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Der Beklagte wird verurteilt, die im Dachgeschoss des Objekts G. Straße 5 in Köln gelegene Wohnung, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Diele, Dusche/Bad nebst dazugehörigem Kellerraum zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
Der Beklagte erhält eine Räumungsfrist bis zum Ablauf des 31.12.2012.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Räumung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.070,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Räumung einer Wohnung wegen Eigenbedarfs des Klägers. Der Beklagte mietete die streitgegenständliche 4-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss des Hauses G. Str. 5 in Köln von der damaligen Eigentümerin Fr. C mit Mietvertrag vom 08.05.1982. Ein weiterer Mietvertrag datiert vom 21.12.1997 (Bl. 75-84 d.A.), mit diesem wurde ein Dachboden hinzu gemietet. Nach dem dortigen § 2 kann das Mietverhältnis im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gekündigt werden(Bl. 77 rück d.A.). Auf S. 24 des Mietvertrages ist u.a. § 565 BGB a.F. (vor 2001) mit Kündigungsfristen verkürzt zitiert (Bl. 81 rück d.A.).
3Die Fa. XXX Immobilien … (XXX) erwarb das Hausgrundstück und teilte das Objekt in Wohnungseigentum auf (Teilungserklärung vom 10.11.2006). Folgend veräußerte die XXX diese Wohnung sowie eine weitere im gleichen Haus an den Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 26.09.2007 (Bl. 41-49 d.A.: Preis für hiesige Wohnung 109.500,00 EUR, für andere Wohnung: 500,00 EUR). Die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch erfolgte am 05.03.2008 (vgl. Eintragungsnachricht Bl. 7 d.A.). Die Grundmiete beträgt derzeit 345,00 EUR netto.
4Der Kläger beantragte am 09.01.2008 (Bl. 122 f d.A.) und erhielt am 19.02.2008 eine Baugenehmigung zum Ausbau der Wohnung nebst Errichtung von Dachgauben (Anl K11, Bl. 117 d.A.), welche bis zum 20.04.2012 verlängert wurde. Eine weitere Verlängerung lehnte das Bauamt mit Schreiben vom 02.03.2012 ab (Anlage K4, Bl. 53-55 d.A.).
5Ungefähr zur gleichen Zeit wie der Kläger erwarb der Zeuge F die Dachgeschosswohnung im Nachbarhaus, kündigte das dortige Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, zog aber nicht ein, sondern verkaufte später die Wohnung wieder.
6Der Zeuge F betrieb ein Unternehmen, welches Wohnungen ankaufte, umbaute und wieder verkaufte. Auf der Internetseite des Unternehmens war neben der Wohnung des Zeugen F auch die des Klägers dargestellt (vgl. Anlage B1, Bl. 36-39 d.A.). Der Kläger war zeitweise bei diesem Unternehmen angestellt.
7Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 03.04.2008 die fristgerechte Kündigung gegenüber dem Beklagten wegen Eigenbedarfs (Anlage K2, Bl. 9 f. d.A.), die per Klage durchgesetzt werden sollte (AG Köln 224 C 6/09). Dort nahm aber der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 04.03.2009 zurück.
8Mit Rechtsanwalts-Schreiben vom 14.03.2011 erklärte der Kläger erneut eine Kündigung, welche er mit Eigenbedarf begründete (auf Anlage K3, Bl. 11 d.A. wird Bezug genommen). Im Wortlaut heißt es, „Namens und im Auftrage sowie unter Bezugnahme auf die im Original beigefügte Vollmacht erklären wird daher hiermit die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Unserer Berechnung nach ist dies der 31.12.2011.“
9Mit Schreiben des Mietervereins vom 28.10.2011 lies der Beklagte die Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfs bestreiten.
10In der vorliegenden Klageschrift vom 16.11.2011, welche dem Beklagten am 27.01.2012 zugestellt wurde (Bl. 17 d.A.) wird vorsorglich nochmals eine ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt erklärt (Bl. 5 d.A.).
