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1.
Die am 00.00.0000 im "B." vor dem Guru Granth in H., L. geschlossene und am 00.00.0000 im "Hindu Marriage Register" in A. unter der Heiratsregisternummer N01 eingetragene Ehe der Beteiligten wird geschieden.
2.
Der Versorgungsausgleich findet nicht statt.
3.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
2I.
3Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin hat die Y. Staatsangehörigkeit. Der am 00.00.0000 in U. geborene Antragsgegner hat seit 1988 die S. Staatsangehörigkeit. Die Beteiligten gehören der Glaubensgemeinschaft der Sikhs an.
4Am 00.00.0000 fand im „B.“ (Tempel) vor dem Guru Granth eine religiöse Hochzeitszeremonie nach Sikh-Ritus statt. Der Antragsgegner stellte im Anschluss daran einen Antrag auf Familienzusammenführung bzw. Ausreise der Antragstellerin in die Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis darauf, dass die Beteiligten am 00.00.0000 geheiratet haben.
5Nach erfolgter Ausreise der Antragstellerin Anfang des Jahres 2008 lebten die Beteiligten bis zu ihrer Trennung im Dezember 2019/Januar 2020 in der noch heute von der Antragstellerin bewohnten Wohnung. Aus ihrer Beziehung sind zwei in Köln geborene Kinder hervorgegangen, D., geboren am 00.00.0000, und K., geboren am 00.00.0000.
6Die Antragstellerin beantragt vorliegend, die am 00.00.0000 geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden, hilfsweise festzustellen, dass die am 00.00.0000 geschlossene Ehe der Beteiligten nicht besteht. Hierzu trägt sie (unbestritten) vor, die Hochzeitszeremonie habe dergestalt stattgefunden, dass man sich im „B.“ (Tempel) vor dem Guru Granth versammelt habe. Der Brautvater habe das Ende eines Schals jeweils in eine Hand der Brautleute gegeben. Der Granthi habe daraufhin vier Stanzen (Gedichte) aus dem Guru Granth Sahib gesungen, während das Brautpaar vier Mal den Guru Granth Sahib umrundet habe. Über diese Heirat verhielten sich auch die mit Schriftsatz vom 27.03.2021 in Kopie eingereichten Lichtbilder. Im Anschluss daran hätten die Beteiligten ihre Ehe im Hindu Marriage Register in A. unter der Heiratsregisternummer N01 registrieren lassen. Die Registrierung der Ehe sei am 00.00.0000 beantragt und durchgeführt worden. Das Ausländeramt Köln habe bei der Einreise die Zustimmung zur Familienzusammenführung erteilt, nachdem die S. Botschaft die Ehe geprüft und eine entsprechende Stellungnahme abgegeben habe. Ausweislich des vorgelegten Schreibens vom 26.11.2007 (Blatt 124 d.A.) habe die Deutsche Botschaft festgestellt, dass die Heiratsurkunde formell echt und inhaltlich richtig sei. Ferner habe sie festgestellt, dass eine rechtsgültige Eheschließung vorliege.
7Die Antragstellerin beantragt,
8die am 00.00.0000 in „B.“ vor dem Guru Granth in H., L. geschlossene und am 00.00.0000 im „Hindu Marriage Register“ in A. unter der Heiratsregisternummer N01 eingetragene Ehe der Beteiligten wird geschieden,
9hilfsweise,
10festzustellen, dass die zwischen den Beteiligten am 00.00.0000 geschlossene unter der Heiratsregisternummer N01 vor dem Standesamt in A., Indien, eingetragene Ehe der Beteiligten nicht besteht.
11Der Antragsgegner beantragt,
12den Hauptantrag zurückzuweisen.
13Der Antragsgegner ist der Ansicht, zwischen den Beteiligten sei keine wirksame Ehe geschlossen worden. Da der Antragsgegner im Gegensatz zur Antragstellerin nie Y., sondern U. Staatsangehöriger gewesen sei und seit 1988 S. Staatsangehöriger sei, hätte eine Eheschließung der Beteiligten im Jahr 2007 nur nach „Special Marriage Act“ in einem Zivilstandesamt erfolgen müssen, was erkennbar nicht geschehen sei. Auch sei die Zuständigkeit des Amtes in A. für eine angebliche Eheschließung der Beteiligten gar nicht gegeben, da keiner der Brautleute im Bezirk der Stadt A. lebte/wohnte, erst recht nicht für 30 Tage. Vielmehr habe seinerzeit vor der Tempel-Zerermonie zunächst der Antragsgegner allein und nach der Tempel-Zeremonie beide Beteiligten bei einem Bekannten des Antragsgegners in R. gewohnt, für deren Bezirk das Amt Z. zuständig gewesen wäre. Die Antragstellerin habe vor der Tempel-Zeremonie im Ort N., Bezirk F. Stadt W., gewohnt. Für sie wäre demnach als Heiratsort W. zuständig gewesen. Dass die Registrierung der angeblichen Eheschließung der Beteiligten trotzdem in A. erfolgte, beruhte offenbar auf diesbezüglichen Beziehungen des Bruders der Antragstellerin, der seinerzeit die „Formalien“ äußerst intensiv und engagiert „betrieben“ habe. Die für Eheschließungen nach dem „Special Marriage Act“ erforderlichen Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Die angebliche Eheschließung der Beteiligten sei auch nicht durch die Deutsche Botschaft geprüft worden. Tatsächlich habe die Antragstellerin damals nur ein Einreise-Visum durch die Deutsche Botschaft erhalten. Die Antragstellerin habe sich den Aufenthalt in Deutschland durch falsche Angaben und Vorlage nicht echter bzw. gefälschter Urkunden bei den zuständigen Behörden erschlichen. Im Zuge der Trennung habe er erfahren, dass die Heiratsurkunde nicht den Vorgaben entspreche, so dass die Heirat nicht vollzogen worden sei. Die Tempel-Heirat sei nach deutschem Recht nicht anerkannt.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
15II.
