Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Tatrichterliche Schätzung ersatzfähiger Mietwagenkosten bei einem Verkehrsunfall: Fraunhofer-Mietpreisspiegel als alleinige Schätzungsgrundlage zur Bemessung der Mietwagenkosten
Die Berufung gegen das am 31.03.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid – Az. 95 C 74/22 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 31.03.2023 Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gem. §§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1, 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Lüdenscheid ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
6Das Amtsgericht hat die weitergehende Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein weitergehender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, als erstinstanzlich ausgeurteilt wurde. Im Einzelnen:
71.
8Hinsichtlich der von der Beklagten zu erstattenden Mietwagenkosten hat das Amtsgericht den sog. Normaltarif zutreffend ermittelt.
9a)
10Grundsätzlich ist auch das (während der Reparatur oder bis zur Beschaffung der Ersatzsache) anfallende Interimsinteresse im Herstellungswege nach § 249 BGB zu befriedigen. Kann der Geschädigte also wegen der Schädigung sein Fahrzeug nicht nutzen, hat der Schädiger ihm für den zur Wiederherstellung erforderlichen Zeitraum einen Mietwagen zu stellen oder – wie meist – die Kosten zu ersetzen, die dem Geschädigten bei der Anmietung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs angefallen sind (BGH, Urteil vom 17. März 1970 – VI ZR 108/68 –, Rn. 6, juris; BGH, Urteil vom 27. März 2012 – VI ZR 40/10 –, Rn. 8, juris). Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er Ersatz nur derjenigen Kosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004 – VI ZR 151/03 –, BGHZ 160, 377-385, Rn. 18; BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 10, juris).
11Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 308/07 –, Rn. 9, juris). Dies ist bei der Anmietung von einem gewerblichen Mietwagenunternehmen der Normaltarif. Dahinter verbirgt sich kein bestimmter (allgemeiner) Tarif auf dem örtlichen Markt. Vielmehr handelt es sich um den Preis, der im Rahmen einer „normalen“, unfallunabhängigen Vermietung für den Selbstzahler verlangt wird (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004 – VI ZR 151/03 –, BGHZ 160, 377-385, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 – XII ZR 50/04 –, Rn. 3, juris).
12Die Bemessung der Höhe des Normaltarifs ist im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln. Der Tatrichter ist dabei besonders freigestellt. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (BGH, Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 –, Rn. 9, juris; BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – VI ZR 293/08 –, Rn. 4, juris; BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 17, juris). Im Mittelpunkt stehen dabei die sog. Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Mietpreisspiegel, die nach Ansicht des Bundesgerichtshofs grundsätzlich beide zur Ermittlung des Normaltarifs geeignet sind und ggf. durch Zu- oder Abschläge angepasst werden können (BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – VI ZR 316/11 –, Rn. 10, juris). In Betracht kommt dabei auch eine Kombination beider Erhebungen (sog. „Fracke-Lösung“) durch die Bildung des arithmetischen Mittels (BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 353/09 –, Rn. 7, juris).
13b)
14Nach diesen Maßstäben konnte sich das Amtsgericht frei entscheiden, welcher Berechnungsmöglichkeit es dem Vorzug gibt. So betont auch der Bundesgerichtshof letztlich in ständiger Rechtsprechung, dass der Tatrichter bei der Verwendung der Listen grundsätzlich frei ist. Insbesondere, wenn das Gericht berechtigte Zweifel an der Eignung einer Liste hat, kann es die Heranziehung einer bestimmten Liste ablehnen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 308/07 –, Rn. 22, juris). Von dieser Entscheidungsbefugnis hat das Amtsgericht vorliegend Gebrauch gemacht, indem es für die Berechnung des Normaltarifs allein auf den Fraunhofer-Mietpreisspiegel abgestellt hat und der bisherigen Rechtsprechung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hagen gefolgt ist.
15c)
16Soweit die Kammer als Berufungsgericht nicht an eine fehlerfreie Ermessensausübung des Ausgangsgerichts gebunden ist, sondern im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung den Prozessstoff selbständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten kann (BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 22, juris), ist auch nach der Auffassung der Kammer für die Ermittlung des Normaltarifs allein auf den Fraunhofer-Mietpreisspiegel abzustellen.
