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Der Antrag wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Frage der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) für ihre Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglieder OT) sowie über einen Auskunftsanspruch der Antragstellerin über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus der Mitglieder der Beteiligten zu 2.).
4Die Antragstellerin schließt unter anderem mit der Beteiligten zu 2.) Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen ab. Die Beteiligte zu 2.) eröffnet ihren Mitgliedern in § 5 ihrer Satzung vom 18.02.2004 die Möglichkeit einer Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung (sog. T-Mitgliedschaft) und eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (sog. OT-Mitgliedschaft). § 2 der Satzung, der als Zweck der Beteiligten zu 2.) unter anderem die Wahrung und Förderung der allgemeinen wirtschaftlichen, gewerblichen, beruflichen und staatsbürgerlichen Interessen der Mitgliedsunternehmen festschreibt, enthält in den Absätzen 2 und 3 folgende Regelungen:
5"§ 2
6Z w e c k
7(2)Die Landesarbeitsgemeinschaft ist eine Vereinigung im Sinne des Tarifvertragsgesetzes.
8(3)Die Landesarbeitsgemeinschaft hat unter Rücksichtnahme auf gesamtwirtschaftliche Notwendigkeiten an der Erhaltung des Arbeitsfriedens mitzuwirken und für den solidarischen Zusammenhalt der Mitglieder zu sorgen.
9Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitnehmerorganisationen für ihre ordentlichen Mitglieder mit Verbandstarifbindung (Mitglieder T)."
10Die Bestimmungen in der Satzung der Beteiligten zu 2.) in der letzten Fassung vom 18. Februar 2004 über die Ausgestaltung der jeweiligen Mitgliedschaft und die tarifpolitische Willensbildung lauten wie folgt:
11"§ 5
12Mitgliedschaft mit und ohne Verbandstarifbindung
13(1) Die Mitgliedschaft im Sinne des § 3 kann als eine solche mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) oder als eine ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) erworben werden.
14(2)Mitglieder, die eine Verbandstarifbindung nicht wünschen und aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden wollen, können sich hiervon mit schriftlicher Erklärung an den Geschäftsführer des Verbandes befreien. Erfolgt die Erklärung während der Laufzeit eines Verbandestarifvertrages, so wird sie erst mit dessen Ablauf einschließlich der Nachwirkung im Sinne des § 3 TVG wirksam. Über die Folgen des Austritts aus der Tarifgemeinschaft ist das Mitglied schriftlich durch den Geschäftsführer zu unterrichten.
15(3) Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) werden von den vom Verband abgeschlossenen Tarifverträgen nicht erfasst. Der Abschluss eines firmentarifbezogenen Verbandstarifvertrages ist ausgeschlossen.
16(4)Die Mitglieder mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) benennen und entsenden aus ihren Reihen Vertreter des eigenen Unternehmens in den tarifpolitischen Ausschuss nach § 6 durch schriftliche Mitteilung an den Geschäftsführer des Verbandes. Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) haben kein Benennungs- und Entsenderecht.
17(5)Die Beschlussfassung in der Mitliederversammlung über Tariffragen und Arbeitskampfmassnahmen unterliegt allein den Mitgliedern mit Verbandstarifbindung (Mitglied T).
18§ 6
19Tarifpolitischer Ausschuss
20(1)Dem tarifpolitischen Ausschuss gehören an:
21a)der Vorsitzende des Verbandes, sofern er einem Unternehmen mit Verbandstarifbindung zugehörig ist, ansonsten der vom Vorstand des Verbandes aus dem Kreis der Unternehmen mit Verbandstarifbindung für die Dauer von 4 Jahren berufene Vorsitzende.
22b)Vertreter aller Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung. § 9 Abs. 3 der Satzung gilt sinngemäß auch hinsichtlich der Vertretungsmacht und des Stimmrechts.
23Diese Personen bilden gleichzeitig die Große Tarifkommission der Tarifgemeinschaft.
24(2)Die Mitglieder des tarifpolitischen Ausschusses der Großen Tarifkommission wählen aus ihrer Mitte für die Dauer von 4 Jahren mit einfacher Mehrheit zwei gleichberechtigte Stellvertreter des Vorsitzenden.
25(3)Der tarifpolitische Ausschuss ist für die Verbandstarifverträge zuständig. Ihm obliegt die Bearbeitung, Beratung sowie Beschlussfassung in allen Fragen der Tarifpolitik. Er hat insbesondere folgende Aufgaben:
26a)Abschluss und Kündigung von Tarifverträgen
27b)Bei Bedarf Einsetzen von Ausschüssen und/oder Arbeitskreisen
28c)Bildung einer Verhandlungskommission, die aus mindestens 5 Personen bestehen soll
29(4)Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung nehmen an den Sitzungen des tarifpolitischen Ausschusses mit beratender Stimme teil.
30(5)Der Geschäftsführer des Verbandes nimmt an allen Sitzungen der Großen Tarifkommission/der Verhandlungskommission/der Arbeitskreise/Ausschüsse beratend teil.
31(6) Der tarifpolitische Ausschuss/die Grosse Tarifkommission werden nach Bedarf vom Vorsitzenden - im Falle seiner Verhinderung von einem seiner Vertreter - einberufen. § 9 Abs. 2 der Satzung gilt sinngemäß.
