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Der Gerichtvollzieher ist auf ein Ersuchen des Insolvenzgerichts im Eröffnungsverfahren verpflichtet, Auskünfte über einen Schuldner gemäß § 802l ZPO i.V.m. § 4 InsO einzuholen, wenn der Schuldner seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.
Die zuständige Gerichtsvollzieherin … wird angewiesen, die durch das Amtsgericht Köln - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 05.02.2018 beauftragten Auskünfte gemäß § 4 InsO i.V.m. § 802l ZPO einzuholen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.
Gründe:
2I.
3Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.05.2017 beantragte die Gläubigerin (im Folgenden Erinnerungsführerin) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Dem Antrag fügte sie eine Kopie eines rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Köln vom 18.11.2016 bei, mit dem die Schuldnerin verurteilt wurde, EUR 112.825,75 an die Erinnerungsführerin zu zahlen. Ebenfalls reichte die Erinnerungsführerin einen Kostenbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 04.11.2017 ein, aus dem sich ergibt, dass die Schuldnerin eine zunächst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberlandesgerichts vom 18.11.2016 zurückgenommen hat. Ferner fügte die Erinnerungsführerin eine Kopie eines Vollstreckungsauftrags vom 28.12.2016 und eine Erklärung der Gerichtsvollzieherin C. vom 31.01.2017 bei, wonach die Schuldnerin unter der im Handelsregister eingetragenen Anschrift in der Folgezeit nicht mehr ermittelt werden konnte. Danach seien lediglich ein Briefkastenschild und keine Geschäftsräume der Schuldnerin vorgefunden worden, weshalb davon auszugehen sei, dass es sich bei der Schuldnerin um „eine Briefkastenfirma“ handle. Mit Schreiben vom 08.06.2017 versuchte das Insolvenzgericht sowohl die Schuldnerin unter der bekannten Anschrift, als auch den am 19.12.2016 neu bestellten Geschäftsführer zum Eröffnungsantrag vom 25.05.2017 anzuhören. Eine Zustellung an die Schuldnerin war nicht mehr möglich, das Insolvenzgericht erhielt den Hinweis „Empfänger unbekannt verzogen“.
4Daraufhin beauftragte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 28.06.2017 einen Sachverständigen mit der Durchführung weiterer Ermittlungen. Mit Einleitungsbericht vom 13.07.2017 teilte dieser mit, dass er über eine Internetrecherche eine Rufnummer der Schuldnerin habe ermitteln können, durch die er über eine Rufumleitung nur einen Kontakt zur ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin, nicht aber zu der Schuldnerin selbst habe herstellen können. Mit weiterem Zwischenbericht vom 31.07.2017 teilte der Sachverständige mit, dass seine Schreiben an den neuen Geschäftsführer der Schuldnerin wieder an ihn zurückgelangt seien. Eine daraufhin durchgeführte Melderegisterauskunft des Insolvenzgerichts ergab keine neuen Erkenntnisse zu einem neuen Wohnort des neuen Geschäftsführers. Mit Zwischenbericht vom 28.09.2017 teilte der Sachverständige mit, dass er Kontakt zum ehemaligen Geschäftsführer/Alleingesellschafter der Schuldnerin habe aufnehmen können, der ihm gegenüber aber angegeben habe, über keinerlei Geschäftsunterlagen mehr zu verfügen. Weitere Nachfragen zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin, seiner Geschäftsführertätigkeit sowie zum Verbleib eines Kontoguthabens auf einem zwischenzeitlich ermittelten Konto der Schuldnerin habe der ehemalige Geschäftsführer/Alleingesellschafter in der Folgezeit - entgegen zuvor anderslautender Ankündigungen - nicht mehr beantwortet. Durch Schriftsatz vom 12.10.2017 bestellte sich die ehemalige Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin für