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Der Angeklagte wird wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt.
Ein Betrag in Höhe von 660,- € wird als Wertersatz eingezogen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 249 Abs. 1, 73, 73c StGB.
G r ü n d e:
2Dem Urteil liegt keine Verständigung zugrunde.
3I.
4Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Y-jährige Angeklagte ist in R. geboren und aufgewachsen. (Textpassage wurde entfernt). In Z. hat der Angeklagte 7 Jahre die Schule besucht und anschließend den Beruf des O. erlernt.
5Im Jahre 2019 hat der Angeklagte Z. verlassen und ist über Spanien und Frankreich nach Deutschland gekommen, wo er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, spätestens jedoch am 05.04.2022 unerlaubt einreiste. Im Besitz eines gültigen Nationalpasses oder anderweitigen aufenthaltslegitimierenden Dokumenten war er nicht. Am 06.04.2022 sprach der Angeklagte sodann aus eigener Veranlassung beim Jugendamt der Stadt Köln vor und gab sich dort als „X. N., geboren am 00.00.0000 in D.“ aus. Nach Einschätzung der Mitarbeiter des Jugendamtes wurde eine Minderjährigkeit des Angeklagten jedoch ausgeschlossen und eine Inobhutnahme des Angeklagten durch das Jugendamt der Stadt Köln abgelehnt, woraufhin der Angeklagte untertauchte und sich dem Zugriff des Ausländeramtes der Stadt Köln entzog.
6Im Rahmen eines Personenfeststellungsverfahrens wurde der Angeklagte schließlich am 28.03.2023 als z Staatsangehöriger mit den Personalien „G. S. geboren am 00.00.0000,“ identifiziert, woraufhin die Ausländerbehörde der Stadt Köln den Angeklagten mit Ordnungsverfügung der Stadt Köln vom 26.06.2023 aufforderte, unverzüglich das Bundesgebiet zu verlassen und ihm die Abschiebung nach Z. androhte. Der Angeklagte bezog seit seinem Untertauchen keine staatlichen Leistungen und hielt sich seinen Angaben zufolge bei einem Freund auf.
7Seinen Angaben zufolge konsumiert der körperlich gesunde Angeklagte regelmäßig Alkohol sowie Pregabalin (Lyrica), wobei er keine genauen Angaben zu seinem Konsum am Tattag machen konnte.
8Der Angeklagte ist bislang nicht vorbestraft, ist allerdings in den letzten beiden Jahren bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:
9Neben mehreren Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Köln, die aufgrund des unbekannten Aufenthaltsortes des Angeklagten gemäß § 154f StPO eingestellt worden sind, wurde der Angeklagte am 04.07.2024 in dem Verfahren StA Köln – 982 Js 7477/24 nach einem Ladendiebstahl bei A. (Kleidungsstücke im Wert von 74,98 €) vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 05.07.2024 (Az.: 502 Gs 2255/24) bis zum 09.07.2024 in Hauptverhandlungshaft in der JVA Köln. In der Hauptverhandlung am 09.07.2024 (Az.: 520 Ds 350/24) wurde das Verfahren sodann gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. In diesem Verfahren wurde der Angeklagte durch das Ausländeramt der Stadt Köln unverzüglich nach Haftentlassung zur Vorsprache bei der Ausländerbehörde Köln aufgefordert. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte jedoch bis zu seiner erneuten Verhaftung am 31.07.2024 im hiesigen Verfahren nicht nach.
10II.
11Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht folgender Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
12Am Sonntag, den 28.07.2024 gegen 08:10 Uhr befand sich der Geschädigte P. J. zusammen mit seinem Bruder, dem Zeugen T. J., in dem vorderen Waggon der Straßenbahnlinie 9 von Köln Süd in Richtung Messe/Deutz. An der Haltestelle Mauritiuskirche bestieg der möglicherweise unter leichtem Alkohol- und Tabletteneinfluss stehende Angeklagte den Waggon und setzte sich zunächst mit dem Rücken zu dem Geschädigten in die dahinterliegende Sitzreihe. An der Haltestelle Neumarkt stand der Angeklagte auf und begab sich in Richtung Ausgang. Als er an den beiden sich in einer 4er-Sitzgruppe gegenübersitzenden Zeugen P. und T. J. vorbeikam, sprach er diese auf Englisch an und tat so, als wolle er die Zeugen in ein Gespräch verwickeln. Als die Straßenbahn an der Haltestelle Neumarkt zum Stehen kam, bückte sich der Angeklagte – wie von Anfang an geplant – zu dem Geschädigten P. J. herunter und riss diesem unvermittelt die um den Hals getragene Goldkette vom Hals und ergriff mit der Kette im Wert von 660,00 € die Flucht., um diese für sich zu behalten bzw. zu veräußern. Anschließend begab sich der Angeklagte auf den Bahnsteig und betrat den zweiten Straßenbahnwaggon der Linie 9, wo er sich für einen Zeitraum von circa 3 Minuten im Einstiegsbereich aufhielt und den Bahnsteig beobachtete. Erst wenige Sekunden bevor die Straßenbahn der Linie 9 losfuhr, verließ der Angeklagte die Bahn und entfernte sich in unbekannte Richtung. Die Goldkette veräußerte der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt an einen Bekannten für 100,00 €. Der Geschädigte P. J. fühlte sich mehrere Wochen nach der Tat unsicher bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
13Der Angeklagte war bei der Tat fähig, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war nicht aus einem der in §§ 20, 21 StGB bezeichneten Gründe erheblich vermindert oder gar aufgehoben.
14III.
151.
16Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und dem Werdegang des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie dem in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerk des Ausländeramtes der Stadt Köln vom 19.11.2024. Die Feststellungen zur Unbestraftheit des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 04.10.2024, der keine Eintragungen enthält. Die Feststellungen zu dem Inhalt des Verfahrens StA Köln – 982 Js 7477/24 (AG Köln 520 Ds 350/24) beruhen auf dem in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Haftbefehl vom 05.07.2024 (502 Gs 2255/24) sowie dem zum Inhalt der Hauptverhandlung gemachten Hauptverhandlungsprotokoll vom 09.07.2024.
172.
18Die Feststellungen zu Ziffer II. beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten, der die Tat wie festgestellt vollumfänglich eingeräumt hat. Das Gericht hatte keinerlei Zweifel an dem Wahrheitsgehalt des Geständnisses, da es zum einen mit dem Ermittlungsergebnis übereinstimmt und auch kein Grund ersichtlich ist, warum der Angeklagte sich zu Unrecht selbst belasten sollte. Das Geständnis wurde darüber hinaus durch die ergänzende Beweiserhebung, insbesondere durch die glaubhaften Angaben des Zeugen P. J., der die Tat wie festgestellt geschildert hat, sowie den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Überwachungskameras in dem Waggon mit der Wagennummer 4108, bestätigt.
19Die Feststellungen zu dem Wert der geraubten Goldkette beruhen auf den glaubhaften Angaben des Geschädigten P. J., der in der Hauptverhandlung bekundet hat, die Goldkette vor ca. 2 bis 3 Jahren zu einem Preis von 660,00 € erworben zu haben.
20Die Feststellungen zu den psychischen Folgen der Tat beruhen ebenfalls auf den Angaben des Geschädigten P. J.. Dieser hat in der Hauptverhandlung eindrücklich geschildert, von dem Raub am helllichten Tag in einem öffentlichen Verkehrsmittel sehr überrascht worden zu sein, da er sich bislang in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher gefühlt habe. Aufgrund der Tat habe er einige Wochen lang ein „unsicheres Gefühl“ bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gehabt.
21Die Feststellungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten beruhen auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Überwachungskameras der KVB (CD, Umschlag, Bl. 67 d.A.) sowie den in Augenschein genommenen Videoprints der polizeilichen Videobeobachtung am Neumarkt (Bl. 42 ff. d.A.), auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird.
