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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.434,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 38% und die Beklagte zu 62%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Für die Vollstreckung des Klägers gilt: Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Für die Vollstreckung der Beklagten gilt: Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche aus der Verwendung von 10 Fotografien des Klägers durch die Beklagte auf 1.000 sogenannten „Portocard individuell“ mit je 10 selbstklebenden Briefmarken.
3Die Beklagte ist in der Postzustellung tätig und verkauft dafür auch Postwertzeichen in Form von Briefmarken.
4Der Kläger ist hauptberuflich Mitarbeiter der S.. Zum 01.06.2014 meldete er daneben ein Gewerbe als Fotograf an und erzielt damit Umsätze von ca. 15.000 bis 20.000 € pro Jahr. Der Kläger hat sich unter anderem darauf spezialisiert, auf unterschiedlichen Betriebsgeländen Fotografien „zur blauen Stunde“ anzufertigen. Das bezeichnet die besondere Lichtatmosphäre, die kurz vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang herrscht.
5Der Kläger trat im Jahr 2014 an die Beklagte heran und bat darum, auf einem ihrer Betriebsgelände in Q. Fotografien anfertigen zu dürfen. Zuständig bei der Beklagten war die Zeugin W.. Im Gegenzug bot der Kläger an, dass die Beklagte die Fotografien für interne Zwecke nutzen dürfe. Es kam zur Einigung.
6Ungefähr Ende 2014 überreichte der Kläger der Beklagten eine CD mit den von ihm gefertigten Fotografien in Dateiform. Auf jeder der Fotografien war der folgende Text aufgebracht (vgl. exemplarisch die Anlage zum Terminsprotokoll, Bl. 400.A):
7© www.G..de
8Im Juli 2015 beauftragte die Zeugin W. konzernintern den Druck von 1.000 „Portocard individuell“ auf denen jeweils 10 Motive des Klägers als selbstklebende Briefmarken aufgebracht sind (vgl. Anlage B 2, Bl. 63). Es gab dazu noch weitere Korrespondenz zwischen ihr und der für den Druck zuständigen Abteilung, insbesondere bezüglich des aufzubringenden ©-Vermerks (vgl. Anlagen B11 bis B16, Bl. 137 bis 172). Letztlich wurde jeweils der ©-Vermerk mit dem vom Kläger stammenden Text aus Ende 2014 (vgl. oben) aufgebracht. Zur genauen Ausgestaltung des Drucks wird auf die Anlage B1 und B20 (Bl. 61 und 373) sowie die Inaugenscheinnahme im Termin (Bl. 381) verwiesen.
9Im Januar 2017 fragte die Zeugin W. beim Kläger per E-Mail an, ob die Beklagte die Fotografien auf einer „Internetseite mit dem geschlossenen Benutzerkreis unserer Beschäftigten“ nutzen dürfe. Sie verwies dabei auf die Einigung hinsichtlich der Anfertigung der Fotografien auf dem Betriebsgelände wie folgt (vgl. Anlagen K1 und K17, Bl. 31 und 134):
10Das Bildmaterial haben Sie uns für die interne Nutzung zur Verfügung gestellt.
11Der Kläger willigte in die Nutzung ein und teilte mit, dass sein Name als Urheber der Fotos dabei wie folgt zu nennen sei (a.a.O.):
12Y. P. M. – G..de
13Im August 2018 erkundigte sich der Kläger bei der Zeugin W. per E-Mail, ob seine Fotografien von der Beklagten auf Briefmarken gedruckt worden seien. Er habe davon durch die Anfrage eines Briefmarkensammlers erfahren, der eine Briefmarke mit einer Fotografie des Klägers gesehen habe (Anlage B4, Bl. 66). Die Zeugin W. bestätigte dies und erteilte weitere Informationen dazu. Sie übersandte ihm auch das letzte Exemplar der streitgegenständlichen Portocard, welches ihr noch vorlag.
14Der Kläger verlangte daraufhin per E-Mail aus August 2018 eine Nachlizensierung und drohte mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts (a.a.O.). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 27.08.2018 ab (Anlage B6, Bl. 69). Es folgte von Seiten des Klägers eine anwaltliche Abmahnung (Anlage K 2, Bl. 34), die von der Beklagten anwaltlich zurückgewiesen wurde. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2018 (Anlage K4, Bl. 38) verlangte der Kläger schließlich einen lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe von 69.000,00 € und zudem die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren auf Basis eines Gegenstandswertes von 149.000,00 € in Höhe von 2.305,40 € (= 1,3-Gebühr nach dem RVG nebst Auslagenpauschale ohne Umsatzsteuer). Der Beklagten wurde eine Zahlungsfrist bis zum 21.12.2018 gesetzt, die fruchtlos verstrich.
