Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Stützt der Kläger eine Grundsatzrüge auf die Klärungsbedürftigkeit einer verallgemeinernd formulierten Tatsachenfrage, erfordert die Darlegung dieser Klärungsbedürftigkeit die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen auch einer anderen als der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Würdigung zugänglich sind (wie OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2021 ‑ 19 A 642/20.A ‑, AuAS 2021, 154, juris, Rn. 8).
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Berufungszulassung durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3, § 125 Abs. 1 VwGO).
3Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet. Nach § 78 Abs. 3, Abs. 4 Satz 4 AsylG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der in Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 aufgezählten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Der Kläger stützt seinen Antrag ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung kommt der vorliegenden Rechtssache jedoch nicht zu.
4I. Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Kläger in seiner Antragsbegründung zunächst die Frage,
5„ob angesichts der massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Auftretens der Wüstenheuschrecke auf die gesundheitliche Versorgung und wirtschaftliche Lage in Äthiopien eine erhebliche unmittelbare Gefahr für Leib und Leben [für] zurückkehrende Geflüchtete gegeben ist.“
6Diese Tatsachenfrage rechtfertigt keine Zulassung der Grundsatzberufung. Denn der Kläger hat es unter 1. seiner Antragsbegründung versäumt, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre Entscheidungserheblichkeit in einer dem § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise darzulegen. Stützt der Kläger eine Grundsatzrüge auf die Klärungsbedürftigkeit einer verallgemeinernd formulierten Tatsachenfrage, erfordert die Darlegung dieser Klärungsbedürftigkeit die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen auch einer anderen als der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Würdigung zugänglich sind. Dies setzt eine nähere, fallbezogene Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus. Es ist Aufgabe des Klägers, durch die Benennung bestimmter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass anstelle der Feststellungen, Erkenntnisse und tatsächlichen Wertungen des Verwaltungsgerichts seine anderslautenden Bewertungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Hingegen genügt es nicht, wenn er lediglich die Richtigkeit der Würdigung des Verwaltungsgerichts bezweifelt oder ohne nähere Konkretisierung pauschal behauptet, die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland stellten sich anders dar.
7OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Oktober 2021 ‑ 19 A 592/21.A ‑, juris, Rn. 8, vom 24. Juni 2021 ‑ 19 A 2593/20.A ‑, juris, Rn. 17, vom 19. Mai 2021 ‑ 19 A 642/20.A ‑, AuAS 2021, 154, juris, Rn. 8, vom 29. März 2021 ‑ 19 A 552/20.A ‑, juris, Rn. 9, und vom 26. Februar 2021 ‑ 19 A 1360/20.A ‑, juris, Rn. 7 jeweils m. w. N.; Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. August 2021 ‑ 23 ZB 21.30740 ‑, juris, Rn. 9, und vom 4. Juni 2021 ‑ 23 ZB 21.30706 ‑, juris, Rn. 2; vgl. auch Funke-Kaiser, in: Funke-Kaiser, Fritz, Vormeier, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, Stand: 134. Aktualisierungslieferung Oktober 2021, § 78 AsylG, Rn. 609 ff.
8Das Verwaltungsgericht hat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person des im Zeitpunkt seiner Entscheidung 31-jährigen Klägers wegen der Coronavirus-Pandemie mit der Begründung verneint, dass bei diesem eine Corona-Erkrankung mit schwerwiegendem und lebensbedrohlichem Verlauf nicht beachtlich wahrscheinlich sei, weil er als junger und gesunder Mann nicht zu der Gruppe der Personen gehöre, die nach den bisherigen Erkenntnissen ein höheres Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf aufwiesen (S. 14 f. des Urteils). Auch begründeten das massenhafte Auftreten von Schwärmen der Wüstenheuschrecke und die Ausbreitung des Coronavirus keine extreme Gefahrenlage auf der Grundlage einer Allgemeingefahr im Sinn einer verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Sätze 1 und 6 AufenthG (S. 15 f. des Urteils).
9Mit diesen konkreten Feststellungen, die das Verwaltungsgericht auf von ihm zitierte aktuelle Erkenntnisse gestützt hat, setzt sich der Kläger nicht substantiiert auseinander. Er leitet die Klärungsbedürftigkeit der zitierten Tatsachenfrage vielmehr sinngemäß ausschließlich aus dem Aufsatz Nübold, „Rechtsprechung zu Abschiebungsverboten aufgrund der Corona-Pandemie“ (Asylmagazin 2020, 253) sowie der Presseartikel „Das Virus in Äthiopien: „Viele halten sich nicht an die Corona-Regeln, das macht mich wütend“ (Spiegel-Online vom 11. November 2020), „Am Ende kann nur Gott uns helfen ‑ Das Coronavirus in Äthiopien“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 24. April 2020) und „Coronavirus am Horn von Afrika: „Lage in Äthiopien und Eritrea braucht unsere Aufmerksamkeit“ (Der Tagesspiegel vom 19. April 2020) ab, deren Inhalt der Kläger über zahlreiche Seiten hinweg wörtlich zitiert. Hierzu macht er lediglich pauschal geltend, angesichts dieser „Berichte über die aufgrund der Corona-Pandemie und des Auftretens der Wüstenheuschrecke stark verschlechterte[n] wirtschaftliche[n] Situation in Äthiopien [sei] eine Prüfung der Rückkehrbedingungen im Berufungsverfahren angezeigt.“ Es bestünden erhebliche Zweifel, dass Geflüchtete bei einer Rückkehr in Äthiopien nicht einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
10Hiermit verfehlt der Kläger die genannten Darlegungsanforderungen. Er lässt offen, welche konkreten positiven Anhaltspunkte sich für eine von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweichende Tatsachenbewertung aus den umfangreich wörtlich zitierten Berichten für eine extreme Gefahrenlage ergeben sollen.
11II. Entsprechendes gilt für die weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
12ob ein Zugehöriger des Volkes der Tigray „nach Ausbruch des Konflikts in Äthiopien zwischen der Regierung und den Tigray Gefahr läuft, bei einer Rückkehr nach Äthiopien seitens der Regierungskräfte verdächtigt zu werden, im Exil die Opposition unterstützt zu haben und deshalb als vermeintlicher Regierungsgegner inhaftiert, misshandelt und gefoltert, also politisch verfolgt zu werden.“
13Auch diese Tatsachenfrage rechtfertigt keine Zulassung der Grundsatzberufung, weil sie auf der Grundlage der Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht entscheidungserheblich ist. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Behauptung, tigrinischer Volkszugehöriger zu sein, mit der Begründung als unglaubhaft bewertet, er habe zur Bezeichnung seiner Volkszugehörigkeit als „offensichtlich asyltaktisches Vorgehen“ bewusst einen sprachlich ungenauen verallgemeinernden Begriff verwendet (S. 10 des Urteils). Gegen diese Würdigung hat der Kläger keine Zulassungsrüge erhoben.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
15Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).