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Die Differenzierung des § 304 InsO in Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren kann im Rahmen des StaRUG nur teilweise, aber nicht vollständig herangezogen werden. Das StaRUG erfordert anders als die Abgrenzung im Rahmen des § 304 InsO gerade keine abschließende, generelle Einordnung als Verbraucher oder Unternehmer. Dem StaRUG liegt vielmehr eine gespaltene Betrachtung der natürlichen Person zugrunde („soweit sie unternehmerisch tätig ist“).
Das Halten von Gesellschaftsanteilen durch eine natürliche Person (Schuldner) an einer operativ tätigen GmbH genügt für sich genommen nicht, um für den Schuldner den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG zu eröffnen.
Soweit der Schuldner bewusst das Konstrukt über eine Anteile haltende haftungsbeschränkte Gesellschaft wählt, liegt dem regelmäßig das Ziel zu Grunde, das unternehmerische Risiko gerade von der natürlichen Person weg zu verlagern. Dass er zusätzlich Bürgschaften für die Darlehnsverpflichtungen der Gesellschaft übernommen hat und die Anteile hält, eröffnet keine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG.
Die Restrukturierungssache wird gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner.
G R Ü N D E
2I.
3Der Schuldner war zunächst als Einzelkaufmann im Bereich Entwicklung und Vertrieb von elektronischen Bauteilen für die HiFi-Industrie tätig. Später entschied sich der Schuldner Bauteile zukünftig selbst zu fertigen und die dafür notwendige Filmkondensatorproduktion aufzubauen, dies als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der haftungsbeschränkten X., welche wiederum alleinige Gesellschafterin der U. ist. Der Schuldner ist auch Geschäftsführer der U.. Der Schuldner hat für die Kredite der U. Bürgschaftsverpflichtungen übernommen.
4Am 30.01.2024 wurde über das Vermögen der U. ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und Anordnung eines Schutzschirmverfahrens nach §§ 270d, 270c InsO gestellt und mit Beschluss vom 01.02.2024 ein vorläufiger Sachwalter bestellt (gerichtliches Aktenzeichen 70g IN 14/24).
5Mit Schriftsatz vom 10.03.2024 hat der Schuldner im hiesigen Verfahren gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG ein Restrukturierungsvorhaben angezeigt. Es wurde außerdem angeregt, von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen und der Entwurf eines Restrukturierungsplans vorgelegt.
6Der Schuldner führt aus, die Banken hätten im Eigenverwaltungsverfahren der U. Kredite fällig gestellt. Für diese Kredite habe der Schuldner Bürgschaftsverpflichtungen übernommen, die nunmehr drohten ebenfalls fällig gestellt zu werden. Anhand der beigefügten Ertragsplanung (auf die Anlage zum Schriftsatz vom 10.03.2024, Bl. 37 f. wird ausdrücklich Bezug genommen) sei davon auszugehen, dass derzeit die drohende Zahlungsunfähigkeit vorläge.
7II.
8Gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG hat das Gericht eine Restrukturierungssache aufzuheben, wenn Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das angezeigte Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht auf Umsetzung hat.
9Das angezeigte Restrukturierungsvorhaben hat keine Aussicht auf Erfolg.
10Der Anwendungsbereich des § 29 StaRUG ist nicht eröffnet.
11§ 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG sieht vor, dass natürliche Personen (nur) restrukturierungsfähig sind, soweit sie unternehmerisch tätig sind. Der Schuldner ist Alleingesellschafter der haftungsbeschränkten X., welche wiederum alleiniger Gesellschafter der U. ist.
12Die unternehmerische Tätigkeit der GmbH, d.h. Produktion, Entwicklung und Vertrieb von elektronischen Bauteilen für die Hifi-Industrie, befindet sich bereits unter dem Aktenzeichen 70g IN 14/24 im Eigenverwaltungsverfahren und wird dort restrukturiert. Eine zusätzliche parallele Restrukturierung der selben unternehmerischen Tätigkeit im StaRUG Verfahren ist daher nicht möglich.
13Klammert man indes die unternehmerische Tätigkeit der GmbH aus, so bleibt für den Schuldner als natürliche Person allein das Halten der Gesellschaftsanteile. Dies reicht für den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG nicht aus.
14Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 der RL 2019/1023 ist eine natürliche Person dann unternehmerisch tätig, wenn sie eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt. Die Auslegung von § 30 StaRUG hat abstrakt zu erfolgen (Jacoby/Thole-Schluck-Amend, § 30 StaRUG, Rn.20). Die Differenzierung des § 304 InsO in Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren kann im Rahmen des StaRUG nur teilweise, aber nicht vollständig herangezogen werden (Beck-OK StaRUG, Skauradszun/Fridgen, § 30 Rn. 57). § 304 InsO sieht für die unternehmerisch tätige Person vor, dass Sie im eigenen Namen, in eigener Verantwortung, für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko in organisatorisch verfestigter Form wirtschaftlich tätig ist. Für das StaRUG kommt als weitere Voraussetzung hinzu, dass diese Tätigkeit im Zeitpunkt der Restrukturierungsanzeige noch nicht eingestellt wurde (Beck-OK StaRUG, Skauradszun/Fridgen, § 30 Rn. 58)
15Dass nach der Rechtsprechung des BGB für den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH das Regelinsolvenzverfahren und nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO Anwendung findet, kann im vorliegenden Fall nicht auf den Anwendungsbereich von § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG übertragen werden. So erfordert das StaRUG anders als die Abgrenzung im Rahmen des § 304 InsO gerade keine abschließende, generelle Einordnung als Verbraucher oder Unternehmer. Dem StaRUG liegt vielmehr eine gespaltene Betrachtung der natürlichen Person gerade zugrunde, „soweit sie unternehmerisch tätig ist“. (Beck-OK StaRUG, Skauradszun/Fridgen, § 30 Rn. 57). Der Schuldner hat bewusst die Tätigkeit als Einzelkaufmann aufgegeben und das Konstrukt über die Anteile haltende haftungsbeschränkte UG und die GmbH gewählt. Ziel ist das unternehmerische Risiko gerade von der natürlichen Person weg zu verlagern. Dass er zusätzlich Bürgschaften für die Darlehnsverpflichtungen der GmbH übernommen hat und die Anteile an der UG bzw. GmbH hält, eröffnet keine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 2 StaRUG.
16Der Schuldner strebt hier Befreiung von seinen Bürgschaftsforderungen an. Eine solche Restschuldbefreiung ist vom Sinn und Zweck des StaRUG nicht erfasst. Dies wird im Umkehrschluss auch durch den Rechtsgedanken des § 67 Abs. 2 StaRUG getragen, der vorsieht, dass ausnahmsweise bei der rechtsfähigen Personengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien die Wirkungen des Restrukturierungsplans auch Verbindlichkeiten des persönlich haftenden Gesellschafters erfassen.
17Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 38 StaRUG i.V.m. 91 Abs. 1 ZPO.
18Rechtsmittelbelehrung
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