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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Schweizer Staatsbürger und der Sohn von Frau M. F., geborgene R., welche die Tochter des 1954 verstorbenen Schweizer Staatsbürgers Herrn C. N. P.-R. und dessen bereits 1931 vorverstorbener erster Ehefrau G. T. ist. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete Herr C. N. P.-R. am 11.03.1932 die 1998 verstorbene Frau M. R., geborene W., welche die Tochter von Herrn V. W. und Frau D. W. war.
3Erben des Herrn C. N. P.-R. waren Frau M. R., geborene W., und seine Tochter aus erster Ehe, Frau M. F., geborgene R.. Erbe der Frau M. R., geborene W., ist der Kläger.
4Herr C. N. P.-R. verfügte bei der Beklagten, jedenfalls in den 1930er Jahren über ein sogenanntes Scheckkonto mit der Kontonummer N01. Bei dem auf diesem Konto befindlichen Vermögen handelte es sich nach der am 01.08.1931 erlassenen Verordnung über die Devisenbewirtschaftung um sogenanntes Sperrvermögen, welches zunächst nicht an diesen ausgezahlt worden ist. Im Jahre 1932 bemühte der Kläger sich erstmals um die Auszahlung des auf dem Konto befindlichen Vermögens.
5Im Laufe des Jahres 1937 wurde das Konto aufgelöst.
6Das Finanzamt KN. setzte 1939 gegenüber Herrn V. W. rassisch motivierte und begründete Zahlungspflichten in Form von Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe fest.
7Im Laufe des zweiten Weltkriegs gab es in KN. mehrere Luftangriffe. Insbesondere bei Luftangriffen am 02.12.1944 und am 15.03.1945 kam es zu erheblichen Zerstörungen bei der Beklagten. Im Zuge dieser Zerstörungen wurden auch in erheblichem Umfang Unterlagen der Beklagten – auch in Bezug auf das oben aufgeführte Konto des Herrn C. N. P.-R. – vernichtet.
8Der Kläger behauptet, Frau M. R.-W. habe von ihren Eltern eine Mitgift in Höhe von 38.000 Reichsmark zur Hochzeit mit Herrn C. N. P.-R. erhalten. Nach diversen Abzügen sei der übrige Teil der Mitgift auf das Scheckkonto eingezahlt worden, sodass dieses ein Guthaben in Höhe von mindestens 21.124,30 RM aufgewiesen habe.
9Dieses Vermögen sei durch die Beklagte nicht an Herrn C. N. P.-R. ausgezahlt worden. Die Weigerung der Beklagten, dem Großvater des Klägers das Bankguthaben auszuzahlen, habe spätestens ab Oktober 1934 auf einer für die Beklagte erkennbaren sittenwidrigen Anwendung der rassistisch motivierten Devisenbestimmungen beruht. Er ist der Ansicht, aufgrund dessen einen Anspruch auf Schadensersatz in nach Auskunft über den Stand des Kontos noch zu beziffernder Höhe, gegen die Beklagte zuzüglich Zinsen seit dem 01.10.1934 zu haben.
10Sollte das Vermögen eingesetzt worden sein, um die gegen Herrn V. W. festgesetzte Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe zu begleichen, so sei auch dies rechtswidrig erfolgt, sodass insoweit ebenfalls ein Schadensersatzanspruch bestehe.
11Der Kläger beantragt,
121. Die Beklagte zu verpflichten, ihm Auskunft zu erteilen,
13a. über das bei der Beklagten bestehende oder früher bestandene Konto des C. N. P.-R. und mit buchhalterischen Unterlagen zu belegen, in welcher Höhe ein Kontoguthaben besteht oder bestanden hat,
14b. ob und in welcher Höhe in den Jahren 1933 bis 1945 von dem Konto des C. N. P.-R. Zahlungen an das Finanzamt KN. geleistet wurden für zu Lasten seines Schwiegervaters V. Cohn festgesetzte Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe,
152. Die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben eidesstattlich zu versichern.
163. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.1934 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie behauptet, einer etwaigen Auskunftspflicht im ihr möglichen und zumutbaren Umfang hinreichend nachgekommen zu sein.
