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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Hauptsachebetrag in Höhe von 718,80 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszins hieraus ab dem 11.06.2022 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 4,64 EUR zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrags über die Online-Plattform „F.“, welche die Klägerin betreibt.
3Am 21.04.2021 registrierte sich die Beklagte auf der Plattform der Klägerin, „F.“, und schloss mit der Klägerin einen Vertrag über eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft. Bei Vertragsschluss bezog sich die Klägerin auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden „AGB“, Bl. 34 ff. d.A.). Diese lauteten unter anderem wie folgt:
4„5.2 Für den Kauf über die Webseite, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs auf der Webseite bestätigen. […]
55.4. Erfolgt durch den Kunden bei einem Kauf über die Webseite keine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Premium-Mitgliedschaft in diesem Fall automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie innerhalb des Bestellvorgangs auf der Webseite akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer und die Kosten einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. […]“
6In der Vertragsbestätigung, die die Klägerin an die von der Beklagten angegebene E-Mail-Adresse am 21.04.2021 versendete, teilte die Klägerin dieser mit, dass sich die Premium-Mitgliedschaft ohne ordentliche, fristgemäße Kündigung automatisch um je zwölf Monate zum Preis von 59,90 EUR pro Monat verlängere, was einem Gesamtbetrag von 718,80 EUR (inkl. MwSt.) entspreche. Selbstverständlich aber könne die Beklagte die Mitgliedschaft mit einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen zum Abo-Ende kündigen (Bl. 30 f. d.A.)
7Zu den Leistungserbringungen enthalten die AGB auszugsweise folgende Regelungen:
8„3.1 Der nach der Registrierung nach psychologischen Gesichtspunkten aufgebaute, wissenschaftlich begründete I.-Persönlichkeitstest ist zunächst Gegenstand unserer entgeltfreien Leistungen. Aus den daraus resultierenden Erkenntnissen und umfassenden statistischen Vergleichsdaten erstellen wir Ihnen automatisiert eine auf Sie angepasste Persönlichkeitsanalyse. Diese wird in die I.-Datenbank eingefügt. Innerhalb der I.-Datenbank erfolgt sodann ein Abgleich Ihrer Persönlichkeitsanalyse mit derer anderer I.-Kunden. Dieser Prozess findet auf der Grundlage statistischer Vergleichsdaten statt, welche Resultate über die Kompatibilität (Vereinbarkeit), der mit Hilfe des I.-Persönlichkeitstests ermittelten Merkmalsausprägungen, einzelner Kunden geben. Eine stichpunktartige Kurzversion der Partnerschafts-Persönlichkeit ist über das Profil des Kunden für alle anderen Kunden sichtbar, um die Entscheidung zur Kontaktaufnahme zu begleiten. Anhand der auf diesem automatisierten Wege gewonnenen Ergebnisse unterbreiten wir Ihnen kostenfreie Partnervorschläge in Ihrem Profil sowie per E-Mail, sofern Sie diese Funktion (Versand per E-Mail) nicht auf der Webseite deaktiviert haben. […]“
9Sowie unter Ziff. 3.2 der AGB:
10„[…] Schließlich stehen Ihnen, sofern nicht abweichend zuvor beschrieben, die gleichen Nutzungsmöglichkeiten zu wie einem Basis-Mitglied. Hierneben gehört zu den kostenpflichtigen Leistungen u.a. eine detaillierte Auswertung des I.-Persönlichkeitstests online in dem Profil des Kunden sowie per E-Mail in Form einer ausführlichen Persönlichkeitsanalyse als PDF-Datei. Auch hat der Kunde die Möglichkeit, das Portrait seiner Partnerschafts-Persönlichkeit gesondert zu bestellen.“
11Hinsichtlich der Haftung heißt es unter Ziffer 6.2 der AGB:
12„Wir können ebenfalls keinen Vermittlungserfolg zusichern. I. stellt dem Kunden ausschließlich die IT-Dienstleistungen bzw. technischen Vorrichtungen zur automatischen Vermittlung von Kontakten zur Verfügung.“
13Eine Kündigung der Beklagten blieb bis zum Ende der Vertragslaufzeit aus. Am 22.04.2022 sendete die Klägerin an die bei der Anmeldung angegebene E-Mail-Adresse die Rechnung (Rechnungsnummer N01) für die verlängerte 12-Monats-Mitgliedschaft. Der Beitrag in Höhe von 718,80 EUR sollte dabei als Einmalzahlung entrichtet werden. Nachdem die Klägerin erfolglos versuchte, den offenstehenden Betrag in Höhe von 718,80 EUR einzuziehen, informierte die Klägerin die Beklagte darüber und forderte sie zur Zahlung auf. Unter dem 27.05.2022 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung bis zum 10.06.2022 an. Nachdem keine Zahlung erfolgte, beauftragte die Klägerin hinsichtlich der Hauptforderung nebst sämtlichen angefallenen Nebenforderungen das Inkassounternehmen „N.“ zum außergerichtlichen Einzug, wodurch Kosten in Höhe von 95,04 EUR entstanden. Gleichfalls verauslagte die Klägerin für eine Einwohnermeldeamtsauskunft 13,60 EUR.