15Der Kläger behauptet, Inhaber der streitgegenständlichen Rechte an den Fotografien zu sein. Er ist der Ansicht, dass ein lizenzanaloger Schadensersatz für die streitgegenständliche Verwendung auf Basis der MFM-Empfehlung für die Kategorie Briefmarken in Ländern mit bis zu 100 Millionen Einwohnern zu berechnen sei, die unstreitig 2.300,00 € beträgt. Zudem sei ein Aufschlag von 100% vorzunehmen, da die Urheberbezeichnung fehlerhaft sei. Ein weiterer Aufschlag von 100% resultiere aus einem „Zuschlag Nachlizenz“, den er nicht weiter erläutert. In Summe belaufe sich pro genutzter Fotografie der geschuldete Betrag auf 6.900,00 €. Für den Gegenstandswert der Rechtsanwaltskosten seien noch einmal 8.000,00 € pro Fotografie für die Abmahnung hinzuzusetzen.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 2.305,40 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte behauptet, die Zeugin W. habe im Juni 2015 mit dem Kläger telefoniert. Dabei sei seine Zustimmung zu der streitgegenständlichen Verwendung der Fotografien eingeholt wurden. Zudem sei die genaue Formulierung des ©-Vermerk besprochen wurden. Im Übrigen seien etwaige Ansprüche verwirkt, jedenfalls aber verjährt.
21Die Klage ist am 31.12.2021 beim AG München eingegangen. Der Kostenvorschuss wurde am 10.01.2022 angefordert und am 18.01.2022 ist die entsprechende Zahlung eingegangen. Das elektronische Empfangsbekenntnis des Beklagtenvertreters für die Klage ist auf den 08.02.2022 datiert. Durch Beschluss des AG München vom 07.04.2022 wurde die Sache an das AG Köln verwiesen (Bl. 90).
22Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W. (vgl. Terminsprotokoll vom 19.12.2023, Bl. 381 ff.).
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist zulässig und wie aus dem Tenor ersichtlich begründet.
26I.
27Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich jedenfalls aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG München, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
28II.
29Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Abmahnung im tenorierten Umfang gemäß § 97 Abs. 3 Satz 1 UrhG. Denn die Abmahnung erfolgte zu Recht.
301.
31Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Verwendung der Fotografien gemäß § 97 Abs. 1 UrhG.
32a.
33Der Kläger ist aktivlegitimiert. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten steht in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte selbst den Kläger noch 2017 ausdrücklich als Inhaber der Rechte an den Fotografien angesehen hat (vgl. E-Mail vom 27.01.2017, Anlagen K1 und K17, Bl. 31 und 134). Im vorliegenden Gerichtsverfahren steht die Beklagte zudem auf dem Standpunkt, der Kläger habe ihr 2015 die Rechte zur Nutzung der Fotografien für die Briefmarken eingeräumt, mithin, dass er dazu auch im Stande ist. Auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 23.08.2023 (Bl. 240) hat die Beklagte diesen Widerspruch nicht aufgelöst.
34b.
35Die Beklagte hat durch die streitgegenständliche Verwendung der Fotografien in das Recht des Klägers auf Vervielfältigung nach § 16 UrhG eingegriffen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Fotografien um Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG oder um Lichtbildwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG handelt. Denn in beiden Fällen gelten die Schutzvorschriften des Teil 1 des UrhG.
36Der erneute Abdruck der Fotografien in Form von selbstklebenden Briefmarken ist eine Vervielfältigungshandlung im Sinne von § 16 UrhG.
37Daneben liegt ein Eingriff in das Verbreitungsrecht des Klägers nach § 17 UrhG vor. Zwar hat die Beklagte die Briefmarken nach Überzeugung des Gerichts (dazu sogleich) nur an ihre Mitarbeiter verschickt. Diese sind nicht als Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG anzusehen (vgl. nur Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 17 Rn. 9). Jedoch ist aufgrund der Besonderheit von Briefmarken mit dieser Versendung eine Verbreitungshandlung einhergegangen. Denn die Mitarbeiter erhielten die Briefmarken ohne besondere Anweisungen zur Verwendung. Sie mussten also davon ausgehen, diese ganz gewöhnlich nutzen zu können, was bei insgesamt 10.000 Briefmarken dazu führen musste, dass auch eine Mehrzahl außenstehender Personen diese auf Briefen erhalten würde.
38c.
39Die Verwertung der Lichtbilder durch die Beklagte war rechtswidrig.
40Die Parteien sind sich darüber einig, dass die ursprüngliche Einigung zwischen ihnen die streitgegenständliche Art der Verwendung der Lichtbilder nicht erfasst hat, da sie den betriebsinternen Bereich verlässt.
41Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und der Beweisaufnahme nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, davon überzeugt, dass der Kläger im Juni 2015 der Beklagten insoweit eine Einwilligung oder gar Nutzungsrechtseinräumung in einem Telefonat mit der Zeugin W. gegeben hat, § 286 ZPO. Beweisbelastet für diese Aspekte ist die Beklagte (vgl. Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 97 Rn. 14).
42Zunächst weckt der Verlauf der zur Akte gelangten Kommunikation Zweifel an einer solchen Zustimmung des Klägers. In seiner E-Mail vom 15.08.2018 (Anlage B4, Bl. 67) fragt der Kläger wegen der Verwendung seiner Lichtbilder als Briefmarken an. In ihrer Antwort vom 16.08.2018 erwähnt die Zeugin W. das angebliche Telefonat mit ihr aus Juni 2015, in welchem der Kläger seine Zustimmung erteilt haben soll, mit keinem Wort. Sie erläutert jedoch relativ genau, was mit den Lichtbildern gemacht wurde (Druck im Juli 2015 für den internen Gebrauch, 1.000 produzierte Portocards als Dankeschön für Mitarbeiter, kein Verkauf, kein Vertrieb, vgl. Anlage B4, Bl. 66). Diese Erläuterung ist ungewöhnlich, wenn es zutreffen würde, dass genau dies mit dem Kläger im Vorfeld im Juni 2015 besprochen und von ihm gebilligt wurde. Dann wäre es viel naheliegender die Details entweder gar nicht mehr zu erwähnen oder einzuleiten mit einer Floskel wie etwa „wie mit Ihnen telefonisch im Juni 2015 besprochen, haben wir…“. Es wäre auch zu erwarten, dass die Zeugin eine gewisse Verwunderung über die Nachfrage des Klägers äußern würde.
43Diese Zweifel wurden durch die Vernehmung der Zeugin W. noch vertieft. Es fiel schon bei Beginn der Vernehmung auf, dass die Zeugin die Vorwürfe sehr persönlich nimmt und nicht nur die Beklagte, sondern jedenfalls auch sich selbst in der Kritik sieht (vgl. Terminsprotokoll, dort Seite 4, Bl. 384). Dies lässt befürchten, dass sie dem Ergebnis des Verfahrens nicht neutral gegenübersteht. Die Zeugin hatte zudem die Schriftsätze im Verfahren jedenfalls zum Teil gelesen (vgl. a.a.O., dort Seite 6, Bl. 386 und Seite 9, Bl. 389), was ebenfalls eher gegen eine unvoreingenommene Herangehensweise spricht. Die Nachfragen zu Einzelheiten des Telefonats zeigen, dass die Zeugin keinerlei konkrete Erinnerung mehr daran hat. Sie mutmaßte lediglich aufgrund von äußeren Umständen und ihrer Einschätzung von ihrer eigenen Arbeitsweise, dass ein solches Telefonat stattgefunden haben muss (vgl. die zahlreichen Fragen zu den Einzelheiten mit vagen Antworten, a.a.O. ab Seite 6, Bl. 386 – erst bei Abfassung des Urteils und erneutem Abhören des Bands fiel auf, dass es auf Seite 6, Bl. 386, im vorletzten Absatz „Er hat mir bestätigt, dass wir…“ heißen muss und nicht „Er hat mir stetig, dass wir“.). Die Zeugin gab zudem an, dass sie davon ausging, die Briefmarken ohnehin erstellen zu dürfen und sich damit im Rahmen der ursprünglichen Einigung „interne Nutzung“ zu halten (vgl. a.a.O., Seite 8, Bl. 388 unten). Dadurch erscheinen ihre im Übrigen immer wieder geäußerten Vermutungen, sie habe den Kläger dafür vorher extra noch einmal telefonisch kontaktiert, sehr fraglich. Denn wenn sie ohnehin der Ansicht war, die Verwendung sei erlaubt, war eine weitere Nachfrage nicht mehr nötig. Die Begründung, sie habe durch eine stärkere Präsenz des Themas „Bildrechte“ in den Medien den Impuls bekommen, den Kläger explizit zu fragen, klingt zwar plausibel: Aber auch dies konnte die Zeugin wieder in keiner Form zeitlich einordnen. Es könnte daher ebenso der Hintergrund zu ihrer Nachfrage im Jahr 2017 zu der Nutzung der Lichtbilder im Intranet der Beklagten gewesen sein. Dass vermutete die Zeugin kurz darauf in der Vernehmung sogar selbst (a.a.O., Seite 10, Bl. 390). Die Zeugin konnte die mehreren Telefonate, die sie nach eigener Ansicht mit dem Kläger über die Jahre geführt haben muss, nicht mehr auseinanderhalten. Der Ablauf des maßgeblichen Telefonats war ihr in keiner Form erinnerlich (vgl. a.a.O., Seite 9, Bl. 389). Die Zeugin machte durchweg den Eindruck, die Wahrheit sagen zu wollen. Vor diesem Hintergrund betonte sie die erhebliche Unsicherheit an ihre eigene Erinnerung an diversen Stellen selbst (vgl. nur a.a.O., Seite 10, Bl. 390 und explizit Seite 12, Bl. 392 oben).