20Zudem erhebt sie die Einrede der Verjährung für sämtliche geltend gemachten Ansprüche.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage hat keinen Erfolg.
23A. Die als Stufenklage nach § 254 ZPO erhobene Klage ist zulässig.
24Insbesondere ist das erkennende Gericht auch international zuständig.
25Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 2 Abs. 1 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ), weil die Beklagte ihren Sitz nach Art. 60 Abs. 1 LGVÜ in der Bundesrepublik Deutschland und der Kläger seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Art. 16 LGVÜ findet keine Anwendung, da die Beklagte nicht „anderer Vertragspartner“ im Sinne des Art. 15 Abs. 1 c) LGVÜ ist, denn es ist nicht erkennbar oder vorgetragen, dass sie ihre gewerbliche Tätigkeit auch in der Schweiz ausübt bzw. diese auf die Schweiz ausrichtet. Unabhängig davon würde auch in dem Fall die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts bestehen, da der Kläger dann nach Art. 16 LGVÜ ein Wahlrecht hätte, welches er durch die Erhebung der Klage am erkennenden Gericht ausgeübt hätte.
26B. Die Klage ist jedoch insgesamt - sämtliche Stufen betreffend - unbegründet.
27I. Anzuwenden ist deutsches materielles Recht.
281. Die Verordnung der Europäischen Union Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) vom 17.06.2008 gilt gemäß Art. 28 nur für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden und ist hier damit nicht maßgeblich.
292. Die vor der Rom-I-VO einschlägigen Art. 27 – 37 EGBGB galten erst für Verträge ab dem 01.09.1986, sodass auch diese hier nicht für die Beurteilung von Ansprüchen aus einem etwaigen im Jahr 1932 geschlossenen Vertrag zwischen der Beklagten und Herrn C. N. Arthus-R. maßgeblich sind.
303. Bis zum September 1986 war das Internationale Vertragsrecht in der Bundesrepublik Deutschland nicht kodifiziert, sondern es war auf Richterrecht bzw. Gewohnheitsrecht abzustellen.
31Maßgeblich war danach der ausdrücklich oder konkludent erklärte Wille der Parteien, das Recht welchen Staates zur Anwendung kommen sollte. Hilfsweise wurde auf den hypothetischen Parteiwillen durch eine „vernünftige Interessenabwägung nach objektiven Grundsätzen“ abgestellt, oder es wurde der subjektiven Theorie gefolgt, nach welcher maßgeblich war, welche Vereinbarung die Parteien vernünftigerweise getroffen hätten, wenn sich ihnen das Problem des anwendbaren Rechts gestellt hätte. Letzthilfsweise hielt die deutsche Rechtsprechung den Erfüllungsort für entscheidend (vgl.: Spickhoff in: BeckOK, BGB, 68. Edition, 01.08.2023, Art. 1 Rom-I-VO Rn. 4 m.w.N.).
32Nach diesen Maßstäben bedarf es vorliegend keiner tiefgehenden Auseinandersetzung mit diesen Grundsätzen, da in jedem Fall deutsches Recht Anwendung findet.
33Für die Bestimmung des konkludenten Willens der Vertragsparteien lässt sich ausschließlich heranziehen, dass das Konto in KN. eingerichtet worden ist und zu Lebzeiten des Erblassers offenbar deutsches Recht angewandt wurde. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass die Vertragsparteien Schweizer Recht zur Anwendung hätten bringen wollen. Da das Konto bei der ausschließlich in KN. ansässigen und tätigen Beklagten eröffnet und geführt wurde, wäre auch nach objektiven Grundsätzen, sowie nach der subjektiven Theorie der Anwendung deutschen Rechts der Vorrang gegenüber der Anwendung Schweizer Rechts zu geben. Soweit auf den Erfüllungsort abzustellen sein sollte, ist ebenfalls deutsches Recht anzuwenden, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Leistungen gegenüber dem Erblasser außerhalb Hagens erbracht oder geschuldet hätte.
34II. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die mit dem Antrag zu 1 auf erster Stufe begehrte Auskunft aus den als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden §§ 666, 675 Abs. 1, 1922 BGB. Unabhängig davon wäre ein solcher jedenfalls nicht durchsetzbar.