11Im Verlauf des Verfahrens zahlte der Beklagte die Miete für Juli 2012 nicht, woraufhin der Kläger eine Abmahnung erteilte (Bl. 153 d.A. – Schriftsatz vom 10.07.2012). Darauf folgend zahlte der Beklagte die Miete für August 2012 nur zu 204,00 EUR. Mit Schriftsatz vom 27.08.2012, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 05.09.2012 gerichtlich zugestellt, erklärte der Kläger die fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung wegen Zahlungsverzuges (Bl. 160 d.A.). Mit Schriftsatz vom 06.09.2012 widerspricht der Beklagte der Kündigung und beruft sich auf Mängel der Wohnung.
12Der Kläger behauptet, die Wohnung zur Eigennutzung erworben zu haben. Er habe die Wohnung erworben, um mit seiner damaliger Lebensgefährtin, der Zeugin N, einen gemeinsamen Hausstand zu gründen. Die Rücknahme der damaligen Klage sei nur erfolgt, weil seinerzeit die Vorschrift § 577a Abs. 1 BGB übersehen worden sei. Die streitgegenständliche Wohnung habe eine größere Wohnfläche, eine bessere Lage und er wolle sich die Mietzahlungen einsparen. Er bewohne derzeit 54qm große Wohnung in Holweide und er wolle nach wie vor die streitgegenständliche Wohnung selbst nutzen und sie mit seiner aktuellen Lebensgefährtin, der Zeugin S beziehen.
13Der Kläger beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, die im Dachgeschoss des Objekts G. Str. 5 in Köln gelegene Wohnung, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Diele, Dusche/Bad nebst dazugehörigem Kellerraum zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen
17Er bestreitet den Eigenbedarf. Es gehe dem Kläger nur darum, den Wohnraum herzurichten und teuer zu verkaufen. Er behauptet, kurz nach dem Eigentumserwerb durch den Kläger habe er von einem Hr. F einen Anruf erhalten, welcher ihm erklärt habe, dass er ja in wenigen Monaten aus der Wohnung raus sei. Auch sei die Wohnung dem Zeugen C im Sommer 2011 wieder zum Kauf angeboten worden.
18Weiter meint der Beklagte, der Kläger sei an der Kündigung wegen der am 10.02.2012 in Kraft getretenen Kündigungssperrfristverordnung NRW vom 24.01.2012 gehindert. Außerdem belaufe sich die Kündigungsfrist auf 12 Monate, da im Mietvertrag von 1991 die damaligen gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart worden seien. Die SperrfristVO sei aber vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft getreten.
19Abschließend meint er, die Kündigung stelle eine Härte dar. Hierzu beruft es sich auf gesundheitliche Probleme (künstliches Kniegelenk sowie Depressionen), eine laufende Umschuldung zum Bürokaufmann (vgl. Anlage B4, Bl. 50 d.A.) und darauf, dass er bei seinem geringen Gehalt von 1.200,00 EUR keine adäquate Wohnung erhalten. Zusätzlich sei er durch die lange Wohndauer in seiner Umgebung verwurzelt.
20Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.05.2012 (Bl. 71 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen N N, O S, X I, U F, S E und QK C. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.09.2012 verwiesen (Bl. 170-186 d.A.). Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Räumungsklage ist begründet.
23Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung der Mietwohnung aus § 546 Abs. 1 BGB, denn er hat das Mietverhältnis wirksam gekündigt.
24Die neue Kündigungssperrfristverordnung NRW (KSpV NRW § 1 i.V.m. § 577a Abs. 2 S. 2 BGB) steht den Eigenbedarfskündigungen vom 14.03.2011 sowie vom 16.11.2011 (Schriftsatzkündigung) nicht entgegen.
25Eine ordentliche Kündigung wegen der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB genannten Gründe vor Ablauf der Sperrfrist ist grundsätzlich unwirksam. Es kann auch nicht zum Ablauf der Sperrfrist gekündigt werden (BGH NJW 2003, 3265). Erst nach Ablauf der Sperrfrist ist eine Kündigung möglich. Die gesetzliche Sperrfrist gem. § 577a Abs. 1 BGB beträgt 3 Jahre seit Veräußerung der umgewandelten Wohnung. Dabei beginnt die Frist mit Eintragung des Erwerbers im Grundbuch (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, MietR 10. Aufl. 2011, § 577a Rn. 15), hier also mit dem 05.03.2008.