44Das Gericht hat die Zeugin auch mit den eingangs beschriebenen Zweifeln konfrontiert, die sich bereits aus der E-Mail-Korrespondenz im Jahr 2018 ergeben. Die Zeugin wies insoweit noch vor der Formulierung der entsprechenden Frage des Gerichts selbst auf ihre merkwürdige Formulierung in der E-Mail hin (a.a.O., dort Seite 13, Bl. 393). Die Zeugin konnte ihre – unterstellt es gab das Telefonat im Juni 2015 – ungewöhnliche Antwort indes nicht erklären. Sie mutmaßte nunmehr sogar erstmals, dass der Kläger das angebliche Telefonat im Juni 2015 möglicherweise anders verstanden haben könnte als sie. Das ist umso verwunderlicher als zuvor der einzige ihr sicher erinnerliche Punkt aus diesem Telefonat gewesen sein soll, dass der Kläger der Verwendung zugestimmt hat. Selbst insoweit ist sie sich angesichts ihrer eigenen E-Mail aus dem Jahr 2018 nicht mehr sicher. Die Zeugin nutzte dann sehr schnell die vom Klägervertreter angebotene Erklärung für ihre Formulierung in der E-Mail im Jahr 2018, wonach sie dem Kläger im Juni 2015 vielleicht gar nicht genau erklärt habe, was genau eine „Portocard“ überhaupt ist (a.a.O., dort Seite 16, Bl. 396). Diese Ambivalenz unterstreicht die fehlende Erinnerung und den Versuch der Zeugin, das Geschehene im Nachhinein in Einklang mit ihren Ansprüchen an die eigene Arbeitsqualität zu bringen.
45d.
46Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig, § 276 BGB.
47Im Urheberrecht sind strenge Anforderungen an die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu stellen (vgl. statt vieler, v. Wolff/Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 97 Rn. 60). Für Fahrlässigkeit genügt es bereits, wenn der Handelnde sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit seines Verhaltens in Betracht ziehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 68/08, GRUR, 2010, 623 Rn. 55). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hätte sich der Beklagten vor Herstellung der Briefmarken aufdrängen müssen, dass sie damit die vereinbarte Nutzung nur für den internen Bereich verlässt.
48e.
49Die Wiederholungsgefahr war entgegen der Ansicht der Beklagten drei Jahre nach der Handlung nicht durch bloßen Zeitablauf ausgeräumt. Insoweit gilt (LG Köln Urteil vom 23.02.2023 – 14 O 39/22, GRUR-RS 2023, 10914 Rn. 168):
50Die für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert (BGHZ 14, 163 (167) – Constanze II; BGH, GRUR 1961, 138, 140 – Familie Schölermann; Lampmann, in: Lampmann/Pustovalov [Hrsg.], Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2022, Rn. 193). Die Verletzungshandlung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH, GRUR 2013, 1235 Rn. 18 – Restwertbörse II). Nur unter ganz besonderen Umständen ist die Wiederholungsgefahr zu verneinen, weil eine weitere Rechtsverletzung nur theoretisch möglich erscheint (BGH, GRUR 1957, 348, 349 – Klasen-Möbel – zum Wettbewerbsrecht; KG, GRUR 1957, 45, 46 – Karpfhamer Fest). Diese Gefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer geeigneten, strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden.
51Im vorliegenden Sachverhalt mit relativ zeitlosen Motiven ist eine weitere Nutzung der Lichtbilder auch nach drei Jahren sogar eher naheliegend, z.B. in Werbebroschüren oder nochmals als Briefmarken. Ergänzend ist zu sehen, dass die Beklagte sich noch vor der Abmahnung ausdrücklich umfassender Rechte an den Fotografien rühmte, was die Wiederholung wahrscheinlicher werden ließ (vgl. Anlage B6, Bl. 69).
522.
53Der Höhe nach besteht der Anspruch aus einem vorgerichtlichen Gegenstandswert im Sinne des RVG aus der Gebührenstufe „bis 45.000 €“. Die ohne Umsatzsteuer geltend gemachte 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale führt in der Fassung des RVG vor dem 01.01.2021 zu einem Betrag von 1.434,40 €.
54a.
