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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger war seit November 2014 Versicherungsnehmer einer ursprünglich von dem Vater des Klägers abgeschlossenen kapitalbildenden Lebensversicherung zu Versicherungsschein-Nr. N01 bei der Beklagten. Nach Ende der Versicherungslaufzeit am 1.12.2016 und erfolgter Verlusterklärung bezüglich des Original-Versicherungsscheins kehrte die Beklagte die Ablaufleistung in Höhe von 95.943,23 EUR im Januar 2017 an den Kläger aus.
3Mit am 7.01.2020 zugestelltem Mahnbescheid des Amtsgerichts Uelzen (Az. 19-8521786-09-N) begehrte der Kläger eine Zahlung in Höhe von 72.500,00 EUR von der Beklagten. Die Beklagte legte am 9.01.2020 Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein. Eine Weiterverfolgung der Ansprüche erfolgte nicht.
4Mit Schreiben vom 7.12.2021 (Anlage K 1 = Bl. 9 f. d.A.) ließ der Kläger über seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO geltend machen. Hierbei sollte die Beklagte Auskunft darüber erteilen, welche personenbezogenen Daten über den Kläger und sein Unternehmen bei der Beklagten gespeichert sind bzw. verarbeitet werden. Ferner verlangte der Kläger die Überlassung der entsprechenden Unterlagen. Mit Schreiben vom 19.04.2022 bat die Beklagte um Zeitaufschub und erteilte sodann mit Schreiben vom 12.05.2022 (Anlage BLD 1 = Bl. 169 ff. d.A.) eine Auskunft.
5Der Kläger hält die erteilte Auskunft nicht für ausreichend und meint, allein im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen Geltendmachung und Erteilung stehe ihm ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
6Der Kläger beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, gemäß Art. 15 i. V. m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DSGVO Auskunft darüber zu erteilen, ob und welche personenbezogenen Daten die Beklagte über ihn und sein Unternehmen gespeichert und/oder verarbeitet hat und gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO die entsprechenden Unterlagen in Kopie zu überlassen;
82. die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft zu 1. an Eides statt zu versichern;
93. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie ist der Ansicht, der Kläger verfolge mit der Klage keine von Art. 15 DSGVO gedeckten Zwecke, was anspruchsausschließend wirke, und wendet im Übrigen Erfüllung ein.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist nicht begründet.
161. Ein Auskunftsanspruch des Klägers gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO besteht in dem vorliegend geltend gemachten Kontext nicht.
17Zwar kann der Kläger nach dieser Vorschrift grundsätzlich Auskunft über die bei der Beklagten als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 Halbsatz 1 DS-GVO verarbeiteten ihn betreffenden personenbezogenen Daten verlangen.
18Der Beklagten steht jedoch vorliegend ein Weigerungsrecht gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung eines Auskunftsverlangens als Beispiel für einen sog. „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 - 8 U 2907/21 -, juris; vgl. Heckmann/Paschke in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 12 Rdnr. 43; Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 12 DS-GVO Rdnr. 66 m.w.N.).
19Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 -, VersR 2021, 1019 Rdnr. 23). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber vorliegend ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28.04.2022 zweifelsfrei ergibt – einzig und allein Informationserlangung zum Zwecke der Überprüfung und Vorbereitung eines Regressanspruchs gegen seinen ehemaligen Bevollmächtigten:
20„In erster Stufe wird ein Auskunftsanspruch gegen den Versicherer aufgrund des Lebensversicherungsvertrages geltend gemacht, um zu überprüfen, ob hier ein weiterer Auszahlungsanspruch in Höhe der geltend gemachten 72.500,00 EUR überhaupt bestand, nachdem die Versicherungssumme bereits ausgezahlt wurde. In einer zweiten Stufe wäre sodann zu prüfen, ob gegen den vormaligen Prozessbevollmächtigten ein Regressverfahren einzuleiten ist, weil dieser die Ansprüche falsch bzw. fehlerhaft berechnet und die Sache in die Verjährung hat laufen lassen.“
21Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nach ganz überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, nicht umfasst (ebenso OLG München, Beschluss vom 24. November 2021 - 14 U 6205/21 -; OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2021 - 20 U 269/21 - ; OLG Dresden, Urteil vom 29. März 2022 - 4 U 1905/21 -; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 4. Februar 2022 - 11 U 239/21 -; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 - 8 U 2907/21 -; LG Essen, Urteil vom 23. Februar 2022 - 18 O 204/21 -; LG Wuppertal, Urteil vom 29. Juli 2021 - 4 O 409/20 -; LG Köln, Urteil vom 29. Juni 2022 - 12 O 420/21 -; alle juris). Da der Kläger vorliegend erklärtermaßen Ziele verfolgt, die Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht schützt, besteht ein weitergehendes Auskunftsrecht nicht.
222. Mangels Bestehens der geklagten Auskunftsverpflichtung gemäß Ziffer 1. steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Versicherung an Eides statt zu, dass die zur Auskunft gegebenen personenbezogenen Daten vollständig und richtig sind. Die Frage einer direkten oder analogen Anwendung der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB kann damit dahinstehen.
233. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO besteht gleichfalls nicht.
24Dieser scheitert bereits daran, dass ein Schaden nicht dargelegt ist. Allein dass der Kläger auf die Datenauskunft "warten" musste, kann auch nach dem Schadensmaßstab der DS-GVO keinen ersatzfähigen Schaden begründen. Es muss auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Andernfalls scheidet ein "Schaden" begrifflich schon aus (vgl. LG Bonn, Urteil vom 1. Juli 2021 - 15 O 356/20 -, juris Rdnr. 49). Eine solche Spürbarkeit kann dem Vorbringen des Klägers schon nicht entnommen werden.
25Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
264. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
275. Der Streitwert wird auf 2.800,00 EUR festgesetzt.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
301. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
312. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
32Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
33Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
34Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
35Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.