14Die Klägerin ist der Ansicht, der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossene Vertrag habe sich mangels fristgerechter Kündigung um zwölf Monate verlängert. Ein Verstoß gegen § 307 BGB sei nicht anzunehmen, da es sich um keine höheren Dienste handeln würde, die sie bereitstelle – insbesondere auch nicht, weil ein „Matching-Algorithmus“ von ihren Mitarbeitern konzipiert sei.
15Die Klägerin hat – im vor dem gerichtlichen Verfahren stattgefundenen Mahnverfahren – ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Hauptsachebetrag in Höhe von 721,90 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins hieraus ab dem 31.05.2022 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 110,04 EUR zu bezahlen. Nach Zustellung des Mahnbescheides hat die Beklagte am 08.09.2023 eine Zahlung in Höhe von 104,00 EUR an die Klägerin geleistet, die diese auf die außergerichtlichen Kosten angerechnet hat. Nach der Anspruchsbegründung hat das Gericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Auf die Zustellung dessen an die Beklagtenseite hat diese weder ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt, noch auf die Klage erwidert. Wegen der in der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gerichtlich geäußerten rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Verlängerungsklausel hat das Gericht Termin bestimmt.
16Die Klägerin beantragt nun,
17die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Hauptsachebetrag in Höhe von 718,80 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins hieraus ab dem 11.06.2022 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 4,64 EUR zu bezahlen.
18Die Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte ist der Ansicht, der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag habe sich nicht automatisch um weitere zwölf Monate verlängert.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
24I.
25Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 718,80 EUR nebst Zinsen seit dem 11.06.2022.
261.
27Der Klägerin steht der geltend gemachte Hauptanspruch in Höhe von 718,80 EUR aus §§ 611 Abs. 1 Hs. 2, 612 BGB i.V.m. dem Partnerschaftsvermittlungsvertrag.
28a) Dabei haben die Parteien am 21.04.2021 einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag in Form des Abschlusses der Premium-Mitgliedschaft der Beklagten bei der Klägerin geschlossen.
29Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagtenseite war nicht gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Denn trotz Verspätung des Vorbringens der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung durch die Versäumnis der Verteidigungsanzeige- und Klageerwiderungsfrist führt die Zulassung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens. Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach § 296 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Nach dem absoluten Verzögerungsbegriff ist maßgeblich, ob der Rechtsstreit entscheidungsreif ist, wenn das verspätete Vorbringen unberücksichtigt bleibt (BGH, Versäumnisurt. v. 14.01.1999 - VII ZR 112–97, NJW-RR 1999, 787; BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 400/19, NJW 2020, 2912 Rn. 21). Führt die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens dazu, dass eine Beweisaufnahme erforderlich ist, liegt eine Verzögerung vor (BeckOK ZPO/Bacher, 53. Ed. 1.7.2024, ZPO § 296 Rn. 19, beck-online).
30An Letzterem fehlt es hier. Würde das Vorbringen des Beklagten zugelassen, wäre schon keine Beweiserhebung hinsichtlich des Vertragsschlusses erforderlich. Denn der Beklagtenvortrag hinsichtlich des Vertragsschlusses genügt – mit der Folge des Zugeständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO – nicht den Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten.
31Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht (BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12 –, BGHZ 200, 350-362, Rn. 11; Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 138 Rn. 8a). Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei (st. Rspr., BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12 –, BGHZ 200, 350-362, Rn. 11, Urt v. 13.01.2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 20; Urt. v. 15.06.2000 - I ZR 55/98, NJW-RR 2000, 1635, 1638; Urt. v. 03.02.1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 f. jeweils m.w.N.). Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab (Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 138 Rn. 8a).