32(7)Der Vorsitzende des tarifpolitischen Ausschusses kann je nach Bedarf in Abstimmung mit seinen Stellvertretern und im Benehmen mit dem Geschäftsführer bis zu 5 tarif- und sozialpolitisch sachkundige Personen befristet in die Große Tarifkommission/Verhandlungskommission sowie in deren Arbeitskreise/ Ausschüsse berufen."
33Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Tarifverträge ist nicht erfolgt. Verschiedene Mitgliedsunternehmen der Beteiligten zu 2.) haben von der Möglichkeit der Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) Gebrauch gemacht. In der Mitgliederversammlung der Beteiligten zu 2.) werden tarifpolitische Entscheidungen nicht gefasst. Auch die Tagesordnung der Mitgliederversammlung enthält keine tarifpolitischen Tagesordnungspunkte. Nur die Einführung der OT-Mitgliedschaft selbst war Gegenstand einer Mitgliederversammlung. Nach der Einführung wurden alle tarifpolitischen Entscheidungen ausschließlich von dem tarifpolitischen Ausschuss der Beteiligten zu 2.) getroffen.
34Die Höhe der Mitgliedsbeiträge der Beteiligten zu 2.) ist unabhängig von der Art der Mitgliedschaft (Mitglied T oder Mitglied OT).
35Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Beteiligte zu 2.) auch für ihre OT-Mitglieder tarifzuständig sei. Ein entsprechender Feststellungsantrag sei zulässig, da die Beteiligte zu 2.) die Tarifzuständigkeit für ihre OT-Mitglieder und deren Tarifbindung bestreite. Die Frage der Tarifzuständigkeit wirke sich unmittelbar darauf aus, ob die zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Tarifverträge auch die OT-Mitglieder der Beteiligten zu 2.) erfassen.
36Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Beteiligte zu 2.) durch Ausgestaltung einer OT-Mitgliedschaft nicht die in § 3 Abs. 1 TVG bei Mitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Tarifbindung wirksam aufheben könne. Das Gesetz lege in § 3 Abs. 1 TVG den Personenkreis abschließend fest, der von den Rechtsnormen eines Tarifvertrages erfasst werde. Nur der konkrete Geltungsbereich eines Tarifvertrages sei - in den Grenzen des § 3 Abs. 1 TVG - gestaltbar und von der konkreten Vereinbarung abhängig, während die Tarifgebundenheit selbst weder durch Satzung noch Tarifvertrag abdingbar sei, da § 3 Abs. 1 TVG eine abschließende Regelung enthalte. Diese gesetzliche Definition der Tarifgebundenheit korrespondiere mit der Tariffähigkeit, wie sie in § 2 Abs. 1 TVG geregelt sei, und auch nicht autonomer Gestaltung und Veränderung zugänglich sei.
37Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, nach dem "die Mitglieder" tarifgebunden seien.
38Tarifgebundenheit als Folge der Mitgliedschaft ergebe sich zudem auch aus Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 TVG, den Personenkreis der Normsetzungsbefugnis eindeutig zu bestimmen. Diese geregelte Normsetzungsbefugnis erfordere hohes Maß an Rechtsklarheit und Verlässlichkeit bei der Bestimmung der Normadressaten.
39Die fehlende Gestaltbarkeit des Geltungsbereiches des Tarifvertrages durch Begrenzung der personellen Tarifzuständigkeit ergebe sich schließlich aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 1 TVG, da die gesetzliche Einführung den Vorschriftenzweck verfolgt habe "dass die Mitglieder der Tarifvertragsparteien verpflichtet sind, auch die Tarifvertragstreue zu wahren".
40Die Tarifbindung ergebe sich insofern bereits dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 TVG erfüllt seien, wobei sich die Mitgliedschaft nach dem Vereinsrecht richte. Anders als Gast-Mitglieder seien OT-Mitglieder "Vollmitglieder" im vereinsrechtlichen Sinne, da sie die verbandsrechtlichen Befugnisse wie Teilnahme- und Bestimmrecht, aktives und passives Wahlrecht genössen. Die Beteiligte zu 2.) habe durch ihre Satzungsausgestaltung im Bereich der OT-Mitglieder eine Vollmitgliedschaft bei gleichzeitigem Ausschluss der Tarifbindung geschaffen.
41Soweit sich die Beteiligte zu 2.) auf die aus Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz abgeleitete Satzungsautonomie beruft, begrenze die Vorschrift des § 3 Abs. 1 TVG diese zum Schutz der Schaffung und Erhaltung eines funktionsfähigen Tarifvertragssystems sowie der rechtssicheren und verlässlichen Regelung des Verhältnisses der beteiligten Tarifvertragsparteien und ihrer Mitglieder zueinander als gesetzliche Regelung in zulässiger Weise.
