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Der Antrag auf Erlass des Strafbefehls wird aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
2Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeschuldigten vorgeworfen, am 31.07.2021 einen Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt zu haben, der mit einem Davidstern mit der Aufschrift „UNGEIMPFT“ beklebt war.
3Diese Tathandlung erfüllt nicht den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB.
4Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
5Das Versehen eines Davidsterns mit der Aufschrift „UNGEIMPFT“ stellt zunächst eine Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art dar. Der Vergleich der Behandlung von Ungeimpften im Rahmen der Corona-Pandemie mit der Behandlung der Juden durch die Verbrecher des Nationalsozialismus bagatellisiert letztere ersichtlich und wirkt auf den Betrachter angesichts der unermesslichen Gräueltaten der Nationalsozialisten gegenüber den Juden mehr als unangebracht.
6Allerdings ist die Handlung des Angeschuldigten vorliegend nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Eignung der festgestellten Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens in der Variante des Verharmlosens ausdrücklich festzustellen (BVerfG, Beschluss vom 22.06.2018, Az. 1 BvR 2083/15, Rn. 23), wozu der Strafbefehlsantrag schon keinerlei Erörterungen enthält.
8Im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ergeben sich an die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens nähere Anforderungen.
9Ausgangspunkt ist die Meinungsfreiheit als Geistesfreiheit. Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG dürfen nicht darauf gerichtet sein, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen. Das Anliegen, die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ansichten zu verhindern, ist ebensowenig ein Grund, Meinungen zu beschränken, wie deren Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit. Legitim ist es demgegenüber, Rechtsgutverletzungen zu unterbinden (BVerfG, aaO, Rn 24 f.).
10Danach ist dem Begriff des öffentlichen Friedens ein eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen. Nicht tragfähig ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien zielt. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer "Vergiftung des geistigen Klimas" ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht (BVerfG, aaO Rn.25).
11Ein legitimes Schutzgut ist der öffentliche Frieden hingegen in einem Verständnis als Gewährleistung von Friedlichkeit. Ziel ist hier der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Eine Verurteilung kann dann an Meinungsäußerungen anknüpfen, wenn sie über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können (BVerfG, aaO, Rn. 26).
12Die Tathandlung des Angeschuldigten erfüllt diese Voraussetzungen nicht (so i.E. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.03.2021, Az. Ss 72/20 in einem ähnlich gelagerten Fall).
13Zwar handelt es sich um eine absolute Geschmacklosigkeit, die auch eine Vergiftung des geistigen Klimas mit sich bringt, jedoch reicht dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht aus. Der auf dem geparkten Fahrzeug angebrachte Aufkleber enthält gerade keinen Appell, rechtsgutgefährdende Handlungen vorzunehmen. Eine Gefährdung der Friedlichkeit ist hierdurch nicht gegeben. Auch richtet sich der Inhalt der Äußerung nicht gegen die Gruppe der Juden, sondern kritisiert vielmehr - wenn auch auf geschmacklose Art und Weise - den Umgang der Gesellschaft und der Politik mit Ungeimpften. Diese sollen durch den Vergleich in ihrer Opferrolle erhöht werden, indem man den Davidstern hierfür instrumentalisiert. Nicht ersichtlich ist jedoch, dass durch die Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar ausgelöst werden sollen. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind jedoch nicht schon dann überschritten, wenn die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr sind von ihr auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament unserer gesellschaftlichen Ordnung zu diffamieren suchen (BVerfG, aaO, Rn. 29). Der Schutz solcher Meinungsäußerungen besagt jedoch nicht, dass diese als inhaltlich akzeptabel mit Gleichgültigkeit in der öffentlichen Diskussion aufzunehmen sind. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes setzt vielmehr darauf, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird (BVerfG, aaO, Rn. 30).
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.
16Köln, 15.02.2022Amtsgericht