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Der Angeklagte wird wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 100 € kostenpflichtig verurteilt.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 86a Abs. 1, Abs. 2, 130 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2,53 StGB
Gründe:
2I.
3Der X Jahre alte, .... (Textpassage wurde entfernt) Angeklagte besitzt die B. Staatsangehörigkeit. Seine Schulausbildung hat er mit C. abgeschlossen und im Weiteren drei D. erworben. Er ist selbstständig im E. tätig und verfügt insoweit über 3500,- Euro monatlich netto.
4Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits in Erscheinung getreten. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 16.02.2023 enthält die folgenden Eintragungen:
5 Mit Entscheidung des Amtsgerichts Kerpen vom 01.02.2021, Az. 45 Cs 51/21, rechtskräftig seit dem 25.02.2021, ist gegen den Angeklagte wegen Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, Datum der Tat: 13.08.2020, eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,- Euro festgesetzt worden.
6 Am 20.04.2022 ist der Angeklagte durch das Amtsgericht Wiesbaden, Az. 5710 Js 11926/22 98 Cs, rechtskräftig seit dem 21.06.2022, wegen versuchter Körperverletzung, Datum der Tat: 02.10.2021, mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,- Euro belegt worden.
7 Mit Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 08.09.2022, Az. 528 Cs 551/22, rechtskräftig seit dem 06.10.2022 ist gegen den Angeklagten wegen Betruges am 03.06.2020 eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,- Euro verhängt worden.
8II.
9Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt fest:
10Fall 1:
11Der Angeklagte befand sich am Tattag des 09.07.2022 gegen 01:00 Uhr nachts im Inneren seiner Wohnung in der B.-straße N01. Aus dem dortigen, offenen Wohnungsfenster im Obergeschoss brüllte der Angeklagte lautstark und für eine unbestimmte Anzahl an Passanten vernehmbar die Worte "Frankfurt fickt euch alle! Frankfurt fickt euch alle! HEIL HITLER!".
12Dass es sich bei der Parole "Heil Hitler" um eine offizielle Grußformel der ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) handelte, war dem Angeklagte bewusst.
13Fall 2:
14Der Angeklagte befand sich am Tattag des 31.08.2022 gegen 05:00 Uhr morgens auf dem K.-straße in Z. Als der Angeklagte auf Höhe der Hausnummer K.-straße 0 von den Polizeibeamten PK X., PKin M., KA H. sowie PKin A. und PK O. kontrolliert wurde, brüllte er lautstark und für alle in der Nähe anwesenden Personen auf dem K.-straße die folgenden Worte:
15"Alle Kanaken sind Bastarde. Man müsste den Kanaken alle den Hals abschneiden. Die Kanaken sollen sich alle aus meinem Land verpissen. Wir haben die Kanaken früher alle an der Leine geführt. Ich hasse diese Kanaken."
16Zu seinen Gunsten ist davon auszugehen, dass der Angeklagte in beiden Fällen erheblich alkoholisiert und seine Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit vermindert war.
17III.
18Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten und seinem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug.
19Die Feststellungen zu Ziffer II. stehen zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der glaubhaften Einlassung des Angeklagten sowie der sonstigen, ausweislich des Sitzungsprotokolls erhobenen Beweismittel.
20Der Angeklagte hat sich eingelassen, dass er vor circa einem Jahr infolge der Trennung von seiner damaligen Freundin erheblich und regelmäßig Alkohol getrunken und sich mit „falschen Freunden“ umgeben habe. Er sei circa drei Mal pro Woche feiern gegangen und habe dabei sehr viel Alkohol konsumiert. Da er selber über sein Verhalten geschockt gewesen sei, habe er allerdings vor ca. drei Monaten Konsequenzen gezogen und sei aus Z. weggezogen. Am Abend des 31.08.2022 sei er im T. feiern gewesen. Dort sei er beklaut worden. Darüber habe er sich derart geärgert, dass er aggressiv auf dem K.-straße geschrien habe und ihm diese Worte rausgerutscht seien. Er habe allerdings nicht gesagt, dass man denen den Hals abschneiden solle, sondern das seien „Halsabschneider“. Er habe viele ausländische Freunde und sei nicht rassistisch.
21Hinsichtlich des Abends am 09.07.2022 hat sich der Angeklagte eingelassen, dass er sich vorab mit einem Freund gestritten habe. Er sei deswegen sehr gefrustet gewesen sowie erheblich alkoholisiert, als er die Worte aus dem Fenster gerufen habe. Er habe sich in der Zeit grundsätzlich in einer schwierigen Phase befunden.
22Sowohl am 09.07. als auch am 31.08.2022 habe er vorher erheblich Alkohol konsumiert. An beiden Abenden habe er ca. mit 4-5 anderen Personen 2-3 Flaschen Wodka getrunken. Zudem habe er in dieser Phase auch ab und zu „Gras“ genommen.
23Die Angaben des Angeklagten erachtet das Gericht – bis auf seine Angaben zum konkret geäußerten Wortlaut auf dem K.-straße – als glaubhaft.
