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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.278,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche nach den §§ 77 ff. VVG wegen einer behaupteten Mehrfachversicherung geltend.
3Der Versicherungsnehmer, Herr A. E., unterhält bei der Klägerin eine Plus-Mitgliedschaft, in der auch sein Sohn, V. E., mitversichert ist. Einbezogen wurden die GVB der Klägerin mit Stand 01.01.2016 gemäß Anlage K1 (Bl. 13-24 d.A.). Gemäß § 12 dieser GVB (Bl. 18 d.A.) hat der Versicherungsnehmer gegen die Klägerin einen Anspruch auf die Durchführung eines Krankenrücktransports im Falle einer akuten, unerwarteten Erkrankung, auch im Ausland. Absatz 4 der Regelung lautet wie folgt:
4"4. Wir tragen die Kosten der von uns organisierten oder veranlassten Maßnahmen."
5Darüber hinaus unterhielt Frau I. R., die Mutter des mitversicherten Sohnes, eine private Auslandskrankenversicherung bei der Beklagten, in der ihr Sohn V. E. ebenfalls mitversichert war. Einbezogen wurden die Tarifbedingungen/AVB der Beklagten gemäß Anlage K2 (Bl. 39-48 d.A.). § 4 Abs. 7 der AVB der Beklagten lautete wie folgt:
6"(7) Krankenrücktransporte
7Die V. trägt die Mehrkosten eines Krankenrücktransportes, wenn
8- dieser medizinisch sinnvoll und vertretbar ist oder
9- die medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung nach ärztlicher Bescheinigung voraussichtlich einen Zeitraum von 2 Wochen nicht übersteigen würde oder
10- die voraussichtlichen Kosten der Heilbehandlung im Ausland die Mehrkosten des Krankenrücktransportes übersteigen würden.
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12Mehrkosten sind die durch den Krankenrücktransport zusätzlich entstehenden Kosten.
13Der Krankenrücktransport erfolgt in das Land des ständigen Wohnsitzes der versicherten Person, auf Wunsch der versicherten Person auch an einen anderen Ort als den des ständigen Wohnsitzes.
14Voraussetzung ist, dass die V. den Krankenrücktransport organisiert."
15Unstreitig bestehen in beiden Versicherungsverhältnissen sog. einfache Subsidiaritätsklauseln.
16Der Sohn der Versicherungsnehmer Herr V. E. erlitt am 03.08.2017 während einer Urlaubsreise auf Teneriffa erhebliche Schwindelanfälle. Er wurde zunächst bis zum 15.08.2017 stationär auf Teneriffa behandelt, wobei eine diabetische Ketoazidose und ein Diabetes mellitus Typ I diagnostiziert wurde. Am 15.08.2017 organisierte die Klägerin den Krankenrücktransport nach L., wodurch der Klägerin Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.556,82 EUR entstanden. Details zu den Aufwendungen ergeben sich aus der Auflistung auf Bl. 7 und 8 d. A. Die Hälfte dieser Aufwendungen ist Gegenstand des Klageverfahrens.
17Mit Schreiben vom 23.05.2019 lehnte die Beklagte eine Einstandspflicht gegenüber der Klägerin ernsthaft und endgültig ab.
18Die Klägerin beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag in Höhe von 1.278,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.05.2019 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie ist der Ansicht, eine Einstandspflicht bestünde nicht, da es an der vorgesehenen Notwendigkeit der eigenen Organisation des Rücktransports gemäß § 4 Abs. 7 ihrer AVB fehle.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen, zur Gerichtsakte gelangten Schriftstücke der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Klage ist im vollen Umfang begründet.
26Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.278,36 EUR gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 VVG.
27Nach Auffassung des Gerichts liegt zumindest Teil-, wenn nicht sogar Vollidentität der versicherten Gefahr und des versicherten Interesses im Sinne der §§ 77 ff. VVG vor. Versicherte Gefahr ist bei der Klägerin der Krankheitsfall oder Unfall im Ausland, durch den ein Rücktransport medizinisch notwendig wird; versichertes Interesse ist der Vermögensnachteil, den der Versicherungsnehmer ohne Versicherung bei selbst zu tragenden Kosten des Rücktransports erleiden würde (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.09.2016 - 25 U 1909/16). In den Versicherungsbedingungen der Beklagten wird die versicherte Gefahr zwar näher umschrieben, es besteht aber jedenfalls eine Teilidentität. Gleiches gilt für das versicherte Interesse.
28Dass der Transport im vorliegenden Fall medizinisch sinnvoll und vertretbar war, hat die Klägerin schlüssig dargelegt; dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
29Das Vorbringen der Beklagten, ein Anspruch der Klägerin scheide deshalb aus, weil sie den Rücktransport nicht selbst organisiert habe, greift nicht durch. Insoweit hat das OLG Köln mit Beschluss vom 04.03.2021 (9 U 236/20) zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die Versicherungsbedingungen der Klägerin eine entsprechende Anspruchsvoraussetzung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer enthalten. Die Berufung auf den Umstand unterlassener Befassung des Versicherers mit der Organisation des Rücktransports ließe das dem § 78 Abs. 2 S. 1 VVG innewohnende Prinzip des Innenausgleichs leerlaufen (OLG Köln, Beschluss vom 04.03.2021 - 9 U 236/20). Die Organisation desselben Rücktransports durch zwei Versicherungen schließt sich nicht nur praktisch aus, sondern dürfte in der Regel auch dem Interesse des Versicherungsnehmers an einem zügigen Ablauf entgegenstehen. Die vorgesehene Kostenteilung des § 78 Abs. 2 S. 1 VVG trägt auch dem Interesse der Versicherer Rechnung, die Kosten möglichst gering zu halten.
30Auch der Einwand der Beklagten zur Höhe der Klageforderung greift nicht durch. Der Vortrag, dass die Beklagte im Gegensatz zur Klägerin nur die entstehenden Mehrkosten des Rücktransports zu tragen hätte und eingesparte Kosten der ursprünglich geplanten Rückreise anzurechnen sei, ist unsubstantiiert.
31Die von beiden Parteien in ihren Versicherungsbedingungen enthaltenen einfachen Subsidiariätsklauseln bringen zum Ausdruck, dass sie jeweils gegenüber einem anderen Versicherer nur nachrangig haften wollen. Kommt es wie im vorliegenden Fall dazu, dass entsprechende Klauseln aufeinander treffen, kann dies nur dazu führen, dass sie sich gegenseitig aufheben, um den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2014 - IV ZR 389/12).
32Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB.
33Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 S. 2 ZPO.
34Der Streitwert wird auf 1.278,36 EUR festgesetzt.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
371. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
382. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
43Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
44Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.