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Das Arbeitsgericht Düsseldorf erklärt den zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtsweg im Hinblick auf die Anträge zu 1) und 2) aus der Klageschrift für zulässig.
Hinsichtlich des Antrages zu 3) aus der Klageschrift erklärt das Arbeitsgericht Düsseldorf den zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtsweg für unzulässig und verweist den Rechtsstreit insoweit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges, das Landgericht Düsseldorf.
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung und über Zahlungsansprüche.
4Der Kläger ist auf Grundlage des schriftlichen Vertrages vom 01.02.2017(vgl. Bl. 23 ff. d.A.) seit dem 01.02.2017 für die Beklagte als Rechtsanwalt gegen ein Honorar in Höhe von 100 Euro pro Stunde tätig. Im Vertrag ist der Kläger als „freier Mitarbeiter“ bezeichnet. Der Vertrag beinhaltet in §§ 10 und 11 auch eine Vereinbarung über die Anmietung eines unmöblierten Büros. Wegen der Einzelheiten wird insgesamt auf die auf Bl. 23 ff zur Akte gereichte Ablichtung des Vertrages Bezug genommen.
5Jedenfalls bis Anfang 2017 war der Kläger als freier Mitarbeiter für die Sozietät I., auf deren Website (vgl. Bl.117 d.A.) er nach wie vor als Rechtsanwalt aufgeführt ist, tätig. Er bietet im Internet auch „Wirtschaftsberatung für Unternehmen“ an, vgl. Bl. 115 d.A. und ist Geschäftsführer der V., vgl. B.116 d.A.
6Für Beratungsleistungen stellte der Kläger der Beklagten u.a. mit den auf Bl. 123 ff in Ablichtung zur Akte gereichten Honorarnoten im Zeitraum 01.02.2017 bis 30.11.2017 insgesamt 18.294,88 Euro in Rechnung.
7Mit Schreiben vom 17.10.2017 hat die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 30.11.2017 gekündigt.
8Der Kläger hält den zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtsweg für zulässig.
9Er ist der Ansicht, entgegen der Bezeichnung im Arbeitsvertrag sei er Arbeitnehmer der Beklagten. Dies sei ausreichend, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für die Anträge zu 1) und 2) aus der Klageschrift zu begründen.
10Für den weiteren (auf Zahlung gerichteten) Antrag zu 3) ergebe sich die Zuständigkeit jedenfalls unter dem Gesichtspunkt, dass er arbeitnehmerähnliche Person sei.
11Er trägt vor, er sei ca 45 Stunden pro Woche für die Beklagte tätig geworden. Nennenswerte eigene Mandate habe er nicht bearbeitet. Auch weitere Einkünfte (über die von ihm der Beklagten in Rechnung gestellten Honorare in Höhe von 18.294,88 Euro hinaus) habe er nicht erzielt. Am Umsatz sei er nicht beteiligt worden. In den Monaten Februar 2017 bis Oktober 2017 habe er an 456,95 Stunden Akquisebemühungen für die Beklagte erbracht, die mit je 100 Euro pro Stunden (Antrag zu3)) zu vergüten seien.
12Für die Sozietät E. sei er nicht mehr tätig. Auch weitere dort nicht mehr tätige Anwälte würden noch auf der Homepage aufgeführt. Aktivitäten im Zusammenhang mit den Unternehmensberatungsgesellschaften übe er derzeit nicht aus.
13Die Beklagte ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei insgesamt nicht zulässig und beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf zu verweisen.
14Weder liege ein sic-non-Fall vor, noch sei der Kläger arbeitnehmerähnliche Person oder gar Arbeitnehmer. Der Kläger sei vielmehr auf Grundlage des schriftlichen Vertrages vom 01.02.2017 als freier Mitarbeiter für sie tätig geworden. So wie schriftlich vereinbart sei das Vertragsverhältnis auch tatsächlich gelebt worden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
16II.
17Der zu den Arbeitsgerichten beschrittene Rechtsweg ist für die Anträge zu 1) und 2) zulässig, im Hinblick auf den Antrag zu 3) aber unzulässig, weshalb der Rechtsstreit insoweit teilweise an das Landgericht Düsseldorf zu verweisen ist.
18Gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG spricht das Gericht, wenn der beschrittene Rechtsweg – wir hier im Hinblick auf den Antrag zu 3)- unzulässig ist, dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zu-lässigen Rechtsweges.
19Ist der beschrittene Rechtsweg – wie hier hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2)- zulässig, hat das Gericht dies auf Rüge einer Partei hin vorab auszusprechen, § 17 a Abs.3 S.2 GVG.
201. Bezüglich der Anträge zu 1) und 2) aus der Klageschrift gilt folgendes:
21Im Streitfall handelt es sich nicht nur unter dem Aspekt der Wirksamkeit der Kündigung um einen sic-non-Fall. Die Kläger beantragt festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht. Mit diesem Antragsinhalt ist Streitgegenstand nicht nur die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die vom Beklagten erklärte Kündigung beendet worden ist. Streitgegenstand ist vielmehr auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die beantragte Feststellung setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat. Andernfalls ist der Antrag schon deshalb unbegründet. Der Klageerfolg hängt bei dieser Antragstellung folglich auch von Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind. Wegen dieser Doppelrelevanz sind die Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung über einen Antrag, wie ihn der Kläger gestellt hat, berufen (BAG, Beschluss vom 19. Dezember 2000 – 5 AZB 16/00 –, Rn. 14, juris).
222. Für den Antrag zu 3) ist das Arbeitsgericht hingegen nicht zuständig.
23a) Eine Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG besteht nicht. Denn ein sic-non-Antrag kann für Zusammenhangsklagen nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründen (BAG, Beschluss vom 11. Juni 2003 – 5 AZB 43/02 –, BAGE 106, 273-278; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2009 – 10 Ta 129/09 –, juris).
24b) Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber,
25§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, liegt im Hinblick auf den Antrag zu 3) nicht vor.
26aa) Ein Arbeitsverhältnis hat zwischen den Parteien nicht bestanden.
27(1) Wie nunmehr in § 611 a BGB ausdrücklich normiert, wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
28Das Arbeitsverhältnis ist ein auf dem Austausch von Arbeitsleistungen und Vergütung gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Typisch für den Arbeitnehmer ist insbesondere die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Wer seine Dienstleistungen im Rahmen einer vom Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt, ist Arbeitnehmer. Dabei ergibt sich diese Eingliederung im Wesentlichen aus der Auslegung des Weisungsrechtes hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit (BAG vom 17.04.2013 -10 AZR 668/12; BAG vom 29.08.2012 -10 AZR 499/11- jeweils Juris).
29Selbstständig ist nach § 84 Absatz 1 Satz 2 HBG dem gegenüber, wer im We-sentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
30Ob der Grad der Abhängigkeit besteht, wird dabei üblicherweise anhand von Indizien beurteilt, zum Beispiel der Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation, Eigenart und Organisation der Tätigkeit, Weisungsgebundenheit hin-sichtlich Ort, Zeit, Dauer und Art der Tätigkeit, persönliche Leistung oder Art und Modalitäten der Entgeltzahlung. Dabei ist im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln, welchem Typus das Vertragsverhältnis zuzuordnen ist. Dabei sind nicht alle Indizien gleichrangig. Entscheidend ist die mit der Eingliederung verbundene Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber (BAG vom 15.02.2012 -10 AZR 301/10-, Juris).
31Entscheidend für diese Gesamtbetrachtung ist der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Absprachen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, ist letzteres maß-gebend (BAG vom 17.04.2013 -10 AZR 668/12-, Juris).
32Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Parteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG vom 17.04.2013 -10 AZR 668/12-, Juris).
33Die Eigenart des jeweiligen Berufsbildes ist zu berücksichtigen, immer jedoch eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen (BAG vom 10.01.2010 -5 AZR 106/09; LAG Frankfurt vom 20.02.2012 -13 TA 468/11-, jeweils Juris).
34(2) Auf Grundlage dieser Kriterien ist der Kläger nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Überzeugung der Kammer nicht Arbeitnehmer der Beklagten gewesen.