42Schließlich beruhe das Recht zur autonomen Normsetzung durch die Tarifvertragsparteien auch auf der Annahme paritätischer Verhandlungs- und Durchsetzungschancen, welche durch die Einführung einer "OT-Mitgliedschaft" erheblich gestört würden. Die Beteiligte zu 2.) würde durch ihre "OT-Mitglieder" unterstützt und finanziert. Die Tarifpolitik könne durch Beratungen der "OT-Mitglieder" in Gremien und Versammlungen beeinflusst werden, obwohl sich diese gleichzeitig der Tarifbindung entzögen. Der Status der "OT-Mitgliedschaft" könne so als verdecktes Arbeitskampfmittel der Arbeitgeberseite eingesetzt werden, indem die Option des Wechselns der Verbandsmitgliedschaft zur Abwehr gewerkschaftlicher Forderungen und des Einsatzes gewerkschaftlicher Arbeitskampfmaßnahmen ausdrücklich in die Verhandlungen eingebracht würde.
43Trotz des Ausschlusses aus dem tarifpolitischen Ausschuss der Beteiligten zu 2.) für OT-Mitglieder könnten Vorstandsmitglieder der Beteiligten zu 2.) ohne Tarifbindung durch ihre beratende Stimme sowie ihrer informellen Einflussmöglichkeit bei großen Unternehmen entsprechend ihrer Beitragszahlung und ihrer Vertretung im Vorstand Einfluss auf die tarifpolitische Willensbildung nehmen. Insofern bestehe eine Trennung zwischen der generellen Verbandspolitik und der Tarifpolitik der Beteiligten zu 2.) nur "auf dem Papier". Insbesondere im Bereich des Arbeitskampfes würden die OT-Mitglieder wegen der fehlenden Differenzierung der Beiträge zwischen den Mitgliedsarten die tarifpolitische Tätigkeit der Beteiligten zu 2.) beeinflussen und zu deren kontinuierlicher Stärkung beitragen.
44Auch aus der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Nordrhein-Westfalen ergebe sich die Bindung aller Mitgliedsunternehmen der Beteiligten zu 2.) einschließlich ihrer OT-Mitglieder an die mit der Antragstellerin abgeschlossenen Tarifverträge. Nach dieser Vorschrift "sind die Mitglieder der vertragsschließenden Parteien tarifgebunden". Damit hätten die Tarifvertragsparteien den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages nicht nur auf einen Teil der Mitglieder der Beteiligten zu 2.) beschränkt, sondern den Geltungsbereich der Tarifverträge des Einzelhandels ausdrücklich auf alle Mitglieder der Beteiligten zu 2.) erstreckt. Die Tarifbindung aller Mitglieder der Beteiligten zu 2.) ergebe sich daher schon aus tarifvertraglicher Vereinbarung.
45Die Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) auch für ihre OT-Mitglieder sei schließlich bedingt durch das Erfordernis der Klarheit und Bestimmbarkeit der mit einem Tarifvertrag verbundenen Rechtsgeltung. Die Tarifzuständigkeit müsse bestimmt, eindeutig und nachvollziehbar geregelt sein. Dieses Kriterium erfülle die in der Satzung der Beteiligten zu 2.) geregelte OT-Mitgliedschaft nicht, da sie allein auf der individuellen und jederzeit widerrufbaren persönlichen Entscheidung des Mitglieds beruhe. Die personelle Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf "tarifwillige Mitglieder" sei keine hinreichend rechtsklare und bestimmte Festlegung in der Satzung einer Arbeitgeberkoalition.
46Für den Fall, dass entgegen der Ansicht der Antragstellerin, keine Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) für ihre OT-Mitglieder bestehe, habe sie zumindest einen Auskunftsanspruch über die Art des Mitgliedschaftsstatus (Mitglied T oder Mitglied OT). Es bestehe sonst für die Antragstellerin in keiner Phase der Vorbereitung einer Tarifrunde, der Tarifverhandlungen oder der Durchführung eines abgeschlossenen Tarifvertrages Transparenz hinsichtlich der Frage der Tarifbindung von Mitgliedern der Beteiligten zu 2.). Für diesen Fall ergebe sich sowohl als schuldrechtliche Pflicht aus den Durchführungs- und Einwirkungspflichten der Beteiligten zu 2.) als auch aus dem Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 9 Abs. 3 GG eine Auskunftspflicht über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus der Beteiligten zu 2.).
47Die Antragstellerin beantragt,
48festzustellen, dass die Beteiligte zu 2.) für ihre Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglieder OT) im räumlichen Bereich Nordrhein-Westfalen für den fachlichen Bereich des Einzelhandels tarifzuständig ist.
49hilfsweise,
50die Beteiligte zu 2.) zu verpflichten, der Antragstellerin Auskunft über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus (Mitglied T oder Mitglied OT) ihrer Mitglieder zu geben.
51Die Beteiligte zu 2.) beantragt,
52den Hauptantrag und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
53Die Beteiligte zu 2.) ist der Ansicht, der Hauptantrag sei bereits unzulässig.
54Es fehle an einem konkreten Feststellungsinteresse, das Begehren der Antragstellerin laufe auf ein bloßes Rechtsgutachten des Gerichtes hinaus. Ein Bezug zu entscheidungserheblichen Fällen, in denen es auf den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus der Beteiligten zu 2.) ankomme, sei nicht dargetan. Allein die Möglichkeit reiche nicht aus. Aus der bloßen Wiederholung des Gesetzestextes lasse sich ohne Bezug auf einen bestimmten Vorgang kein Feststellungsinteresse herleiten, denn die Beteiligten hätten noch keinen Arbeitskampf miteinander geführt und auch Tarifverhandlungen liefen derzeit nicht.
