seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe, dass dies mangels einer einschlägigen Abmahnung jedoch nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen könne. Zumindest sei im Rahmen der Interessenabwägung die massive Störung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Der bereits in der Vielzahl der Abmahnungen zum Ausdruck kommende Wunsch der Arbeitgeberin, den Beteiligten zu 3) „loszuwerden“, habe – so die Behauptung - bei diesem zu einer tiefen Verunsicherung und nervlichen Anspannung geführt. Vor dem Hintergrund sei der Beteiligte zu 3) zur Erholung dringend auf den beantragten Urlaub angewiesen gewesen. Auch habe die Arbeitgeberin in der Vergangenheit unerlaubtes Fernbleiben bei anderen Mitarbeitern lediglich mit einer Abmahnung geahndet.
16Die Zurückweisung des Antrags des Beteiligten zu 3) im einstweiligen Verfügungsverfahren sei ohne Präjudizwirkung. Eine Entscheidung in der Sache, bezogen auf den eigenmächtigen Urlaubsantritt, sei im Urteil vom 19.02.2020 gerade nicht getroffen worden. Der Beteiligte zu 3) behauptet hierzu, dass der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt habe, dass keine betrieblichen Belange für eine Ablehnung des Urlaubes vorlägen.
17Aus Sicht der Antragsgegner habe der Beteiligte zu 3) auch nicht damit rechnen müssen, dass sein Verhalten eine Kündigung nach sich ziehen könnte. So habe die Arbeitgeberin auf die Ankündigung des Beteiligten zu 3) in einer Besprechung am 02.03.2020 angekündigt, dass in der elften Kalenderwoche nicht im Hause sei. Hierauf sei keine Reaktion von Seiten der Arbeitgeberin erfolgt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Überschneidung seines Urlaubs mit dem des Kollegen lediglich für drei Tage bestand.
18Zu betrieblichen Störungen sei es in diesem Zeitraum nicht gekommen. Der Beteiligte zu 3) behauptet in dem Zusammenhang, dass sich die Vertretung im Wesentlichen auf eine Aufgabe beschränke, die eine Arbeitszeit von max. 15 Minuten am Tag beanspruche. Diese könnten auch problemlos andere Kollegen wahrnehmen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
20II.
21Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) war nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen.
221. Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats dessen Zustimmung. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG iVm. § 15 KSchG ist die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB voraus. Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar war oder nicht. Stützt der Arbeitgeber den wichtigen Grund bei einem Betriebsratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 – 2 ABR 38/14; 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14; 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13; 27. September 2012 - 2 AZR 955/11; 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07).
232. Indem der Beteiligte zu 3) am 09.03.2020 eigenmächtig seinen Urlaub angetreten hat, hat er eine Pflichtverletzung begangen, die „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.
24a) Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten
25Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten, und ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Die Urlaubsgewährung erfolgt nach § 7 BUrlG durch den Arbeitgeber. Lehnt dieser die Urlaubserteilung ohne ausreichende Gründe ab, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder ggf. einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub erteilt, so verletzt dieser seine Arbeitspflicht, wenn er eigenmächtig einen Urlaub antritt. Hatte der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung ausdrücklich abgelehnt, so wird regelmäßig sogar eine beharrliche Arbeitsverweigerung vorliegen. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen (BAG, Urteil vom 20. Januar 1994 - 2 AZR 521/93; LAG Köln, Urteil vom 28. Juni 2013 – 4 Sa 8/13; 06. Dezember 2010 – 2 TaBV 23/10; 01. Dezember 2010 – 9 Sa 945/10).
26b) Der Beteiligte zu 3) ist ab dem 09.03.2020 nicht zur Arbeit erschienen, obwohl der von ihm ab diesem Zeitpunkt beantragte Urlaub von der Arbeitgeberin nicht bewilligt worden war. Er hielt sich bereits in Tirol im Skiurlaub auf. Damit hat der Beteiligte zu 3) unstreitig gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten in einer Form verstoßen, die grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
273. Diese Pflichtverletzung ist so schwerwiegend, dass es der Arbeitgeberin nach Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) fortzusetzen.