35(a) Vereinbarungen zwischen den Parteien, die den Schluss zulassen würden, der Kläger hätte seine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebunden und fremdbestimmt ausgeübt, existieren nicht. Nirgends ist von einem „Arbeitsvertrag“ die Rede. Im Gegenteil sind unter § 2 des Vertrages ausführliche Regelungen zur Weisungsfreiheit getroffen worden. Es finden sich auch nicht die für ein Arbeitsverhältnis typischen Absprachen über Arbeitszeit, Vergütung, Krankenlohn, Urlaub etc., nach denen ohne weitere Erwägungen grundsätzlicher Natur von einem Arbeitsverhältnis der Parteien ausgegangen werden könnte (LAG Thüringen vom 06.02.1998 -8 Ta 205/97-, NZA-RR 98, 478). Neben einem Honorar von 100,-- Euro pro Stunde haben die Parteien nach dem Vortrag des Klägers insoweit keine weiteren Vereinbarungen getroffen.
36Zudem hat der Kläger der Beklagten für seine Leistungen Honorarrechnungen gestellt und damit dokumentiert, dass er als selbständiger Unternehmer abrechnete.
37(b) Auf Grundlage der Behauptungen des Klägers spricht auch die tatsächliche Durchführung des Vertrages nicht für ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass das Vertragsverhältnis entgegen der vertraglichen Absprache tatsächlich als Arbeitsverhältnis mit den sich aus § 611a BGB ergebenden Kriterien hierfür gelebt worden ist.
38Die erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles spricht damit für die Annahme, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden ist.
39bb) Der Kläger ist auch nicht arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs.1 S.2 ArbGG.
40Nach § 5 Abs 1 Satz 2 ArbGG ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für solche Personen gegeben, "die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind". Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne dieser Bestimmung sind keine Arbeitnehmer. Denn sie sind wegen der fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und wegen im Wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im selben Grad persönlich abhängig wie Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt allerdings das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit (BAG, Beschluss vom 28. September 1995 – 5 AZB 32/94 –, juris). Der wirtschaftlich Abhängige muss außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein (BAG, Beschluss vom 30. August 2000 – 5 AZB 12/00 –,juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 03. Februar 2011 – 6 Ta 409/10 –,juris).
41Dies ist vorliegend nicht der Fall.
42Zunächst ist der Vortrag des Klägers widersprüchlich. So behauptet er, er habe 45 Stunden pro Woche Tätigkeiten für die Beklagte erbracht. Gleichzeitig legt er dar, er habe im Zeitraum 01.02.2017 bis 30.11.2017 der Beklagten Honorare über einen Betrag in Höhe von 18.294,88 Euro in Rechnung gestellt, was einen durchschnittlichen Verdienst in Höhe von nur 1.829,49 Euro pro Monat bedeute. Selbst wenn man unberücksichtigt lässt, dass in den abgerechneten Beträgen Umsatzsteuer und zum Teil Umsatzbeteiligung enthalten sind, ergibt sich daraus lediglich eine durchschnittliche Tätigkeit von etwas mehr als 18 Stunden pro Monat (nämlich 1.829,49 ./. 100 Euro Stundenhonorar = 18,29 Stunden).
43Auch wenn man dann noch die vom Kläger behaupteten (seitens der Beklagten bestrittenen) Akquisebemühungen (456,95 Stunden in zehn Monaten) hinzurechnet, also rund 45,7 Stunden durchschnittlich pro Monat, ergibt sich daraus eine Tätigkeitszeit von 63,5 Stunden pro Monat, nicht aber eine solche von 45 Stunden pro Woche.
44Der Kläger trägt zudem vor, er sei am Umsatz nicht beteiligt worden. § 6 e) des zwischen den Parteien vereinbarten Vertrages aber sieht eine Umsatzbeteiligung vor und diese hat der Kläger ausweislich seiner Honorarnoten auch abgerechnet.
45Jedenfalls aber war der Kläger seiner gesamten sozialen Stellung nach nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzwürdig. Der Kläger konnte eigene Mandanten betreuen und sollte bei der Beklagten als freier Rechtsanwalt tätig sein. Aufgrund seines bisherigen Werdegangs und des Umstandes, dass er auch Dienstleistungen als Unternehmensberater anbietet, darf erwartet werden, dass er ohne Weiteres in der Lage war und ist, sich auch anderweitig und ohne Zutun der Beklagten entsprechende Einnahmequellen zu erschließen. Der Kläger ist dementsprechend soziotypisch nicht mit „in Heimarbeit Beschäftigten“ oder „ihnen Gleichgestellten“ zu vergleichen.