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Der Beschluss zu TOP 3, Beschluss I, der Eigentümerversammlung vom 17.04.2019 über die Verwendungsberechtigung des Verwalters an der Rücklage wird für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 57 % und die Beklagten zu 43 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien bilden die Erbbauberechtigtengemeinschaft „L. Str. 111/ E. Str. 1-2“ in N., wobei die Klägerin einen Anteil von 12,496/1.000stel für die von ihr selbst genutzte Wohnung Nr. 13 hält.
3Die Instandhaltungsrücklage beträgt derzeit über EUR 130.000,00, das Ist-/Sollvermögen zum 31.12.2016 belief sich auf rund EUR 80.000.00.
4Die amtierende Verwaltung entnahm im Abrechnungsjahr 2017 wegen einer Überschreitung der Kosten des Wirtschaftsplans einen Betrag von gerundet EUR 3.000,00 aus der Instandhaltungsrücklage zur Begleichung von Betriebskosten.
5Die Klägerin führt ein Beschlussanfechtungsverfahren gegen die Jahresabrechnung 2017, welches vor dem AG Köln (Az. 202 C 5/19) zur Teilaufhebung der Abrechnung führte.
6In der Eigentümerversammlung vom 17.04.2019 wurden unter TOP 3, Beschlüsse über die Verwendungsberechtigung des Verwalters an der Rücklage (Beschluss I.) und über die Änderung der Darstellung der Instandhaltungsrücklage in Form der „IST-Rücklage 2017“ per 31.12.2017 (Beschluss II.) gefasst. Wegen des Wortlauts der Beschlussfassungen und des Verlaufs der Versammlung wird auf das Protokoll nebst Anlagen (Bl. 21 f. GA) verwiesen.
7Die Klägerin meint, der Beschuss I zu TOP 3 verstoße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Eckdaten für einen Zugriff des Verwalters auf die Instandhaltungsrücklage nicht eingehalten würden. Es liege hier eine Zweckfreistellung der Rücklagenbildung ohne betragsmäßige Obergrenze, ohne zeitliche Begrenzung und ohne sachliche Einschränkung vorliege. Das Institut der Rücklagenbildung werde ausgehöhlt.
8Die beschlossene Legitimation der Verwaltung führe zu einem freien Geldbetrag, so dass das Etikett „Rücklagenbildung“ den Eigentümern einen falschen Eindruck vermittele. Ein Ansparen und Abrechnen von „freiem Geld“ könne nicht über die Position „Rücklagenbildung“ erfolgen.
9Da offen bleibe, ob und in welcher Höhe überhaupt etwas für die Rücklagenbildung verbliebe, könne gegen die Grundregel der „eisernen Reserve“ verstoßen werden. Wegen der fehlenden Rückführungs- bzw. Nachfüllpflicht könne es mehrere Jahre lang zur vollständigen Rücklagenverwendung kommen. Ferner sei der Anfangszeitpunkt unklar (bereits im laufenden Jahr oder erst in der nächsten Periode).
10Zu TOP 3 Beschluss II meint die Klägerin, die fehlerhafte Abrechnung des Jahres 2017 könne nicht dadurch geheilt werden, dass ohne weitere Erläuterung der Betrag der IST-Rücklage ausgetauscht werde. Die zahlenmäßige Änderung des Ist-Betrages habe keinen Informationswert für die Vermögensverhältnisse. Sie verweist darauf, dass unter Zugrundelegung der neuen Darstellung ein Differenzbetrag verbleibe; die Beträge seien nicht in einen logischen Zusammenhang zu bringen, die vom BGH geforderte Transparenz über das Rücklagenvermögen werden nicht erfüllt.
11Die Klägerin beantragt:
12Die folgenden Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 17.04.2019 werden für ungültig erklärt:
131. Beschluss zu TOP 3, Beschluss I, über die Verwendungsberechtigung des Verwalters an der Rücklage;
142. Beschluss zu TOP 3, Beschluss II, über die Änderung der Darstellung der Instandhaltungsrücklage in Form der „IST-Rücklage 2017“ per 31.12.2017;
15Hilfsweise wird beantragt, festzustellen, dass die vorstehend näher bezeichneten Beschlüsse nichtig sind.