28a) Grundsätzlich ist die eigenmächtige Urlaubsnahme eine erhebliche, schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Sie lässt den Schluss zu, dass der Arbeitnehmer in Konfliktfällen nicht bereit ist, betriebliche Interessen an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zu berücksichtigen, sondern dass er stattdessen eigene Freizeitwünsche an erste Stelle setzt und die eigenen Vorteile zum alleinigen Maßstab seines Handelns macht. Eine ungenehmigte Urlaubsnahme rechtfertigt grundsätzlich die Einschätzung, dass eine kontinuierliche Pflichterfüllung durch den Arbeitnehmer zukünftig nicht erfolgen wird, womit dieser nicht betrieblich einplanbar ist. Dieser Grundsatz macht jedoch die im Rahmen jeder Prüfung der Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung nicht überflüssig. Die Schwere der Vertragspflichtverletzung ist zu gewichten. Dabei können verschiedene Umstände Berücksichtigung finden. So ist es einem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzumuten, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um einen berechtigten Urlaubswunsch durchzusetzen. Auch erscheint im Falle einer willkürlichen Urlaubsverweigerung oder einer diskriminierenden Ablehnung des Urlaubsantrags die eigenmächtige Urlaubsnahme nicht in gleicher Weise schwerwiegend wie ein Urlaubsantritt, bei dem dem Arbeitnehmer erkennbar ist, dass hierdurch der Arbeitgeber in schwere betriebliche Probleme gestürzt wird (LAG Köln, Beschluss vom 06. Dezember 2010 – 2 TaBV 23/10).
29b) Aus diesen Grundsätzen lässt sich ableiten, dass der Störung des Arbeitsverhältnisses nicht durch Ausspruch einer Abmahnung ausreichend begegnet werden konnte.
30aa) Beruht eine Arbeitsvertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die Abmahnung ist notwendiger Bestandteil für die Anwendung des Prognoseprinzips. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs 2 iVm. § 323 Abs 3 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07; 26. Juni 2006 - 2 AZR 190/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. August 2018 – 21 Sa 28/18; LAG Köln, Urteil vom 01. Dezember 2010 – 9 Sa 945/10).
31bb) Die Besonderheit dieses Falles liegt darin, dass dem Beteiligten zu 3) offensichtlich bewusst war, dass er sich gegen eine unberechtigte Urlaubsverweigerung durch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe wehren kann, denn dies hat er getan. Die besondere Schwere der Vertragsverletzung sieht die Kammer darin, dass der Beteiligte zu 3) nicht nur trotz des ausdrücklichen Verbots seiner Arbeitgeberin gleichwohl in Urlaub fuhr. Er tat dies, obwohl er den von ihm angestrengten Prozess, mit dem die fehlende Urlaubsgewährung ersetzt werden sollte, verloren hat. D. h., der Beteiligte zu 3) hat sich von seinen Urlaubsplänen nicht abbringen lassen und dabei gezeigt, dass ihn weder die von der Arbeitgeberin formulierten betrieblichen Belange interessieren noch eine gerichtliche Entscheidung, die der Lösung des Konfliktes diente, einzig aus dem Grund, dass sie nicht zu seinen Gunsten ausfiel. Wenn den Beteiligten zu 3) eine gerichtliche Entscheidung nicht davon abgehalten hat, trotzdem in Urlaub zu fahren, drängt sich die Frage auf, welchen Eindruck eine Abmahnung machen sollte, in der der Arbeitgeber erneut darauf hinweist, dass dieses Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt, die