351. Diese Normen sind uneingeschränkt anwendbar. Der Kläger macht hier zwar Ansprüche seines Großvaters geltend, sodass für die Frage des Bestehens der Ansprüche auf die Rechtslage abzustellen ist, welche zu dem Zeitpunkt bestand, als der Großvater Berechtigter dieser Ansprüche war – soweit diese Rechtslage mit der heutigen verfassungsmäßigen Grundordnung vereinbar ist – § 666 BGB und § 1922 BGB bestehen jedoch jedenfalls seit den 1930er Jahren bis heute unverändert. § 675 Abs. 1 BGB hat zwar kleinere Änderung durchlaufen, im hier wesentlichen Umfang – dem Verweis auf unter Anderem § 666 BGB für Dienstverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben – ist jedoch keine Änderung zu verzeichnen.
362. Grundsätzlich bestand nach § 666 BGB ein Auskunftsanspruch des Erblassers gegenüber der Beklagten, denn unstreitig führte die Beklagte für den Erblasser ein Scheckkonto mit der Nr. N01. Der Vertrag zwischen Bank und Scheckaussteller ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB (MünchKomm/Heermann, BGB, 9. Aufl. 2023, § 675 Rn. 93 m.w.N.).
37Unerheblich ist dabei, ob das Konto in den späten 1930er Jahren aufgelöst worden ist, oder noch heute fortbesteht, denn in zeitlicher Hinsicht besteht der Auskunftsanspruch nicht nur während der Auftragsausführung, sondern auch davor und danach (MünchKomm/F. Schäfer, BGB, 9. Aufl. 2023, § 666 Rn. 24 m.w.N.).
38Unerheblich für das Bestehen eines solchen Anspruchs ist auch die Frage, ob ein weitergehender Anspruch besteht, dessen Vorbereitung die begehrten Auskünfte dienen sollen. § 666 BGB setzt seinem Wortlaut nach einen solchen Anspruch nicht voraus und dient bei einer am Normzweck orientierten Auslegung nicht nur der Vorbereitung weitergehender Ansprüche, sondern auch unabhängig hiervon der Information des Auskunftsberechtigten über die Geschäfte, die der Auskunftspflichtige in seinem Interesse – beziehungsweise hier im Interesse des Erblassers – geführt hat (vgl.: BGH, Urteil vom 28.02.1989 – XI ZR 91/88). Ob der mit dem Antrag zu 3 geltend gemachte Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht, ist folglich an dieser Stelle unerheblich.
393. Der Auskunftsanspruch besteht jedoch nicht in dem mit dem Antrag zu 1.a) begehrten Umfang.
40Inhalt und qualitativer Umfang des Anspruchs richten sich nach dem Gegenstand des Auftrags, der Üblichkeit im Geschäftsverkehr sowie dem Zweck der verlangten Auskunft. Der Auftraggeber kann die Beantwortung einer einzelnen Frage bis hin zur Abgabe eines Gesamtberichts verlangen. Neben einer bloßen Information kann der Auftraggeber im Einzelfall eine Erläuterung schulden (MünchKomm/F. Schäfer, BGB, 9. Aufl. 2023, § 666 Rn. 26 m.w.N.).
41Auch wenn die Auskunftspflicht nach § 666 BGB – wie oben ausgeführt – nicht voraussetzt, dass der Geschäftsherr die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass die Verpflichtung ohne Einschränkungen besteht. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch nach § 666 BGB lediglich eine aus dem Auftragsverhältnis folgende unselbständige Nebenpflicht darstellt. Hieraus ergibt sich, dass der Anspruch grundsätzlich von dem Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsvertrag abhängig ist, dessen Absicherung er dient. Inhalt und Grenzen der Auskunftspflicht müssen sich stets auf das konkrete Rechtsverhältnis beziehen und haben sich auf dieser Grundlage nach Treu und Glauben am Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu orientieren (BGH, Urteil vom 09.11.2017 – III ZR 610/16; BGH, Urteil vom 16.06.2016 – III ZR 282/14).
