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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 50.000,-- Euro festgesetzt.
Der 1964 geborene Kläger ist seit 1998 zugelassener Rechtsanwalt im Bezirk der Beklagten. Er betreibt seine Kanzlei in C. Er war früher Mitglied der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei G GbR, aus der er durch gerichtlichen Vergleich vom 20.03.2014 ausschied. Der ihm nach dem Vergleich zustehende, und von einem Sachverständigen festzustellende Abfindungsanspruch steht derzeit in Streit. Zwei Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wurden nach § 153a StPO eingestellt.
2Mit Bescheid vom 30.08.2018 hat die Beklagte die Zulassung des Klägers aus den Gründen von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.
3Zuvor war der Kläger (letztmalig) mit Schreiben vom 20.06.2018 (zugestellt am 22.06.2018) angehört worden. Die Anhörung bezieht sich auf die Forderungen Nr. 8, 9, 10, 11 und 14 der Forderungsliste sowie darauf, dass zu Nr. 10 eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis vorliege.
4Der Widerrufsbescheid stützt sich auf folgende Forderungen (Nummerierung gemäß dem Bescheid beigefügter Forderungsaufstellung):
5Nr. 8: B GmbH & Co KG; Ursprungsforderung 1.790 Euro, Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, Restforderung zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids: 725 Euro.
6Nr. 10: P, offene Forderung 45.236,43 Euro; Eintragung in das Schuldnerverzeichnis auf Eintragungsanordnung des FA I vom 26.03.2018 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
7Nr. 11: B2 GbR: Ursprungsforderung: 6.000 Euro; Ratenzahlungsvereinbarung getroffen; Restforderung zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids: ca. 5.290 Euro.
8Nr. 15: A, I2: 455,42 Euro; Ratenzahlungsvereinbarung getroffen; Restforderung zum Zeitpunkt des Widerrufs: 310 Euro.
9Der Widerruf stützt sich schwerpunktmäßig auf die Vermutungswirkung sowie darauf, dass die Ratenzahlungsvereinbarungen nicht pünktlich, sondern erst nach mehrmaliger Erinnerung erfüllt, würden.
10Gegen den Widerrufsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage vom 01.10.2018, die am 01.10.2018 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen ist.
11Der Kläger macht geltend, dass er im Jahre 2015 einen Gewinn von 47.889,96 Euro, im Jahr 2016 einen Gewinn von 49.865,04 Euro erwirtschaftet habe. 2017 habe dieser voraussichtlich 58.891,02 Euro betragen. Insgesamt sei so eine Steuerschuld von ca. 95.000 Euro entstanden, während er insgesamt 111.822,14 Euro an Steuern gezahlt habe, so dass er ein „Guthaben“ von 17.000 Euro habe, keine Steuerrück-stände. Die Höhe der Steuerrückstände, die gegen ihn geltend gemacht würden, könne er nicht nachvollziehen. Die Vermutungswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 7 BRAO dürfe erst greifen, wenn auch ein Gericht über die Steuerforderungen entschieden habe. Das sei bisher nicht der Fall, er habe aber Klage eingereicht. Insgesamt habe nur noch rund 21.000 Euro an Verbindlichkeiten, welche er alsbald tilgen werde.
12Der Kläger behauptet, dass er zuverlässig seine Zahlungsrückstände bzgl. der anderen erwähnten Forderungen begleiche. Er führt auf, Schuldner diverser Darlehen mit einer ggw. Valutierung von insgesamt rund 285.766 Euro zu sein. Ein Darlehen in Höhe von rund 92.000 Euro werde von seiner (Noch-) Ehefrau bedient, ein weiteres finanziere sich durch Einspeisevergütungen.
13Grundbuchrechtlich seien die Darlehen (in Höhe von rund 219.000 Euro) abgesichert durch das Grundstück seiner Ehefrau, welches einen Beleihungswert von 385.000 Euro habe (im Jahre 2011 allerding von dieser für 220.000 Euro gekauft worden war). Der Wert der Kanzlei betrage rund 150.000 Euro. Fremdgelder verwalte er nicht, so dass keine Fremdgefährdung vorliege.
14Der Kläger beantragt,
15die Widerrufsverfügung der Beklagten vom 30.08.2018 aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte beruft sich insbesondere auf die Vermutungswirkung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis und auf die Rechtsprechung des BGH, dass es irrelevant sei, ob die Steuerforderung rechtmäßig sei (BGH, Beschl. v. 18.02.2019, AnwZ (Brfg) 65/17). Nach dem Widerruf seien zahlreiche weitere Zwangsvollstreckungsverfahren hinzugekommen.