den ehemaligen Geschäftsführer/Alleingesellschafter der Schuldnerin. Sie verwies auf regelmäßige Aufenthalte des ehemaligen Geschäftsführers/Alleingesellschafters in England und in der Türkei. Die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin befänden sich nicht mehr im Besitz des ehemaligen Geschäftsführers/Alleingesellschafters, im Übrigen sei er nicht mehr befugt, Erklärungen für die Schuldnerin abzugeben. Allenfalls sei er bereit, allgemeine Auskünfte über Informationen, an die er sich noch generell erinnern könne, abzugeben. Durch Beschluss vom 19.10.2017 bestellte das Insolvenzgericht den Sachverständigen zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser teilte mit Schreiben vom 08.11.2017 mit, dass eine Mitarbeiterin nochmals die Wohnanschrift des neuen Geschäftsführers der Schuldnerin in Wuppertal aufgesucht habe. Der neue Geschäftsführer sei auf keiner der vorhandenen Klingeln namentlich aufgeführt. Mit Schreiben vom 16.01.2018 teilte der vorläufige Insolvenzverwalter mit, dass auch der ehemalige Geschäftsführer/Alleingesellschafter und seine Verfahrensbevollmächtigte trotz mehrfacher Aufforderungen keine weiteren Informationen und Unterlagen übermittelt hätten. Daraufhin beauftragte das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 05.02.2018 die zuständige Gerichtsvollzieherin, gemäß § 4 InsO i.V.m. § 802l ZPO Auskünfte über die Schuldnerin beim Bundesamt für Steuern und beim Kraftfahrt-Bundesamt einzuholen. Diesen Auftrag lehnte die Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 21.02.2018 mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 802l ZPO nicht vorlägen. In einem am 15.03.2018 zwischen dem zuständigen Insolvenzrichter und der Gerichtsvollzieherin geführten Telefonat wiederholte diese ihre Rechtsauffassung, wonach sie die geforderten Auskünfte nicht einholen müsse. Gleichzeitig kündigte sie an, sich nochmals mit der Verwaltung des Amtsgerichts Köln besprechen zu wollen.
5Mit Schriftsatz vom 23.03.2018 verwies die Verfahrensbevollmächtigte des ehemaligen Geschäftsführers/Alleingesellschafters letztmalig darauf, dass die Gesellschaft mit Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 13.12.2016 an eine englische Limited veräußert worden sei und deshalb der neue Geschäftsführer bestellt und am 19.12.2016 in das Handelsregister eingetragen worden sei. Die Schuldnerin sei bis dahin nie zahlungsunfähig gewesen. Weitere Informationen könnten nicht erteilt werden.
6Mit Schreiben vom 27.04.2018 teilte die zuständige Gerichtsvollzieherin dem Insolvenzgericht mit, dass sie nach Rücksprache mit der Verwaltung „die Entscheidung des Landgerichts Köln in anderer Sache“ abwarten wolle.
7Mit Verfügung vom 02.05.2018 berichtete das Insolvenzgericht dem Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführerin über den Sachstand der Ermittlungen und das Verhalten der Gerichtsvollzieherin.
8Durch Schriftsatz vom 30.05.2018 hat die Erinnerungsführerin Vollstreckungserinnerung gegen die Nichtausführung des gerichtlichen Beschlusses vom 05.02.2018 durch die Gerichtsvollzieherin eingelegt.
9II.
10Die seitens der Erinnerungsführerin gemäß § 766 Abs. 2 ZPO eingelegte Vollstreckungserinnerung vom 30.05.2018 ist zulässig und begründet.
111. Das Insolvenzgericht hat aufgrund des Telefonats mit der Gerichtsvollzieherin vom 15.03.2018 und aufgrund ihres Schreibens vom 27.04.2018 davon Abstand genommen, eine Nichtabhilfeentscheidung der Gerichtsvollzieherin einzuholen. Aufgrund ihres bisherigen Verhaltens ist zu erwarten, dass sie ihre Rechtsauffassung nicht ändern wird. Ein weiteres Abwarten ist mit dem Eilcharakter des Insolvenzverfahrens nicht zu vereinbaren.