42a) Mit dem Antrag zu 1.a) begehrt der Kläger Auskunft über den Bestand des Kontos und die Vorlage buchhalterischer Unterlagen zum Beleg der Auskunft, in welcher Höhe ein Kontoguthaben besteht oder bestanden hat. Diese Auskunft ist in Anbetracht der vertraglichen Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beklagten hinsichtlich der Führung eines entsprechenden Kontos grundsätzlich schon nach dem Gegenstand des Vertrags und der Üblichkeit des Geschäftsverkehrs zu erwarten. Die genaue Vorlage einzelner buchhalterisch geführter Belege ist dabei zwar nicht zwingend erforderlich, um einen eventuell aus dem Konto bestehenden Anspruch beziffern zu können, Auskünfte zur genauen Entwicklung des Kontos über die Jahre dürften jedoch erforderlich für die Nachvollziehbarkeit der Bezifferung eines Anspruchs sein. Zu beachten ist insoweit, dass der Auskunftsanspruch aus § 666 BGB sogar auch solche Auskünfte umfasst, die zur Überprüfung der Richtigkeit einzelner Buchungen erforderlich sind (BGH, Urteil vom 30.01.2001 – XI ZR 183/00; BGH, Urteil vom 04.07.1985 – III ZR 144/84).
43aa) Das Begehren des Klägers ist aber sehr weit gefasst und bereits vor diesem Hintergrund teilweise nicht begründet.
44Im Ergebnis begehrt er eine umfassende Rechnungslegung. Ein umfassender Rechnungslegungsanspruch nach Beendigung des entsprechenden Vertrages besteht jedoch regelmäßig nicht, denn das Kreditinstitut würde in unzumutbarer Weise belastet, wollte man von ihm verlangen, bei Kontoauflösung stets auf Verlangen noch einmal eine erschöpfende, übersichtliche und verständliche Darlegung sämtlicher Kontobewegungen seit der Kontoeröffnung zu geben und entsprechende Belege vorzulegen. Eine solche Verpflichtung würde Treu und Glauben und der Verkehrssitte widersprechen (vgl. für einen Girovertrag: BGH, Urteil vom 04.07.1985 – III ZR 144/84). Die Beklagte legte hier dar, das Konto werde nicht mehr geführt, denn es sei im Jahre 1937 aufgelöst worden. Hierzu führte sie substantiiert verschiedene Kontostände in den Jahren 1934 (Anlage KE 5), 1935 (Anlage KE 14), 1936 (Anlage KE15) und 1937 (Anlage KE 16) an, nach welchen der Kontostand sich jeweils sukzessive verringert habe. Hierbei handelte es sich zwar nicht um „Kontoauszüge“, aber um Aufstellungen der Beklagten zur Mitteilung gegenüber der Reichsbank über bestehendes Sperrvermögen. Die Beklagte war zu entsprechenden Aufstellungen verpflichtet und das streitgegenständliche Konto stellte auch unstreitig entsprechendes Sperrvermögen dar. In der Aufstellung für 1937 sei zudem vermerkt worden, dass das Konto aufgelöst worden sei. In der Aufstellung für das Jahr 1938 (Anlage KE7) werde das Konto nicht mehr aufgeführt. Diesem substantiierten Vortrag zur Beendigung des Vertragsverhältnisses hinsichtlich dieses Kontos widerspricht der Kläger nicht hinreichend. Er führt dem gegenüber lediglich pauschal aus, dass unklar sei, ob die Gelder nicht auf andere Konten umgebucht worden seien. Damit stellt er die Beendigung des Vertragsverhältnisses im Ergebnis nicht in Abrede.
45bb) Der Auskunftsanspruch umfasst jedoch die Mitteilung, was mit dem Konto geschehen ist.
46Der – hier erhebliche – Zeitablauf allein führt nicht zur Unzumutbarkeit der Auskunftserteilung, da die Auskunftspflicht aus § 666 BGB keinen festen zeitlichen Beschränkungen unterliegt (BGH, Urteil vom 04.07.1985 – III ZR 144/84).