55Der Hauptantrag sei zudem unbegründet, da die Beteiligte zu 2.) für ihre OT-Mitglieder nicht tarifzuständig sei. Eine Tarifzuständigkeit ergebe sich weder aus § 3 Abs. 1 TVG noch aus allgemeinen Grundsätzen. Diese Vorschrift betreffe nur die Tariffähigkeit, die Unzulässigkeit einer personell beschränkten Tarifzuständigkeit ließe sich aus ihr nicht ableiten.
56Eine Störung der Verhandlungsparität könne durch eine tarifbindungsfreie Mitgliedschaft nicht eintreten, wenn schon die Mitgliedschaft als solche freiwillig sei. Auch durch die Höhe der Mitliedsbeiträge, wobei nicht zwischen OT- und T-Mitgliedern unterschieden wird, könne eine solche Störung nicht hervorgerufen werden. Es existiere kein Grundsatz, nach dem Mitgliedsbeiträge im Verhältnis zu in Anspruch genommenen Leistungen stehen müssten.
57Die Satzung der Beteiligten zu 2.) sei so konzipiert, dass die OT-Mitglieder von allen tarifpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen und abgeschnitten seien. Wegen des fehlenden Entsende- und Ernennungsrechtes für den tarifpolitischen Ausschuss könne es weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Einflussnahme der Verbandsmitglieder ohne Tarifbindung geben. Auch Gastmitglieder seien nach der Rechtsprechung des BAG von der Tarifgebundenheit ausgenommen, da sie mangels Stimmrecht in der Mitgliederversammlung nicht unmittelbar oder durch die von ihnen selbst frei gewählten Organe des Verbandes beim Tarifabschluss repräsentiert seien.
58Die Befugnis der Beteiligten zu 2.) als Arbeitgeberverband, OT-Mitgliedschaften zu schaffen, ergebe sich aus Art. 9 Abs. 3 GG, dessen Schutzwirkung für beide Tarifvertragsparteien in gleicher Weise gelte. Die Entscheidung über ihre Organisation und deren Struktur gehöre zu der inneren Selbstbestimmung der Koalition. Eine Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf satzungsgemäß bestimmte Mitglieder liege in der Satzungsautonomie der Verbände und damit auch der Beteiligten zu 2.). Auch die Antagstellerin nehme für sich in Anspruch, Mitglieder aufzunehmen, für die ihr die Tarifzuständigkeit fehle.
59Ein Anspruch auf Auskunft über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus (OT- oder T-Mitgliedschaft) der Mitgliedsunternehmen der Beteiligten zu 2.) bestehe mangels Anspruchsgrundlage nicht. Auch der Wunsch der Antragstellerin nach Erleichterung der Gewerkschaftsarbeit könne ein solches Auskunftsrecht weder aus Art. 9 Abs. 3 GG noch aus schuldrechtlichen Nebenpflichten aus den zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Tarifverträgen herleiten.
60Im übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Beteiligten Bezug genommen.
61II.
621)Der Antrag auf Feststellung der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) für ihre Mitglieder ohne Verbandstarifbindung im räumlichen Bereich Nordrhein-Westfalen und für den fachlichen Bereich des Einzelhandels ist zulässig, aber unbegründet.
63a)Der Hauptantrag ist entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2.) zulässig.
64Gem. § 97 ArbGG i.V.m. § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG war vorliegend das Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht zur Feststellung der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) eingeleitet worden.
65Die Antragstellerin ist antragsbefugt, da sie mit dem Feststellungsbegehren ein eigenes Recht geltend macht. Die Antragstellerin schließt mit der Beteiligten zu 2.) Tarifverträge für den fachlichen Bereich des Einzelhandels ab. Welche Mitglieder der Beteiligten zu 2.) von diesen Tarifverträgen erfasst werden, hängt von der Frage ab, ob die Beteiligte zu 2.) für ihre OT-Mitglieder tarifzuständig ist.
66Es besteht auch ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin im Hinblick auf die Frage der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) für ihre OT-Mitglieder.
67Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beteiligte zu 2.) als tariffähige Koalition ihre Tarifzuständigkeit insofern begrenzen kann, als bestimmte Mitglieder mit der satzungsgemäßen Mitgliedschaftsart des OT-Mitgliedes nicht tarifgebunden sind.
68Auch das BAG geht davon aus, dass die Frage der Tarifgebundenheit eines OT-Mitgliedes an die von dem Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifverträge davon abhängt, ob die Beschränkung der personellen Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsmitglieder zulässig ist (vgl. BAG 23.10.1996 AP Nr. 15 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit). Die Frage der Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft im Verband hängt von der Tarifzuständigkeit des Verbandes für derartige OT-Mitglieder ab (Hess. LAG 6.10.1997, 16 Sa 585/97, in LAGE Nr. 1 zu § 97 ArbGG 1979). Damit ist das Feststellungsbegehren auf die Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.d. im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren § 256 ZPO gerichtet.
