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Umfang des Pflichtenprogramms der Feuerwehr bei gewaltsamer Öffnung der klemmenden Heckklappe eines Taxis zur Befreiung eines Fahrgastes auf Grundlage der §§ 34 Abs. 2 S. 1, S. 2 BHKG i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG NRW.
Kürzung des Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Schadensersatzansprüchen des geschädigten Taxiunternehmers gegenüber seinem Fahrer mit Rücksicht auf die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.693,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 06.05.2023 zu bezahlen sowie 163,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Ausgenommen hiervon sind die Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts B. angefallen sind, diese fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Ihm bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe, bemessen nach dem jeweils zu vollstreckenden Betrage, leistet.
Tatbestand
2Der als Taxi-Unternehmer tätige Kläger verlangt von der Beklagten als Trägerin der Feuerwehr Schadensersatz für Beschädigungen an einem seiner Taxis, die im Zuge der gewaltsamen Türöffnung zwecks Befreiung eines Fahrgastes durch die Feuerwehr eingetreten sind.
3Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines VW Caddy, den er in seinem Taxi-Unternehmen, das auf Alten- und Krankenfahrten spezialisiert ist, u.a. als „San-Taxi“ zur Beförderung von Patienten einsetzte.
4Am 05.09.2022 transportierte der Zeuge C. – Neffe des Klägers – mit dem vorgenannten Fahrzeug eine auf einen Rollstuhl angewiesene Kundin zu einer Zahnarztpraxis in der beklagten Gemeinde, die neben dem Ordnungsamt der Beklagten belegen ist. Die Patientin hatte in ihrem Rollstuhl Platz genommen und wurde auf der über die Heckklappe erreichbaren Ladefläche des Caddys transportiert. Ihr Ehemann, der die Fahrt begleitete, saß auf der Rückbank.
5Vor Abholung der Kundin war der Zeuge C. beim Rangieren mit dem Fahrzeug heckseitig gegen einen Poller gestoßen, wobei sich bei der Verbringung der Kundin in das Fahrzeug keine Probleme beim Öffnen/Schließen der Heckklappe ergeben hatten. Tatsächlich war das Schloss der Hecktür – äußerlich nicht erkennbar – leicht beschädigt worden, so dass fortan die Gefahr bestand, dass es „hakte“.
6Eine Information des Klägers über den Unfall war zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Dem Kläger war aus zwei anderen Schadensfällen nach Information durch die Werkstatt bekannt, dass die Hecktür bei derlei Verklemmungen – was unstreitig ist – gewaltfrei geöffnet werden konnte, indem die an der Innenseite der Heckklappe befindliche und mit Klips befestigte Hartfaserplatte entfernt und die dahinterliegende manuelle Verriegelung der Heckklappe ausgelöst wird. Von dieser Öffnungsmöglichkeit war der Zeuge C. nicht instruiert.
7Bevor der Zeuge C. das Fahrzeug an der Adresse N.-straße Str. x in B. abstellte, steuerte er zunächst einen anderen Parkplatz in der Nähe des Zielortes an, an dem sich das Aussteigen der Kundin wegen eines Parkverbots nicht bewerkstelligen ließ. Bei diesem Vorgang ließ sich die Heckklappe ebenfalls noch problemlos öffnen und wieder schließen. Nach dem Umsetzen des Fahrzeugs gelang es dem Zeugen C. nunmehr nicht, dessen Heckklappe zu öffnen, um die Kundin aus dem Fahrzeug holen zu können.
8Nach einiger Zeit kam eine Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis zu dem Fahrzeug, wobei die Parteien unterschiedlich dazu vortragen, ob diese von dem Ehemann der Klägerin oder dem Zeugen C. benachrichtigt wurde, und schlug vor, das benachbarte Ordnungsamt einzuschalten. Auf Nachricht der Mitarbeiterin erschienen zwei Mitarbeiter (der Zeuge H. und die Zeugin P.) des Ordnungsamtes der Beklagten vor Ort und bemühten sich ebenfalls erfolglos um die Öffnung der Tür. Die beiden Zeugen entschlossen sich daher wiederum, die Feuerwehr hinzuzuziehen.
9Zu diesem Zeitpunkt betrug die Außentemperatur über 30 °C und die Kundin schwitzte stark. Ob für die Kundin eine gesundheitliche Gefahr bestand, ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem auch die Feuerwehrmitarbeiter erfolglos versucht hatten, die Heckklappe manuell zu öffnen, entschieden sie, die Klappe einzusägen, um an den Verschlussbolzen zu kommen und diesen zu durchtrennen. Eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger erfolgte vor Durchführung dieser Maßnahme, die zur erfolgreichen Öffnung der Heckklappe führte, nicht.
10In einem nicht konkret von der Beklagten in Bezug genommenen Einsatzbericht der Zeugen P. und H. vom 05.09.2023 (Bl. 36 ff. d. A.) hielten diese u.a. Folgendes fest:
11„In einem Taxi würde seit längerem eine Patientin sitzen (Im Rollstuhl) und könnte dieses Taxi nicht verlassen, weil die Hecktür sich nicht mehr öffnen lies, diese war durch einen vorherigen Unfallschaden defekt. Der Taxifahrer würde seit längerem probieren diese zu öffnen. Es waren an diesem Tag weit über 30 Grad und in dem Taxi sei eine wahnsinnige Hitze, das Auto steht in der prallenden Sonne.“ […]
12„Wir probierten die ziemlich korpulente Frau durch die vorderen Seitentüren heraus zu bekommen, diese gelang auch nicht, weil sie durch einen Schlaganfall völlig unbeweglich war. Die Frau war am ganzen Körper geschwitzt, ich ging ins Ordnungsamt und besorgte Wasser zum trinken und der Kollege H. bestellte in Absprache mit dem Taxifahrer die Feuerwehr. Diese traf auch kurz danach ein, probierte von innen und von außen mit sanften Mitteln die Tür zu öffnen. Dieses gelang auch nicht.“
13Der Kläger holte zur Schadensbeurteilung ein Haftpflichtgutachten des Ingenieurbüros G. ein (Bl. 8 ff. d. A.), welches den Netto-Reparaturschaden am 23.09.2022 unter Abzug eines Abschlags „neu für alt“ mit 2.086,97 € bezifferte. Für die Erstellung des Gutachtens wurde dem Kläger ein Betrag von 581,50 € netto (Bl. 7 d. A.) in Rechnung gestellt. Neben den gekürzten Netto-Reparaturkosten und den Netto-Kosten der Begutachtung macht der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger eine Unkostenpauschale von 25,00 € geltend.
14Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18.10.2022 anschreiben und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach anmelden. Auf eine mit Schreiben vom 20.12.2022 erfolgte Bezifferung des Schadens erfolgte seitens der Beklagten keine Reaktion. Auf eine unter dem 17.01.2023 zur Zahlung gesetzte Nachfrist meldete sich die L. und machte in ihrem Schreiben vom 24.01.2023 (Bl. 33 d. A.) geltend, dass bei einer Außentemperatur von 30° eine Notwendigkeit für den Einsatz bestanden habe, da eine gesundheitliche Gefahr für den Fahrgast durch Dehydration bestanden habe. Demgegenüber habe es dem Kläger oblegen, Personal einzusetzen, das die Fahrzeuge vollumfänglich bedienen könne. Zudem falle es in seinen Verantwortungsbereich, keine Fahrzeuge einzusetzen, die unkalkulierbare Gefahren für die beförderten Personen verursachten.
15Der Kläger macht die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten i.H. eines Betrages von 163,30 € ebenfalls geltend.
16Der Kläger behauptet, der Ehemann der Kundin habe seinerzeit die Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis informiert. Er vertritt die Auffassung, er habe vor der gewaltsamen Öffnung der Heckklappe verständigt werden müssen, was eine entsprechende Öffnung entbehrlich gemacht hätte. Zudem habe zu einer gewaltsamen Öffnung kein Anlass bestanden, da sich die Kundin nicht in einer Leibes- oder Lebensgefahr befunden habe.
17Der Kläger beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.693,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen sowie 163,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte behauptet, der Zeuge C. habe die Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis hinzugezogen. Sie vertritt die Auffassung, dass ihr kein schuldhaftes Fehlverhalten zur Last zu legen sei. Tatsächlich habe der Kläger für ein verkehrssicheres Fahrzeug zu sorgen gehabt, von dem für Fahrgäste keine Gefährdung ausgehe.
22Die Klage ist der Beklagten unter dem 05.05.2023 zugestellt worden.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage ist begründet.
25A)
26Der Kläger kann die geltend gemachten Ansprüche zwar nicht in voller Höhe aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG i.V.m. 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB herleiten. Ein ungekürzter Anspruch auf Zahlung von 2.693,47 € nebst Zinsen und weiteren Rechtsverfolgungskosten von 163,30 € steht ihm jedoch aus einem enteignungsgleichen Eingriff zu. Im Einzelnen:
27I)
28Nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB hat ein Beamter für den Fall, dass er vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wobei Art. 34 S. 1 GG bestimmt, dass die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft trifft, in deren Dienste derjenige steht, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt.
291)
30Vorliegend sind durch den Einsatz von Feuerwehrkräften der Stadt B. zwar in jedem Falle Beamte im haftungsrechtlichen Sinne zur Öffnung des Klägerischen Fahrzeugs geschritten.
31Vorliegend wird die Beschädigung des Eigentums des Klägers durch Kräfte der Feuerwehr gerügt. Für ihr Handeln muss die Beklagte als Haftungskörperschaft eintreten, wenn diese nach äußerer Wahrnehmung unabhängig von dem Rechtsverhältnis zur Anstellungskörperschaft in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes hoheitlich gehandelt haben (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 182 f.).
32Diese Voraussetzungen liegen vor. Grundsätzlich obliegt es nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BHKG NRW den Gemeinden, zum Schutz der Bevölkerung vorbeugende und abwehrende Maßnahmen bei Unglücksfällen oder solchen öffentlichen Notständen, die u.a. durch Naturereignisse verursacht werden, zu ergreifen, wobei hier ein Unglücksfall im Sinne genannten Regelungen in Rede steht.
33Ihre Aufgaben nimmt die Beklagte freiwillig – verpflichtend ist dies nur für kreisfreie Städte (§ 8 Abs. 1 S. 2 BHKG) – offenbar durch eine Berufsfeuerwehr wahr. Das ist zwar nicht vorgetragen, ergibt sich aber aus dem Einsatzprotokoll in Bl. 38 d. A., in dem von einer bloß „Freiwilligen“ Feuerwehr nichts zu lesen ist. Das Einsatzpersonal der Berufsfeuerwehren wird dabei gem. Abs. 2 der genannten Regelung aus hauptamtlichen Kräften gebildet, die zu Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes zu ernennen sind. Sie sind daher unproblematisch Beamte im Sinne der Regelung (vgl. i. E. auch OLG Hamm Urt. v. 26.5.2010 – 11 U 129/08, BeckRS 2010, 14323).
34Selbst wenn die Beklagte aber nur eine Freiwillige Feuerwehr unterhielte, würde das nichts daran ändern, dass bei Einsatz von Kräften der freiwilligen Feuerwehr zumindest Beamte im haftungsrechtlichen Sinne tätig würden. Ihre Aufgaben nimmt die Gemeinde nämlich gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 BHKG NRW unter anderem auch durch die Freiwillige Feuerwehr war. Wenngleich die Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BHKG NRW nur eine freiwillige und ehrenamtliche ist, sind ihre Mitglieder nach äußerer Wahrnehmung im Rahmen eines ihnen durch Aufnahme in die Freiwillige Feuerwehr anvertrauten öffentlichen Amtes hoheitlich tätig (vgl. BGH NJW 1956, 1633 noch zum längst außer Kraft getretenen FeuerschutzG NRW, BeckOK BGB/Reinert, 68. Ed. 1.08.2023, BGB § 839 Rn. 25; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 185).