47b) Mit dem Antrag zu 1.b) begehrt der Kläger die Auskunft über konkrete Zahlungen an das Finanzamt KN. für zu Lasten des Schwiegervaters des Erblassers – Herrn V. W. – festgesetzten Reichsfluchtsteuern und Judenvermögensabgaben, weil er meint, solche Zahlungen ersetzt verlangen zu können. Der Umfang der Auskunftspflicht erstreckt sich nach dem Zweck der begehrten Auskunft auch auf solche konkreten Zahlungen. Insbesondere stünden einer solchen Auskunft keine erkennbaren widerstreitenden Interessen Dritter – beispielsweise datenschutzrechtlicher Natur – entgegen.
484. Der Kläger ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 Abs.1 BGB Gläubiger des Auskunftsanspruchs geworden, jedoch kann er nicht, wie von ihm beantragt, die Auskunftserteilung nur an sich verlangen.
49a) Erben des Herrn C. N. P.-R. waren dessen zweite Ehefrau M. R., geborene W., und seine Tochter aus erster Ehe und Mutter des Klägers, Frau M. F., geborgene R.. Erbe der Frau M. R. ist der Kläger. Hinsichtlich des Nachlasses des Herrn C. N. P.-R. besteht damit eine Erbengemeinschaft, deren Mitglieder der Kläger und dessen Mutter sind.
50Die im Tatbestand dargestellten familiären Verhältnisse ergeben sich so zwar nicht unmittelbar aus dem Vortrag des Klägers, wonach Frau M. F. die Tochter des Herrn Herrn C. N. P. R. und seiner zweiten Ehefrau sein soll, sie ergeben sich jedoch aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen zum Nachweis der Beziehungen (Anlagen K2 und K9). Es handelt sich damit offenbar um einen unerheblichen Fehler im Vortrag des Klägers. Im Hinblick auf die Erbschaften werden diese von der Beklagten zwar bestritten, in Anbetracht der vorgelegten Unterlagen und Erbscheine hält die Kammer dieses einfache bestreiten jedoch nicht für hinreichend substantiiert und damit für unerheblich.
51Der Kläger kann nach den obigen Darstellungen allenfalls Auskunft an die Erbengemeinschaft verlangen. Schon nach § 2039 S. 1 BGB kann ein Miterbe bei Ansprüchen, die zum Nachlass gehören, die Leistung nur an alle Erben fordern. Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaftslegung gehören zum Nachlass im Sinne dieser Vorschrift (OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 790 (791)). Zudem ergibt sich dies aber auch schon unmittelbar aus § 666 BGB, da nach dieser Norm die Informationspflicht als unteilbare Leistung gegenüber sämtlichen Gläubigern – hier Miterben – zu erfüllen ist, sodass der Kläger die Information auch nur an alle Miterben gemeinschaftlich verlangen kann (BGH, Urteil vom 17.12.1964 – III ZR 79/63; BGH NJW 1996, 656 (656); MünchKomm/F. Schäfer, BGB, 9. Aufl. 2023, § 666 Rn. 15). Von diesem Grundsatz können zwar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Ausnahmen gerechtfertigt sein, solche sind hier aber nicht ersichtlich oder vorgetragen.
52b) Die Auskunftserteilung an die Erbengemeinschaft statt nur an den Kläger ist als ein „Mehr“ vom Antrag zu bewerten, sodass ein entsprechender Urteilsausspruch vom Streitgegenstand nicht umfasst wäre und eine solche Entscheidung nach § 308 ZPO nicht möglich ist. Dies folgt daraus, dass die Auskunftserteilung ein Realakt der Beklagten ist (MünchKomm/F. Schäfer, BGB, 9. Aufl. 2023, § 666 Rn. 36), welchen sie mehrfach oder gegenüber mehreren zugleich wahrnehmen müsste. Demgegenüber ließe sich zwar auch darauf abstellen, dass der Kläger lediglich weniger als das Begehrte erhalten würde, wenn er nur Mitberechtigter und nicht Alleinberechtigter des Anspruchs wäre, diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Sie würde dazu führen, dass die Verantwortung, die Erben und deren Aufenthalt bzw. Erreichbarkeit zu ermitteln, auf die Beklagte als Schuldnerin verlagert würde. Das ist nicht sachgerecht. Insbesondere würde der Kläger zudem nicht „weniger“ erhalten, sondern es würde lediglich eine weitere Person ebenfalls dieselben Auskünfte erhalten. Der Umfang oder der Wert der dem Kläger erteilten Auskünfte ist unabhängig davon, ob dieser Realakt der Auskunftserteilung auch anderen Personen gegenüber vorgenommen wird.