er nicht bereit ist hinzunehmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die gerichtliche Entscheidung vom 19.02.2020 keine Aussage darüber enthält, ob die Arbeitgeberin ausreichende Gründe hatte, dem Urlaubswunsch des Beteiligten zu 3) nicht nachzukommen. Das Urteil stützt seine Entscheidung allein darauf, dass der Beteiligte zu 3) sich nicht früher um eine Lösung des für ihn absehbar entstehenden Konfliktes bemüht hat, sondern quasi erst in letzter Sekunde seinen Urlaubsantrag gestellt hat. Das ändert aber nichts daran, dass ihn mit der gerichtlichen Entscheidung erklärt worden ist, dass er die Entscheidung seiner Arbeitgeberin hinnehmen muss und nicht in Urlaub fahren kann, selbst wenn die von der Arbeitgeberin vorgebrachten Gründe für eine Urlaubsverweigerung nicht überzeugend sein sollten. Für den Beteiligten zu 3) ist damit zwar offengeblieben, ob ausreichende Gründe für eine Ablehnung des Urlaubsantrages im Sinne des § 7 Abs. 1 BUrlG vorlagen. Nicht offengeblieben ist aber, dass das Gericht nicht bereit war, seinem Antrag zu folgen. Wenn der Beteiligte zu 3) diese Entscheidung als unrichtig empfand, was offensichtlich der Fall ist, hätte es ihm freigestanden, hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Die gerichtliche Entscheidung zu ignorieren und gleichwohl in Urlaub zu fahren, ist eine Provokation der Arbeitgeberin, mit deren Hinnahme der Beteiligte zu 3) nicht rechnen konnte und durfte. Das Gericht hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass vom Beteiligten zu 3) erwartet werden durfte, sich umgehend um den für ihn absehbar entstehenden Konflikt und dessen Lösung zu kümmern. Ihm ist bereits im Herbst 2019 bekannt geworden, dass der Kollege, mit dem er sich in Urlaubszeiten vertritt, Urlaub für einen Zeitraum eingereicht hat, zu dem er selbst in Urlaub fahren möchte, ohne sich vorher mit ihm abzusprechen. Ab diesem Zeitpunkt hatte er es in der Hand, dafür zu sorgen, eine für alle Seiten interessengerechte Lösung zu finden. Stattdessen stellte er erst im Januar 2020 seinen Urlaubsantrag. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaub des Kollegen bereits lange gewährt. Die Möglichkeit, den Konflikt etwa dadurch zu beseitigen, dass die Kollegen die Lage ihres Urlaubs nur um wenige Tage verschieben, war der Arbeitgeberin damit genommen. Auch dieses Verhalten zeigt die bereits zu diesem Zeitpunkt eingetretene Belastung des Arbeitsverhältnisses. Statt der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung, die allen Interessen möglichst gerecht wird, wartet der Beteiligte zu 3) ab in der Erwartung, seine Interessen ggf. gerichtlich durchsetzen zu können. Zu der Störung mag, wie der Beteiligte zu 3) und der Betriebsrat meinen, die Arbeitgeberin in erheblicher Weise beigetragen haben. Entscheidend für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung ist jedoch, ob das Verhalten des Beteiligten zu 3)Veranlassung zu der Prognose gibt, dass er nicht mehr in der Lage ist, Konflikte mit seiner Arbeitgeberin in einer Art und Weise auszutragen, die eine verlässliche Zusammenarbeit gewährleisten. Und dies ist nach Einschätzung der Kammer nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zeigt, dass er sich durch nichts, auch nicht durch eine gerichtliche Entscheidung, davon abhalten lässt, seine Interessen durchzusetzen.