16Die Beklagten beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Sie verweisen zu Beschluss I darauf, es liege im Ermessen der Wohnungseigentümer, den Zuführungsbetrag zur Instandhaltungsrücklage gemäß Wirtschaftsplan erst mit der Erstellung der Jahresabrechnung der Zweckbindung zu unterstellen. Sie meinen, die Eckdaten für einen limitierten Zugriff auf die Instandhaltungsrücklage würden eingehalten. So werde der Betrag der Höhe nach durch den im Wirtschaftsplan jeweils ausgewiesenen Zuführungsbetrag zur Instandhaltungsrücklage beschränkt. Die Zweckbindung werde durch die Jahresabrechnungsergebnisse hergestellt, so dass die freie Zweckbindung nur bis zur Erstellung der Jahresabrechnung laufe. Da der Rücklagenbestand nicht tangiert werden, könne – so meinen die Beklagten weiter – auch nicht in die eiserne Reserve eingegriffen werden.
19Sie meinen, es stelle ein Minus zum möglichen vollständigen Verzicht auf eine Rücklagenzuführung dar, wenn eine Rücklagenzuführung beschlossen werde, die erst im Rahmen der Jahresabrechnung wirksam werde.
20Zu Beschluss II meinen sie, der im Verfahren AG Köln 202 C 5719 monierte Fehler der Darstellung der Instandhaltungsrücklage sei von der Verwaltung beseitigt worden, indem nun die Abflüsse aus der Ist-Rücklage für Betriebskosten nicht verschwiegen würden, sondern offen ausgewiesen werden.
21Das Verfahren vor dem AG Köln 202 C 5/19 ist diesem Verfahren beigezogen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 10.09.2019 verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist teilweise begründet, teilweise unbegründet.
24Die angefochtene Beschluss zu TOP 3, Beschluss I widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 3 WE, der Beschluss zu TOP 3, Beschluss II ist hingegen ordnungsgemäß.
25TOP 3, Beschluss I
26Der Beschluss zu TOP 3, Beschluss I widerspricht in seiner konkreten Form den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da er die vom Gesetz vorgesehene Zweckbindung der Instandhaltungsrücklage in Bezug auf die laufenden Zuführungen aushöhlt.
27Die Instandhaltungsrücklage entsteht unmittelbar mit dem Eingang der Zahlung des Wohnungseigentümers entsprechend seiner Verpflichtungen aus dem Wirtschaftsplan in das Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dieser Beitrag ist nach § 28 Abs. 1 S. 3 WEG unmittelbar mit dem Zufluss in das Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Grund der zu Grunde liegenden Leistungsbestimmung sofort der Instandhaltungsrücklage zuzuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 04.12.2009 – V ZR 44/0, zitiert nach juris).
28Zwar kann die Notwendigkeit eines sogenannten „Vorratsbeschlusses“, der die anderweitige Verwendung gerade dieser eingehenden Zahlungen erfasst, nicht grundsätzlich verneint werden (LG Köln, Urt. v. 24.11.2011 – 29 S 111/11, zitiert nach juris), indes darf dem Verwalter kein uneingeschränkter Freibrief erteilt werden, der einer vollkommenen Aufhebung der Zweckbindung gleichkäme. Es muss klargestellt werden, dass diese nur temporär und der Höhe nach limitiert aufgehoben wird. Ein Dauerbeschluss wird selten ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (Jennißen/Jennißen, 6. Aufl. 2019, § 28 WEG Rn. 115a + b).
29Auch nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, in der kontrovers diskutiert wurde, bleibt das Gericht bei seiner Ansicht, dass nach dem hier zur Prüfung stehenden Beschlusswortlaut eine zu weitgehende Aufhebung der Zweckbindung vorliegt.
30Dem Verwalter wird ein vollumfänglicher Zugriff auf die laufenden Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage ermöglicht, wodurch es im Ergebnis dazu kommen kann, dass keinerlei Zuführung im laufenden Wirtschaftsjahr stattfindet.