53Doch auch wenn dies anders gesehen würde, bestünde der Anspruch nicht, da die Klage schon aus anderen Gründen unbegründet ist.
545. Soweit der Auskunftsanspruch nach den obigen Ausführungen überhaupt besteht, ist er von der Beklagten jedenfalls gegenüber dem Kläger im Laufe des hiesigen Prozesses erfüllt worden, mit der Folge, dass er gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
55Für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus § 666 BGB genügt, dass die erteilte Auskunft formal vollständig ist. Ausreichend dazu ist die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Schuldners, dass die Information vollständig sei. Dazu kann bereits eine verneinende Antwort auf eine Frage des Auftraggebers nach Gegenständen oder Handlungen genügen (BGH NJW 2021, 765; BGH NJW 1959, 1219).
56Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Rechnungslegung in weitergehendem Umfang nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gemäß § 259 Abs. 2 BGB bzw. § 260 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2021, 765 m.w.N.).
57a) Soweit der Kläger im Antrag zu 1.a) von der Beklagten verlangt, Auskunft über das bei der Beklagten bestehende oder früher bestandene Konto des C. N. P.-R. zu erteilen und diese Auskunft mit buchhalterischen Unterlagen zu belegen, in welcher Höhe ein Kontoguthaben besteht oder bestanden hat, ist bereits oben ausgeführt worden, dass kein Anspruch auf eine umfassende Rechnungslegung besteht. Soweit der sehr allgemein gefasste Antrag zu 1.a) jedoch die Auskunft darüber umfasst, was mit dem Konto geschehen ist und welchen Kontostand es aufweist, sollte es noch bestehen, hat die Beklagte den Anspruch erfüllt.
58Die Beklagte erklärte bereits in der Klageerwiderung, es habe zugunsten des Herrn C. N. P.-R. ein Scheckkonto zu der Nr. N01 bestanden. Sodann legte sie für die Jahre 1934, 1935, 1936 und 1937 anhand der Mitteilungen an die Reichsbank über Sperrguthaben die bestehenden Kontostände dar und führte aus, das Konto sei sodann aufgelöst worden. Die Beklagte erteilte damit Auskunft über „den Bestand“ des Kontos. Auskünfte über das auf dem Konto befindliche Vermögen erübrigen sich nach der Kontoauflösung.
59Weitergehende Ausführungen sind von der Beklagten nicht zu verlangen. Diese führt unbestritten aus, dass es bei Luftangriffen am 02.12.1944 und am 15.03.1945 zu erheblichen Zerstörungen bei der Beklagten gekommen sei. Die noch vorhandenen Archive habe sie umfassend überprüft und sämtliche verfügbaren Informationen mitgeteilt und die entsprechenden Unterlagen vorgelegt.
60Da nach den obigen Ausführungen eine Pflicht zur umfassenden Rechnungslegung nicht bestand, hat die Beklagte die ihr obliegende Pflicht erfüllt. Die konkrete Auskunft über einzelne Kontobewegungen begehrt sie mit dem Antrag zu 1.b).
61Die Frage der inhaltlichen Richtigkeit dieser Auskunft ist – auch wenn die Parteien hierüber streiten – keine für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs relevante Frage.
62b) Auch im Hinblick auf die mit dem Antrag zu 1.b) begehrte Auskunft ist der Anspruch bereits erfüllt.
63Bereits in der Klageerwiderung teilte die Beklagte mit, es seien „soweit ersichtlich“ keine Zahlungen an das Finanzamt KN. geleistet worden für zu Lasten des Herrn V. W. festgesetzte Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe. Konkret führt die Beklagte insoweit in der Klageerwiderung und im Schriftsatz vom 30.11.2023 aus, dass das Finanzamt KN. bei der Beklagten mit Schreiben vom 23.08.1939 (Anlage KE13) tatsächlich hinsichtlich des Herrn V. W. die Zahlung von Reichsfluchtsteuer, Judenvermögensabgabe und Einkommensteuer angefordert habe. Die entsprechenden Zahlungen seien jedoch zu Lasten des Kontos Nr. N02, dessen Inhaber Herr V. W. selbst gewesen sei, erfolgt. Es könnten daher keine entsprechenden Leistungen aus dem Konto des Erblassers erfolgt sein.