32b) Für die Schwere der Vertragspflichtverletzung und die damit verbundene negative Prognose für die weitere Zusammenarbeit spricht auch, dass entgegen der Einschätzung des Betriebsrats und des Beteiligten zu 3) die Ablehnung seines Urlaubsantrages gerechtfertigt war. Ist auch ein Recht zur Selbstbeurlaubung grundsätzlich abzulehnen, so ist eine unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber jedenfalls bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers mit zu berücksichtigen (LAG Köln, Urteil vom 28. Juni 2013 – 4 Sa 8/13). Dies kann der Beteiligte zu 3) nicht für sich in Anspruch nehmen. Er ist in die Vergütungsgruppe 13 TV-V eingruppiert. Das impliziert, dass er höherwertige Tätigkeiten ausübt, die nicht von jedem Kollegen ohne Weiteres übernommen werden können. Darüber hinaus ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass zu seinen Aufgaben auch eine Tätigkeit gehört, die fristgebunden täglich durchzuführen ist. Vor dem Hintergrund ist die Einschätzung des Beteiligten zu 3), dass es keinerlei betriebliche Auswirkungen habe, wenn er und der Kollege, mit dem er sich üblicherweise vertritt, an drei Tagen beide fehlen, nicht überzeugend. Er übersieht, dass es für eine auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 BUrlG durchzuführende Interessenabwägung nicht ausreicht darzulegen, dass die betrieblichen Abläufe auch funktionieren können, wenn beide Kollegen zeitgleich fehlen. Entscheidend ist aber, ob die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse daran hat, dass zumindest ein geplanter gleichzeitiger Ausfall der Kollegen unterbleibt. Und dies wird beim Bestehen eines Vertretungspaars grundsätzlich zu bejahen sein. Gründe, die dafür sprechen würden, dass ausnahmsweise beide Mitarbeiter gleichzeitig in Urlaub fahren dürfen, sind nicht ersichtlich. Die Kollision hätte sich durch eine Absprache der Kollegen vermeiden lassen. Diese ist offensichtlich nicht erfolgt, wie zumindest der Beteiligte zu 3) behauptet. Dies kann wiederum sicherlich nicht dazu führen, dass Interessen der Arbeitgeberin an einer gesicherten Urlaubsplanung keine Rolle mehr spielen. Die Suche nach einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Kompromisslösung war nicht möglich, da der Beteiligte zu 3) davon abgesehen hat, rechtzeitig eine möglichst einvernehmliche Konfliktlösung herbeizuführen oder wenigstens durch zügige Antragstellung die Arbeitgeberin wissen zu lassen, dass eine Interessenkollision vorliegt. Aus Sicht der Kammer zeigt die Argumentation des Beteiligten zu 3) an dieser Stelle, dass er selbst jetzt nicht in der Lage ist, vom Arbeitgeber formulierte Interessen als beachtungswürdig anzusehen.
33c) Dieselbe Auffassung mit ähnlicher Begründung vertritt im Übrigen auch die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf, wie sich aus dem Beschluss vom 21.08.2020 (Blatt 45 der Akte) ersehen lässt. Vor dem Hintergrund mag der Vorsitzende der siebten Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung im Eilverfahren erläutert haben, dass es nicht darauf ankommt, ob ausreichende betriebliche Gründe für eine Ablehnung seines Urlaubsantrages vorlagen. Dies mag wiederum der Beteiligte zu 3) als Bestätigung seiner Rechtsauffassung verstanden haben, dass ausreichende betriebliche Belange nicht vorlagen. Dass er den Tenor des Urteils aus Februar 2020 als Bestätigung seiner Rechtsauffassung, in Urlaub fahren zu dürfen, verstanden hat, kann er sicherlich nicht in Anspruch für sich nehmen. Auch wenn für ihn die Entscheidung des Arbeitsgerichts widersprüchlich oder mit Blick auf die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend gewesen sein sollten, ist es keine nachvollziehbare Reaktion, die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des Gerichts zu ignorieren.