24Sie werden durch die Angaben der Zeugen PK X. und PK R. bestätigt.
25Der Zeuge X. hat ausgesagt, dass er nur noch über vage Erinnerungen verfüge. Sie seien am 31.08.2022 zu einem Einsatz wegen eines Randalierers gerufen worden. Vor Ort, auf dem K.-straße, habe er gemeinsam mit seinen Kollegen den Angeklagten, den er wiedererkenne, angetroffen. Der Angeklagte habe sich geweigert sich auszuweisen, da er der Auffassung gewesen sei, dass man ihn kennen müsse. Er habe auf den Zeugen überdreht und von sich eingenommen gewirkt. Die Äußerungen, die er sodann getätigt habe, seien sehr öffentlichkeitswirksam erfolgt. Es seien Passanten mit Migrationshintergrund an ihnen vorbei gekommen und in deren Richtung habe er laut geschrien und seine Äußerungen noch mit einer Handgeste in Richtung der Passanten untermauert. An den genauen Wortlaut könne er sich nicht mehr konkret erinnern. Er habe ihn allerdings in der Anzeige, die er unmittelbar im Anschluss gefertigt habe, niedergelegt. Der in der Anzeige festgehaltene Wortlaut der Äußerungen, Bl. 2 d. A., ist im Rahmen der Zeugenaussage verlesen worden. Dort heißt es: „ Alle Kanaken sind Bastarde“, „Man müsste den Kanaken alle den Hals abschneiden“, „die Kanaken sollen sich alle aus meinem Land verpissen“, „wie haben die Kanaken früher alle an der Leine geführt“, „ich hassen diese Kanaken“. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Anzeige niedergelegten Angaben, insbesondere hinsichtlich des Wortlauts der konkreten Äußerungen, hat der Zeuge die Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit übernommen. Die Anzeige sowie die ergänzenden polizeilichen Feststellungen beim Verdacht des Konsums berauschender Mittel, Bl. 4 d. A., tragen seine Unterschrift. Der Zeuge habe den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte unter dem Einfluss von Kokain gestanden habe. Sein ganzes Verhalten habe dafür gesprochen. Er sei nicht getorkelt und sei „gut drauf“ gewesen, habe sich nur völlig überschätzt. Seiner Auffassung nach sei er allerdings steuerungsfähig und "Herr seiner Sinne" gewesen. Er könne nicht ausschließen, dass der Angeklagte Alkohol konsumiert habe, sein Verhalten sei davon seiner Einschätzung nach jedoch nicht geprägt gewesen. Allerdings sei eine normale Gesprächsführung, insbesondere eine Belehrung, angesichts des Verhaltens des Angeklagten nicht möglich gewesen. Er habe die Beamten andauernd unterbrochen. Sein Auftreten sei von Selbstüberschätzung geprägt gewesen. Er sei der Auffassung gewesen, dass man ihn kennen müsse und habe geäußert, dass seine Familie millionenschwer sei. Gegenüber den Polizeibeamten sei er nicht negativ gegenüber eingestellt gewesen, auch nicht gegenüber dem Kollegen H..
26Die Aussage des Zeugen X. erachtet das Gericht als glaubhaft. Sie war widerspruchsfrei, nachvollziehbar und frei von überschießenden Belastungstendenzen.
27Aufgrund der Aussage des Zeugen X., in Verbindung mit der verlesenen Anzeige, Bl. 2 d. A., ist das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte konkret die Äußerungen, wie unter Ziffer II. festgehalten, getätigt hat.
28Hinsichtlich der Tat am 09.07.2022 hat der Zeuge R. ausgesagt, dass er an dem Abend Nachtdienst auf der B.-straße inZ. geleistet habe. Es sei sehr ruhig gewesen. Plötzlich habe aus dem Fenster der B.-straße N01 ein Mann mit geöffnetem Hemd lautstark und öffentlichkeitswirksam aus dem Fenster gebrüllt. Die Menschen in der Außengastronomie hätten dies deutlich wahrgenommen. Er habe genau gesehen, aus welchem Fenster der Mann gebrüllt habe. Es sei das linke Fenster im ersten OG gewesen. Der Mann habe da mit freiem Oberkörper gestanden und eine Bierflasche in der Hand gehalten. Er habe extrovertiert und proletenhaft auf den Zeugen gewirkt. Ob der Mann unter dem Einfluss von Alkohol gestanden habe, könne der Zeuge nicht einschätzen. Eine Frau aus der Außengastronomie habe die Polizei daraufhin auch angesprochen. Die geäußerten Worte habe er in der Anzeige festgehalten. Diese sind im Rahmen der Zeugenaussage verlesen worden, Bl. 3 d. Fallakte, nämlich: „Frankfurt fickt euch alle! Frankfurt fickt euch alle! Heil Hitler“. Die Anzeige habe der Zeuge gefertigt und er übernehme die Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin getroffenen Angaben. Am Fenster habe er nur eine Person wahrgenommen, er könne aber nicht ausschließen, dass sich mehrere Personen in der Wohnung befunden hätten. Als sie an der Wohnung geklingelt hätten, habe er Musik aus der Wohnung vernommen. Diese sei leiser gedreht worden, die Wohnungstür sei allerdings nicht geöffnet worden.