17aa)
18Dabei verkennt die Kammer zunächst nicht, dass – wie die Klägerin zutreffend anführt – die wohl überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung mittlerweile die sog. Fracke-Lösung wählt (OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 1. Februar 2013 – 1 U 130/12 –, Rn. 78, juris; OLG Köln, Urteil vom 30. Juli 2013 – I-15 U 186/12 –, Rn. 23, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2019 – I-1 U 74/18 –, Rn. 25, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. November 2019 – 7 U 39/19 –, Rn. 30, juris; OLG Dresden, Urteil vom 4. November 2020 – 1 U 995/20 –, Rn. 21, juris). Darunter ist insbesondere auch das Oberlandesgericht Hamm, welches aufgrund bestehender Vor- und Nachteile beider Erhebungen keine Liste isoliert heranziehen möchte (OLG Hamm, Urteil vom 18. März 2016 – I-9 U 142/15 –, Rn. 22 ff., juris). Daneben hat sich auch die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hagen mittlerweile dieser Rechtsprechung angeschlossen (LG Hagen, Urteil vom 15. November 2019 – 1 S 80/19; LG Hagen, Urteil vom 9. Dezember 2022 – 1 S 52/22 –, S. 6, Bl. 125 ff. d.A.). Die Rechtsprechungsänderung der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hagen beruht ausweislich der Gründe der Entscheidung vom 15.11.2019 jedoch vor allem auf dem Wunsch nach einer Vereinheitlichung der Rechtsanwendung (S. 3 f. d. vorgenannten Urteils).
19bb)
20Die hier zur Entscheidung berufene 7. Zivilkammer des Landgerichts Hagen hat in der jüngeren Vergangenheit lediglich auf den Fraunhofer-Mietpreisspiegel abgestellt. In ihrer Entscheidung vom 13.12.2019 hat sie sich ausführlich mit den Vor- und Nachteilen beider Listen auseinandergesetzt und letztlich der Fraunhofer-Liste den Vorzug gegeben. In dem dortigen Fall bestanden gravierende Preisunterschiede bei der Anmietung eines Pkw der Fahrzeugklasse 6 für die Dauer von 22 Tagen (Schwacke: 2.091,95 EUR, Fracke: 1.411,74 EUR, Fraunhofer: 751,53 EUR). Die dortige Beklagte hatte zudem drei Angebote von renommierten Mietwagenunternehmen vorgelegt, die recht nahe an dem Normaltarif nach Fraunhofer lagen (LG Hagen, Urteil vom 13. Dezember 2019 – 7 S 55/19 –, Rn. 23, juris). Zur Schwacke-Liste hat sich die Kammer in ihrer Entscheidung wie folgt geäußert:
21Darüber hinaus hält die Kammer es außerdem aber auch grundsätzlich für zweifelhaft, ob die seit dem Jahre 2006 veröffentlichten Schwacke-Listen die marktwirtschaftlichen Verhältnisse realistisch abbilden. Bedenken ergeben sich insoweit insbesondere daraus, dass den Schwacke-Listen reine Angebotserhebungen zugrunde liegen, bei denen den befragten Firmen jeweils bekannt war, dass ihre Angebote zur Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe von Mietwagentarifen gemacht wurden. Dass die auf diese Weise eingeholten Angebote der Mietwagenunternehmer zumindest nicht in allen Fällen die reale Marktsituation widerspiegeln, ist naheliegend. Dieser Gesichtspunkt stellt bereits seit Jahren einen maßgeblichen Kritikpunkt gegen die Heranziehung der Schwacke-Liste dar. Aus Sicht der Kammer ist es unverständlich, dass diese fortwährende Kritik nicht zum Anlass genommen worden ist, die Angebotserhebungen anonym auszugestalten.
22(LG Hagen, a.a.O., Rn. 24, juris)
23Den Fraunhofer-Mietpreisspiegel hielt die Kammer für in methodischer Hinsicht vorzugswürdig, da dieser auf anonymen Befragungen im Rahmen typischer Anmietsituationen per Internet und Telefon beruhe. Dass die Liste des Fraunhofer-Instituts im Vergleich zur Schwacke-Liste in räumlicher Hinsicht eine etwas gröbere Aufteilung enthalte (zwei- statt dreistellige Postleitzahlenbereiche), sei demgegenüber jedenfalls in größeren Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet und dem Rheinland ein zu vernachlässigender Gesichtspunkt. Für in heutigen Zeiten unbegründet hat die Kammer weiter den Einwand gehalten, ein Nachteil der Fraunhofer-Erhebung sei, dass sie ganz überwiegend auf eingeholten Internetangeboten basiere, die auf dem maßgeblichen örtlichen Markt nicht ohne weiteres zugänglich sei. Denn bei dem Online-Mietwagenmarkt handle es sich bei der heutigen Bedeutung des Internets in der Lebenswirklichkeit der Menschen keinesfalls um einen schwer zugänglichen Sondermarkt (LG Hagen, a.a.O., Rn. 25, juris).