19Wegen der Einzelheiten des jeweiligen Parteivortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.
I.
21Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1 VwGO, 112c Abs. 1 BRAO).
22Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden werden dadurch nicht gefährdet.
231.
24Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschluss vom 08.10.2010 – AnwZ (B) 11/09 m.w.N.) vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind dabei die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird darüber hinaus der Vermögensverfall vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist.
25Maßgeblicher Zeitpunkt, auf den abzustellen ist, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (BGH, Urteil vom 29.06.2011, AnwZ (BRFG) 11/10 = NJW 2011, 3234).
26Die Vermutung entfällt, wenn die Eintragung wieder gelöscht ist (BT-Drs. 11/3253 S. 20). Die Vermutungswirkung muss aber nur zum Zeitpunkt der Widerrufsent-scheidung bestehen (BGH, Beschl. v. 08.12.2010 – AnwZ(B) 119/09). Es handelt sich um eine widerlegliche Vermutung (BT-Drs. 11/3253 S. 20).
27Ungeordnete Vermögensverhältnisse liegen auch dann nicht mehr vor, wenn eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner der Ratenzahlung nachkommt und keine weiteren Vollstreckungshandlungen mehr gegen ihn erfolgen und wenn die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt werden können (BGH NJW 2005, 1271).
28Hier bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids eine Vermutungswirkung aufgrund der Forderung Nr. 10, mit der der Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Auch einspruchsbehaftete Forderungen des Finanzamts können den Vermögensverfall begründen, wenn sie vollstreckbar sind (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16 -, Rn. 7, juris). Auf den rechtskräftigen Abschluss der finanzgerichtlichen Verfahren oder darauf, dass der Kläger sich nur Forderungen eines Gläubigers (des Finanzamtes) ausgesetzt sieht, kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16 -, Rn. 7, juris; Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 10. November 2017 – 1 AGH 20/17 –, Rn. 35, juris).
29Die Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Beschlüsse vom 04.04.2012, AnwZ (Brfg) 1/12 und vom 09.07.2013, AnwZ (Brfg) 22/13; Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 19. Januar 2018 – 1 AGH 31/17 –, Rn. 23, juris).
30Hier sind zwar die Ratenzahlungsvereinbarungen bzgl. der nicht das Finanzamt betreffenden Forderungen und deren (evtl. auch zögerliche) Erfüllung unstreitig. Indes steht die Eintragung wegen der Forderung des Finanzamts weiterhin im Raume, deren Vermutungswirkung nicht widerlegt wurde. Dass der Kläger einen Abfindungsanspruch (in streitiger Höhe) hat und ggf. ausweislich des Ehevertrages einen Anspruch auf Verkauf des seiner Ehefrau gehörenden Hausgrundstücks, womit er ggf. die weiteren Darlehen (und auch die Forderung des Finanzamtes) befriedigen könnte, ist unerheblich. Auf eine rechnerische Überschuldung und deren Umfang kommt es aber nicht an. Vermögenswerte sind von vorneherein ohne Bedeutung, soweit sie nicht liquide sind (BGH, Beschluss vom 17. September 2018 – AnwZ (Brfg) 41/18 –, Rn. 7, juris; BGH, Beschl. v. 18.02.2019 - AnwZ (Brfg) 65/17). Entsprechende liquide Mittel (zum Zeitpunkt des Bescheeiderlasses), um auch die Forderung des Finanzamtes zu begleichen, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
312.
32Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, waren bei Erlass des Widerrufsbescheides nicht erkennbar. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides war nicht sichergestellt, dass der Kläger keinen Zugriff zum Fremdgeld hatte oder aus sonstigen Gründen eine Gefährdung nicht vorlag. Jedenfalls ist dafür nichts Hinreichendes vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Der bloße Verzicht auf die Entgegennahme von Fremdgeldern etc. ist eine Absichtserklärung, welche offensichtlich nicht ausreicht.
33II.
34Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO sowie §§ 194 Abs. 1, 2 BRAO, 52 GKG.
35Ein Anlass, die Berufung nach § 124 VwGO, § 112 c Abs. 1 BRAO besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierig-keiten auf noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO; vgl. auch BGH a.a.O.). Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.
36Rechtsmittelbelehrung
37Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
381. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
392. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
403. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
414. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
425. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
43Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbe-vollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevoll-mächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die auf-schiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammen-schlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusam-menschlüsse vertreten lassen.
44Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.