12Die Erinnerungsführerin ist befugt, gegen die Ablehnung der Gerichtsvollzieherin vom 21.02.2018/27.04.2018 Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO einzulegen. Sie hat einen zulässigen Eröffnungsantrag gestellt, dessen Erfolg allgemein von den Ermittlungen des Insolvenzgerichts abhängt. Diese Ermittlungen werden durch das Verhalten der Gerichtsvollzieherin behindert. Es ist nicht auszuschließen, dass erst durch die Einholung der Auskünfte nach § 802l ZPO bislang nicht bekanntes schuldnerisches Vermögen festgestellt und durch das Insolvenzgericht gesichert werden kann, das im weiteren Verlauf zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie einer anteiligen Befriedigung auch der Erinnerungsführerin im Wege des Gesamtvollstreckungsverfahrens führen kann. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Gerichtsvollzieherin den Vollstreckungsanspruch der Erinnerungsführerin verletzt. Folglich muss es ihr als Beteiligter des Insolvenzeröffnungsverfahrens möglich sein, gegen das Verhalten der Gerichtsvollzieherin einen Rechtsbehelf einzulegen.
13Zuständig für die Entscheidung ist das Insolvenzgericht. Über eine Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 1 ZPO hat bei einem Verstoß gegen ein gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO im Eröffnungsverfahren angeordnetes Vollstreckungsverbot das Insolvenzgericht und nicht das Vollstreckungsgericht zu entscheiden. Denn durch ein bereits im Eröffnungsverfahren angeordnetes Vollstreckungsverbot wird das gemäß § 89 Abs. 1 InsO grundsätzlich erst mit Verfahrenseröffnung geltende Vollstreckungsverbot in das Eröffnungsverfahren vorgezogen. Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts folgt damit aus der größeren Sachnähe bzw. einer entsprechenden Anwendung des § 89 Abs. 3 InsO (AG Göttingen, Beschl. v. 14.08.2003 - 74 AR 16/03, NZI 2003, 612; AG Hamburg, Beschl. v. 25.09.2007 - 903a M 1240/07, ZInsO 2007, 1166; Uhlenbruck/Vallender § 21 Rz. 50; FK-InsO/Schmerbach, § 21 Rz. 271; HambK-InsO/Schröder, § 21 Rz. 60; HK-InsO/Rüntz/Laroche § 21 Rz. 44; andere Auffassung noch AG Köln, Beschl. v. 23.06.1999 - 73 IK 1/99, ZInsO 1999, 419). Dementsprechend ist die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts auch für eine Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn sich die zuständige Gerichtvollzieherin weigert, eine durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren beauftragte Hilfstätigkeit durchzuführen. Funktionell zuständig für die Entscheidung ist gemäß §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 17 RpflG der Richter.
14Die Vollstreckungserinnerung ist an keine Frist gebunden (Zöller/Stöber, ZPO, § 766 Rz. 21), so dass sie im Fall des § 766 Abs. 2 ZPO jedenfalls noch bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eingelegt werden kann.