24Auch nach dem Ergehen der vorgenannten Grundsatzentscheidung hat die Kammer den Normaltarif ausschließlich nach dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel berechnet (vgl. bspw. LG Hagen, Beschluss vom 17. Juni 2022 – 7 S 25/22; LG Hagen, Urteil vom 26. Mai 2023 – 7 S 13/23).
25cc)
26An ihrer bisherigen Rechtsprechung hält die Kammer fest, weil keine durchgreifenden Gründe für eine Rechtsprechungsänderung vorliegen.
27Die von der Kammer im Jahr 2019 gegen die Schwacke-Liste vorgebrachten Argumente sind nach wie vor aktuell. So liegen dieser auch heute noch reine Angebotserhebungen zugrunde. Insoweit steht die Befürchtung im Raum, dass die an der Erhebung teilnehmenden Autovermietern die Tarife bewusst überhöht angegeben, um in eigenem Interesse ein überhöhtes Mietzinsniveau dokumentiert zu bekommen, welches sie im Falle einer tatsächlichen Vermietung unterbieten können. Soweit der Fraunhofer-Mietpreisspiegel dagegen überwiegend auf Internetangeboten beruht, stellt dies keinen Sondermarkt dar, sondern bildet die Lebenswirklichkeit einer Mietwagenbuchung in der heutigen Zeit ab. Denn seit der Entscheidung aus Dezember 2019 dürfte sich das Buchungsverhalten bei fortschreitender Digitalisierung weiter dahingehend entwickelt haben, dass tägliche Geschäfte vorwiegend über das Internet abgewickelt werden. Daneben hält die Kammer an ihrer Argumentation fest, dass die örtliche Ungenauigkeit des Fraunhofer-Mietpreisspiegels im Vergleich zur Schwacke-Liste (zwei- statt dreistellige Postleitzahlenbereiche) – jedenfalls im Ballungsgebiet Ruhrgebiet/Westfalen – zu vernachlässigen ist. Denn Nordrhein-Westfalen sind als bevölkerungsreichstes Bundesland trotz verhältnismäßig überschaubarer Fläche die meisten Postleitzahlen zugewiesen. Den von der Klägerin weiter ins Feld geführten Einwänden, dass der Anmietzeitraum bei der Erhebung des Fraunhofer-Instituts zehn Tage in der Zukunft gelegen habe und die Mietwagenbuchung per Internet (oft) nicht ohne Kreditkarte möglich sei, kann – wie bereits in der Vergangenheit (LG Hagen, Urteil vom 13. Dezember 2019 – 7 S 55/19 –, Rn. 25, juris) – dadurch Rechnung getragen werden, dass ein (großzügiger) Aufschlag auf den Normaltarif für unfallspezifische Zusatzleistungen vorgenommen wird (s. auch Ziff. II. 2. dieses Urteils).
28Soweit die Klägerin anführt, die Rechtsanwendung müsse vereinheitlicht werden, um einen „Flickenteppich“ an Entscheidungen im Landgerichtsbezirk Hagen, aber auch im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm zu vermeiden, erscheint dies zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Die Kammer verkennt nicht, dass es für die Parteien unbefriedigend sein mag, wenn sie in Altena, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Plettenberg, Schwelm, Schwerte und Wetter deutlich weniger Mietwagenkosten erstattet werden als in Hagen oder Iserlohn oder anderswo im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm. Jedoch übersieht diese Betrachtung, dass der Tatrichter bei der Schadensschätzung nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich frei ist und selbst entscheiden kann, welcher Berechnungsmethode er den Vorzug gibt. In Bezug auf die Frage der Schätzgrundlage gibt es mithin kein Richtig oder Falsch (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 29, juris). Allein aus dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung der Rechtsprechung auf die Fracke-Lösung abzustellen, erscheint der Kammer nicht zwingend, zumal es nach wie vor gewichtige Argumente gegen die Berechnung nach Schwacke gibt. Letztlich hat selbst das Oberlandesgericht Hamm in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 festgestellt, dass eine Einheitlichkeit der obergerichtlichen Rechtsprechung – namentlich in NRW – ohnehin nicht bestehe und sich auch kaum werde erreichen lassen, wie die bisherige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (u.a. in NRW) und auch das Ergebnis der vom Senat eingeholten Stellungnahmen der Haftpflichtsenate des OLG Hamm belegen würden (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 24, juris).