64Diese substantiierte Darlegung ist als „unbedingte“ Auskunftserteilung dahingehend, dass entsprechende Zahlungen nicht vom Konto des Erblassers erfolgt sind, zu verstehen. Die ursprüngliche sprachliche Einschränkung, dass dies „soweit ersichtlich“ nicht der Fall sei, steht dem in Anbetracht der substantiierten Darlegungen nicht entgegen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es in der Natur negativer Tatsachen liegt, dass sie immer nur dadurch dargelegt werden können, dass keine diesen entgegenstehenden positiven Tatsachen vorliegen bzw. ersichtlich sind.
656. Unabhängig davon, ob der begehrte Auskunftsanspruch besteht, in welchem Umfang er besteht und ob er bereits erfüllt worden ist, wäre der Auskunftsanspruch zudem jedenfalls nicht durchsetzbar, weil die Beklagte die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB erhoben hat.
66a) Die Verjährung ererbter Ansprüche setzt sich nach dem Stand fort, der zum Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erblassers erreicht war, das heißt der Erbe erwirbt die Forderung als bereits verjährt, mit laufender Verjährung oder mit noch nicht begonnener Verjährung (BGH NJW 2014, 2492; BGH NJW 1967, 2199).
67Soweit der Beginn der Verjährung vom Kenntnisstand des Gläubigers abhängt, bleibt die erreichte Kenntnis des Erblassers maßgebend. Der Anspruch geht, wenn der Erblasser die erforderliche Kenntnis gehabt hat, mit der in Gang gesetzten Verjährung auf den Erben über, auch wenn dieser die Kenntnis nicht oder erst nach dem Anspruchsübergang erhält. Hatte der Erblasser den erforderlichen Kenntnisstand nicht erreicht, so kommt es auf die Kenntniserlangung (bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis) in der Person des Erben an (MünchKomm/Leipold, BGB, 9. Aufl. 2022, § 1922 Rn. 95 m.w.N.).
68Etwaige Ansprüche des Herrn C. N. P.-R. sind durch dessen Tod im Jahre 1954 im Wege der Erbschaft auf die Frau M. F., geborene R., und auf Frau M. R.-W., geborene W., übergegangen. Der Kläger ist im Wege der Rechtsnachfolge durch den Tod der Frau M. R.-W. im Jahre 1998 Gläubiger etwaiger Forderungen des Herrn C. N. P.-R. geworden.
69b) Gemäß der zum Zeitpunkt der Kontoauflösung im Jahr 1937 geltenden alten Fassung des § 195 BGB betrug die regelmäßige Verjährungsfrist 30 Jahre und begann nach § 198 S. 1 BGB alte Fassung mit der Entstehung des Anspruchs.
70Danach sind sämtliche Ansprüche, welche Herr C. N. P.-R. gegen die Beklagte gehabt haben könnte, jedenfalls verjährt, bevor Frau M. R.-W. diese Ansprüche im Jahr 1998 an den Kläger vererbt haben könnte.
71Die Verjährung des Auskunftsanspruchs beginnt grundsätzlich nicht vor Beendigung des Auftragsverhältnisses (BGHZ 192, 1), sondern in der Regel mit der Beendigung. Maßgeblich für den Beginn der dreißigjährigen Verjährungsfrist ist damit das Ende der den Auskunftsanspruch begründenden vertraglichen Beziehung zwischen der Beklagten und dem Erblasser im Jahr 1937. Verjährung ist damit spätestens mit Ablauf des Jahres 1967 eingetreten.
72c) Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, die Beklagte könne sich nach § 242 BGB nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, überzeugt dies die Kammer nicht.
73Die Verjährungseinrede ist rechtlich unbeachtlich, wenn ihre Erhebung eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Hierzu müssen besondere Umstände vorliegen, die die Einrede als groben Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist. Das Verhalten des Schuldners muss ursächlich dafür gewesen sein, dass der Gläubiger die Verjährung nicht rechtzeitig unterbrochen oder gehemmt hat (Henrich in: BeckOK, BGB, 68. Edition, Stand: 01.11.2023, § 214 Rn. 9 m.w.N.).