352)
36Es liegt auch eine Amtspflichtverletzung vor. Zu den Amtspflichten, die Amtsträger zu beachten haben, gehört die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Eine besonders wichtige Konsequenz dieser Pflicht ist es, deliktische Schädigungen zu unterlassen, insbesondere sich bei der Amtsausübung aller rechtswidrigen Eingriffe in fremde Rechte, vor allem in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechtsgüter, zu enthalten (BGH NJW-RR 2013, 1490 Rn. 13). Diesen Pflichten ist nicht entsprochen worden.
37a)
38Das Einsägen der Heckklappe, um an den Verschlussbolzen zu kommen und diesen zu durchtrennen, stellt eine Eigentumsschädigung dar.
39b)
40Eine für die Rechtsgutsverletzung kausale Handlung ist gegeben. Diese Eigentumsschädigung wurde durch das Ansetzen der entsprechenden Werkzeuge seitens der Feuerwehrkräfte verursacht.
41c)
42Der Eingriff war rechtswidrig.
43Da eine Verletzung der Amtspflicht nur vorliegt, wenn der Betroffene nach § 823 Abs. 1 BGB Ersatz verlangen kann (BeckOK BGB/Reinert, 68. Ed. 1.8.2023, BGB § 839 Rn. 98), muss der Eingriff auch rechtswidrig sein, wobei die Rechtswidrigkeit des Handelns grundsätzlich durch dessen Tatbestandsmäßigkeit indiziert wird.
44aa)
45Auf eine Einwilligung des Klägers oder ggf. des Zeugen C., die sich der Kläger ggf. zurechnen lassen müsste, beruft die Beklagte sich schriftsätzlich nicht. Auch sonst gibt der Sach- und Streitstand keinen Anlass, von einer rechtfertigenden Einwilligung auszugehen.
46Aus dem Einsatzbericht in Bl. 36 d. A., der mit anderen Unterlagen von der Beklagten pauschal „zur Begründung“ mit Bl. 30 d. A. noch vor dem Amtsgericht vorgelegt worden ist, ergibt sich eine mögliche Einwilligungserklärung nicht. Es bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, dass die Kammer den Inhalt des Schreibens überhaupt berücksichtigen kann. Insoweit gilt - in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt -, dass Gerichte weder verpflichtet sind, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren, noch erforderlicher Sachvortrag durch die bloße Vorlage von Anlagen ersetzt werden kann, wobei Ausnahmen dann gelten, wenn lediglich auf einseitige Anlagen Bezug genommen und dem Gericht keine Sucharbeit abverlangt wird (BGH NJW 2019, 1082 Rn. 8). Nun sind auch die jeweils in Bezug genommenen Berichte jeweils nur eine Seite lang, die zitierte Entscheidung betraf jedoch eine Anlage, der Informationen zu einem Haushaltsführungsschaden zu entnehmen waren, während hier der gesamte Sachvortrag pauschal auf Anlagen ausgelagert wird, bevor in einer weiteren Klageerwiderung nur noch eine Rechtsauffassung vertreten wird.
47Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob die Kammer verpflichtet ist, dergestalt angebrachten Vortrag zu berücksichtigen, da sich aus ihm ohnehin keine Einwilligung ergibt. Aus dem Einsatzbericht folgt lediglich, dass in Absprache mit dem Zeugen C. die Feuerwehr verständigt wurde. Selbst wenn man die Erklärungen des Zeugen dem Kläger zurechnen wollte, folgt allein aus einer etwaigen Übereinkunft über die Verständigung der Feuerwehr nicht, dass in Eigentumseingriffe eingewilligt wird. Insoweit heißt es in dem Bericht nämlich nur noch, dass man sich seitens der Feuerwehr dann entschloss, die Klappe einzusägen. Es ist nicht davon die Rede, dass der Zeuge C. einen Auftrag erteilt oder wie auch immer ausdrücklich oder konkludent Entsprechendes erklärt hat. Die Frage der Zurechnung von Erklärungen des Zeugen C. zulasten des Klägers bedarf daher in diesem Zusammenhang ebenfalls keiner Klärung.
48bb)
49Die Beklagte kann sich ferner nicht auf eine verwaltungsrechtliche Rechtfertigungsnorm stützen, die die Rechtswidrigkeit entfallen ließe (vgl. MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 255).
50Die tätigen Beamten waren nach den §§ 1 Nr. 2 Alt. 1, 34 Abs. 2 S. 1, S. 2 BHKG NRW i.V.m. § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG NRW nicht berechtigt, die Heckklappe am Fahrzeug des Klägers aufzuschneiden, um die gefangene Kundin aus dem Fahrzeug zu befreien.
51Nach dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es im Rahmen der Eingriffsverwaltung für jede nachteilige Maßnahme einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage (v. Münch/Kunig/Kotzur, 7. Aufl. 2021, GG Art. 20 Rn. 155), von der sowohl formell als auch materiell rechtmäßig Gebrauch gemacht worden sein muss. Von der bestehenden Ermächtigungsgrundlage haben die Beamten in formeller, jedenfalls aber in materieller Hinsicht keinen rechtmäßigen Gebrauch gemacht.
52(1)
53Eine Ermächtigungsgrundlage zu dem Eingriff in das Eigentum des Klägers ist dem Grunde nach in den §§ 1 Nr. 2 Alt. 1, 34 Abs. 2 S. 1, S. 2 BHKG NRW i.V.m. § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG zu sehen.