55Zunächst war für den Unterlassungsanspruch ein Gegenstandswert 36.000,00 € anzunehmen. Vorliegend ist aufgrund des unternehmerischen Kontexts und der Qualität der Fotografien – seien es bereits Lichtbildwerke oder noch hochwertige Lichtbilder – als Ausgangspunkt ein Wert von 6.000,00 € pro Fotografie anzusetzen. Dieser Wert entspricht der ständigen Rechtsprechung bei der Veröffentlichung im Internet (vgl. schon LG Köln, Beschluss vom 03.12.2013 – 28 T 9/13 Rn. 3, juris). Für die Bemessung des konkreten Wertes gilt (BGH, Urteil vom 30.3.2017 – I ZR 50/16 Rn. 25):
56bb) Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor; vgl. BGH GRUR 2014, 206 Rn. 16 – Einkaufskühltasche; ZUM 2016, 1030 Rn. 34 – Tannöd). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände aufseiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH AfP 2011, 216 Rn. 5; GRUR 2013, 1067 Rn. 12 – Beschwer des Unterlassungsschuldners; Beschl. v. 11.11.2015 – I ZR 151/14, juris Rn. 7; ZUM 2016, 1030 Rn. 34 – Tannöd).
57cc) Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – Rechnung zu tragen sein (BGH GRUR 2014, 206 Rn. 16 – Einkaufskühltasche; ZUM 2016, 1030 Rn. 35 – Tannöd).
58Allerdings steigt der Gegenstandswert bei einer Vielzahl von verletzten Werken (bzw. Lichtbildern) nicht linear, sondern degressiv (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11.01.2019 – 6 U 10/16 Rn. 102, juris).
59Unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben war der sich rein rechnerisch ergebende Wert von 60.000,00 € (= 10 x 6.000,00 €) auf 36.000,00 € zu begrenzen. Dies zunächst, im Hinblick auf die vom OLG Köln (a.a.O.) angesprochene Degression. Hinzu kommt, dass die Reichweite der vorliegenden Versendung der Fotografien zwar groß war, jedoch nicht an die potentiellen Nutzer des Internets heranreicht. Die meisten Empfänger der Briefmarke werden diese nicht weitergeben – Briefmarkensammler ausgenommen –, weshalb maximal 11.000 Personen mit den Fotografien in Kontakt kommen (die 1.000 Mitarbeiter plus 10.000 Adressaten). Durch das kleine Format der Briefmarken und den aufgebrachten ©-Vermerk ist zudem die Gefahr der Nachahmung oder Weiternutzung durch Dritte als gering einzustufen. Der wirtschaftliche Wert der streitgegenständlichen zehn Fotografien ist tendenziell im unteren Bereich anzusiedeln. Unabhängig von ihrer hohen Qualität dürften gerade die von der Beklagten ausgewählten Fotografien aufgrund der Motive, welche stark auf das Markenlogo und die Firma der Beklagten zugeschnitten sind, nur ein ausgesuchtes Publikum interessieren (vgl. die anschauliche Übersicht im Schriftsatz des Klägers vom 29.09.2023, dort ab Seite 3, Bl. 296). Eine Weiterverwertung gegenüber Dritten seit ihrer Erstellung Ende 2014 wurde vom Kläger auch weder vorgetragen noch ist sie ersichtlich. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Verletzungshandlungen durch die Beklagte im Zeitpunkt der Abmahnung lag hingegen im oberen Bereich, weshalb der Streitwert nicht zu niedrig zu bemessen war. Zwar hatte die Beklagte in der Korrespondenz im Jahr 2018 durch die Zeugin W. zunächst umfassend mitgeteilt, wie es zu der Nutzung kam, dass sie bereits drei Jahre zurücklag und einen besonderen Hintergrund hatte. Dies sprach gegen eine erneute Verletzung. Allerdings stellte sich die Beklagte in der weiteren juristischen Diskussion noch vor der Abmahnung auf den Standpunkt, sie habe das Recht zu dieser und wohl sogar einer weitergehenden Nutzung (wörtlich: „für unsere eigenen uneingeschränkten Zwecke“, vgl. Anlage B6, Bl. 69), was die Gefahr der erneuten Verletzung aus Sicht des Klägers deutlich erhöhen musste.
60b.
61Der vorgerichtlich ebenfalls geltend gemachte Auskunftsanspruch wird auf 5.000,00 € geschätzt. Ein Auskunftsanspruch orientiert sich am Wert des damit noch zu verfolgenden Hauptanspruchs und entspricht üblicherweise 1/10 bis ¼ von dessen Wert (vgl. BGH, Beschluss vom 19.04.2018, IX ZB 62/17 Rn. 10). Der Wert ist umso höher anzusetzen, je weniger der Auskunftssteller weiß. Der Kläger hatte im Zeitpunkt der Abmahnung schon genaue Informationen zur Erstellung der Briefmarken erhalten. Allerdings erweckte der Verstoß gegen die Nutzungsvereinbarung die berechtigte Sorge, dass die Beklagte die Fotografien noch an anderer Stelle unerlaubt genutzt hatte. Dafür sprach die offensive Argumentation der Beklagten in ihrer Korrespondenz vor der Abmahnung (vgl. bereits oben und Anlage B6, Bl. 69). Insoweit fehlten dem Kläger genauere Informationen, weshalb ein Ansatz von ¼ angemessen erscheint. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, welche weitere Verwendungsart er noch in Betracht zog und mit welcher Anspruchshöhe er rechnete. Das Gericht schätzt aufgrund der Gesamtumstände, dass weitere Zahlungsansprüche von mehr als 20.000,00 € nicht zu erwarten waren. Dies entspricht in etwa der MFM-Honorarempfehlung für die deutschlandweite Nutzung der Lichtbilder als Briefmarken.