26Daraufhin endete die gesetzliche Sperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB mit Ablauf des 05.03.2011, so dass diese der Kündigung vom 14.03.2011 nicht entgegen stehen konnte.
27Die KSpV NRW vom 24.01.2012 ist erst am 10.02.2012 in Kraft getreten.
28Gem. Art. 71 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VerfNRW bedürfen Rechtsverordnungen zu ihrer Wirksamkeit der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt. Gem. Art. 71 Abs. 3 VerfNRW treten Rechtsverordnungen – soweit nichts anderes bestimmt ist – mit dem 14. Tag nach Ausgabe der die Verkündung enthaltenden Nummer des Gesetz- und Verordnungsblattes in Kraft. Die KSpV NRW bestimmt in § 3 S. 1, dass sie mit dem Tag nach der Verkündung in Kraft treten soll. Verkündet wurde die Verordnung in der Ausgabe Nr. 4 für 2012 vom 09.02.2012 (S. 81-94) des GV. NRW. D.h. die KSpV NRW war bei Zugang der Kündigung vom 14.03.2011 sowie bei Zugang der Kündigung in der Klageschrift (27.01.2012 – vgl. Zustellungsurkunde Bl. 17 d.A.) noch nicht in Kraft.
29Damit konnte die KSpV NRW das Wirksamwerden der Kündigungen nicht verhindern. Eine Kündigung des Mietverhältnisses wird als empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang dem beim Empfänger wirksam. Eine nachträglich erlassene VO gem. § 577a Abs. 2 S. 2 BGB kann die Kündigungsbeschränkung nicht verlängern. Dies wäre eine Rückwirkung zu Lasten des Vermieters bzw. Eigentümers, die sich unter Art. 14 GG nicht rechtfertigen ließe. Die KSpV NRW hätte nur dann einen beschränkenden Effekt, wenn sie vor dem Zugang der Kündigung in Kraft getreten wäre. Es ist nämlich auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung abzustellen, d.h. mit Zugang beim Mieter, denn auch bei § 577a Abs. 1 kommt es auch nicht auf Abgabe, sondern Zugang der Erklärung an (Staudinger/Rolfs, § 577a Rn. 17).
30Im hiesigen Fall war die Kündigung bereits zugegangen und damit – vorbehaltlich der Begründung – wirksam erfolgt. Sie kann dann nachträglich nicht unwirksam werden, wenn nach Zugang eine Sperrfristverordnung in Kraft tritt. Die Kündigungsfrist i.S.v. § 573c Abs. 1 BGB verhindert im Gegensatz zu § 577a BGB (= Kündigungsbeschränkung) nicht das Wirksamwerden der Kündigungserklärung selbst, sondern schiebt nur den Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses nach hinten hinaus. Kündigungsfrist ist der Zeitraum zwischen dem Tag, vor dessen Ablauf die Kündigung spätestens zugehen muss (Kündigungstag) und dem Kündigungstermin, das ist der Tag, an dem das Mietverhältnis enden soll. Schon das Gesetz differenziert folglich zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und Kündigungsbeschränkung.
31In formeller Hinsicht war bereits die Kündigung vom 14.03.2011 wirksam und hinreichend begründet.
32Dem steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem Kündigungsschreiben die „fristlose Kündigung“ ausgesprochen hat. Im Rahmen der Auslegung des Schreibens ist zu sehen, dass auf Eigenbedarf Bezug genommen, eine Kündigungsfrist bis zum 31.12.2011 angenommen sowie auf § 574 BGB verwiesen wird. Daraufhin war für den Beklagten, der bereits am 03.04.2008 eine fristgerechte Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten hat, hinreichend erkennbar (§ 133, 157 BGB), dass eine fristgerechte Kündigung erklärt werden sollte und die Worte „fristlose Kündigung“ wohl versehentlich genannt wurden.