32Diesen Anforderungen hat die Beklagtenseite hier nicht Genüge getan. Der Vortrag, dass die Beklagte sich „die Website der Klägerin mal angeschaut und ein bisschen herumgeklickt“ hätte, sich aber im Endeffekt doch dagegen entschieden hätte, dort einen Vertrag abzuschließen - sie hätte auch die Zahlung für das erste Jahr nicht bezahlt -, ist gänzlich ohne Substanz. Er vermag nicht zu erläutern, wie die Klägerin an die persönlichen Daten der Beklagten in Form von Name, Anschrift und E-Mail-Adresse gelangt sein soll. Ungeklärt bleibt auch, warum die Beklagte nach Zustellung des Mahnbescheids eine Teilleistung erbrachte, wenn sie nicht selbst von einem Vertragsschluss ausgeht. Der Beklagtenvortrag erschöpft sich indes in pauschalen Behauptungen, die keinerlei konkreten Bezug zum detaillierten Sachvortrag der Klägerseite aufweisen.
33b) Der Vertrag hat sich automatisch um weitere zwölf Monate ab dem 22.04.2022 verlängert. Denn die Klausel in Ziffer 5.4 der AGB der Klägerin, wonach sich der Vertrag automatisch um zwölf Monate verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von zwölf Wochen vor dem Vertragsende gekündigt wird, ist wirksam.
34Die AGB der Klägerin sind von dieser wirksam in den Vertrag mit dem Beklagten einbezogen worden, §§ 310 Abs. 3 Hs. 1, 305 Abs. 1, 2, 3 BGB.
35Die Klauseln halten auch der – wegen Abweichung von der automatischen Beendigung bei Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit nach § 620 Abs. 1 BGB gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eröffneten - Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.
36aa) Die Unwirksamkeit folgt nicht bereits aus § 309 Nr. 9 BGB a.F., denn weder beinhaltet die Klausel eine längere Kündigungsfrist als drei Monate zulasten des Beklagten noch eine stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr. Die Neuregelung in § 309 Nr. 9 lit. b BGB, wonach eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses unwirksam ist, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, greift nicht auf den streitgegenständlichen Fall. Diese Neuregelung gilt für die Verträge, die ab dem 01.03.2022 entstehen. Für sogenannte Altverträge - wie den streitgegenständlichen -, die bereits vor dem 01.03.2022 entstanden sind, verbleibt es bei der alten Rechtslage, Art. 229 § 60 Satz 2 EGBGB (so auch zutreffend AG Zeitz, Urt. v. 15.02.2024 – 4 C 171/23 –, Rn. 26, juris).
37bb) Die Unwirksamkeit folgt auch nicht aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel enthält keine Bestimmungen, die nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von einer gesetzlichen Regelung abweicht und mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist.
38Denn sie weicht – entgegen der Ansicht der Beklagten – schon nicht von der gesetzlich vorgesehenen freien Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ab. Der Anwendungsbereich des § 627 BGB ist bereits nicht eröffnet.
39(1) Zum Teil wird vertreten, bei Online-Partnerschaftsvermittlungsverträgen, bei denen die Kunden sich auf einer Online-Plattform registrieren, auf der Kontakt zu potentiellen Partnerinnen und Partnern besteht, würde es sich um Dienste höherer Art handeln (AG Zeitz, Urt. v. 15.02.2024 – 4 C 171/23 –, Rn. 30, juris; noch auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH zur analogen Partnerschaftsvermittlung auch Peters, JuS 2021, 104). Insofern würden die zu erbringenden Dienste überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern. Dies folge daraus, dass der Kunde mangels anderweitiger Information davon ausgehen könne, dass die ihm übermittelten Kontaktvorschläge einem „Matching-Algorithmus“ zugrunde lägen, der von fachkompetenten und vertrauenswürdigen Personen erdacht und programmiert sowie im konkreten Fall auch unter der Aufsicht ebenso fachkundiger und vertrauenswürdiger Personen ablaufe. Gleichermaßen folge ein besonderes Vertrauensverhältnis aus einem besonderen Einblick in die Persönlichkeit des Kunden, den dieser der Klägerin im Rahmen der Erstellung des in Ziffer 3.2 AGB genannten „I.-Persönlichkeitstests“ und der „I.-Persönlichkeitsanalyse“ ermögliche (AG Zeitz, Urteil v. 15.02.2024 – 4 C 171/23 –, Rn. 31, juris).