16Der Antrag der Antragstellerin auf Scheidung der Ehe der Beteiligten ist begründet.
17Die Scheidung der Ehe setzt die von Amts wegen zu prüfende Tatsache voraus, dass die Beteiligten miteinander die Ehe geschlossen haben. Hierbei handelt es sich um eine Vorfrage, die nicht nach dem Ehescheidungsstatut, sondern nach dem Eheschließungsstatut aus Art. 13 EGBGB in Verbindung mit dem Formstatut nach Art. 11 EGBGB zu beantworten ist.
18Die Beteiligten haben nach den getroffenen Feststellungen unstreitig am 00.00.0000 eine religiöse Heirat im Tempel nach Sikh-Ritus, d.h. nach religiösem Ritual geschlossen. Darüber verhält sich auch die von dem Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27.02.2023 in Kopie vorgelegte Tempel-Heiratsbescheinigung (Blatt 166 der Gerichtsakten).
19Die Ehe der Beteiligten ist aus Sicht des deutschen Rechts wirksam, wenn sie formwirksam geschlossen wurde und bei beiden Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung die materiellen Voraussetzungen für die Eheschließung vorlagen.
20Für die Frage der Formgültigkeit einer Ehe wird das anwendbare Recht für eine Heirat im Ausland durch Art. 11 EGBGB bestimmt. Art. 11 Abs. 1 EGBGB beruft für Auslandseheschließungen alternativ die Formvorschriften des Eheschließungsortes („Ortsform“) oder das Recht, das den Gegenstand des Rechtsverhältnisses bildet („Geschäftsrecht“). Welches Recht für das Geschäftsrecht (sog. Wirkungsstatut) im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB inhaltlich maßgeblich ist, beurteilt sich nach den für das Rechtsgeschäft geltenden Anknüpfungsregeln, bei der Eheschließung also nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Dabei sind die maßgeblichen materiellen Eheschließungsinstitute der Beteiligten kumulativ heranzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1078 ff.; OLG Hamm, StAZ 1991, 315). Der Ort der Eheschließung liegt in dem Staat, in welchem die zur ehelichen Bindung führenden Erklärungen zusammentreffen (BGH NJW 1959, 717; Münchener Kommentar zum BGB, Art. 13 Rdn. 131).
21Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergibt sich vorliegend, dass die Ehe der Beteiligten formwirksam geschlossen wurde.
22Wenn einer oder beide Beteiligte S. Staatsangehörige sind und in Indien heiraten möchten, können sie dies entweder gemäß den folgenden religiösen Gesetzen tun: Hindu Marriage Act (wenn beide Hindus sind); Gesetz über die christliche Ehe (wenn mindestens einer der Ehegatten Christ ist); Muslimische Tradition (wenn beide Muslime sind); oder sie können in einer standesamtlichen Zeremonie vor dem örtlichen Standesamt/Standesbeamten gemäß dem Special Marriage Act heiraten.
23Die Beteiligten haben nach den getroffenen Feststellungen am 00.00.0000 im Tempel nach Sikh-Ritus, d.h. religiösem Ritual, eine Ehe geschlossen, auf die das Hindu-Ehegesetz Nr. 25 vom 18.05.1955 (Hindu Marriage Act -HMA) Anwendung findet. Dieses Gesetz findet u.a. Anwendung auf jede Person mit Zugehörigkeit zur Sikh-Religion (siehe auch Dr. Heinrich Schütt, Indisches Familienrecht und S. Praxis, FamRZ 1999, 1330 ff.; Nelle in Bergmann/Ferid/Heinrichs, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Indien, Stand 01.10.2022). Bei den Beteiligten handelt es sich um Sikhs. Die Hochzeitszeremonie fand dergestalt statt, dass man sich im „B.“ (Tempel) vor dem Guru Granith versammelte und nach der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.11.2021 näher beschriebenen Zeremonie heiratete. Darüber verhalten sich auch die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.03.2021 in Kopie vorgelegten Lichtbilder der Beteiligten sowie die mit Schriftsatz vom 27.02.2023 von dem Antragsgegner vorgelegte Tempel-Heiratsbescheinigung. Letztere weist eine sog. „Anand karaj-Zeremonie“ aus, bei welcher es sich um eine religiöse Heiratszeremonie nach den Riten der Sikhs handelt.