69Da die Beteiligte zu 2.) im Termin zur Anhörung vor der Kammer klargestellt hat, dass bei ihr auch verschiedene Mitglieder von der OT-Mitgliedschaft Gebrauch gemacht haben, hat die Antragstellerin auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Mit der Beteiligten zu 2.) kann nur dann angenommen werden, dass das Feststellungsbegehren auf ein reines Rechtsgutachten des Gerichts hinausläuft, wenn sich die Entscheidung des Gerichtes nur auf theoretische zukünftige Fälle auswirken kann. Die Frage der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.) wirkt sich jedoch auf konkrete Mitglieder der Beteiligten zu 2.) aus, die von der Wahl der OT-Mitgliedschaft Gebrauch gemacht haben und sich aus diesem Grund nicht für tarifgebunden an die zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens abgeschlossenen Tarifverträge halten.
70b)Der Antrag ist jedoch unbegründet, da nach Auffassung der Kammer die satzungsgemäß erfolgte personelle Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf Mitglieder mit Verbandstarifbindung bei der Beteiligten zu 2.) zulässig ist und eine Tarifzuständigkeit für OT-Mitglieder daher ausscheidet.
71Unter Tarifzuständigkeit ist die Fähigkeit eines an sich tariffähigen Verbandes zu verstehen, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abschließen zu können (vgl. BAG vom 27.11.1964 AP Nr. 1 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Schaub in Erfurter Kommentar, 5. Aufl., § 2 TVG Rz. 39). Für welchen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich die Verbände von ihrer Regelungsbefugnis Gebrauch machen wollen, bestimmen sie im Rahmen ihrer Autonomie. Die Tarifzuständigkeit ergibt sich damit aus der Satzung des jeweiligen Verbandes (vgl. Löwisch/Riebe TVG § 2 Rz. 87).
72aa)Ob der Verband seine Tarifzuständigkeit durch entsprechende Regelungen in der Satzung auch auf einen Teil seines Mitgliederkreises beschränken kann, ist umstritten:
73(dies bejahen z.B.: LAG Rheinland-Pfalz 17. 02. 1995 - 10 Sa 1092/94 - NZA 1995, 800 ff = LAGE Nr. 10 zu Art. 9 GG m. zust. Anmerkung Thüsing; Hessisches LAG 06. 10. 1997 - 16 Sa 585/97 - LAGE Nr. 1 zu § 97 ArbGG 1979; LAG Niedersachsen 26. 01. 2004 - 5 Sa 1089/03 - n.v.; Besgen, Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung, 87 ff.; Buchner, NZA 1994, 2; Buchner, NZA 1995, 761, 765 ff.; Löwisch, ZfA 1974, 29, 37; Kania, BB 2001, 1091; Otto, NZA 1996, 624; Reuter, RdA 1996, 201ff.; Thüsing, NZA 1997, 294; Ostrop, Mitgliedschaft ohne Tarifbindung 1997, 145;
74a.A.: Berg, AuR 2001, 393; Däubler, ZTR 1994, 445, 452 ff; Däubler, NZA 1996, 225 ff; Glaubitz, Festschrift für Stege, S. 37; Glaubitz, NZA 2003, 140 ff).
75Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsfrage bislang offen lassen können, da es in mehreren Revisionsverfahren hierauf nicht ankam (vgl. BAG 23.10.1996 - 4 AZR 409/95 (A) - NZA 1997, 393; BAG 24. 02.1999 - 4 AZR 62/98 - NZA 1999, 995, 997, zu II 1.1.2.3 der Gründe; BAG 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - NZA 2003, 807, 809 zu II 2 f bb der Gründe).
76bb)Nach Auffassung der Kammer ist die personelle Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf T-Mitglieder (und damit einhergehend die fehlende Tarifzuständigkeit für OT-Mitglieder) zulässig, soweit der Mitgliederkreis der OT-Mitglieder von dem der T-Mitglieder aus der Satzung heraus abgrenzbar ist und die Satzung ein Verfahren für tarifpolitische Entscheidungen vorsieht, das sicherstellt, dass die OT-Mitglieder keinen Einfluss auf die tarifpolitische Willensbildung nehmen:
77Die Koalitionsfreiheit schützt auch die Selbstbestimmung der Koalition über ihre Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte (BVerfG 04.07.1995, BverfGE 92, 365 ff).Die grundsätzliche Zulässigkeit einer personellen Beschränkung der Tarifzuständigkeit ergibt sich als Grenzziehung aus der den Tarifvertragsparteien zustehenden Satzungsautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG, wonach diese
78den räumlichen, sachlichen und persönlichen Bereich ihres Tätigkeitsfeldes frei bestimmen können.
79Schon die Rechtsprechung des BAG zur gewerkschaftlichen Tarifzuständigkeit zeigt, dass der satzungsrechtlichen Begrenzung etwa nur auf einen Betrieb (BAG 19.11.1985, 1 ABR 37/83, AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 4) spiegelbildlich auf Arbeitgeberseite eine persönliche Tarifzuständigkeit entspricht. Denn auch die gewerkschaftliche Zuständigkeit für Arbeitnehmer dieses einen Betriebes ist bereits eine eingeschränkte persönliche Tarifzuständigkeit, die umgekehrt den Arbeitgeberverbänden nicht abgesprochen werden kann.