40(2) Dem steht die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur sowie die neuere Rechtsprechung des BGH entgegen (BGH, Urt. v. 17.06.2021 – III ZR 125/19 –, Rn. 18 ff., NJW-RR 2021, 1141; MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 627 Rn. 2; BeckOK BGB/Kneller, 71. Ed. 1.8.2024, BGB § 656 Rn. 5). Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass der BGH für die Fallgruppe des (analogen) Partnerschaftsvermittlungsvertrags in ständiger Rechtsprechung anerkannt hat, dass eine solche analoge Partnerschaftsvermittlung einen Dienst höherer Art darstellt. Nach dieser Rechtsprechung „liegt es in der Natur der Sache liegt, dass ein Kunde, der um Unterstützung bei der Partnerschaftsvermittlung nachsucht, besonderes Vertrauen zu seinem Auftragsnehmer, auf dessen Seriosität er setzt, haben muss. Es ist notwendig, zumindest aber auch geboten und üblich, dass er seinem Vertragspartner Auskünfte über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gibt. Das Vertragsverhältnis berührt insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden“ (BGH, Urt. v. 08.10.2009 - III ZR 93/09, NJW 2010, 150, beck-online). In einer neueren Entscheidung hat der BGH hingegen entschieden, dass Gründe, die zur entsprechenden Anwendung des § 656 BGB auf einen Partnervermittlungsvertrag geführt haben, für „Online-Partnervermittlung“ (im vom BGH entschiedenen Fall „Parship“) nicht gelten (BGH, Urt. v. 17.06.2021 – III ZR 125/19 –, Rn. 18, NJW-RR 2021, 1141). Insofern bestehe die Leistungspflicht des Online-Anbieters vor allem darin, den Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können. Eine individuelle, persönliche Beratung oder auch eine Gewähr für die Qualität der Vorschläge übernehme der Anbieter nicht, sodass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass durch einen Rechtsstreit über den Vergütungsanspruch des Anbieters in die Intimsphäre der Kunden in einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag sei (BGH, Urt. v. 17.06.2021 – III ZR 125/19 –, Rn. 19, NJW-RR 2021, 1141). Greife die Online-Partnerschaftsvermittlung somit nicht in hinreichender Weise in die Intimsphäre der Kunden ein, die eine Anwendbarkeit von § 656 BGB rechtfertige, sei richtigerweise auch der Anwendungsbereich des § 627 BGB versperrt (MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 627 Rn. 2).
41(3) Die zweite Ansicht überzeugt. Die Gegenansicht verkennt, dass der Kunden eines Online-Partnerschaftsvermittlungsvertrages wie dem der Klägerin gerade nicht erwartet, seine persönlichen Daten würden von einem Mitarbeiter der Klägerin zwecks Partnersuche persönlich ausgewertet und weiterverarbeitet. Nach der Verkehrsanschauung erwarten Kunden – wie der BGH zu Recht erkannt hat - von Online-Partnerschaftsdiensten wie der der Klägerin vielmehr die Zurverfügungstellung einer Plattform, auf der sie im Gegensatz zu den marktführenden, herkömmlichen Social-Media-Plattformen konkret und seriös zwecks potentieller Entwicklung einer Partnerschaft in Kontakt treten können. Insofern kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Erstellung des „Matching-Algorithmus“ der Klägerin überdurchschnittliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordern. Vielmehr handelt es sich bei solchen Algorithmen um solche, die keinen Unterschied zu sonstigen, herkömmlichen Suchalgorithmen aufweisen. Der mangelnden Vertrauensstellung steht auch die Erstellung eines „I.-Persönlichkeitstests“ und die „ausführliche I.-Persönlichkeitsanalyse“ nach Ziff. 3.2 der AGB nicht entgegen. Denn einem Kunden ist – auch er wenn in diesem Rahmen persönliche Informationen über sich und seine Vorstellungen von Beziehung preisgibt – bewusst, dass eine Verarbeitung dieser Daten, wie in Ziff. 3.1 der AGB genannt, automatisiert und ohne Einbeziehung einer konkreten, sich mit diesen Persönlichkeitsdaten im Detail auseinandersetzenden Person auf Seiten der Klägerin als Plattformbetreiberin erfolgt. Dies stellt die Klägerin in Ziffer 6.2 ihrer AGBs auch nochmals unmissverständlich klar, indem sie formuliert, dass sie „ausschließlich die IT-Dienstleistungen bzw. technischen Vorrichtungen zur automatischen Vermittlung von Kontakten zur Verfügung“ stellt.
422.
43Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Denn mit Ablauf der im klägerischen Anspruchsschreiben vom 27.05.2022 gesetzten Frist zum 10.06.2022 ist der Zahlungsanspruch wegen Verzuges ab dem 11.06.2022 zu verzinsen.
44II.
45Die Klägerin hat ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten in Höhe von 95,04 EUR als Verzugsschaden i.S.d. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 4 RDGEG, § 13d Abs. 1 S. 1 RDG, § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2300, 7000, 7002 Anlage 1 RVG.
46Gleiches gilt für die nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB erstattungsfähigen Kosten hinsichtlich der mangels Reaktion der Beklagten zu recht für notwendig erachtete Einwohnermeldeamtsauskunft in Höhe von 13,60 EUR.
47III.
48Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 2, 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
49Der Streitwert wird auf 721,90 EUR festgesetzt.
50Rechtsbehelfsbelehrung:
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