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Auf die Begründung von Ansprüchen gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Gegenleistung finden die für den Verzicht auf Ansprüche bzw. die für die Entlastung von Verwaltung- und Verwaltungsbeirat geltenden Grundsätze entsprechende Anwendung.
Eine nachträgliche Erhöhung der Verwaltervergütung im laufenden Vertragsverhältnis entspricht deshalb nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn für sie ausnahmsweise aus besonderen Gründen Anlass besteht.
Der auf der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 27.07.2022 zu TOP 08 gefasste Beschluss wird für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und Sondereigentümer von zwei Wohnungen und einem Tiefgaragenstellplatz. Insgesamt verfügt er über 114/10.000 Miteigentumsanteile an der Beklagten.
3Die Verwalterin der Beklagten wurde mit Beschluss vom 02.12.2021 zum 01.01.2022 bis zum 31.12.2023 bestellt. Der Verwaltervertrag (Anl. B1, Bl. 57 ff. GA), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat eine entsprechende Laufzeit. Die Verwalterin der Beklagten verwendete insoweit Vertragsmuster, das zwei Preisspalten vorsieht, wodurch festgelegt werden kann, ob eine Verwalterleistung von der Grundvergütung erfasst, oder aber besonders zu vergüten sein soll. Für Gebäude-Versicherungsschäden wurde ohne Einschränkung vereinbart, dass deren Bearbeitung von der Festvergütung umfasst sein soll.
4Bis zur Eigentümerversammlung am 27.07.2022 traten im Jahr 2022 insgesamt 20 Versicherungsschäden auf. Zudem gibt es Versicherungsfälle aus den Vorjahren, die von der Vorverwaltung noch nicht abgewickelt wurden. Die Bearbeitung führte bei der Verwalterin der Beklagten zu einem ganz erheblichen Aufwand (wegen der diesbezüglichen Einzelheiten: S. 3 der Klageerwiderung, Bl. 52 GA); die Verwaltung des Objekts ist für sie zurzeit nicht rentabel. Weder diese Schäden noch die Schadensneigung des Gebäudes war dem Verwaltungsbeirat bei den Vertragsverhandlungen mit der Verwalterin bekannt; diese wurde hierüber entsprechend auch nicht informiert. Wäre den Vertragsparteien die Situation vor Vertragsschluss bekannt gewesen, wäre von Beginn an die Regelung, die in der Eigentümerversammlung vom 27.07.2022 beschlossen wurde (siehe dazu sogleich), vereinbart worden.
5In der Einladung zur Eigentümerversammlung wurde folgender Tagesordnungspunkt 8 angekündigt:
6Sondergebühr für die Bearbeitung von Versicherungsfällen
7Die sehr hohe Anzahl an laufenden und aus der Zeit der Vorverwaltung noch offenstehenden Schadensabwicklungen in der Liegenschaft, waren im Vorfeld nicht bekannt. Dies sind derzeit bereits rund 20 Fälle. Diese waren nicht Grundlage der Kalkulation der vereinbarten Verwaltergebühr. Da seitens der Vorverwaltung außerdem bestehenden Versicherungsvertrag keine Zahlung von Regiekosten vereinbart wurde, soll zum Ausgleich des anfallenden Mehraufwandes der Verwaltung nachträglich die Zahlung einer Pauschale je Schadensfall beschlossen werden.
8In der Eigentümerversammlung wurde zum Tagesordnungspunkt 8 wie folgt beschlossen:
9Ergänzend zum geschlossenen Verwaltervertrag, wird für die Bearbeitung von Versicherungsschäden eine an die Verwaltung zu leistende Sondergebühr in Höhe von 300,00 EUR zzgl. MwSt. je Versicherungsschaden beschlossen. Jedoch sollen pro Jahr der Verwaltungstätigkeit sechs Versicherungsschäden bereits mit der lfd. Verwaltergebühr abgegolten sein. Die Veränderung wird rückwirkend für alle entsprechenden Fälle ab dem 01.01.2022 und für zeitlich davor liegende Fälle vereinbart, die durch die Verwaltung noch zu bearbeiten sind bzw. bereits bearbeitet wurden.
10Der Kläger meint, der angefochtene Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Es sei in einem so großen Objekt wie dem der Beklagten wahrscheinlich, dass eine große Anzahl von Versicherungsschäden auftrete. Es gehe zulasten der Verwalterin, wenn diese sich verkalkuliere. Insbesondere sei es denkbar, dass sie gerade deshalb gegenüber anderen Verwaltern bevorzugt worden sei, weil si aufgrund ihrer mangelhaften Kalkulation günstiger gewesen sei. Eine Erhöhung der Verwaltervergütung während der Laufzeit des Verwaltervertrags ohne Notwendigkeit entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Vergütung könne bei einer Vertragsverlängerung neu geregelt werden.
11Überdies sei der Tagesordnungspunkt nicht ordnungsgemäß angekündigt worden; aus der Einladung gehe nicht hinreichend hervor, dass die Vergütung auch rückwirkend gezahlt werden solle.
12Der Kläger beantragt,
13den auf der Eigentümerversammlung vom 27.07.2022 der Wohnungseigentümergemeinschaft ABC 3 zu TOP 08 gefassten Mehrheitsbeschluss für ungültig zu erklären.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte meint, der Beschluss sei nicht zu beanstanden, weil den Wohnungseigentümern ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen sei.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist begründet.