152. Die Vollstreckungserinnerung ist begründet.
16Zu Unrecht verweigert die Gerichtsvollzieherin, die beauftragten Auskünfte nach § 802l ZPO einzuholen. Die Vorschrift des § 802l ZPO findet auch im Insolvenzverfahren dergestalt Anwendung, dass statt eines Gläubigers das Insolvenzgericht die Gerichtsvollzieherin beauftragen kann, die dort näher bezeichneten Einkünfte einzuholen (vgl. AG München, Beschl. v. 12.02.2016 - 1503 IN 339/15, NZI 2016, 541; AG Rosenheim, Beschl. v. 08.09.2016 - 605 IN 468/15, ZInsO 2016, 1954; Beth, NZI 2016, 109 ff.; Siebert, NZI 2016, 541; Markovic, ZInsO 2016, 1974; HK-InsO/Rüntz/Laroche, § 21 Rz. 51). Dies gilt über § 4 InsO nicht nur für das eröffnete Verfahren, sondern auch für das Eröffnungsverfahren. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass sich das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren der Hilfe des zuständigen Gerichtsvollziehers bedienen kann. So etwa kann ein Gerichtsvollzieher über § 4 InsO i.V.m. §§ 758 Abs. 1, 883 Abs. 1 ZPO angewiesen werden, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners nach verfahrensrelevanten Unterlagen zu durchsuchen, um damit die Sicherungsaufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO zu fördern (BGH, Beschl. v. 17.01.2008 - IX ZB 41/07, NZI 2008, 179). Entsprechendes muss auch für Hilfstätigkeiten nach § 4 InsO i.V.m. § 802l ZPO gelten, um überhaupt feststellen zu können, ob (weitere) Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO veranlasst sind.
17Den Gesetzesmaterialien zu § 802l ZPO lässt sich an keiner Stelle ein Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass die Vorschrift ausschließlich im Einzelzwangsvollstreckungsverfahren der Zivilprozessordnung zur Anwendung kommen soll bzw. über § 4 InsO nicht auch auf das Insolvenzverfahren angewendet werden kann. Der der Vorschrift des § 802l ZPO zugrundeliegende Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 06.08.2008 (BR-Drs. 304/08) erkannte die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen der Sachaufklärung als wichtigem Hilfsmittel der Vollstreckung einerseits und der Frage angemessener Rechtsfolgen einer ergebnislosen Vollstreckung andererseits. Die Möglichkeit der Informationsbeschaffung für den Gläubiger im einzelnen Vollstreckungsverfahren soll möglichst frühzeitig einsetzen und durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll gestärkt werden. Außerdem sollen die durch die moderne Informationstechnologie eröffneten Möglichkeiten zur Modernisierung des Verfahrens und zu einer Neugestaltung des Schuldnerverzeichnisses unter Wahrung datenschutzrechtlicher Belange ausgeschöpft werden, um die Justiz zu entlasten und den Schutz des Rechtsverkehrs weiter zu verbessern (BR-Drs. 304/08 vom 06.05.08 Seite 3, 64). Dabei sollen die Belange des Schuldners, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und die Notwendigkeit, einem Gläubiger die effektive Rechtsdurchsetzung im Vollstreckungsrecht zu garantieren, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dem Gläubiger soll insbesondere ermöglicht werden, die Vermögenssituation des Schuldners anhand objektiver Informationsquellen nach geeigneten Vollstreckungsobjekten zu überprüfen (BR-Drs. 304/08 vom 06.05.08 Seite 64).