33Weiter enthält die Kündigung vom 14.03.2011 die hinreichenden Kerntatsachen des Kündigungsgrundes Eigenbedarf. Hier ist ausreichend die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben (vgl. BGH NZM 2010, 400; NZM 2011, 706, 707).
34In Bezug auf die Kündigung vom 14.03.2011 ist es unerheblich, dass im Mietvertrag von 1991 auf die Kündigungsfristen von vor 2001 Bezug genommen wird. Denn selbst wenn über Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB eine 12monatige Kündigungsfrist gelten würde, wäre diese zum Entscheidungszeitpunkt abgelaufen. Ein Einfluss auf die KSpV NRW liegt – wie gezeigt – nicht vor.
35Zum Kündigungsgrund kann sich der Kläger auf sog. Eigenbedarf stützen.
36Der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Haushalt gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Hierfür ist es ausreichend, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine der im Gesetz genannten Personen hat (BGH NJW 2005, 2395, 2396). Hiervon kann ausgegangen werden, wenn der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, die Räume selbst als Wohnung zu nutzen oder diese einem Angehörigen zu überlassen (Nutzungs-/Überlassungswille) und wenn diese Absicht auf vernünftigen Erwägungen beruht (Nutzungs-/Überlassungsinteresse) (Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 10. Aufl. 2011, § 573 Rn. 42). Eine Notfall, Mangel- oder Zwangslage müssen nicht vorliegen (Palandt-Weidenkaff, BGB, 70. Aufl. 2011, § 573 Rn. 28). Die Interessen des Mieters am Erhalt der Wohnung sind nicht im Rahmen des § 573 BGB sondern ausschließlich auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung nach § 574 BGB zu berücksichtigen (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O.).
37Der Entschluss des Vermieters, ihm gehörenden Wohnraum selbst zu nutzen, ist grundsätzlich zu akzeptieren und der Rechtsfindung zu Grunde zu legen (BVerfG NJW 1989, 970; NJW 1995, 1480, 1481; Palandt-Weidenkaff, § 574 Rn. 23). Das gilt auch für sog. „erkauften Eigenbedarf“, wenn also der Vermieter – wie hier – erst kurz vor der Eigenbedarfskündigung das Hausgrundstück bzw. die Wohnung gekauft hat (Schmidt-Futterer/Blank, § 573 Rn. 46). Wer finanzielle Mittel dazu verwendet, eine Eigentumswohnung zu erwerben, um in dieser selbst zu wohnen, weil er schlichtweg “Herr seiner eigenen vier Wände” sein will, gestaltet sein Leben vernünftig und nachvollziehbar. Indem ein Vermieter statt dessen wirtschaftlich in die Rolle eines Eigentümers gedrängt wird, der sein Wohnungseigentum lediglich als Kapitalanlage nutzt, wird ihm eine Lebensgestaltung aufgezwungen, die nicht die seine ist (vgl. BVerfG, NJW 1994, 309, 310).
38Nach bisheriger Durchführung der Beweisaufnahme (nach Vernehmung von 5 der 8 Zeugen laut Beweisbeschluss vom 24.05.2012) ist das Gericht bereits davon überzeugt, dass bei dem Kläger Eigennutzungswille und –interesse vorliegen.
39Hat das Gericht bereits seine Überzeugung nach einem Teil der Beweisaufnahme gewonnen, brauchen die übrigen Beweismittel nicht mehr durchgeführt zu werden. Dies gilt hier auch deshalb, weil der Gegenzeuge des Beklagten bereits vernommen wurde.
40Schon nach der bisherigen Beweisaufnahme spricht für Nutzungswille und –interesse bereits ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Insbesondere aus den Aussagen der Zeuginnen S und N sowie des Zeugen F ergeben sich hinreichende Umstände, die den Schluss auf den inneren Willen des Klägers zulassen.