54Die Einsatzleitung darf nach § 34 Abs. 2 S. 1, S. 2 BHKG NRW nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz an der Einsatzstelle notwendigen Maßnahmen ergreifen, soweit die Polizei oder andere Stellen nicht in der Lage sind, in eigener Zuständigkeit entsprechende Maßnahmen zu treffen, wobei sie insoweit die Befugnisse nach dem Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden vom 13. Mai 1980 in der jeweils geltenden Fassung hat. Da polizeigesetzliche Standardmaßnahmen, auf die sich nach § 24 Abs. 1 OBG im Umfange der Verweisung auch die Ordnungsbehörden berufen können, keine Regelungen für den Fall der Befreiung von Personen aus Fahrzeugen enthalten und sich eine entsprechende Befugnis auch nicht bereits aus § 34 Abs. 2 S. 3 BHKG NRW ergibt, ist auf die Generalklausel in § 14 Abs. 1 OBG NRW abzustellen. Auf Grundlage der Generalklausel können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Dabei wird jedoch sowohl vom Polizei- als auch vom Ordnungsrecht, wie sich aus § 55 VwVG NRW ergibt, vorausgesetzt, dass ggü. demjenigen, in dessen Rechte eingegriffen werden soll, zunächst eine HDU-Verfügung ergeht. Soweit das nicht der Fall ist, ist auch bei Maßnahmen der Feuerwehr, die über die Verweisung in § 34 Abs. 2 S. 1-2 BHKG erfolgen, zusätzlich auf § 55 Abs. 2 VwVG NRW abzustellen (vgl. Strathoff, Die Befugnisse der Feuerwehr zur Gefahrenabwehr in Nordrhein-Westfalen, Diss. 2020, S. 242, 249). Der Verwaltungszwang kann nach der genannten Regelung ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.
55(2)
56Die Maßnahme ist schon nicht formell rechtmäßig.
57Die Beamten waren zwar zuständig. Bei Durchführung einer Verwaltungszwangsmaßnahme ist nach § 56 Abs. 1 VwVG NRW die Behörde zuständig, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Ist kein Verwaltungsakt vorangegangen, ist freilich die Behörde zuständig, die den hypothetischen Verwaltungsakt hätte erlassen können (vgl. BeckOK VwVfG/Deusch/Burr, 61. Ed. 1.4.2022, VwVG § 7 Rn. 1 zum bundesrechtlichen Äquivalent in § 6 Abs. 2 VwVG). Die Zuständigkeit der Feuerwehrbeamten der Beklagten für eine gedachte Vornahme- oder Duldungsverfügung ggü. dem Kläger, die Heckklappe seines Fahrzeugs zu öffnen, ergibt sich aus den § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1 BHKG, wonach die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem BHKG grundsätzlich den Gemeinden obliegt.
58Im Rahmen der Verfahrensvorschriften wurde indes ermessensfehlerhaft gehandelt. Zwar kann eine nach § 28 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich erforderliche Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW entbehrlich sein. Das ist dann der Fall, wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Da die Feuerwehr hier vorgegangen ist, ohne zuvor eine Verfügung gegenüber dem beeinträchtigten Kläger zu treffen, steht vorliegend ein Vorgehen im Sofortvollzug nach §§ 55 Abs. 2 VwVG in Gestalt einer Ersatzvornahme (§ 59 VwVG NRW) in Rede und damit ein Handeln im Verwaltungsvollzug.
59Allerdings kann eine Anhörung nur dann unterbleiben, wenn im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung, eine Abwägung von Schwere und Intensität des Eingriffs und der Möglichkeit einer Vereitelung des Zwecks der Maßnahme dies gebieten (Schoch/Schneider/Schneider, 3. EL August 2022, VwVfG § 28 Rn. 76). Ein Absehen von der Anhörung ist dann als unverhältnismäßig anzusehen, wenn weder eine Vollstreckungsvereitelung droht noch eine Beschleunigung der Vollstreckung geboten ist, mit Einwendungen des Beteiligten aber zu rechnen ist (BeckOK VwVfG/Herrmann, 61. Ed. 1.10.2023, VwVfG § 28 Rn. 42). Dabei unterliegt die zu treffende Ermessensentscheidung ebenfalls der Überprüfung der Kammer darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind, von dem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechenden Weise oder überhaupt von dem Ermessen Gebrauch gemacht worden ist (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 254).
60Vorliegend ist von einem kompletten Ermessensausfall auszugehen. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers nicht entgegengetreten, nicht kontaktiert worden zu sein, obwohl dies möglich gewesen wäre. Auch aus den sonstigen Unterlagen ergibt sich nicht, dass die eingesetzten Kräfte einen Gedanken daran verschwendet haben, ob der vor Ort befindliche Zeuge C. überhaupt der Betroffene im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG ist und ob im Lichte der vorgenannten Belange nicht eine Kontaktaufnahme mit dem Eigentümer angezeigt war. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass Erwägungen in dieser Hinsicht angestellt worden sind, so liegt eine Ermessensüberschreitung vor, weil von dem Ermessen nicht im Lichte der vorgenannten Aspekte entsprechend Gebrauch gemacht worden ist. Es wäre eine Sache von wenigen Minuten gewesen, den Zeugen C. zu bitten, seinen Chef als mutmaßlichen Eigentümer anzurufen und ihn von dem geplanten Vorgehen zu informieren. Eine irgendwie geartete Vereitelung der Zwangsöffnung durch den ortsabwesenden Kläger stand nicht in Rede und es ist auch nicht im Ansatz dargetan, dass der hierfür erforderliche Zeitraum Leib oder Leben der Kundin gefährdet hätte, nachdem die Vorgänge vor Ort sich sicherlich ohnehin nicht binnen weniger Minuten zugetragen haben (dazu nachfolgend). Hinzu kommt, dass mit Einwendungen des Klägers zu rechnen gewesen wäre, denn die Beamten konnten vor Ort gar nicht ausschließen, dass dem Eigentümer des Fahrzeugs womöglich weitere Wege bekannt sind, um eine verklemmte Tür an seinem Fahrzeug zu entriegeln, was nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers auch der Fall war.