62c.
63Der lizenzanaloge Schadensersatz wird auf nicht mehr als 4.000,00 € geschätzt. Eine genauere Bestimmung kann dahinstehen, da ein Gebührensprung erst bei einem noch höheren Wert eintreten würde. Denn der Unterlassungs- und Auskunftsanspruch führen bereits zu einem Gegenstandswert von 41.000,00 € und der nächste Gebührensprung findet erst wieder bei 45.000,00 € statt.
64Bei der Bestimmung des lizenzanalogen Schadensersatzes gilt zunächst Folgendes (LG Köln, Urteil vom 02.02.2023, 14 O 48/22 Rn. 59, 60, juris):
65Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 23 = WRP 2006, 274 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild). Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet wird es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds ankommen (vgl. BGH, GRUR 2010, 623 Rn. 39 f. = WRP 2010, 927 – Restwertbörse I). Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, wird ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen sein (BGH, GRUR 2019, 292, 293 – Foto eines Sportwagens; vgl. Forch, GRUR-Prax 2016, 142 [144]).
66Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH, GRUR 2019, 292, 293 – Foto eines Sportwagens; LG Kassel, GRUR-Prax 2010, 560; Forch, GRUR-Prax 2016, 142 [143]). Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild, stRspr).
67Eine eigene Lizensierungspraxis hatte der Kläger zwar zunächst pauschal behauptet und deren Darlegung im Termin angekündigt (vgl. Schriftsatz vom 29.09.2023, dort Seite 2, Bl. 295). Davon hat der Kläger jedoch im Termin Abstand genommen (Terminsprotokoll, dort Seite 2, Bl. 382).
68Ergänzend können branchenübliche Vergütungssätze herangezogen werden. Dabei ist die MFM-Tabelle durchaus ein tauglicher Anknüpfungspunkt, wobei nicht übersehen werden darf, dass es sich um einseitige Empfehlungen der Anbieterseite handelt (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 187/17 Rn. 21, juris – Foto eines Sportwagens). Vorliegend ist die vom Kläger in Bezug genommene Empfehlung der MFM für den Bereich „Briefmarken, Münzen, sonstige Zahlungsmittel“ (vgl. Anlage K5, Bl. 41), jedoch schon nicht auf das tatsächliche Geschehen übertragbar. Zunächst stand die vorgenommene Nutzung als Briefmarke in einer Kleinserie unter dem Vertriebsnamen „Portocard individuell" auch Dritten offen. Es fehlt daher schon an einer Vergleichbarkeit zu den in den MFM-Empfehlungen in Bezug genommen Münzen und sonstigen Zahlungsmitteln, die üblicherweise nur von staatlichen Stellen herausgegeben werden.
69Hinzu kommt, dass das Gericht im Rahmen der Güteverhandlung im Termin – insoweit unprotokolliert – mit den Parteien die frei im Internet abrufbare Veröffentlichung „Stempel & Informationen“ der Beklagten in der Ausgabe 02-2017 betrachtet hat (vgl. Bl. 400.B ff.). Sie wurde dazu auf den Saalmonitor geworfen und hinsichtlich der Briefmarkenauflagen Seite für Seite mit den Parteien erörtert und mitgeteilt, dass sie in die Entscheidungsfindung des Gerichts einfließen wird. In dieser Veröffentlichung zeigt sich, dass die Auflagen von Briefmarken, welche die Beklagte für die deutschlandweite Nutzung in den Jahren 2011 und 2012 herausgegeben hat, stets im Bereich von mehreren Millionen lagen. Zahlen für das Jahr 2015 sind der Zusammenfassung zwar nicht zu entnehmen, aber es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich insoweit wesentliche Veränderungen ergeben haben. Die Auflage von 1.000 Stück pro Lichtbild ist im Verhältnis dazu minimal. Da die MFM-Empfehlung zusätzlich noch nach Landeseinwohnerzahlen aufgeschlüsselt ist in Einheiten 25, 50, 100 und über 100 Millionen, geht der dortige Verfasser erkennbar davon aus, dass erhebliche Stückzahlen in Rede stehen. Eine Auflage von gerade einmal 1.000 Stück wäre selbst in einem Land mit „nur“ 25 Millionen Einwohnern extrem niedrig.