41So hat die Zeugin S, die Lebensgefährtin des Klägers, glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet, dass sie mit dem Kläger in die streitgegenständliche Wohnung einziehen und dort eine Familie gründen will. Das Gericht hat aus dem persönlichen Eindruck von der Zeugin die Überzeugung gewonnen, dass dieser geäußerte Nutzungswille ihrem inneren Wunsch entspricht.
42Die Zeugin S hat erklärt, sie sei seit 3 Jahren mit dem Kläger in einer Beziehung. Zu Anfang habe der Kläger von der streitgegenständlichen Wohnung gesprochen, dass dieser sie selbst nutzen wolle. Im weiteren Verlauf der Beziehung sei dann davon gesprochen worden, dass sie, also die Zeugin S, mit in die Wohnung einziehen solle. Der persönliche Eindruck von der Zeugin lässt hinreichend darauf schließen, dass die Beziehung zum Kläger hinreichend gefestigt ist.
43Der hiesigen Überzeugungsbildung steht nicht entgegen, dass die Zeugin nicht sagen konnte, dass man bereits nach konkreten Möbeln geschaut hat. Allerdings konnte sie ausführen, dass zunächst ein Ausbau der Wohnung erfolgen soll, insbesondere dass das Dach abgenommen und Dachgauben eingesetzt werden sollten. Wenn noch solche umfangreichen Arbeiten bevor stehen, ist es nachvollziehbar, dass man sich noch nicht mit der Inneneinrichtung eingehend beschäftigt hat.
44Daneben hat die Zeugin S überzeugend bekundet, dass sie selbst in einer 2-Zimmer-Wohnung mit 60qm wohne, während der Kläger eine 2-Zimmer-Wohnung mit 52-54qm bewohne. Es ist eine völlig vernünftige Entscheidung, in eine eigene Wohnung zu ziehen, um Mietzahlungen einzusparen, besonders wenn beide Partner der Beziehung je eine eigene Wohnung bewohnen, welche jeweils nach der Lebensplanung zur Familiengründung nicht groß genug erscheinen.
45Die aktuellen Wohnverhältnisse des Klägers ergeben sich neben der Aussage der Zeugin S aus den Angaben der Zeugin N sowie dem vorgelegten Mietvertrag (Anlage K6, Bl. 100-103 d.A.).
46Dass die Zeugin N in dem v.g. Mietvertrag als Mitmieterin benannt ist, erklärt sich daraus, dass der Kläger und die Zeugin N damals die Wohnung gemeinsam gemietet haben und die Zeugin N zwischenzeitlich ausgezogen ist, ohne dass der Vermieter die Zeugin aus dem Mietverhältnis entlassen hätte.
47Die Zeugin N konnte das Gericht davon überzeugen, dass schon bei der ersten Kündigung von April 2008 ein Eigennutzungswunsch vorlag. Sie hat glaubhaft bekundet, mit dem Kläger zu der Zeit schon über 10 Jahre zusammen gewesen zu sein und geplant zu haben, mit dem Kläger in die Wohnung einzuziehen und eine Familie zu gründen. Bei der Übergabe der ersten Kündigung sei sie dabei gewesen.
48Die Zeugin hat weiter nachvollziehbar geschildert, warum sie seinerzeit aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, nämlich dass nicht hinreichend Platz vorhanden war, um ein Arbeitszimmer für das Studium zu haben. Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 11.09.2012 (Bl. 188 d.A.) hierzu meint, die Zeugin sei ausgezogen, weil die Beziehung schon 2007 beendet gewesen sei, findet dies in dem Beweisergebnis keine Stütze. Der Hinweis des Beklagten auf die Angabe der Zeugin I, die Beziehung des Klägers mit der Zeugin N sei seit ca. 4 Jahren beendet, ist nicht zwingend. Berechnet man den Zeitraum zurück ab dem Zeitpunkt der Beweisaufnahme, liegt das Ende der Beziehung ca. 4 Monate nach der ersten Kündigung.
49In Zusammenschau mit den Angaben der Zeugin N mit den anderen Zeugen erschließt sich für das Gericht, dass der damalige Eigennutzungswunsch auch heute noch besteht, nur dass der Kläger mit seiner neuen Lebensgefährtin die Wohnung nutzen will.