80Ebenso können auf beiden Seiten die Tarifvertragsparteien innerhalb ihrer sog. Organisationsautonomie frei entscheiden, ob Gliedverbände oder selbständige Untergliederungen gebildet werden und auf welcher Organisationsebene welche Aufgabe wahrgenommen wird (LAG Rheinland-Pfalz 17.2.1995, 10 Sa 1092/94, NZA 1995, 801 ff).
81Die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte koalitionsmäßige Verfolgung arbeitsrechtlicher Ziele muss nicht zwangsläufig mit einer tarifpolitischen Tätigkeit verbunden sein. Mit dem LAG Rheinland-Pfalz in der vorzitierten Entscheidung geht die Kammer daher davon aus, "dass sich die Unterwerfung der Verbandsmitglieder unter die Rechtsetzungsmacht eines Verbandes überhaupt nur aus der freiwilligen Unterwerfung legitimieren lässt, so dass dann, wenn die Verbandssatzung den Abschluss von Tarifverträgen ausdrücklich ausklammert, dieser die Normsetzung legitimierende Unterwerfung der Verbandsmitglieder unter die Verbandsgewalt fehlt."
82Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht auch § 3 TVG der satzungsmäßigen Einschränkung der persönlichen Tarifzuständigkeit nicht entgegen.
83Zwar bestimmt § 3 TVG, das "die Mitglieder der Tarifvertragsparteien" tarifgebunden seien. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm aber gerade keine Regelung getroffen, dass Mitglieder einer Tarifvertragspartei unabhängig von ihrem Willen und der Gestaltung der Satzung der Tarifbindung unterliegen.
84Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist ersichtlich, dass § 3 Abs. 1 TVG nur festlegt, dass die Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband Voraussetzung dafür ist, dass die normative Tarifwirkung eintreten kann. Die Vorschrift gibt allein die gesetzliche Legitimation zur Normsetzung. Diese Legitimation ist jedoch nicht zu verwechseln mit der o.g. Koalitionsfreiheit und ihren Grenzen. Allein nach diesen Grundsätzen der Koalitionsfreiheit richtet sich, ob und in welchem Umfang jemand Mitglied einer Tarifvertragspartei wird. Die Legitimation zur Rechtsetzung nach § 3 Abs. 1 TVG bezieht sich dagegen auf die Kompetenz der Tarifvertragsparteien, Rechtsnormen für die Tarifunterworfenen zu setzen (Schaub in Erfurter Kommentar zum ArbR, 5. Auflage 2005, § 3 TVG, Rdnr. 2).
85Es bedarf vielmehr einer freiwilligen Unterwerfungserklärung unter die Rechtssetzungsmacht des Verbandes, die - entsprechend der jeweiligen Satzung - in dem Verbandseintritt liegen kann, jedoch nicht liegen muss. § 3 Abs. 1 TVG legt fest, wer durch den vom Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag verpflichtet werden soll. Obwohl nicht unmittelbare Vertragspartei, werden die Mitglieder der Koalitionen selbst durch den Tarifvertrag gebunden. Dies hat seinen Grund in der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft: Aus dem Eintritt in den Arbeitgeberverband kann der Wille zum Ausdruck kommen, sich an den Tarifvertrag binden zu wollen (vgl. auch Otto NZA 1996, 625, 628). Dies ist bei OT-Mitgliedern jedoch gerade nicht der Fall. Die Erklärung zum Eintritt in den Verband und zur Unterwerfung unter den Tarifvertrag fallen hier auseinander.
86Eine Negierung einer solchen Unterwerfungserklärung des einzelnen Mitgliedes unter die Rechtssetzungsmacht der Koalition würde nicht dem in Art. 9 III GG festgelegten Grundsatz der auch negativen Koalitionsfreiheit entsprechen: Ebenso wie der Wille des einzelnen Arbeitgebers hinzunehmen ist, überhaupt nicht Mitglied eines Verbandes werden zu wollen, ist der Wille zu akzeptieren, eine Mitgliedschaft unterhalb der Vollmitgliedschaft einzunehmen.
87Ebenso hat das BAG in seiner Entscheidung zur Tarifbindung sog. Gastmitglieder (BAG AP Nr. 12 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit) zum Ausdruck gebracht, dass neben der Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband auch zumindest die Mitwirkung bei der tarifpolitischen Willensbildung des Verbandes Voraussetzung für eine Tarifbindung ist (vgl. auch Buchner NZA 1995, 762 ff.). Die Tarifbindung hat also entgegen der Auffassung der Antragstellerin neben der Mitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei nach § 3 Abs. 1 TVG weitere Voraussetzungen.
88Dagegen spricht auch nicht, dass die Tariffähigkeit des Verbandes gem. § 2 TVG nicht teilbar ist. Die Tariffähigkeit kennzeichnet die Fähigkeit eines Verbandes, Partner eines Tarifvertrages sein zu können. Diese wird durch die Einführung einer OT-Mitgliedschaft nicht berührt, da hier lediglich die Tarifgebundenheit - mithin die Rechtsfolge des Tarifvertrages für die einzelnen Mitglieder - betroffen ist. Der Verband selbst bleibt ungeteilt tariffähig (vgl. auch Otto a.a.O.).