18Im Allgemeinen Teil der Begründung der Beschlussempfehlung (BT-Drs. 16/13432, Seite 40 ) wird ausgeführt: „Indem dem Gerichtsvollzieher die Möglichkeit eröffnet wird, über den Schuldner bei Behörden Informationen darüber einzuholen, ob er einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, ob er über Konten oder Depots bei Kreditinstituten verfügt und ob ein Fahrzeug auf ihn als Halter zugelassen ist, wird in das Grundrecht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 GG) eingegriffen. Die vorgesehenen Regelungen dienen jedoch einem legitimen Zweck. (…) Um das Ziel zu erreichen, dem Gläubiger zur Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen effektive Erkenntnis- und Vollstreckungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sind die vorgesehenen Datenerhebungsbefugnisse erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, aus welcher anderen Quelle vollstreckungsrelevante Daten erlangt werden könnten, insbesondere wenn der Schuldner sich weigert, die Angaben zu machen, zu denen er in der Vermögensauskunft nach § 802f ZPO-E (Artikel 1 Nummer 7 des Entwurfs) verpflichtet ist. Durch wahrheitsgemäße und vollständige Angaben oder seine Bereitschaft zu einer gütlichen Erledigung der Vollstreckungsangelegenheit hat es der Schuldner zudem zu einem erheblichen Teil selbst in der Hand, den Grundrechtseingriff abzuwehren.“
19Diese Überlegungen des Gesetzgebers sind auf das Insolvenzverfahren zu übertragen. Es besteht ein zwingendes Bedürfnis für einen Gleichklang zwischen dem Einzel- und dem Gesamtvollstreckungsverfahren und einer Möglichkeit auch des Insolvenzgerichts, im Eröffnungsverfahren an entsprechende Informationen zu kommen, wenn eine Schuldnerin oder - wie hier - ihr Geschäftsführer untergetaucht ist und seinen Auskunft- und Mitwirkungspflichten nach § 20 Abs. 1 InsO nicht nachkommt bzw. es sich nach Aktenlage (im Einzelfall ggf. sogar nach vorangegangener Sitzverlegung) aufdrängt, dass dem Verfahren eine „Unternehmensbestattung“ mit möglicherweise sogar strafbaren Handlungen zugrunde liegt. Nicht nachvollziehbar ist es, dass es dem Insolvenzgericht, anders als dem Gläubiger im Einzelzwangsvollstreckungsverfahren, aufgrund der ablehnenden Haltung der zuständigen Gerichtsvollzieherin nur mit großer zeitlicher Verzögerung und mit deutlich höherem Arbeits- und Kostenaufwand möglich sein soll, Ermittlungen über einen vorläufigen Insolvenzverwalter durchführen zu lassen, um an Informationen über massewerthaltige Fahrzeuge oder über Kontoverbindungen zu kommen, die dann wiederum zu neuen Ermittlungsansätzen führen können. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass Ermittlungserfolge in diesem Fall sogar häufig vom Zufall abhängen. Entsprechende Anfragen durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter bei den in § 802l ZPO genannten Stellen werden oftmals gar nicht oder aber erst nach mehreren Wochen beantwortet. Auch Anfragen des Insolvenzgerichts selbst bleiben häufig schlicht unbeantwortet. Demgegenüber hat die zuständige Gerichtsvollzieherin die Möglichkeit, die Informationen i.S.d. § 802l ZPO in wenigen Arbeitsschritten über eine spezielle Software mit Abfragemaske innerhalb kürzester Zeit einzuholen. Hier zeigt sich auch, dass das Insolvenzgericht dem Eilcharakter des Insolvenzverfahrens ohne entsprechende Anwendung des § 802l ZPO bzw. Einbindung der Gerichtsvollzieherin nicht gerecht werden kann.
20Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Erinnerungsführerin hier einen zulässigen Eröffnungsantrag auf Grundlage eines gegen die Schuldnerin erwirkten Urteils gestellt und eine Zahlungsunfähigkeit aufgrund bereits erfolglos durchgeführter Vollstreckungshandlungen glaubhaft gemacht hat. Danach wäre es ihr möglich, die Auskünfte nach § 802l ZPO im Wege des Einzelzwangsvollstreckungsverfahrens selbst einzuholen. Dann aber muss es dem Insolvenzgericht erst recht möglich sein, bei Vorliegen eines zulässigen Eröffnungsantrags derselben Gläubigerin im Wege des Gesamtvollstreckungsverfahrens entsprechende Abfragen über § 4 InsO zu veranlassen.