50Gestützt wird die gerichtliche Überzeugung durch die Aussage des Zeugen F.
51Dieser hat bekundet, dass der Kauf seiner Wohnung sowie der des Klägers erfolgt ist, um diese selbst zu bewohnen. In Gesprächen mit dem Kläger sei immer wieder aufgekommen, dass dieser die streitgegenständliche Wohnung selbst beziehen und umbauen wolle. Insbesondere sei die Wohnung nicht über seine Immobilienfirma gekauft worden und er habe dem Kläger nur die Mitteilung gegeben, dass die streitgegenständliche Wohnung über die XXX verkauft werde.
52Dass er seine eigene Dachgeschosswohnung im Nachbarhaus nach Eigenbedarfskündigung nicht bezogen sondern nach Umbau verkauft hat, konnte er nachvollziehbar dadurch erklären, dass seine Ehefrau während der Bauphase ein Kind erwartete und diese nicht in eine Wohnung im 5. OG ohne Aufzug einziehen wollte. Diese Angabe konnte die Zeugin N im Übrigen aus eigenem Wissen bestätigen.
53Mit den Bekundungen des Zeugen F konnte der Kläger auch die Vorwürfe des Beklagten ausräumen, die streitgegenständliche Wohnung sei nur zum Umbau mit anschließendem Weiterverkauf erworben worden.
54Dass die streitgegenständliche Wohnung auf der Internetseite der Immobilienfirma des Zeugen F (welche nicht mehr existiert) seinerzeit aufgeführt war, konnte der Zeuge nachvollziehbar damit erklären, dass seine Wohnung und die des Klägers zu Werbezwecken aufgeführt waren, da er noch über keine anderen Objekte verfügte.
55Hinzu kommt, dass die Behauptung des Beklagten, dem Zeuge C sei die streitgegenständliche Wohnung im Jahre 2011 zum Verkauf angeboten worden sei, sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt hat. Weder der Kläger noch der Zeuge F haben den Zeugen C auf die Wohnung angesprochen.
56Der Zeuge C konnte nur bestätigen, dass er zwischen September 2009 und April 2010 eine Dachgeschosswohnung aus den Häusern Nr. 1, 3 oder 5 der G. Straße im Internet als Inserat gesehen habe. Aus den Bildern und dem Wissen, dass die Wohnungen in der Nr. 1 und 3 sich im Umbau befanden, habe er den Schluss gezogen, bei dem Inserat müsse es sich um die streitgegenständliche Wohnung handeln. An den konkreten Inserenten konnte der Zeuge sich nicht mehr erinnern.
57Die Schlussfolgerung des Zeugen C ist nicht zwingend, so dass nicht sicher davon ausgegangen werden kann, der Kläger oder ein Dritter habe zwischen der ersten und der zweiten Kündigung die Wohnung zum Verkauf im Internet angeboten. Nach Angaben des Zeugen C war in der Annonce nur die gesamte Häuserfront der G. Str. Nr. 1-5 abgebildet.
58Nicht dagegen spricht zwar, dass der Zeuge F seine Wohnung auch im Internet angeboten hat. Nach seiner Bekundung war dies aber deutlich früher und zwar in 2008. Allerdings hat der Zeuge F weiter bekundet, dass die Dachgeschosswohnung in der Haus-Nr. 1 vor ca. 1 bis 1 ½ Jahren im Internet angeboten worden ist. Damit kann durchaus die von dem Zeugen C gesehene Internetanzeige sich auch auf diese Wohnung bezogen haben.
59Keine begründeten Zweifel konnte die Anlage B2 (Bl. 40 d.A.) wecken. Aus dieser geht nur hervor, dass ein Hr. I die Wohnung in der G. Str. 3, also die des Zeugen F, zum Kauf im Internet angeboten hat. Das Angebot bezieht sich nicht auf die streitgegenständliche Wohnung.
60Die Behauptung des Telefonats mit dem Zeugen F konnte der Beklagte nicht nachweisen.