24Zur Erleichterung des Nachweises von Eheschließungen nach dem Hindu Marriage Act kann die Eintragung im Hindu Marriage Register vorgenommen werden. Nach Sec. 8 Abs. 5 des Hindu Marriage Act wird die Gültigkeit einer Hindu-Ehe durch die Unterlassung einer solchen Eintragung jedoch in keiner Weise berührt. Aus der vorgenannten Regelung wird deutlich, dass Eheschließung und Registrierung voneinander zu unterscheiden sind. Im Hindu-Marriage-Register wird lediglich eine bereits zuvor anderweitig erfolgte Eheschließung registriert. Bei der von der Antragstellerin mit Antragsschrift vom 18.01.2021 als Anlage 1 in Kopie vorgelegten Urkunde vom 00.00.0000 handelt es sich nicht um die Heiratsurkunde, sondern um einen Auszug aus dem Hindu-Marriage Register. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Echtheit dieser Urkunde kommt es jedoch nicht an, da die Registrierung der am 00.00.0000 nach religiösem Ritual geschlossenen Ehe keine Gültigkeitsvoraussetzung ist.
25Sofern der Antragsgegner vorträgt, eine Ehe habe zwischen den Beteiligten aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit nur nach dem Special Marriage Act geschlossen werden können, ist dies unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen unrichtig, da die Anwendung des Hindu-Marriage Act 1955 ausschließlich an die Hindu-Zugehörigkeit bzw. Sikh-Zugehörigkeit anknüpft. Eine Eheschließung nach dem Special Marriage Act hätte zudem einer Eintragung im sogenannten Marriage Certificate Book bedurft. Auch die von der Antragstellerin vorgelegte Urkunde lässt jedoch -ungeachtet der von dem Antragsgegner vorgetragenen Wirksamkeitsbedenken- auf eine Eheschließung nach dem Hindu-Marriage Act schließen. Diese Urkunde haben die Beteiligten der Deutschen Botschaft bei dem Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzuges vorgelegt, welche unter Hinweis auf den vorliegenden Ermittlungsbericht von einer formell echten und inhaltlich richtigen Urkunde und einer rechtsgültigen Eheschließung nach den Riten der Sikhs ausging (Blatt 129 der Gerichtsakten). In diesem Zusammenhang wird allerdings nochmals darauf hingewiesen, dass die rechtsgültige Registrierung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eheschließung ist, sondern lediglich deklaratorischen Charakter hat und lediglich der Erleichterung des Nachweises der Eheschließung dient.
26Darüber hinaus muss sowohl die Braut als auch der Bräutigam alle gesetzlichen Anforderungen für die Ehe nach dem Recht ihres Heimatstaates erfüllen (z. B. müssen sie ledig sein, ein Mindestalter überschritten haben und nicht zu eng miteinander verwandt sein). Am Vorliegen dieser Voraussetzungen sind vorliegend keine Bedenken erhoben worden noch bestehen dafür sonst Anhaltspunkte.
27Die Voraussetzungen der Ehescheidung richtet sich nach deutschem Recht. Es ist deutsches Recht anzuwenden, weil gem. Art. 8 der EU-VO Nr. 1259/2010 (ROM III) das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und keine abweichende Rechtswahl getroffen wurde.
28Die Ehe der Ehegatten ist zu scheiden, weil sie gescheitert ist (§§ 1564, 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB).
29Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der glaubhaften Erklärungen der Ehegatten in der mündlichen Verhandlung fest. Danach leben spätestens seit Januar 2020 getrennt.
30Da die Ehegatten seit mehr als drei Jahren getrennt leben, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.
31Versorgungsausgleich
32Der Versorgungsausgleich findet nicht statt, weil die Ehegatten diesen durch Vereinbarung im Termin ausgeschlossen haben, §§ 6, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 VersAusglG.
33Kostenentscheidung
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 150 FamFG.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerde kann sowohl gegen den Beschluss insgesamt, als auch gegen den Scheidungsausspruch oder jede Entscheidung in einzelnen Folgesachen eingelegt werden. Wird jedoch eine Folgesache vermögensrechtlicher Art isoliert angefochten, ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt; dieser Wert gilt nicht für die Entscheidung zum Versorgungsausgleich.
37Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
38Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Köln eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
39Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
40Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln - eingegangen sein.