61Der Verfahrensmangel ist auch nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW dadurch geheilt worden, dass die Anhörung nachgeholt worden ist, was auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann, wobei die bloße Kenntnisnahme nicht ausreicht, sondern über eine bloße Verteidigung der eigenen Rechtsposition hinaus erkennbar sein muss, dass die Behörde ihre Entscheidung kritisch überdenkt (BVerwG NVwZ-RR 2016, 449 Rn. 17). Dass dies hier im Lichte des Vortrages des Klägers stattgefunden hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
62Die Beklagte kann sich nach dem Sach- und Streitstand auch nicht darauf berufen, dass ihre Entscheidung im Falle der Durchführung der Anhörung nicht anders ausgefallen wäre, § 46 VwVfG NRW. Vorzunehmen ist insoweit eine hypothetische Beurteilung des behördlichen Verhaltens (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 46 Rn. 77), wobei der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für diesen Ausnahmetatbestand obliegt (BeckOK VwVfG/Schemmer, 61. Ed. 1.10.2023, VwVfG § 46 Rn. 35). Unabhängig davon, dass die Beklagte sich schon nicht auf diese Ausnahme von der Regel beruft, hätte nach dem jetzigen Sach- und Streitstand eine Anhörung des Klägers dazu geführt, dass dieser die Beamten der Feuerwehr von der Möglichkeit der Notentriegelung nach Entfernen einer Abdeckung von der Innenseite hätte informieren können, von der nicht in Zweifel gezogen ist, dass die ebenfalls zum Erfolg geführt hätte.
63Ob die Beklagte sich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten auch im Rahmen des § 839 BGB berufen kann, kann die Kammer dahingestellt bleiben lassen. Für den Fall des Entschädigungsanspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass die Verletzung von Verfahrensrecht eine Entschädigung dann nicht rechtfertigt, wenn die Maßnahme materiell-rechtlich gesetzeskonform ist (BGH NJW 1972, 727; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 61). Im Anschluss an das bereits zu Ermessensausübung betreffend § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG und § 46 VwVfG NRW Ausgeführte ist die Maßnahme nämlich auch materiell rechtswidrig erfolgt.
64(3)
65(a)
66Der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage in § 55 Abs. 2 VwVG ist nicht erfüllt, weil die Beamten der Feuerwehr nicht im Rahmen ihrer Befugnisse handelten und das Einsägen der Fahrzeugtür nicht zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig war.
67(aa)
68Innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt die Behörde, wenn sie dafür zuständig und auf Grund des materiellen Verwaltungsrechts berechtigt ist, von dem in Anspruch Genommenen das Tun oder Unterlassen zu verlangen, das sie erzwingt, so dass die Voraussetzungen eines hypothetischen Grundverwaltungsakts in Gestalt einer Handlungs- oder Duldungsverfügung zu prüfen sind (Engelhardt/App/Schlatmann/Mosbacher, 12. Aufl. 2021, VwVG § 6 Rn. 29).
69Es fehlt an der materiellen Rechtmäßigkeit eines hypothetischen Grundverwaltungsakts. Im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 2 VwVG liegt die Notwendigkeit der Maßnahme zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr nur dann vor, wenn sie verhältnismäßig, insbesondere erforderlich, also das mildeste Mittel ist (Dietlein/Hellermann NRWÖffR, § 3. Polizei- und Ordnungsrecht/Versammlungsrecht Rn. 254). Der Maßstab gilt auch für § 34 Abs. 2 S. 1 BHKG als einschlägiger Grundlage für den hypothetischen Verwaltungsakt.
70Die Voraussetzungen sind nicht eingehalten. Zwar diente das Einsägen der Heckklappe zur Befreiung der Kundin einem legitimen Zweck – der Wiederherstellung der Freiheit und der Abwendung einer Gesundheitsschädigung, die noch nicht eingetreten sein mag. Auch ist die Maßnahme ersichtlich auch geeignet gewesen, den Zweck zu erreichen. Allerdings ist die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht gegeben, was nur dann der Fall ist, wenn von mehreren gleich effektiven Mitteln das mildeste eingesetzt worden ist. Ein milderes Mittel wäre hier nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers allerdings die Möglichkeit gewesen, ohne zerstörerische Eingriffe in die Sachsubstanz, sondern alleine durch das Entfernen einer mit Klips befestigten Hartfaserplatte die manuelle Heckklappenverriegelung freizulegen und zu betätigen. Aus dem Einsatzbericht des Ordnungsamtes ergibt sich insoweit, dass die Feuerwehr auch von innen versucht hat, die Tür zu öffnen, nicht aber, dass sie auch den vom Kläger vorgetragenen Weg beschritten hat. Es ist auch nicht geltend gemacht, dass dies aufgrund der Platzverhältnisse nicht möglich gewesen wäre. Die Erforderlichkeit stünde allenfalls dann nicht in Rede, wenn die in Rede stehende Alternative nicht hätte bemüht werden können, ohne dass es zu einer erheblicheren Belastung für die geschützten Rechtsgüter gekommen wäre. Dabei kann die Kammer dahingestellt bleiben lassen, ob ein objektiver Maßstab mit der Folge anzulegen ist, dass die ersichtlich fehlende Kenntnis der eingesetzten Kräfte von der Notentriegelungsmöglichkeit unerheblich wäre, denn selbst bei Anlegung eines subjektiven Maßstabs wäre die Erforderlichkeit des Handels zu verneinen. In diesem Fall wäre eine mildere Maßnahme eine sich aufdrängende Rücksprache mit dem Eigentümer oder einer Werkstatt gewesen, ohne dass sofort ein Schaden von über 2.000,00 € durch Aufschneiden des Schlosses verursacht wird. Freilich hätte ein entsprechender Anruf die persönliche Freiheit der Kundin nicht so schnell beendet wie ein sofortiges Tätigwerden ohne Ermittlung weiterer Alternativen. Es ist von der Beklagten, die für das Vorliegen eines Rechtfertigungstatbestandes darlegungs- und beweisbelastet ist (OLG Köln NJOZ 2023, 401 Rn. 18) aber auch nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich, dass die Kundin nicht damit einverstanden gewesen wäre, zuvor noch einen anderen Versuch zu unternehmen, weil sie etwa bereits panisch eingestellt war und eine sofortige „Freilassung“ gefordert hätte. Als Ansatzpunkt bleibt daher die Frage, ob nicht mit einer akuten Gesundheitsgefährdung der schon schwitzenden Kundin zu rechnen war. Auch dies ist zu verneinen. Zwar hat die Kundin bereits zu schwitzen begonnen, sie war aber immerhin dauerhaft mit Trinkwasser versorgt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass offenbar niemand vor Ort das Erfordernis gesehen hat, einen RTW zu verständigen, was nahegelegen hätte, wenn irgendeiner der Anwesenden einen kritischen Zustand der Kundin besorgte. Es ist nicht einmal vorgetragen, dass die Kundin sich nach der Befreiung in ärztliche Behandlung begeben hätte. Schon die unstreitigen objektiven Umstände machten es nicht erforderlich, die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht benannten Zeugen (Bl. 78 d. A.) zu der Behauptung betreffend den Gesundheitszustand zu vernehmen. Im Übrigen macht die Beklagte nicht geltend, dass eine Verzögerung um weitere 1-2 Minuten – der Zeitraum, der realistischer Weise nötig gewesen wäre, um den Kläger telefonisch zu kontaktieren bzw. es zu versuchen und von dort die Information zu der manuellen Entriegelung der Heckklappe zu erhalten – von irgendeiner Relevanz für den Gesundheitszustand gewesen wäre.
