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Es wird festgestellt, dass der Kläger als Erdgeschossmieter des Objektes R. Weg 1 in Köln, aus dem Dauermietvertrag vom 15.12.1964, seinerzeit noch abgeschlossen mit der Gemeinnützigen F. Wohnungsgesellschaft Köln mbH in Verbindung mit der Hausordnung, Stand: Januar 1960, dort Ziff. 12., seit dem 12.5.2009 nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des o.g. Objektes von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von seiner Grundstückshälfte aus soweit mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden sind.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 2. zu 5/6. Die Beklagte zu 2. hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst, der Kläger die der Beklagten zu 1. zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der Kläger ist Mieter der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Hauses R. Weg 1, in Köln auf der Grundlage des Mietvertrages vom 15.12.1964; vgl. Bl. 6 ff.. Die Beklagte zu 2. trat nach Erwerb des Hauses und Eintragung in das Grundbuch am 19.11.2008 als Vermieterin in das Mietverhältnis ein.
3Der Mietvertrag von 1964 nimmt in § 14 Bezug auf die Hausordnung, die auf dem Stand von 1960 ist. Unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" heißt es in Ziffer 12. der Hausordnung, unter der Bezeichnung "Schnee und Eis":
4"Das Freihalten der Bürgersteige und der Hauszugänge von Schnee und Eis und das Bestreuen bei Glätte ist Pflicht der Erdgeschossmieter; sind mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden, so führen diese ihre Arbeiten jeweils von ihrer Grundstückshälfte aus. Die Polizei hält sich bei Vernachlässigung dieser Pflichten an die Erdgeschossmieter".
5Mit Schreiben vom 11.05.2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er den Winterdienst nicht mehr übernehmen könne und legte der Beklagten ein ärztliches Attest vom 22.04.2009 vor, in dem es heißt, dass Schneeräumen für ihn eine akut bedrohliche Herzbelastung darstelle (vgl. Bl. 21, 22 d.A.).
6Mit Schreiben vom 26.05.2009 und 10.11.2009 teilten Konzernunternehmen der Beklagten zu 2. dem Kläger mit, dass daran festgehalten werde, dass der Kläger – wenn auch nicht persönlich – verpflichtet sei, die Schneebeseitigung etc. zu übernehmen.
7Der Kläger hat ursprünglich nur die Beklagte zu 1. verklagt, die Klage aber insoweit mit Schriftsatz vom 15.11.2010 zurück genommen.
8Der Kläger behauptet, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, den Winterdienst durchzuführen. Er ist der Meinung, dass die Regelung der Hausordnung über das Verhalten bei Schnee und Eis nicht wirksam sei. Jedenfalls sei er aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands von dem Winterdienst zu befreien.
9Der Kläger beantragt,
10festzustellen, dass er als Erdgeschossmieter des Objektes R. Weg 1 in Köln aus dem Mietvertrag vom 15.12.1964, seinerzeit noch abgeschlossen mit der Gemeinnützigen F. Wohnungsbaugesellschaft Köln mbH, in Verbindung mit der Hausordnung, Stand: Januar 1960, dort Ziff. 12., seit dem 11.05.2009, hilfsweise seit dem 01.10.2009, hilfsweise mit Rechtskraft der Entscheidung nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des o.g. Objektes von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von seiner Grundstückshälfte aus soweit mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden sind.
11Die Beklagte zu 2. beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte zu 2. bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, den Winterdienst zu erfüllen.
14Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist zulässig und begründet.
17Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der baldigen Feststellung, dass er nicht mehr zur Durchführung des Winterdienstes vor dem Haus seiner Erdgeschosswohnung verpflichtet ist, da mit dieser Verpflichtung erhebliche Haftungsrisiken verbunden sind und die Beklagte zu 2. an der Verantwortung des Klägers in Bezug auf den Winterdienst festhält.