61Weiterhin haben auch der Zeuge E sowie die Zeugin I (Mutter des Klägers) bekundet, dass der Kläger ihnen gegenüber erzählt habe, er wolle die Wohnung für sich nutzen. Dass aber beide Zeugen auf Rückfrage keine konkreten Daten oder Umstände über Gespräche mit dem Kläger angeben konnten, spricht nicht für aber auch nicht gegen den Nutzungswunsch des Klägers.
62Indizien, die für vorgetäuschten Nutzungswillen sprächen, sind für das Gericht nicht ersichtlich.
63Weder der unter dem Az. AG Köln, 222 C 237/12 entschiedene Nebenkostenstreit, noch die nunmehr von dem Beklagten ausgebrauchte Mietminderung wegen Mängel, die darauf folgende fristlose Kündigung vom 27.08.2012 (Bl. 160 d.A.) noch die durch Klagerücknahme vom 04.03.2009 beendete Räumungsklage aufgrund Eigenbedarfs zum Az. AG Köln 224 C 6/09 indizieren einen vorgetäuschten Nutzungswillen.
64Der Nebenkostenstreit ist erst nach erklärter Kündigung aufgetreten und es ist nicht ungewöhnlich, dass Mieter und Vermieter in Streit über die Nebenkosten geraten. Es war insoweit auch die erste gerichtlich bekannte Nebenkostenauseinandersetzung zwischen den Parteien. Auch die Mietminderung und die vorherigen Mängelrügen stammen aus einer Zeit nach der Kündigung vom 14.03.2011.
65Die Klagerücknahme in dem Verfahren 224 C 6/09 kann durchaus durch die übersehene Sperrfrist des § 577a BGB veranlasst worden sein. Dass damals bereits ein Eigenbedarf vorgelegen hat, hat die Zeugin N überzeugend bekundet (s.o.).
66Der Kündigung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger neben der streitgegenständlichen Wohnung im gleichen Haus auch eine andere Wohnung mit dem notariellen Mietvertrag zum Preis von 500,00 EUR gekauft hat. Denn insoweit hat der Kläger unwidersprochen dargetan, dass es sich dabei um einen Speicherraum handele, der sich mangels Dämmung, Fußboden und Beheizbarkeit nicht zum wohnen eigne (vgl. Bl. 88 d.A.). Damit greift die sog. Anbietpflicht einer Ausweichwohnung im selben Gebäude (vgl. z.B. BGH NZM 2011, 30) nicht ein.
67Daraus erklärt sich auch wiederum die Diskrepanz zwischen den Kaufpreisen. Der Beklagte konnte somit nicht überzeugend dartun, dass mit der Höhe des Kaufpreises sein Vorkaufsrecht aus § 577 BGB ausgehebelt werden sollte. Weiter hat der Beklagte aber auch nicht dargelegt, wie er einen etwaigen Kauf der Wohnung finanziert hätte.
68Der somit nachgewiesene Eigennutzungswunsch des Klägers stellt sich auch als vernünftig dar. Er hat dargelegt, dass die von dem Beklagten gezahlte Miete unter den Kredittilgungsraten liegt. Daneben muss der Kläger die Miete für seine derzeit gemietete Wohnung aufbringen. So ist es nachvollziehbar, dass er in seinen eigenen vier Wänden wohnen will, um Miete einzusparen.
69Der Beklagte kann sich zur Verteidigung gegen die Kündigung nicht mit Erfolg auf Härtegründe i.S.v. § 574 BGB berufen.
70Gem. § 574 Abs. 2 BGB liegt eine Härte vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Dabei kann der Mieter verlangen, dass die Ersatzwohnung hinsichtlich ihrer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage seinen bisherigen Lebensumständen entspricht. Grundsätzlich muss der Mieter keine wesentliche Verschlechterung seiner bisherigen Wohnverhältnisse hinnehmen; auf eine wesentliche Verbesserung hat er i.d.R. keinen Anspruch (Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rn. 33). Soweit es die finanziellen Verhältnisse des Mieters zulassen, kann er verpflichtet sein, einen Makler zu beauftragen (Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rn. 32).