34d) Ebenfalls nicht überzeugend erschien der Kammer der Einwand des Betriebsrats und des Beteiligten zu 3), dass Letztgenannter durch das angespannte Verhältnis mit der Arbeitgeberin nervlich sehr angespannt gewesen sei. Vor dem Hintergrund sei die einmalige Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3) zu bewerten. Es könne nicht ohne Weiteres auf die fehlende Einsicht oder die fehlende Bereitschaft, sich zukünftig vertragsgemäß zu verhalten, geschlossen werden. Der zu bewertenden Pflichtverletzung liegt jedoch keine Situation zugrunde, in der davon die Rede sein könnte, dass der Beteiligte zu 3) sich in eine Situation befand, in der er unter besonderem Druck gestanden oder er ersichtlich die Nerven verloren hätte. Der Beteiligte zu 3) hat sich im Gegenteil sehr überlegt verhalten, indem er genau den dafür vorgesehenen rechtlichen Wege eingeschlagen hat, um einen Konflikt über Urlaubsgewährung zu lösen, indem er das Arbeitsgericht anrief. Auch die Entscheidung, gleichwohl in Urlaub zu fahren, war keine spontan getroffene Entscheidung. Er kündigte seinen Urlaubsantritt in einer Besprechung vielmehr an. Und er setzte seine Entscheidung anschließend um. Auch nach Rückkehr aus dem Urlaub, zu einem Zeitpunkt, als das Betriebsratsgremium bereits um Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung ersucht worden war, zeigte der Beteiligte zu 3) keinerlei Erkenntnis, dass er möglicherweise zu weit gegangen sein könnte. Vielmehr informierte er die Arbeitgeberin darüber, dass er seinen Urlaub in einem Hochrisikogebiet (Tiroler Land) verbracht habe, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass es diesen Urlaub nicht hätte geben dürfen. Dieses Verhalten lässt keinerlei Stressbelastung erkennen. Im Gegenteil, die Bereitschaft des Beteiligten zu 3), nach Urlaubsablehnung und verlorenem Prozess in Urlaub zu fahren, spricht aus Sicht der Kammer für eine besondere Nervenstärke.
35e) Schließlich überzeugte die Kammer auch nicht das Argument, dass der Beteiligte zu 3) aufgrund der vorangehenden Verhaltensweisen der Arbeitgeberin nicht mit einer Kündigung als Reaktion auf seinen eigenmächtigen Urlaubsantritt rechnen musste. Der Hinweis der Antragsgegner auf die diversen Abmahnungen in der Vergangenheit führt nicht weiter, als diese keine einschlägigen Pflichtverletzungen beinhalten. Dies gilt auch für die letzte Abmahnung vom 03.03.2020, die ein vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes ohne vorherige Genehmigung zum Gegenstand hat. Hierin steckt zwar auch der Vorwurf des unentschuldigten Fehlens. Hintergrund der Auseinandersetzung, die die Abmahnung vom 03.03.2020 betrifft, ist jedoch die Frage, ob der Kläger als Teilzeitkraft auch an die Kernarbeitszeit gebunden ist. In dem Fall mag eine rechtliche Prüfung der im Betrieb geltenden Regelungen ergeben, dass das Verhalten des Beteiligten zu 3) keine Pflichtverletzung darstellte. Für den eigenmächtigen Urlaubsantritt gilt dies nicht. Warum der Kläger dies nach einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung nicht erkannt haben sollte, ist für die Kammer unverständlich geblieben. Zudem ist die Argumentation der Antragsgegner widersprüchlich, wenn die Abmahnungen einerseits als Ausdruck eines unbedingten Trennungswunschs der Arbeitgeberin verstanden werden, auf der anderen Seite hierdurch ein Vertrauen begründet worden sein soll, dass die Arbeitgeberin den nächsten Schritt, das Arbeitsverhältnis zu beenden, nicht gehen wird.