71Soweit die Maßnahmen gem. § 34 Abs. 2 BHKG im pflichtgemäßen Ermessen der Einsatzleitung stehen, steht im Anschluss an die vorangehenden Ausführungen zur Notwendigkeit eine Ermessensüberschreitung durch Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Rede, da die angeordnete Maßnahme nicht erforderlich war.
72(bb)
73Im Anschluss an die Ausführungen zur Notwendigkeit der Maßnahme im Sinne von § 34 Abs. 2 BHKG fehlt es freilich auch an der Notwendigkeit der Maßnahme im Sinne von § 55 Abs. 2 VwVG NRW.
74cc)
75Die Feuerwehrbeamten konnten sich auch nicht auf § 228 BGB stützen. Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nach dieser Norm nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hinsichtlich des Begriffs der Erforderlichkeit gelten dieselben Anforderungen, wie sie vorangehend für die Erforderlichkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgestellt worden sind (BeckOK BGB/Dennhardt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 228 Rn. 8). Jedenfalls die Erforderlichkeit der Maßnahme ist daher zu verneinen.
763)
77Die verletzte Amtspflicht wies ferner Drittbezogenheit auf. Ob eine Amtspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten besteht, bestimmt sich danach, ob die Pflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch – den Sinn hat, sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen (BGH NJW 2018, 2264 Rn. 11).
78Der Umstand, dass die Haftung aus § 839 BGB die allgemeine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in sich einschließt und damit Amtsträgern das untersagt ist, was ohnehin jedermann untersagt ist, führt freilich dazu, dass die Pflicht, sich deliktischer Eingriffe zu enthalten Drittbezug aufweist, da die Regelung des § 823 Abs. 1 BGB gerade die aufgezählten Rechtsgüter des Geschädigten schützen will (vgl. MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 289).
794)
80Die Amtspflichtverletzung ist zudem durch den zuständigen Beamten fahrlässig (§ 276 Abs. 1 BGB) erfolgt. Fahrlässig handelt gem. § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Es kommt nach dem objektiven Fahrlässigkeitsbegriff darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, ohne Rücksicht darauf, ob der Handelnde nach seinen individuellen Fähigkeiten, Kräften, Erfahrungen und Kenntnissen die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 276 Rn. 21). Konkret gilt ein Sorgfaltsmaßstab, bei dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind (BGH NJW 2018, 2723 Rn. 58). Dabei ist zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt, dass weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des großzügigeren Haftungsmaßstabs des § 680 BGB für die in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgte Gefahrenabwehr gilt (BGHNJW 2018, 2723 Rn. 48, 53 ff.), weil die Vorschrift potentielle Geschäftsführer ermutigen und Zugleich im Falle eines spontanen Entschlusses zur Hilfe schützen soll, während es nach § 1 Abs. 1 BHKG in den Pflichtenbereich der Amtsträger der Feuerwehr fällt, u.a. bei Unglücksfällen tätig zu werden.
81Vorliegend hat die Beklagte über die Betonung der vermeintlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Kundin und damit über ein vermeintliches Eilbedürfnis hinausgehend nichts zur Entschuldigung im konkreten Fall vorgetragen. Die Kammer kann dahingestellt bleiben lassen, ob einem Feuerwehrmann, zu dessen Aufgabenbereich es auch gehört, Menschen nach Verkehrsunfällen aus Fahrzeugen befreien, bei denen aufgrund von Beschädigungen Türen und Klappen verklemmt sind, das Vorhandensein von solchen Notentriegelungen bekannt sein muss, wogegen sprechen mag, dass es eine Vielzahl von Fahrzeugen auf dem Markt gibt. Selbst wenn man nämlich eine solche Kenntnis nicht forderte, drängt sich auf, vor einem zerstörerischen Eingriff entweder Rücksprache mit dem mit dem Fahrzeug vertrauten Eigentümer zu halten oder eine Erkundigung bei einer Werkstatt einzuholen, um sich eine solche Kenntnis, wenn es die Umstände zeitlich – wie vorliegend – gestatten, zu verschaffen (s.o.).
825)
83Eine Ersatzpflicht des Z. scheidet indes teilweise wegen § 839 Abs. 1 S. 2 BGB aus, weil der Kläger gegenüber seinem Neffen anderweitig Ersatz verlangen kann.
84Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Zeugen C. aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu, wobei die Inanspruchnahme seines Neffen ihm nicht unzumutbar ist.
85a)
86Es ist in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits geklärt, dass allein eine familiäre Nähebeziehung nicht ausreichend ist, um eine Unzumutbarkeit zu begründen, sondern allenfalls Umstände, diese Außerhalb dieser Bindung liegen (vgl. BGH NJW 1973, 1654), hier aber nicht benannt sind.
87b)
88Da der Zeuge C. mit dem Transport der Kundin beauftragt war und weder naheliegend noch vorgetragen ist, dass dies im Rahmen einer Gefälligkeit geschah, ist davon auszugehen, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 611a BGB besteht.