71Der Vortrag des Beklagten ist nicht geeignet, überwiegende Härtegründe i.S.v. § 574 Abs. 2 BGB zu begründen. Er war seit Erhalt der Kündigung verpflichtet, sich um Ersatzwohnraum zu bemühen (vgl. OLG Köln, ZMR 2004, 33). Dabei durfte er sich bei der Suche nicht auf seine bisherige Wohngegend beschränken (vgl. LG Hamburg, ZMR 2003, 265), sondern musste sich auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen (Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rn. 34). Substantiierte Darlegungen, welche Bemühungen der Beklagte bislang angestellt hat, um eine neue Wohnung zu finden, fehlen. Der Mieter muss den Umfang seiner Ersatzraumbemühungen darlegen und beweisen. Hierzu muss er substantiiert vortragen, was er im Einzelnen getan hat, um eine Ersatzwohnung zu erhalten. Erforderlich ist insoweit die Angabe konkreter nachprüfbarer Tatsachen. Allgemein gehaltene Hinweise auf nicht näher bezeichnete Aktivitäten, auf das knappe Wohnungsangebot, auf Behördenauskünfte oder auf Presseberichte über das unzureichende Wohnungsangebot genügen – wie allgemein – nicht (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rn. 37 m.w.N.).
72Nicht für eine Härte spricht der Umstand der Umschulung. Nach der Anlage B4 (Bl. 50 d.A.) soll die Umschulung Ende Juni 2012 abgeschlossen sein. Dass und warum die Umschulung andauert, erklärt der Beklagte nicht.
73Die lange Mietdauer und eine hierdurch begründete Verwurzelung in der Nachbarschaft führen für sich alleine nicht zu einer Härte (LG Berlin MM 1999, 351; Schmidt-Futterer/Blank § 574 Rn 41), ansonsten würde sich ein faktischer Kündigungsausschluss nach einer gewissen Wohndauer ergeben, den das Gesetz nicht vorsieht. Nach dem Gesetz sollen je nach Wohndauer sich nur die Kündigungsfristen verlängern. Somit ist in diesen Fällen stets zusätzlich die Gefahr nachteiliger Auswirkungen für die Gesundheit des Mieters im Falle des Umzugs zu fordern.
74Eine solche Gefahr vermag das Gericht aber nicht zu erkennen. Seine gesundheitlichen Probleme in Bezug auf das Kniegelenk führen nicht zu einer Räumungsunfähigkeit; hier kann er sich ggfs. von einem Umzugsunternehmen helfen lassen. Die behauptete Depression sowie die Auswirkung einer Räumung hierauf hat der Beklagte nicht näher beschrieben, so dass dem nicht näher nachzugehen war.
75Soweit der Beklagte noch auf sein geringes Einkommen hinweist, besteht die Möglichkeit, u.a. Wohngeld zu beantragen für eine andere Wohnung. Wobei aber auch Einkünfte i.H.v. 1.200,00 EUR monatlich nicht so gering erscheinen, dass er sich keine andere Wohnung wird leisten können.
76Im Ergebnis überwiegen mithin im Rahmen der Abwägung die Aufhebungsinteressen des Klägers die Bestandsinteressen des Beklagten. Damit kam es auch auf die Begründetheit der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht mehr an. Die Aufklärung der Mängel konnte zur Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits unterbleiben.
77Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 7, 11, 711 ZPO. Die Abwendungsbefugnis zur Räumung berechnet sich nach einer halben Jahresmiete.
78Dem Beklagten war allerdings eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO bis zum Jahresschluss zu bewilligen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte keine übermäßigen Mietrückstände hat (die derzeitigen Rückstände begründen sich auf Minderung) und die Wohnung bereits seit über 30 Jahren bewohnt. Angesichts dessen, dass die durchgreifende Kündigung aber bereits vom 14.03.2011 datiert, wäre eine längere Räumungsfrist nicht angemessen. Für den Kläger liegt kein akuter Notfall vor, der eine sofortige Räumung erfordert.
79Streitwert: 4.140,00 EUR
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