36f) Auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 3) sein Fernbleiben angekündigt hat, spricht nicht dafür, dass er annehmen durfte, dieses Verhalten würde gebilligt werden. Der Vortrag lässt offen, wer auf Seiten der Arbeitgeberin Kenntnis von dieser Ankündigung erlangt hat, insbesondere ob sich hierbei um solche Mitarbeiter handelte, die berechtigt sind, über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Zudem blieb die Äußerung offensichtlich unkommentiert, was nicht mit einer Genehmigung gleichgesetzt werden kann. Auch ist die Ankündigung, dass er nicht im Betrieb sein werde, inhaltlich etwas anderes als die Ankündigung, dass er eigenmächtig Urlaub antreten werde.
37g) Aus Sicht der Kammer lässt sich auch kein Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit des Beteiligten zu 3) und der Eskalation zwischen ihm und der Arbeitgeberin herstellen. Auch wenn zwischen den Betriebspartnern keine vertrauensvolle Zusammenarbeit herrschen sollte, wie sie dem Gesetzgeber nach § 2 Abs. 1 BetrVG vorschwebt, ist dies kein Argument dafür, warum die Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer weiter zusammenarbeiten muss, der für sich in Anspruch nimmt, selbst darüber zu entscheiden, ob und wann er zur Arbeit kommt. Das zumindest angedeutete Argument auf Seiten der Antragsgegner, dass die Störung des Arbeitsverhältnisses auch mit dem Betriebsratsamt des Beteiligten zu drei zu erklären ist, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil die Probleme zwischen Beteiligten zu 3) mit seiner Arbeitgeberin schon auftraten, als dieser noch nicht Mitglied des Betriebsrats war. So stand die erste außerordentliche Kündigung, die die Arbeitgeberin gegenüber dem Beteiligten zu 3) ausgesprochen hat, aus Februar 2017, Mitglied des Gremiums ist der Beteiligte zu 3) erst seit Mai 2018.
38h) Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Kammer durchaus sieht, dass es den Beteiligten zu 3) hart trifft, nach 18 Jahren seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Es fehlt jedoch an Argumenten, wie der Beteiligte zu 3) zu der Vorstellung gekommen sein könnte, dass sein Verhalten keine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt. Auch lässt der Sachverhalt nicht die Prognose zu, dass er beim nächsten Konflikt bereit oder auch nur in der Lage ist, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass den Weisungen der Arbeitgeberin berechtigte Interessen zugrunde liegen könnten und ihnen auch dann Folge zu leisten ist, wenn diese sich nicht mit seinen eigenen Interessen in Einklang bringen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn man mit den Antragsgegnern unterstellt, dass sämtliche oder zumindest die überwiegende Anzahl der in der Vergangenheit erhobenen Vorwürfe gegen den Beteiligten zu 3), die zu einer (unwirksamen) fristlosen Kündigung und dem Ausspruch von acht Abmahnungen führten, keine Berechtigung hatten. Eine Zusammenarbeit in einem Arbeitsverhältnis ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr bereit ist, auf Interessen seiner Arbeitgeberin Rücksicht zu nehmen.
394. Der Möglichkeit der Arbeitgeberin, den Sachverhalt zum Gegenstand einer außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu machen, steht nicht § 626 Abs. 2 BGB entgegen, auch wenn der Sachverhalt zwischenzeitlich mehr als ein halbes Jahr zurückliegt.
40a) Einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB können nur Umstände bilden, hinsichtlich derer die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht schon bei Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verstrichen ist (BAG, Beschluss vom 27. Juni 2019 – 2 ABR 2/19; 25. April 2018 – 2 AZR 401/17).
41b) Der Beteiligte zu 3) fehlte seit dem 09.03.2020 unentschuldigt. Direkt am Folgetag hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten Kündigung an und bat um die hierfür erforderliche Zustimmung, die nicht erteilt wurde. Bereits am 19.03.2020 ist der Antrag beim Arbeitsgericht eingegangen und damit weniger als zwei Wochen nach Begehung und Kenntnisnahme von der Pflichtverletzung.
42P.