89c)
90Der Zeuge C. hat eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt gemäß § 241 Abs. 2 BGB jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Vorliegend war das Eigentum des Klägers als Rechtsgut und im Übrigen seine Vermögensinteressen betroffen.
91Konkret obliegen dem Arbeitnehmer jedenfalls in seinem Aufgabenbereich solche Anzeige- und Aufklärungspflichten hinsichtlich erkennbarer oder voraussehbarer drohender Schäden im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung. Dabei ist er bereits im Vorfeld einer Schädigung zum Handeln verpflichtet, indem er etwa drohende Störungen und Schäden an Betriebsanlagen, Werkzeugen oder Arbeitsstoffen dem Arbeitgeber oder einem Vorgesetzten anzeigt (BeckOK ArbR/Joussen, 70. Ed. 1.12.2023, BGB § 611a Rn. 446; MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 619a Rn. 33).
92Vorliegend fielen der Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die Durchführung des sicheren Transports der Kundin in den konkreten Arbeitsbereich des Zeugen C.. Unabhängig von der Frage, ob der Zeuge schon nach der ersten Kollision mit dem Poller vor der Abholung zur Information des Klägers verpflichtet war, war er dies jedenfalls, nachdem infolge des erfolglosen Werkzeugeinsatzes seitens der Feuerwehr diskutiert wurde, ob die Heckklappe aufgesägt wird. Ab diesem Zeitpunkt war für den Fahrer absehbar, dass das Eigentum des Klägers einem erheblichen Eingriff ausgesetzt wird und eine Rücksprache angezeigt.
93d)
94Ein Verschulden des Zeugen wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Gründe, die diese Vermutung erschüttern, sind nicht vorgebracht. Dass der Zeuge subjektiv und nach eigenen Aussagen vor dem Amtsgericht „wie im Wahn/Film“ handelte, wobei der Kläger ferner angibt, dass der Zeuge in solchen Situationen schnell nervös wird und überfordert ist, steht der Annahme des Verschuldens nicht entgegen. Es gilt – wie schon oben betont – nämlich ein objektiver Fahrlässigkeitsbegriff, der danach fragt, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, ohne Rücksicht darauf, ob der Handelnde nach seinen individuellen Fähigkeiten, Kräften, Erfahrungen und Kenntnissen die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 276 Rn. 21). Jedem verständigen und durchschnittlichen Taxifahrer hätte sich, wenn schon nicht nach der ersten Kollision, doch aber nach den Problemen mit der Öffnung der Heckklappe aufgedrängt, vor einem zerstörerischen Eingriff doch einmal „den Chef anzurufen“ und sich weitere Instruktionen zu holen. Die Lage war angesichts des gestaffelten Ablaufs (Hinzutreten der Praxismitarbeiterhin und Verweis auf das Ordnungsamt, Auftauchen des Ordnungsamts, Hinzurufen der Feuerwehr nach erfolglosen Versuchen, Erscheinen der Feuerwehr und Aufschneiden nach weiteren erfolglosen Eröffnungsversuchen) nicht so zeitlich eng gelagert, dass hierzu nicht ausreichend Zeit bestanden hätte.
95e)
96Durch die Unterlassung einer Anzeige bzw. Kontaktaufnahme seitens des Zeugen C. ist dem Kläger auch kausal ein Schaden entstanden. Unter Zugrundelegung des unstreitigen klägerischen Vortrags hätte eine Kontaktaufnahme, die zwecks Anzeige einer Schädigungsgefahr hätte erfolgen müssen, dazu geführt, dass der Kläger auf die Möglichkeit der Notentriegelung hätte hinweisen und auf deren Durchführung hätte drängen können. Eine Öffnung durch Einsägen wäre dann nicht mehr erforderlich gewesen.
97Der Anspruch des Klägers ist in Anwendung des Arbeitnehmerhaftungsprivilegs im Sinne von § 254 BGB zumindest teilweise zu kürzen, so dass er gegenüber seinem Neffen jedenfalls nicht in voller Höhe auf eine Schadensfreihaltung im Sinne von § 839 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen werden kann.
98Die Ersatzpflicht des Schädigers ist jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB beschränkt, weil bei der Entstehung des Schadens ein ihm zuzurechnendes Verschulden mitgewirkt hat. Die Verpflichtung zum Schadenersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt dabei von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Über den Wortlaut des § 254 BGB hinaus wird diese Vorschrift auch dann angewandt, wenn den Geschädigten zwar kein Verschulden trifft, er für den entstandenen Schaden aber aufgrund einer von ihm zu vertretenden Sach- oder Betriebsgefahr mitverantwortlich ist, wenn er also bei der Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Dabei ist anerkannt, dass sich eine nach Abwägung der Umstände im Einzelfall abgestimmte Schadensteilung zwischen der vollen Haftung des Schädigers und seiner vollen Entlastung bewegen kann.
99Diese Rechtsgrundsätze gelten auch im Arbeitsverhältnis und führen zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf Seiten des Arbeitgebers das Betriebsrisiko zu berücksichtigen ist. Neben der Gefährlichkeit bestimmter Anlagen besteht für den Arbeitgeber ein weiterer Zurechnungsgrund, der im Rahmen des § 254 BGB bei allen betrieblich veranlassten Tätigkeiten zu berücksichtigen ist. Der Arbeitgeber muss sich im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB auch seine Verantwortung für die Organisation des Betriebs und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zurechnen lassen (Grundlegend BAG NZA 1994, 1083).
100Dieser Rechtsprechung erfasst insbesondere vertragliche Ansprüche aus Nebenpflichtverletzungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer aus § 241 Abs. 2 BGB (MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 619a Rn. 21, 29). Der Zeuge ist im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit tätig geworden sein. Als betriebliche Tätigkeiten gelten neben jenen, die dem Arbeitnehmer ausdrücklich von dem Betrieb und für den Betrieb übertragen sind, auch solche, die er im Interesse des Betriebs ausführt oder die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem Wirkungskreis stehen und in diesem Sinne betriebsbezogen sind (MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 619a Rn. 22). Dem Zeugen C. oblag als Fahrer nicht nur die Verantwortung für die Fahrgäste, sondern auch für die eingesetzten Betriebsmittel in Gestalt des Fahrzeugs als Kernpflicht.
101Kriterium für die Haftungsabwägung ist letztlich das Maß des Verschuldens des Arbeitnehmers. Während bei leichtester Fahrlässigkeit keine Haftung des Arbeitnehmers eintritt, greift bei grober Fahrlässigkeit in der Regel keine Haftungsbegrenzung, wobei Ausnahmen dann in Betracht kommen, wenn ansonsten die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers vernichtet wird. Mit „normaler“ bzw. mittlerer Fahrlässigkeit ist eine umfassende Haftungsabwägung erforderlich, die in der Regel zu einer Quotierung führt (MüKo, a.a.O. Rn. 36 ff.).
102Eine leichteste Fahrlässigkeit ist auszuschließen, weil der Zeuge hier unterlassen hat, was sich jedem verständigen Fahrer aufgedrängt hätte, der sich mit einer nahenden Schädigung des Eigentums seines Arbeitgebers konfrontiert sieht: seinen Chef zu informieren! Das Verhalten des Zeugen ist vielmehr im Grenzbereich zu einem ungewöhnlich hohen Grad der Pflichtverletzung – also grober Fahrlässigkeit anzusetzen, die mit 50 % zu bestimmen ist.
103II)
104Konkurrierend neben dem Amtshaftungsanspruch steht dem Kläger ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zur Seite, der die vorangehend behandelte Kürzung nicht erfährt, da die Regelung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht für andere selbstständige Erstattungsansprüche gegen den Staat gilt (BGH NJW 2013, 1736 Rn. 16).
105Dieser Anspruch setzt voraus, dass von hoher Hand in eine durch Art. 14 GG (eigentumsmäßig) geschützte Rechtsposition unmittelbar eingegriffen wird, dass also die rechtswidrige hoheitliche Maßnahme unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt und dem Betroffenen dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit abverlangt wird (BGH NVwZ-RR 2000, 744).
1061)
107Vorliegend ist es zu einer Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers an dem angesägten Fahrzeug durch schlicht hoheitliches Handeln (vgl. MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 50) gekommen. Da dies durch hoheitliches Handeln im Rahmen der Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr erfolgte, liegt auch ein unmittelbarer Eingriff vor. Der Eingriff war, da den Beamten ausweislich der vorangehenden Ausführungen kein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand, auch rechtswidrig. Das geforderte Sonderopfer ergibt sich in diesem Fall bereits aus der rechtswidrigen Inanspruchnahme (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 41). Vorrangigen Primärrechtsschutz konnte der Kläger nicht erlangen. Den durch den Substanzeingriff eingetretenen Schaden kann der Kläger ersetzt verlangen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 64). Insoweit ist keine abweichende Beurteilung der Schadenspositionen gegenüber den sonst nach § 249 ff. BGB zu ersetzenden Schäden angezeigt.
1082)
109Die Vermögenslage ist dadurch belastet, dass dem Kläger ein Sachschaden an seinem Fahrzeug entstanden ist, der sein Vermögen jedenfalls mit dem Reparaturkostenbetrag belastet, der aufzuwenden ist, um den Schaden wieder zu beseitigen, wobei hier eine verbleibende Wertminderung nicht geltend gemacht ist. Den Reparaturkostenaufwand ist gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzen, wonach der zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderliche Geldbetrag vom Schädiger verlangt werden kann. Streit über die Höhe der Reparaturkosten besteht nicht. Sie sind damit in Höhe des in Rechnung gestellten Nettobetrages von 2.086,97 € zu ersetzen. Die Unkostenpauschale ist mit 25,00 € zu bemessen (OLG Hamm Urt. v. 6.9.2016 – I-9 U 118/15, BeckRS 2016, 18084 Rn. 6). Zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzenden erforderlichen Geldbetrag gehören als Kosten der Schadensermittlung ferner die für die Begutachtung durch einen Privatsachverständigen anfallenden Kosten (vgl. nur BGH NJW 2019, 430 Rn 8; 2017, 1875 Rn. 6). Streit über die Höhe der mit Bl. 7 abgerechneten Nettovergütung von 581,50 € besteht nicht, so dass der Kläger auch diesen Betrag ersetzt verlangen kann. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Bei deliktischen Eingriffen, in deren Folge sich komplexere Fragen des Amtshaftungsrechts mit verwaltungsrechtlichen Bezügen stellen, ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Wahrung der Rechte des Geschädigten zweifelsohne erforderlich und zweckmäßig. Der Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger ist grundsätzlich nur der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. BGH NJW 2018, 935 Rn. 6, 7, beck-online). Aus einem gegenstandswert von 2.693,00 € kann der Kläger grundsätzlich folgende Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. netto 308,60 € ersetzt verlangen. Da er nur eine 0,65-Geschäftsgebühr geltend macht, beläuft sich der Anspruch inkl. der Auslagen auf 164,30 €. In jedem Falle kann der Kläger daher auch die geltend gemachten 163,30 € verlangen.
1103)
111Bei alledem ist ein Mitverschulden des Zeugen nach den Rechtsgedanken der §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB nicht zu berücksichtigen. Ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand nicht und ein gesetzliches Schuldverhältnis entstand erst mit der deliktischen Handlung, so dass die Zurechnung vorangegangener Säumnisse des Zeugen C., die oben diskutiert worden sind, nicht in Betracht kommt.
1124)
113Eine Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Klägers gegenüber dem Zeugen nach § 255 BGB war nicht auszusprechen, da die Beklagte einen entsprechenden Einwand nicht erhoben hat. Die Hinweispflicht der Kammer geht auch nicht so weit, dass einer Partei über eine rechtliche Problematik hinausgehend – das im Verhandlungstermin angesprochene Arbeitnehmerhaftungsprivileg – nicht bedachte Einwendungen an die Hand gegeben werden müssen.
114III)
115Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.
116B)
117Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt für den Kläger aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO und für die Belagte aus den §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
118Der Streitwert wird auf 2.693,47 EUR festgesetzt.
119