21Die Ermittlungen des Insolvenzgerichtes sind auch verhältnismäßig. Die Erhebung von Kontostammdaten hat das Bundesverfassungsgericht als nicht besonders persönlichkeitsrelevant angesehen. Die erlangte Information hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit der Schuldnerin (BVerfG, Beschl. v. 13.07.2007 - 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05, BVerfGE 118, 168, 198). Diese Erwägungen sind im Grundsatz auch auf die Informationen über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und über Familienname, Vorname oder Firma und Adresse des Arbeitgebers übertragbar. Auch wenn diese Daten dem einfachgesetzlichen „Sozialgeheimnis“ unterliegen, kommt ihnen keine Sonderstellung im Rahmen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu. Gleiches gilt für die Fahrzeug- und Halterdaten (BT-Drs. 16/13432, Seite 41). Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzgericht über die Einbindung der Gerichtsvollzieherin Informationen ermittelt, die die Schuldnerin gemäß § 20 Abs. 1 InsO ohnehin vollständig und wahrheitsgemäß zu offenbaren hat. Wären Geschäftsräume vorhanden, könnte das Insolvenzgericht - wie oben dargelegt - bei Weigerung des Geschäftsführers sogar deren Durchsuchung anordnen bzw. den Geschäftsführer - soweit greifbar - gemäß §§ 20 Abs. 1, 97, 98 Abs. 2, 101 InsO vorführen und als ultima ratio in Haft nehmen lassen.
22Soweit bei der für § 802l ZPO zu verwendenden Software/Abfragemaske ein Vollstreckungstitel anzugeben ist, besteht für die zuständige Gerichtsvollzieherin die Möglichkeit, das Datum und das Aktenzeichen des jeweiligen Beschlusses des Insolvenzgerichts über die Beauftragung der Hilfstätigkeit einzutragen. Ein Hinderungsgrund für die Umsetzung der entsprechenden Abfrage ergibt sich auch hieraus nicht.
23Die auf das Insolvenzverfahren zu übertragenden Voraussetzungen des § 802l ZPO sind vorliegend erfüllt: Die Ermittlungsmöglichkeiten sind erschöpft. Die Schuldnerin ist postalisch nicht zu erreichen. Der neue Geschäftsführer ist unbekannten Aufenthaltes, ggf. sogar untergetaucht. Der ehemalige Geschäftsführer/Alleingesellschafter der Schuldnerin behauptet, nicht mehr in der Lage zu sein, verfahrensfördernde Informationen zu erteilen. Die Geschäftsunterlagen befinden sich nach seinen Angaben nicht mehr in seinem Besitz. Die neue Alleingesellschafterin, eine englische Limited mit Sitz in Birmingham, die ihre Gesellschaftsanteile an der Schuldnerin ca. 6 Monate vor Insolvenzantragstellung erworben hat, ist unerreichbar. Damit kommt die Schuldnerin ihren Auskunftspflichten bzgl. ihres Vermögens (§§ 20, 97 InsO) nicht nach, was einer Nichtabgabe der Vermögensauskunft bzw. einer voraussichtlich nicht zu erwartenden vollständigen Befriedigung des Gläubigers i.S.d. § 802l ZPO bei unmittelbarer Anwendung der Vorschrift gleich kommt. Die Forderung der antragstellenden Gläubigerin übersteigt die Wertgrenze von EUR 500,00.
24Sind die Voraussetzungen des § 802l ZPO - wie vorliegend - erfüllt, so liegt die Einholung der Auskünfte nicht im Ermessen der beauftragten Gerichtsvollzieherin.
25Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Ohne Bedeutung ist es, dass die Vollstreckungserinnerung durch die Weigerung der Gerichtsvollzieherin veranlasst worden ist. Diese ist Organ der Zwangsvollstreckung und kann deshalb in der Regel nicht Partei (und Kostenschuldner) eines Rechtsbehelfsverfahrens sein. Die Verfahrenskosten sind danach der unterliegenden Partei aufzuerlegen (BGH, Beschl. v. 19.05.2004 - IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979). Dies ist vorliegend die Schuldnerin.
26Rechtsmittelbelehrung:
27Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 793 ZPO gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
28Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, oder dem Beschwerdegericht, Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
29Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln oder dem Landgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
30Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
31Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
32Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
33Köln, 07.06.2018
34Amtsgericht