29Auch die Aussage des Zeugen R. erachtet das Gericht als glaubhaft. Seine Angaben waren in sich stimmig, plausibel und frei von offenkundigen Belastungstendenzen.
30Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Diese hat der Angeklagte glaubhaft in beiden Fällen eingeräumt. Hinsichtlich der konkret erfolgten Äußerungen an den beiden Abenden stützt das Gericht seine Überzeugung auf die glaubhaften Angaben der Zeugen X. und R. in Verbindung mit den verlesenen Anzeigen, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit die vorgenannten Zeugen eingetreten sind.
31IV.
32Der Angeklagte hat sich danach wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (Fall1: Tat vom 09.07.2022) gemäß § 86a Abs. 1, Abs. 2 StGB und wegen Volksverhetzung (Fall 2: Tat vom 31.08.2022) gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB schuldig gemacht.
33V.
34Der gesetzliche Strafrahmen des § 86a StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor und der Strafrahmen des § 130 StGB Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu fünf Jahren.
35Zugunsten des Angeklagten ist das Gericht davon ausgegangen, dass aufgrund der nicht widerlegbaren Einlassung des Angeklagten zu seinem Alkoholkonsum – zumindest in Fall 1 – sowie aufgrund der beschriebenen Ausfallerscheinungen bzgl. Fall 2 durch den Zeugen X., die nach Auffassung des Zeugen X. drogenbedingt gewesen sein könnten, jedenfalls dazu geführt haben, dass eine geordnete Gesprächsführung mit dem Angeklagten nicht möglich gewesen ist - seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war und dass die Voraussetzungen des § 21 StGB vorlagen. Das Gericht hat deshalb von der Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, was ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe gemäß § 86a StGB zu einem Strafrahmen von bis zu 2 Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe und hinsichtlich des Strafrahmens wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 130 Abs. 1 StGB) im Mindestmaß 1 Monat Freiheitsstrafe und im Höchstmaß bis zu drei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe führt.
36Auf Grundlage dieses Strafrahmens hat sich das Gericht bei der Findung einer tat- und schuldangemessenen Strafe an § 46 StGB ausgerichtet und bei der konkreten Strafzumessung von folgenden Erwägungen leiten lassen:
37Zugunsten des Angeklagten ist berücksichtigt worden, dass der Angeklagte sich geständig gezeigt und damit Verantwortung für sein Handeln, welches er glaubhaft bereut, übernommen hat sowie sich im Rahmen der Hauptverhandlung für seine Taten entschuldigt hat. Auch der Umstand, dass er bereits Konsequenzen in seinem Leben durch einen vorgenommenen Wohnortwechsel gezogen hat, um seinen Lebensstil, insbesondere seinen Umgang mit Alkohol zu ändern, ist positiv berücksichtigt worden. Zudem ist der Angeklagte noch nicht einschlägig in Erscheinung getreten. Berücksichtigung fand weiter, dass der Angeklagte aufgrund seiner medialen Präsenz auch berufliche Konsequenzen befürchten muss.
38Zulasten des Angeklagten wurde gewertet, dass er strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten ist. Auch die Rückfallgeschwindigkeit zwischen den beiden Taten fiel erschwerend ins Gewicht.
39Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat das Gericht für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen eine
40Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100,- Euro
41und für die Volksverhetzung eine
42Freiheitsstrafe von 4 Monaten
43festgesetzt, die es zur tat- und schuldangemessenen Bestrafung sowie um dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen, für erforderlich, aber auch für ausreichend erachtet.
44Gemäß § 47 Abs. 2 hat das Gericht die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt, da die Verhängung einer Freiheitsstrafe vorliegend nicht unerlässlich war. Dabei wurde insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte noch nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist und zu seinen Gunsten von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen wird. Zudem hat der Angeklagte sein Verhalten glaubhaft bereut und sich entschuldigt, sodass er nicht der Einwirkung mit einer Freiheitsstrafe bedarf. Gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 StGB ist diese in eine
45Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100,- Euro umgewandelt worden.
46Diese vorstehend verhängten Einzelstrafen waren unter angemessener Erhöhung der höchsten Einzelstrafe und ohne die Summe aller Einzelstrafen zu erreichen gemäß §§ 53, 54 StGB auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
47Innerhalb des sich so eröffnenden Gesamtstrafenbereichs hat das Gericht sodann nochmals sämtliche bereits oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte gegeneinander abgewogen, außerdem den zeitlichen sowie situativen Zusammenhang der Taten und zudem die Folgen bedacht, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft ausgehen werden.
48Danach hielt das Gericht eine
49Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 100,- Euro
50für tat- und schuldangemessen, um dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Angeklagten insgesamt gerecht zu werden.
51VI.
52Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO