Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 123,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 47 % und der Beklagte
zu 63 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrage leistet.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
2Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über eine Wohnung im Hause X Straße 3 in 50765 Köln mit einer Größe von 76 qm. Es handelt sich um öffentlich geförderten Wohnraum. Unter dem 18.10.2010 rechnete der Kläger über die Betriebskosten für das Jahr 2009 ab. Die Abrechnung endete mit einem Nachzahlungsbetrag von 196,65 €. Mit Schreiben vom 22.02.2011 wurde der Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.03.2011 aufgefordert, die Nachforderung auszugleichen. Eine Zahlung erfolgte nicht.
3Der Kläger beantragt,
4den Beklagten zu verurteilen, an ihn 196,65 € nebst Zinsen in Höhe von
55 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2011 zu zahlen.
6Er beantragt außerdem, die Berufung zuzulassen.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er ist der Ansicht, dass die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 nicht ordnungsgemäß erstellt worden sei. Sie genüge nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 Neubaumietenverordnung. Weil kein Vorwegabzug für vorhandene Gewerbebetriebe sowie die Garagenflächen vorgenommen worden sei, sei die Abrechnung formell unwirksam. Ferner liege ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor, weil der Kläger seinen Mietern ausschließlich graue Tonnen zur Verfügung stelle. Auch hinsichtlich des Hausmeisters hätte ein Vorwegabzug erfolgen müssen, weil dieser auch für die Einweisung und Beaufsichtigung von Handwerkern verantwortlich sei und ausgefallene Beleuchtung repariere.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
11Entscheidungsgründe:
12Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
13Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 123,59 € 3aus der Betriebskostenabrechnung vom 18.10.2010 in Verbindung mit § 556 BGB, 20 Abs. 3 NMV.
14Die Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß und begründet daher, soweit nicht wegen materiellen Fehlern ein Abzug zu machen war, einen fälligen Anspruch.
15Der Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass hinsichtlich der Betriebskostenpositionen ein Vorwegabzug wegen des Gewerbes und der Garagenflächen vorzunehmen gewesen wäre. Für den Umstand, dass ein Vorwegabzug vorzunehmen ist, ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig, wobei er die konkreten Gegebenheiten im Haus und die Art der gewerblichen Nutzung darlegen muss (BGH Urteil vom 11.08.2010, VIII ZR 45/10). Diesem Erfordernis ist der Beklagte nicht hinreichend nachgekommen, weil jegliche nähere Angaben zu dem Gewerbe und den Garagenflächen fehlen.
16Dabei ergibt sich vorliegend eine formelle Unwirksamkeit auch nicht aus einem Verstoß gegen § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV. Diese Vorschrift bestimmt zwar, dass Betriebskosten, die nicht für Wohnraum entstanden sind, vorweg abzuziehen sind. Einen solchen Abzug hat der Kläger nicht vorgenommen. Ein Verstoß hiergegen führt jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu einer formellen Unwirksamkeit der Abrechnung. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen Umstand, der gegebenenfalls die materielle Unrichtigkeit der Abrechnung begründen kann, wofür vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte von dem Beklagten vorgetragen wurden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein formeller Fehler der Betriebskostenabrechnung unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass dem Mieter die Berechnung der auf ihn entfallenden Kosten nicht möglich ist, weil er etwa den angewendeten Verteilerschlüssel nicht erkennen kann. Eine solche Konstellation liegt vorliegend aber gerade nicht vor. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er im Einklang mit § 20 Abs. 2, 2. HS NMV die Betriebskosten für Gewerbe und Wohnraum und auch die Kosten für Garage und Wohnraum nach Quadratmeterfläche umgelegt hat. Weil dem Beklagten vorliegend jedoch der Abrechnungsschlüssel "Wohnfläche" bekannt war, war es ihm mithin ohne Weiteres möglich, selbst zu berechnen, welcher Anteil auf das Gewerbe und die Garagen entfiel.
17Bezüglich der Position Müllabfuhr steht dem Kläger gegen den Beklagten jedoch lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 291,84 € anstelle der für die Position in Ansatz gebrachten 364,90 € zu, weil der Kläger gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, § 20 Abs. 1 Satz 2 NMV verstoßen hat. In Höhe der Differenz von 73,06 € unterlag die Klage dabei der Abweisung.
18Der Mieter hat gegen den Vermieter gem. § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Freistellung von Betriebskosten, soweit der Vermieter Kosten umlegt, die den Grundsätzen ordentlicher Bewirtschaftung des Grundstücks widersprechen. Der Vermieter darf den Mieter nur mit den Kosten belasten, die ein vernünftiger Wohnungsvermieter veranlasst hätte, wenn er sie selbst zu tragen hätte (BGH NZM 2008, 78; Langenberg, Betriebskostenrecht, 5. Auflage, G Randnr. 9). Die Darlegungslast für die Verletzung dieser Pflicht trifft den Mieter.
19Vorliegend ist ein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit gegeben. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger von der seitens des Müllentsorgungsunternehmens der Stadt Köln angebotenen Möglichkeit, kostenlos blaue und gelbe Tonnen zur Sammlung von Papier und Verbundstoffen zu nutzen, keinen Gebrauch macht, sondern vielmehr seiner Wohnanlage lediglich graue Restmülltonnen für die Mieter zur Verfügung stellt. Ein solches Verhalten ist nicht zuletzt unter ökologischen Gesichtspunkten, vernünftiger Betrachtung nicht nachvollziehbar, dass durch ein Zurverfügungstellen von gelben und blauen Tonnen zugleich bezüglich der grauen Tonnen in nicht unerheblichen Maße Kapazitäten gespart würden, liegt auf der Hand. Dagegen spricht auch nicht der jüngst vom BGH (Urteil vom 06.07.2011. VIII ZR 340/10 bislang nicht im Volltext veröffentlicht) entschiedenen Fall. In diesem Fall hatte die Gemeinde die kostenlosen Tonnen eingezogen, weil die Mieter Müll nicht ordnungsgemäß getrennt hatten, und die blauen und gelben Tonnen gegen graue Restmülltonnen ersetzt.
20Unter Umweltaspekten ist insoweit dem Kläger als Vermieter auch eine ggf. erforderliche bauliche Erweiterung der Müllsammelplätze zuzumuten, zumal die hierbei entstehenden Kosten auch im öffentlich geförderten Wohnraum auf die Mieter im Rahmen einer Erhöhung der Miete wegen Modernisierung umgelegt werden können. Auf die Dauer gesehen dürften die hierdurch eventuell entstehenden Kosten in jedem Fall durch die geringeren Müllgebühren aufgewogen werden.
21Dass der Vermieter die Pflichtverletzung zu vertreten hat, wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Weil ein Anspruch des Beklagten gegen den Kläger dem Grunde nach feststeht, kann das Gericht gem. § 287 ZPO den dem Beklagten entstandenen Schaden schätzen. Vorliegend hat das Gericht den Schaden auf 73,06 € geschätzt. Die Schadensschätzung beruht auf der Erwägung, dass dem Kläger auch bei der Verwendung von gelben und blauen Tonnen Kosten entstanden wären. Nicht gefolgt werden kann dagegen der vom Beklagten vorgenommenen Schätzung. Der vom Beklagten in Ansatz gebrachte 50 %-ige Abzug ist nicht nachvollziehbar. Es handelt sich hierbei um eine pauschal gegriffene Größe. Weil jedoch § 287 ZPO zu Gunsten des Geschädigten die Anforderungen an die Darlegunglast erleichtert, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen einen Mindestschaden zu schätzen, sofern dies nicht mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig aus der Luft gegriffen und willkürlich ist (BGH WUM 2010, 578, 580). Demnach beziffert das Gericht den Mindestschaden für den Beklagten vorliegend auf 73,06 €. Hierbei hat das Gericht als Grundlage der Schätzung die aus dem Betriebskostenspiegel 2009 Bundesländer West, erstellt vom DMB, beruhend auf den Daten 2008 (veröffentlicht in der Mieterzeitung 2/2010, Seite 11), angegebenen Werte herangezogen. Demzufolge lagen die durchschnittlichen Kosten für die Müllbeseitigung bei 0,21 €/qm im Monat. Zu diesem Wert hat das Gericht einen Zuschlag von 50 % gemacht, mit den etwaigen Zuschlägen wegen der konkreten Gegebenheiten der Wohnanlage und Mieter, erhöhter Entsorgungskosten in Köln und der fehlenden Beteiligung des Haus- und Grundbesitzervereins zu Gunsten des Klägers als Vermieter Rechnung getragen werden soll. Gegen eine Schadensschätzung in Anlehnung an die Werte des Betriebskostenspiegels des DMB spricht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 06.07.2011, VIII ZR 340/10, bislang nicht im Volltext veröffentlicht. Der BGH hat insofern lediglich entschieden, dass ein Verweis auf die Werte des Betriebskostenspiegels nicht genügt, um eine Verletzung in das Wirtschaftlichkeitsgebot durch den Vermieter darzulegen. Dass die Werte jedoch gänzlich unrepräsentabel sein sollen, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Der Betriebskostenspiegel stellt sich aus Sicht des Gerichts jedenfalls als taugliches Hilfsmittel zur Schadensschätzung dar. Denn im Betriebskostenspiegel liegen immerhin 30.000 Datenwerte und 9.000.000 qm Mietwohnflächen zugrunde (Mieterzeitung 2/2010, Seite 11).
22Demgemäß ergeben 0,21 € + 0,11 € x 76 qm x 12 Monate einen Betrag von 291,84 €. Die Differenz zu dem in der Abrechnung angegebenen Wert von 364,90 € beträgt 73,06 €.
23Hinsichtlich der Hausmeisterkosten hat jedoch der Beklagte nicht hinreichend dargetan, dass ein Vorwegabzug vorzunehmen gewesen wäre. Nachdem der Kläger bestritten hat, dass der Hausmeister Handwerker eingewiesen und beaufsichtigt hat und ausgefallenen Beleuchtungen repariert hat, hätte der Beklagte hierzu näheres vortragen müssen. Ein einfaches Bestreiten genügte insofern nicht.
24Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
25Die Kostenentscheidung und der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Gem. § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung zuzulassen. Der Frage, wie sich ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV auswirkt, kommt grundsätzliche Bedeutung zu und wurde bislang durch obergerichtliche Rechtsprechung nicht ausdrücklich entschieden.
27Streitwert: 196,65 €.