22Die Feststellungen zum Alkohol- und Medikamentenkonsum des Angeklagten beruhen auf dessen Angaben in der Hauptverhandlung, wobei nähere Feststellungen zu Art und Umfang des Alkohol- und Medikamentenkonsums am Tattag in der Hauptverhandlung nicht getroffen werden konnten. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag aufgehoben oder erheblich im Sinne der §§ 20, 21 StGB eingeschränkt war. Bereits die Art und Weise der Tatbegehung, die planvoll und überlegt erfolgte, sowie das Nachtatverhalten, namentlich das gezielte Verbergen in dem hinteren Waggon sprechen gegen die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit. Auch sind gravierende Ausfallerscheinungen, die auf eine erhebliche Alkoholisierung hindeuten könnten, weder auf den Videoaufzeichnungen ersichtlich noch wurden solche durch den Zeugen P. J. am Tattag wahrgenommen. Der Zeuge J. hat vielmehr in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, dass der Angeklagte weder nach Alkohol gerochen noch einen benommenen Eindruck gemacht habe.
23IV.
24Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
25V.
261.
27Ausgangspunkt der Strafzumessung für die Tat ist der Regelstrafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB, der die Verhängung von Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht.
28Die Annahme eines minder schweren Falles des Raubes gemäß § 249 Abs. 2 StGB scheidet im Wege der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder ihr nachfolgen, vorliegend aus, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle des Raubes nicht derart abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschien.
29Eine Strafrahmenmilderung gemäß den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war nicht veranlasst, weil ausreichende Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten fehlen.
302.
31In Ausfüllung des so eröffneten Strafrahmens hat sich das Gericht unter Beachtung der Kriterien des § 46 StGB bei seiner konkreten Strafzumessung im engeren Sinne insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen:
32Das Gericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich im Rahmen der Hauptverhandlung geständig eingelassen hat. Zu Gunsten des Angeklagten fiel zudem das Fehlen von Vorstrafen sowie der Umstand ins Gewicht, dass der Angeklagte als Ausländer mit eingeschränkten Deutschkenntnissen besonders haftempfindlich ist.
33Zu Lasten des Angeklagten war hingegen der beachtliche Wert der Tatbeute sowie die Art und Weise der Tatausführung zu berücksichtigen, die von einer erheblichen kriminellen Energie zeugt. Strafschärfend fielen zudem auch die – für den Angeklagten vorhersehbaren – psychischen Folgen bei dem Geschädigten P. J. ins Gewicht, der sich seinen glaubhaften Angaben zufolge noch mehrere Wochen nach der Tat während der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln unsicher gefühlt hat.
34Unter Berücksichtigung dieser und aller weiteren für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht für die Tat vom 28.07.2024 eine
35Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten
36für tat-und schuldangemessen.
373.
38Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
39Gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird und die nach § 56 Abs. 2 StGB erforderlichen besonderen Umstände vorliegen.
40Vorliegend liegen weder die nach § 56 Abs. 2 StGB erforderlichen besonderen Umstände vor noch besteht die Erwartung, dass der Angeklagten zukünftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit vorgenommen worden, unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen bereits geschilderten Umstände, die zugunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und die auch für die Sozialprognose erheblich sind.
41Nach diesen Maßstäben kann dem Angeklagten schon keine günstige Legalprognose gestellt werden. Der Angeklagte ist vollziehbar ausreisepflichtig und lebt in ungesicherten Verhältnissen. Er verfügt weder über eine Wohnanschrift in Deutschland noch über gefestigte soziale oder familiären Bindungen. Er hat kein legales Einkommen, bezieht keine Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz und verfügt lediglich über eingeschränkte deutsche Sprachkenntnisse. Die Lebensverhältnisse des Angeklagten lassen daher eine tragfähige positive Sozialprognose auf Grundlage der gebotenen Gesamtschau nicht zu. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Angeklagte ohne die Einwirkung des Strafvollzuges in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte hat sich auch durch die nur wenige Wochen vor der hiesigen Tat erlittene Hauptverhandlungshaft nicht von der Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat abbringen lassen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass er durch die im hiesigen Verfahren erlittene Untersuchungshaft bereits hinreichend beeindruckt ist. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam daher mangels positiver Legalprognose schon nicht in Betracht. Darüber hinaus sind aber auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB ersichtlich.
42VI.
43Die Entscheidung über die Wertersatzeinziehung in Höhe von 660,- € beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73c StGB.
44VII.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.