31Die Leistungsbestimmung des zahlenden Miteigentümers und die dadurch erfolgende Zuordnung zur Instandhaltungsrücklage kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass nach dem Beschluss die Zweckbindung der kompletten Zuführungsbeträge vollständig aufgehoben wird und erst durch den Verwalter herzustellen ist.
32Auch wenn nach dem Beschlusswortlaut ein Zugriff auf die bereits gebundenen Mittel der Instandhaltungsrücklage ausgeschlossen wird, hat der Beschluss Einfluss auf die Bindung der Mittel, denn das Eintreten einer Bindungswirkung liegt in kompletter Höhe der Zuführungsbeträge und ohne jegliche zeitliche Begrenzung allein in den Händen des Verwalters. Ohne derartige Begrenzungen kann der Beschluss dazu führen, dass künftig keine weiteren Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage mehr gebunden werden.
33Zwar ist der Beklagtenseite zuzustimmen, dass eine Entscheidung der Mehrheit der Miteigentümer, im laufenden Wirtschaftsjahr keine Zuführung zur Instandhaltungsrücklage vorzunehmen, keinen Ermessenfehlgebrauch darstellen muss; indes ist ein derartiger Beschluss hier gerade nicht gefasst worden, das Ergebnis würde allein auf Entnahmen durch die Verwaltung beruhen.
34Auch liegt die Entscheidung darüber, ob eine Liquiditätslücke der Gemeinschaft auf dem laufenden Konto durch Erhebung einer Sonderumlage oder durch Zugriff auf die Instandhaltungsrücklage geschlossen wird, grundsätzlich im Ermessen der Wohnungseigentümer (LG Köln, Urt. v. 17.01.2019 - 29 S 88/18).
35Diese Entscheidung kann nicht in dem Umfang wie hier auf den Verwalter delegiert werden.
36TOP 3, Beschluss II
37Der Beschluss zu TOP 3, Beschluss II entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, denn die veränderte Darstellung der Instandhaltungsrücklage ist nunmehr nachvollziehbar.
38Die neue Darstellung der IST-Rücklage (Bl. 25 GA) weist den entnommenen Betrag für Betriebskosten in Höhe von EUR 2.920,09 aus, woraus sich ein Endbetrag in Höhe von EUR 131.665,03 ergibt, so dass für die Eigentümer das Verhalten der Verwaltung insoweit transparent wird.
39Die Darstellung genügt den Anforderungen des BGH, Urt. v. 04.12.2009 - V ZR 44/09. Der BGH hat ausgeführt, dass die Darstellung der Entwicklung der Rücklage den Wohnungseigentümern ermöglichen soll, die Vermögenslage ihrer Gemeinschaft zu erkennen und die Jahresabrechnung auf Plausibilität zu prüfen. Dazu muss die Darstellung sowohl die Zahlungen ausweisen, die die Wohnungseigentümer tatsächlich erbracht haben, als auch die Beträge, die sie schulden, aber noch nicht aufgebracht haben (vgl. LG Köln, Urt. v. 19.07.2018 – 29 S 275/17).
40Die hier beschlossene neue Aufstellung ermöglicht es den Wohnungseigentümern die Vermögenslage ihrer Gemeinschaft zu erkennen. Die Darstellung zeigt, welche liquiden Mittel der Gemeinschaft aus der Rücklage zur Verfügung stehen, so dass auch insoweit die Vorgaben des BGH beachtet werden.
41Es findet gerade kein einfaches Austauschen von Zahlen statt. Soweit die Klägerseite rügt, der Betrag in Höhe von EUR 2.920,09 sei beliebig, ist sie auf ihr Belegeinsichtsrecht zu verweisen.
42Auch der Hilfsantrag ist unbegründet; Nichtigkeitsgründe sind nicht erkennbar und nicht vorgetragen.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO.
44Streitwert:
45EUR 7.527,10 (§ 49a GKG)
46Beschluss I: EUR 3.269,60 (fünffaches Klägerinteresse; Anteil an jährlicher Zuführung i.H.v. 52.330,20)
47Beschluss II: EUR 4.257,50 (fünffaches Klägerinteresse; Anteil an der Rücklage)
48Rechtsbehelfsbelehrung:
49A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
501. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
512. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
52Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
53Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
54Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
55Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
56B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
57Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.