292.
30Das Amtsgericht hat den auf dieser Grundlage richtig ermittelten Normaltarif auch zutreffend durch Zu- und Abschläge angepasst.
31aa)
32Die Fragen, ob das Amtsgericht zu Recht einen 20-prozentigen Aufschlag für spezifische unfallbedingte Kosten und Risikofaktoren als Annäherung an einen Unfallersatztarif vorgenommen und auch die Kosten der zusätzlich für das Mietfahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherung berücksichtigt hat, entziehen sich zunächst der Prüfung der Kammer, da die Klägerin durch die angefochtene Entscheidung insoweit nicht beschwert ist und die Beklagte ihrerseits nicht Rechtsmittel eingelegt hat. Gleiches gilt im Übrigen für die – vom Amtsgericht zutreffend verneinte – Frage, ob die Beklagte durch die Übersendung eines Angebots im Rahmen der Klageerwiderung vom 13.12.2022 dargelegt hat, dass ein Mietwagen – unabhängig von den Tabellenwerken – zu deutlich besseren Konditionen hätte angemietet werden können (vgl. dazu Rüßmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 249 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 87).
33bb)
34Soweit das Amtsgericht indessen von dem Normaltarif weiter 10 % wegen ersparter Eigenaufwendungen abgezogen hat, ist dies berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Geschädigte muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs das anrechnen lassen, was er wegen der Nichtbenutzung der eigenen Sache spart (BGH, Urteil vom 10. Mai 1963 – VI ZR 235/62 –, juris). Solchermaßen ersparte Kosten für Öl- und Schmierstoffe, Bereifung, Reparaturanteile und Verschleiß werden in der heutigen Praxis bei privaten Fahrzeugen überwiegend mit einem pauschalen Abschlag von etwa 10%, teilweise auch nur von 3-5% der Mietwagenkosten erfasst, wobei dies letztlich Sache des Tatrichters ist (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08 –, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 5. März 2013 – VI ZR 245/11 –, Rn. 26, juris). Soweit die (ältere) Rechtsprechung in der Vergangenheit von einem Abzug für Eigenersparnis bei einer sehr kurzen Mietzeit und geringer Kilometerleistung abgesehen hat (vgl. Oetker in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, § 249, Rn. 439 m.w.N.), liegt ein solcher Fall hier gerade nicht vor. Das Amtsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass vorliegend im Verhältnis zur Mietzeit von 11 Tagen immerhin 659 km gefahren wurden, was knapp 60 km pro Tag entspricht. Insoweit besteht durchaus eine beachtliche und auch messbare Eigenersparnis, die mit 10 % angemessen bewertet erscheint. Gründe, weshalb man erst ab einer Fahrstrecke von 1.000 km ersparte Aufwendungen feststellen können soll (so OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. Juni 2005 – 1 U 9/05 –, Rn. 14, juris), sind nicht ersichtlich. Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.06.1983 ergibt sich nichts Anderes, da diese sich nicht mit ersparten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anmietung eines Ersatzwagens beschäftigte, sondern mit der Frage der Minderung eines auf Neuwagenbasis abrechnenden Klägers, der mit seinem später beschädigten Fahrzeug 11 Tage und 890 km bis zum Unfall gefahren war (BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 – VI ZR 213/81 –, Rn. 18, juris).
353.
36Da die amtsgerichtliche Berechnungsweise demnach nicht zu beanstanden ist und die Berechnung auch nicht zum Nachteil der Klägerin abweicht (die Klägerin selbst rechnet mit einem Normaltarif von 381,39 EUR, das Amtsgericht hingegen veranschlagt 381,40 EUR), ist die weitergehende Klage unbegründet und die Berufung erfolglos.
37III.
38Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
39IV.
40Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 111,26 EUR festgesetzt, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG.
41V.
42Anlass zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO besteht nicht. Weder handelt es sich um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) noch ist angesichts der dargelegten Rechtslage die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Die Kammer hat gesicherte Rechtsprechungsgrundsätze angewandt. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel sowie die sog. „Fracke-Lösung“ zur Ermittlung des Normaltarifs geeignet sind (s.o.).