70Andere branchenübliche Vergütungssätze für Briefmarken in Kleinstauflagen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
71In Ermangelung der oben genannten Anknüpfungspunkte ist die als Schadensersatz zu zahlende Lizenzgebühr vom Gericht nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen. Insoweit gilt (LG Köln, Urteil vom 02.02.2023 – 14 O 48/22 Rn. 65, juris):
72Dabei ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Es ist dabei unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechts zu berücksichtigen.
73Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen, die wirtschaftliche Bedeutung des geschützten Rechts, die sich in Gewinnaussichten ausdrückt und durch die am Markt zu erzielende Vergütung bestimmt wird, eine etwaige Monopolstellung des Schutzrechtsinhabers, sowie, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang gegenüber der Verwendung des geschützten Rechts gangbare und aus der Sicht eines Lizenznehmers wirtschaftlich vernünftige Alternativen vorhanden sind. Grundsätzlich ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung maßgeblich, so dass beispielsweise wirtschaftliche Schwierigkeiten des Verletzers keine niedrigere Festsetzung der Lizenzgebühr rechtfertigen. Bei der Bewertung, welche Vereinbarung vernünftige Vertragsparteien getroffen hätten, kann aber auch die in der Branche übliche Umsatzrendite berücksichtigt werden, da ein Lizenznehmer im Zweifel keine Lizenzgebühr vereinbaren würde, die seinen Gewinn übersteigen würde (Urteil der Kammer vom 07.04.2022 - 14 O 139/21, bestätigt durch Urteil des OLG Köln vom 02.12.2022 - 6 U 79/22).
74Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Die tatrichterliche Schadensschätzung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 44 = WRP 2016, 66 - Tauschbörse II, mwN).
75Im Vorliegenden Einzelfall ist zu sehen, dass die Auflage niedrig war und keine kommerzielle Nutzung durch Verkauf stattgefunden hat. Insoweit ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Angaben der Beklagten zutreffen und die Briefmarken als Weihnachtspräsent an Mitarbeiter verschenkt wurden. Die Angaben der Zeugin W. sind zu diesem Punkt sehr viel präziser als zu dem Telefonat. Sie kann die genauen Hintergründe darstellen, die sich auch mit den zur Akte gelangten Bestellformularen aus der damaligen Zeit decken. Die Postkarten gehen über die bloße Wahrnehmung durch Mitarbeiter zwar hinaus (siehe oben), haben aber nur eine mittelbare Außenwirkung und werden nicht sämtlich an Dritte verschickt worden sein.
76Zudem konnte der Kläger die Lichtbilder nur aufgrund der Erlaubnis der Beklagten zur Nutzung ihrer Niederlassung erstellen, was bei Lizenzverhandlungen eine Rolle gespielt hätte (vgl. die entgegenkommende Kommunikation des Klägers in der Korrespondenz im Jahr 2017).
77Schließlich ist der oben von der Kammer aufgeführte grundsätzliche Gedanke in den Blick zu nehmen: Es ist nicht anzunehmen, dass ein Lizenznehmer eine Gebühr vereinbart hätte, die seinen Gewinn übersteigt. Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte für ein Weihnachtsgeschenk an ihre Mitarbeiter – welches jedenfalls unmittelbar keinen messbaren Gewinn abwirft – hohe Lizenzgebühren vereinbart hätte.
78Das Gericht schätzt die Lizenzgebühr, welche die Parteien vereinbart hätten, jedenfalls auf nicht mehr als 400,00 € pro Fotografie, eher sogar im Bereich von 100,00 bis 200,00 €. Ein Wert von 230,00 € würde immer noch 10% des Betrages entsprechen, den die einseitig von der Anbieterseite der Fotografen herausgegebene MFM-Empfehlung für Auflagen von weit über 100.000.000 Briefmarken annimmt, die zudem noch in den Verkauf gelangt sind (vgl. z.B. Caspar David Friedrich - Der Wanderer über dem Nebelmeer mit einer Auflage von 471.080.000 im Jahr 2011, Stempel und Informationen, Ausgabe 02-2017, Seite 9, Bl. 400.J). Die vorliegende Auflage beträgt nicht einmal ein Promille davon.
79d.
80Ein Aufschlag von 100% auf den geschätzten lizenzanalogen Schadensersatz wegen fehlender Urhebernennung ist nicht vorzunehmen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger in diesem Kontext als Berufsfotograf anzusehen ist. Es kann auch offenbleiben, wie genau der Aufschlag herzuleiten ist. Denn jedenfalls war die Urhebernennung der Beklagten nicht zu beanstanden.