20A.
21Der angefochtene Beschluss ist für unwirksam zu erklären, weil er ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, auf die nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG jeder Eigentümer Anspruch hat und die nach § 19 Abs. 1 WEG auch bei der Regelung der Verwaltung durch Beschluss zu beachten ist.
22I.
23Ein Beschluss hält sich im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2018 – V ZR 273/17 –, Rn. 16, juris m.w.N zur alteren Rspr. ). Besondere Bedeutung kommt dabei die Nützlichkeit für die Gemeinschaft zu (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Dezember 2002 – 2Z BR 89/02 –, juris).
241.
25Diese abstrakten Anforderungen hat die Rechtsprechung im Falle der Entlastung von Verwaltung und Verwaltungsbeirat durch Beschluss dahingehend konkretisiert, dass eine Entlastung, durch die auf Ansprüche der Gemeinschaft verzichtet wird, ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, wenn nicht ausnahmsweise aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die Ansprüche zu verzichten (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 – V ZB 11/03 –, BGHZ 156, 19-30, Rn. 23). Dementsprechend wird die Nichtverfolgung bestehender Ansprüche der Gemeinschaft als grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechend angesehen (LG Itzehoe, Urteil vom 5. August 2014 – 11 S 45/13 –, Rn. 7, juris).
262.
27Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Gerichts spiegelbildlich auch dann anzuwenden, wenn es um die Begründung Ansprüche Dritter gegen die Gemeinschaft geht, da in beiden Konstellationen – sowohl für den freiwilligen Verzicht auf eigene Ansprüche als auch für die freiwillige Begründung von Ansprüchen Dritter – finanzielle Einbußen für die Gemeinschaft eintreten, ohne dass diese zwingend wären oder der Gemeinschaft dafür Vermögenswerte zuflössen.
28II.
29Bei Anwendung dieser Grundsätze entspricht der vorliegende Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Beklagte hat keine besonderen Gründe vorgetragen, die ausnahmsweise eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung ihrer Verwalterin rechtfertigen würden.
301.
31Dass diese auf Grundlage der beim Verwaltungsbeirat vorhandenen – unvollständigen bzw. unzutreffenden – Informationen zu den Versicherungsschäden ihr Angebot ungünstig kalkuliert hat, genügt insoweit nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht. Es gehört zum Geschäftsleben – die Verwalterin der Beklagten ist eine Handelsgesellschaft –, gute und schlechte Geschäfte zu machen. Dass die Verwaltung der Beklagten für die Verwalterin jedenfalls im Jahr 2022 und ggfs. auch im Jahr 2023 ein Verlustgeschäft sein mag, liegt dabei in ihrem unternehmerischen Risiko; ebenso wird sie andere Verwaltungen innehaben, bei denen der Aufwand geringer ist als kalkuliert worden war. Dies mag sich nach einer etwaigen Neubestellung und Vertragsverlängerung auch wieder ändern. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass es der Verwalterin der Beklagten möglich gewesen wäre, sich gegen das vorhandene Kalkulationsrisiko abzusichern, indem sie die nunmehr beschlossene Regelung bereits in den Vertrag aufgenommen hätte, was sich bei dem verwendeten Muster auch leicht und transparent hätte bewerkstelligen lassen.
322.
33Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Verwalterin ohne die erhöhte Vergütung die Verwaltung niedergelegt – und sich dann unter Umständen schadensersatzpflichtig gemacht – hätte, oder aber zu einer Fortsetzung der Verwaltung nach Ablauf des derzeitigen Bestellungszeitraums nicht bereit wäre. Insoweit kann dahinstehen, ob dies ausreichende Gründe für eine abweichende Beurteilung gewesen wären.
343.
35Im Ergebnis entspricht die hier vertretene Auffassung auch der teilweise vom Kläger angeführten älteren obergerichtlichen Rechtsprechung, die freilich strenger ist als das Gericht und statt guter Gründe für eine Vergütungserhöhung eine Gegenleistung des Verwalters fordert (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Februar 2004 – 2Z BR 219/03 –, Rn. 30, juris; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. März 2005 – 20 W 153/03 –, Rn. 44, juris).
36B.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a ZPO.
38C.
39Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.
40D.
41Soweit die Beklagte die Zulassung der Berufung begehrt hat, besteht für eine derartige Entscheidung kein Anlass, weil die Berufungsbeschwer des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht ist.
42Der Streitwert wird auf bis 1.000,00 EUR festgesetzt.
43Zur Begründung ist anzuführen, dass nicht nur die bereits bekannten Schäden aus dem Jahr 2022 maßgeblich sind, sondern zu berücksichtigen ist, dass der Verwaltervertrag noch bis Ende 2023 läuft.
44R e c h t s b e h e l f s b e l e h r u n g :
45A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
461. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
472. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
48Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
49Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
50Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen eingereicht werden. Die Einreichung muss daher nach § 130d ZPO elektronisch unter Wahrung der insoweit geltenden Anforderungen erfolgen.
51Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
52B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Erfolgt die Einlegung durch einen Rechtsanwalt, hat sie nach § 130d ZPO elektronisch zu erfolgen. Im Übrigen kann sie elektronisch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erfolgen. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden.
53Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.