89Auch aus § 1 Abs. 2 Satz 2 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Nordrhein-Westfalen ergibt sich keine Bindung aller Mitgliedsunternehmen der Beteiligten zu 2.) einschließlich ihrer OT-Mitglieder an die mit der Antragstellerin angeschlossenen Tarifverträge. Denn bei dieser Tarifbestimmung handelt es sich - worauf die Beteiligte zu 2.) zu Recht hinweist- nur um eine bloße Wiedergabe der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 TVG. Insofern gilt das zuvor Ausgeführte auch für § 1 Abs. 2 Satz 2 MTV Einzelhandel NRW.
90Abschließend ergibt sich nach Auffassung der Kammer hieraus, dass die Begrenzung der Tarifzuständigkeit auf die T-Mitglieder als legitime Grenzziehung der koalitionsmäßigen Verfolgung arbeitsrechtlicher Ziele grundsätzlich zulässig ist und eine Festlegung der Tarifzuständigkeit nach allgemeinen geographischen, persönlichen und sachbezogenen Kriterien darstellt.
91cc)Nach der Satzungsgestaltung der Beteiligten zu 2.) ist zur Wahrung der Abgrenzbarkeit und zur Vermeidung einer missbräuchlichen Gestaltung auch der Mitgliederkreis der OT-Mitglieder von dem der T-Mitglieder aus der Satzung heraus abgrenzbar und ein Verfahren für tarifpolitische Entscheidungen vorgesehen, das sicherstellt, dass die OT-Mitglieder keinen Einfluss auf die tarifpolitische Willensbildung nehmen können.
92In § 5 der Satzung der Beteiligten zu 2.) in der letzten Fassung vom 18. Februar 2004 ist eine organisatorische Trennung der OT-Mitgliedern von den T-Mitgliedern sowohl unmittelbar bei Mitgliedschaftsbeginn als auch bei Wechsel während der Mitgliedschaft vorgesehen. Auf die Rechtsfolgen bei Wahl der Mitgliedschaft und bei deren Wechsel wird in der Satzung hingewiesen.
93Da allein Mitglieder mit Verbandstarifbindung (T-Mitglieder) Vertreter benennen und in den tarifpolitischen Ausschuss entsenden können und tarifpolitische Themen nicht von der Tagesordnung und Beschlussfassung der Mitgliederversammlung erfasst sind, gewährleistet die Satzung der Beteiligten zu 2.) auch, dass die OT-Mitglieder nicht in einer Weise an der Tarifpolitik beteiligt werden, dass es zu einer die Tarifautonomie gefährdenden Störung der Verhandlungsparität kommen kann.
94Dabei ist zunächst klarstellend darauf hinzuweisen, dass allein in der OT-Mitgliedschaft der einzelnen Arbeitgeber und dem daraus resultierenden Verzicht auf die Tarifbindung keine unzulässige Beeinträchtigung der Tarifautonomie gesehen werden kann, da dieses Recht des Verzichtes auf der negativen Koalitionsfreiheit beruht (siehe Otto NZA 1996, 625, 629). Der Einwand der Antragstellerin kann sich somit nur darauf beziehen, dass OT-Mitglieder anders als ausgetretene Mitglieder die Tarifautonomie dadurch gefährden würden, dass sie in unzulässiger Weise an der Tarifpolitik beteiligt würden.
95Dies ist bei den OT-Mitgliedern der Beteiligten zu 2.) nicht feststellbar:
96Bei der Höhe der Mitgliedsbeiträge wird zwar nicht nach der Art der Mitgliedschaft differenziert, es ist in Verbänden und Vereinen jedoch absolut üblich, dass die Beitragshöhe nicht von der Gegenleistung abhängt.
97Die Beiträge werden zur Teilnahme und zur Verfolgung des Vereinszweckes erbracht und nicht nach dem Volumen der Gegenleistung berechnet. Zudem wäre auch Nichtmitgliedern die finanzielle Unterstützung der Beteiligten zu 2.) möglich.
98Soweit die Antragstellerin darüber hinaus in der jederzeitigen Möglichkeit zum Wechsel in die OT-Mitgliedschaft eine solche Gefährdung ansieht, kann dem gleichfalls nicht gefolgt werden. Der Wechsel der Mitgliedschaftsart führt nicht zu einer Störung der Verhandlungsparität. Die Tarifvertragsparteien können als Koalitionen die Kündigungsfristen selbst festlegen. Auch dies gehört als Grenzziehung zur Selbstbestimmung der Koalition über ihre Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte.
99Zum Schutz der Tarifautonomie ist gesetzlich festgelegt, dass die Tarifbindung unabhängig vom Austritt weiterhin besteht. Ebenso wie beim Austritt aus dem Verband bleibt auch der Arbeitgeber, der in die OT-Mitgliedschaft wechselt, gem. §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG tarifgebunden, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird. Das Erfordernis eines weitergehenden Schutzes ist auch von der Antragstellerin nicht hergeleitet worden.