74Nach diesen Maßstäben ist eine unzulässige Rechtsausübung der Beklagten nicht erkennbar oder dargelegt.
75Der Kläger stützt seine Auffassung darauf, die Beklagte habe eine historische Verantwortung im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus. Eine etwaige Verantwortung im Hinblick auf die Aufarbeitung von Sachverhalten, welche einen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus haben, weist jedoch keinerlei Bezug zu den Verjährungsvorschriften auf, welche ihrem Sinn und Zweck nach dazu dienen, Rechtsfrieden zwischen Parteien eines Zivilrechtsstreits zu schaffen. Eine etwaige Verpflichtung zur historischen Aufarbeitung – sei sie moralisch oder rechtlich begründet – ist hiervon nicht berührt. Die Beklagte hat in keiner Weise darauf hingewirkt, dass etwaige Ansprüche verjähren, sondern erhebt diese Einrede hilfsweise erstmals, nachdem im hiesigen Rechtsstreit erstmals Ansprüche gegen sie erhoben werden. Dennoch hat sie – in Anbetracht des beträchtlichen Zeitablaufs und der schwierigen Lage zum Nachweis aufgrund von umfassenden Zerstörungen im Zuge des zweiten Weltkriegs – Auskünfte erteilt und Belege aus dieser Zeit vorgelegt.
76III. Aus den obigen Erwägungen steht auch schon jetzt fest, dass die Klage auf den Stufen 2 (Antrag zu 2) und 3 (Antrag zu 3) unbegründet sind, sodass die Klage bereits insgesamt als unbegründet abgewiesen werden konnte, auch wenn der Kläger noch nicht durch prozessuale Erklärungen zu diesen Stufen übergegangen ist.
771. Entsprechend der obigen Ausführungen könnte der Kläger, selbst, wenn ein durchsetzbarer Leistungsanspruch bestehen würde, gemäß § 2039 S. 1 BGB jedenfalls nicht – wie von ihm beantragt – Zahlung an sich selbst, sondern allenfalls an die Erbengemeinschaft verlangen.
78Zudem greift die Einrede der Verjährung, welche die Beklagte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2023 ausdrücklich für die Ansprüche sämtlicher Stufen erhob, auch auf die Anträge zu 2 und 3 durch.
792. Die Klage konnte auch insgesamt als unbegründet abgewiesen werden.
80Grundsätzlich ist bei der Stufenklage nach § 254 ZPO erst nach der Rechtskraft der Entscheidung über eine Stufe eine Verhandlung und Entscheidung über die nächste Stufe zulässig. Eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge kommt jedoch dann in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 2002, 1042, 1044; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 254 Rn. 9, 14). Das ist hier zur Überzeugung der Kammer der Fall.
81Die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB ist zwar die Verweigerung einer konkreten Leistung und damit auf einen einzelnen Leistungsanspruch bezogen, die insgesamt erhobene Einrede der Verjährung schlägt vorliegend jedoch auf sämtliche erhobenen Ansprüche durch. Wenn schon kein durchsetzbarer Anspruch auf Auskunftserteilung besteht, welche erforderlich ist für die Bezifferung eines Zahlungsanspruchs, so kann auch kein durchsetzbarer Anspruch auf Eidesstattliche Versicherung der Auskunft und auf Zahlung bestehen. Es steht schon jetzt fest, dass sämtliche etwaige Ansprüche aus dem im Jahr 1937 beendeten Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Erblasser nicht durchsetzbar sind und die Beklagte die Leistung gestützt hierauf verweigert.
82Insbesondere steht aber im Hinblick auf die Leistungsklage zusätzlich schon jetzt fest, dass der Kläger nicht Leistung an sich selbst verlangen kann.
83C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO, weil nur die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten vollstrecken kann, diese Kosten in Anbetracht des Streitwertes jedoch 1.500 € übersteigen, sodass § 708 Nr. 11 ZPO keine Anwendung findet.
84D. Der Streitwert wird nach § 3 ZPO auf 27.127,77 € festgesetzt.