81Der Urheber hat gemäß § 13 Satz 2 UrhG ein Recht auf eine Bezeichnung seines Werks und kann bestimmten, welche Bezeichnung zu verwenden ist. Die Vorschrift gilt für den Lichtbildner entsprechend, § 72 Abs. 1 UrhG.
82Vorliegend hat der Kläger – durch nachgelassenen Schriftsatz vom 18.01.2024, Bl. 422, mittlerweile unstreitig – die Fotografien bei der Übergabe an die Beklagte Ende 2014 mit der folgenden Urheberbezeichnung versehen:
83© www.G..de
84Erstmals in der Korrespondenz mit der Beklagten im Jahr 2017 zur Nutzung im Intranet hat er folgende Urheberbezeichnung bestimmt:
85Y. P. M. – G..de
86Auf den Briefmarken findet sich der ©-Vermerk genau in der Form, wie er vom Kläger ursprünglich auf den Fotografien angebracht wurde: © www.G..de
87Die Beklagte ist mithin der Bestimmung des Klägers gefolgt. Sie hatte Anfang Juli 2015 – also nur ca. 6 Monate nach Übergabe der Fotografien – keinen Anlass davon auszugehen, dass sich die Urheberbezeichnung geändert hatte. Vielmehr wäre es am Kläger gewesen, seine Vertrags- und Kooperationspartner über eine neue Urheberbezeichnung zu informieren. Dies gilt umso mehr, wenn sie wie hier von einer von ihm selbst auf den Fotografien aufgebrachten Bezeichnung abweicht und die dortige Website noch aktiv war. Dass sie noch aktiv war, kann angenommen werden, da der Kläger noch im Jahr 2017 selbst die Website als Teil der neuen Bezeichnung bestimmt hat.
88e.
89Für den weiteren vom Kläger verlangten Aufschlag von 100%, den der Kläger nicht erläutert und „Zuschlag Nachlizenz“ nennt, ist eine Rechtsgrundlage weder ersichtlich noch vorgetragen – auch nicht nach gerichtlichem Hinweis vom 23.08.2023 (Bl. 241).
90III.
91Die Klageforderung ist nicht verjährt. Für die Rechtsverfolgungskosten gilt auch im Urheberrecht die dreijährige Regelverjährung. Die Verjährung beginnt mit der Versendung der Abmahnung (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 - BGH, I ZR 7/14 Rn. 71; bestätigt von BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15 Rn. 76). Das war im Jahr 2018, so dass die Verjährung frühestens am 01.01.2022 eintreten konnte. Jedoch hat die am 31.12.2021 eingereichte Klage die Verjährung gehemmt. Die Vorschussanforderung stammt vom 10.01.2022 und der Kosteneingang erfolgte am 18.01.2022. Der Empfang der Klage wurde vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 08.02.2022 per elektronischem Empfangsbekenntnis bestätigt. Damit liegt eine etwaige Verzögerung des Klägers – die es nach unbestrittenem Vortrag des Klägers zum Eingang der Kostenanforderung am 17.01.2022 ohnehin nicht gab – deutlich unterhalb der 14 Tage, die nach ständiger BGH-Rechtsprechung für die verjährungshemmende Zustellung „demnächst“ nach § 167 ZPO die Grenze darstellen. Etwaige danach liegende Verzögerungen bis zum Zugang der Klage liegen nicht mehr in der Sphäre des Klägers.
92Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt. Verwirkung erfordert ein Zeit- und ein Umstandsmoment. Schon das Umstandsmoment ist nicht ersichtlich. Etwaige Dispositionen, welche die Beklagte im Vertrauen auf die Situation getroffen haben will, bleiben vage. Die Beklagte gibt an, wegen des Zeitablaufs Beweismittel nicht gesichert zu haben. Jedoch schildert die Zeugin W. in ihrer E-Mail vom 20.08.2018 (Anlage B11, Bl. 170) und in ihrer Vernehmung, dass sie das maßgebliche Telefonat damals nicht schriftlich festgehalten hat. Welche Beweismittel die Beklagte daher nicht gesichert haben soll, bleibt unklar und ist auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts vom 23.08.2023 (Bl. 241) nicht näher vorgetragen.
93IV.
94Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
95V.
96Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11 Alt. 2, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
97VI.
98Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 23.01.2024 gab keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der dortige letzte Satz auf der ersten Seite (Bl. 430) wurde ebenfalls berücksichtigt. Er ist zwar durch den Briefkopf des Beklagtenvertreters verdeckt. Er lässt sich aber mittels der Maus und der Kopierfunktion in einem neuen Dokument sichtbar machen und lautet: Zwischen dem Kläger und dem benannten Zeugen V. X. war vereinbart, für Ihre Bilder gemeinsam die Website zur Veröffentlichung zu nutzen, um so nicht nur ihren Kunden [...]
99Streitwert: 2.305,40 €
100Rechtsbehelfsbelehrung:
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