100Entgegen der Auffassung der Antragsstellerin führt auch eine Beratungsmöglichkeit der OT-Mitglieder in Gremien und Versammlungen nicht zu einer die Tarifautonomie gefährdenden Störung der Verhandlungsparität und damit zur Unzulässigkeit der OT-Mitgliedschaft.
101Die Beteiligte zu 2.) hat in § 6 Abs. 3 der Satzung eindeutig festgeschrieben, dass allein dem tarifpolitischen Ausschuss die Bearbeitung, Beratung sowie Beschlussfassung in allen Fragen der Tarifpolitik obliegt.
102Aufgrund dieser Regelung ist eindeutig bestimmt, dass die Mitglieder, die nicht gem. § 6 Abs. 1 der Satzung dem tarifpolitischen Ausschuss angehören, an der tarifpolitischen Arbeit nicht beteiligt sind. Selbst der Vorsitzende des Verbandes gehört dem tarifpolitischen Ausschuss nur an, sofern er einem Unternehmen mit Verbandstarifbindung zugehörig ist.
103Die beratende Funktion der Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung hat keinen Einfluss auf die Alleinzuständigkeit des tarifpolitischen Ausschusses auf die Tarifpolitik. Der tarifpolitische Ausschuss kann autonom entscheiden und eine Beratung durch Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung geht nicht über eine jederzeit zulässige externe Beratung hinaus.
104Nach alledem ist die in den §§ 5 und 6 der Satzung der Beteiligten zu 2.) geregelte Beschränkung der persönlichen Tarifzuständigkeit auf die Mitglieder mit Verbandstarifbindung (T-Mitglieder) zulässig und eine Tarifzuständigkeit für die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (OT-Mitglieder) scheidet aus. Der Hauptantrag der Antragstellerin war entsprechend zurückzuweisen.
1052)Der Hilfsantrag der Antragstellerin, die Beteiligte zu 2.) ihr gegenüber zur Auskunft über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus (Mitglied T oder Mitglied OT) ihrer Mitglieder zu verpflichten, ist unzulässig.
106Nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG sind die Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren zuständig für die Entscheidung über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung. Die Tarifzuständigkeit bestimmt, mit welchem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich eine tariffähige Partei Tarifverträge abschließen kann (Schwab/ Weth ArbGG2004, § 2 a, Rdnr. 96). Für die Arbeitgebervereinigungen ist die Tarifzuständigkeit nicht vorgegeben, sondern sie wird von ihnen im Rahmen ihrer Autonomie in der Satzung selbst festgelegt (BAG 19.11.1985, NZA 1986, 480).
107Die Antragstellerin leitet einen Auskunftsanspruch sowohl als schuldrechtliche Pflicht aus den Durchführungs- und Einwirkungspflichten der Beteiligten zu 2.) als auch aus einem Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 9 Abs. 3 GG her. Er soll sich als unmittelbare Rechtsfolge ergeben, wenn die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung bei der Beteiligten zu 2.) möglich und der Hauptantrag unbegründet ist. Durch diese prozessuale Bedingung des Hilfsantrages für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptsantrag hat die Antragstellerin dieses Begehren untrennbar mit dem Hauptantrag verknüpft.
108Die gewählte Verfahrensart als Beschlussverfahren für den Hilfsantrag ist jedoch unzulässig, da eine Auskunft über die Art der Mitgliedschaft nicht die Frage betrifft, mit welchem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich die Beteiligte zu 2.) mit der Antragstellerin Tarifverträge schließen kann. Der persönliche Geltungsbereich ist von der Beteiligten zu 2.) vielmehr im Rahmen ihrer Satzungsautonomie exakt bestimmt worden und in zulässigerweise auf T-Mitglieder beschränkt worden. Die Tarifzuständigkeit selbst ist damit abgrenzbar festgelegt. Die Frage nach dem jeweils aktuellen Bestand der einzelnen Mitglieder der Beteiligten zu 2.), die daran teilnehmen oder nicht teilnehmen, betrifft die Tarifbindung derselben und nicht die Frage der Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 2.)
109Es kann dahinstehen, ob für ein solches Begehren das Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eröffnet ist. Nach Ansicht der Kammer kann wegen der zwingenden Verknüpfung mit dem Hauptantrag keine Verweisung des Hilfsantrages in das Urteilsverfahren gem. §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 GVG erfolgen. Urteils- und Beschlussverfahren schließen sich gegenseitig aus (Germelmann/ Matthes/ Prütting/ Müller-Glöge ArbGG 4. Auflage 2002, § 2 a Rdnr. 76). Eine Verweisung in die Verfahrensart des Urteilsverfahrens für den Hilfsantrag scheitert an dessen Unselbständigkeit.
110Mit Unbegründetheit des Hauptantrages und Unzulässigkeit des Hilfsantrages war der Antrag der Antragstellerin demnach insgesamt zurückzuweisen.
111Rechtsmittelbelehrung
112Gegen diesen Beschluss kann von der Antragstellerin
113B e s c h w e r d e
114eingelegt werden.
115Für die Beteiligte zu 2.) ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
116Die Beschwerde muss
117innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
118beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
119Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.
120Die Beschwerdeschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
121* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
122gez. L.