18Der Kläger ist durch die Mitteilung mit Schreiben vom 11.5.2009, dass er die Schneeräumarbeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen könne, von der Durchführung des Winterdienstes vor dem oben näher bezeichneten Haus frei geworden.
19Die Regelung in der Hausordnung unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in Ziffer 12., die den Kläger als Erdgeschossmieter zur Beseitigung von Schnee, Eis und Glätte auf den Bürgersteigen und Hauszugängen jeweils vor seiner Grundstückshälfte verpflichtet, ist nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden. Dies ergibt sich zwar nicht aus den konkreten gesetzlichen Bestimmungen über die Inhaltskontrolle von Formularverträgen (§§ 305 ff. BGB bzw. zuvor AGB-Gesetz), da diese Bestimmungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existiert haben. Die Unwirksamkeit ergibt sich jedoch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, aus dessen Grundgedanken letztlich auch die heute anwendbaren Bestimmungen resultieren. Das Gericht ist insofern der Auffassung, dass sich die Unwirksamkeit der Bestimmung aus dem Gesichtspunkt des Überraschungseffekts ergibt (heute: § 305c Abs. 1 BGB):
20Zwar kann ein Wohnungseigentümer und –vermieter eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht auch auf seine Mieter übertragen, was zur Folge hat, dass die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich verantwortlichen Vermieters sich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt. Der Mieter hingegen, der die entsprechenden Pflichten übernimmt, wird dann seinerseits deliktisch voll verantwortlich. Voraussetzung für eine solche Übertragung von Verkehrssicherungspflichten ist dabei aber, dass sie klar und eindeutig erfolgt (vgl. BGH WuM 2008, 235 ff.; Palandt, BGB, 69. Auflage, § 823 Rn. 50).
21Dies ist hier nicht der Fall, da in dem Mietvertrag zwar auf die Hausordnung verwiesen wird, die konkrete Bestimmung zum Winterdienst sich aber lediglich – optisch nicht besonders gekennzeichnet – unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in der Hausordnung findet. Dies ist als überraschend anzusehen (so auch LG Frankfurt, WuM 1988, 120 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., VI Rn. 277, Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rn. III 1082):
22Denn gerade für die Übernahme des Winterdienstes, der dem Kläger als Erdgeschossmieter erhebliche zusätzliche Pflichten auferlegt und ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko begründet, bedeutet eine klare und eindeutige Regelung, dass eine Verpflichtung in der Hausordnung nicht ausreicht, sondern die Übertragung konkret und individuell im (Haupt-) Mietvertrag vereinbart werden muss (vgl. LG Frankfurt, a.a.O.; Schmidt-Futterer, 10. Auflage 2011, § 535 BGB Rn. 145, 142). Soweit vertreten wird, dass eine formularmäßige Regelung der Reinigungspflicht in der Hausordnung ausreicht, wenn die Hausordnung zum Bestandteil des Mietvertrages wird (so z.B. OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 41; LG Karlsruhe ZMR 2006, 698), folgt das Gericht dem nicht, da die Hausordnung nicht der Platz ist, um mietvertragliche Pflichten von dieser Haftungsweite zu begründen (vgl. auch Sternel, a.a.O.).
23Der Umstand, dass der Kläger hier den Winterdienst in der Vergangenheit ausgeführt hat, ändert nichts daran, dass die Klausel unwirksam ist und eine zukünftige Verpflichtung für den Kläger nicht mehr besteht. Zwar hat der Kläger die Schneebeseitigung und die Streupflicht faktisch übernommen und die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auf das Maß der Kontroll- und Überwachungspflicht begrenzt. Hieraus kann die Beklagte zu 2. aber keine Rechtsfolgen auch für die Zukunft herleiten. Denn durch die Mitteilung des Klägers, den Winterdienst nicht mehr durchführen zu können, ist seine faktische Übernahme der Verkehrssicherungspflicht beendet worden.
24Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
25Streitwert: € 1.000,00