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I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
öffnungsfähige Fahrzeugdächer mit wenigstens einem Deckel, welcher im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse schwenkbar gelagert ist, und welcher mittels einer Ausstell- und Verschiebemechanik eine Dachöffnung wahlweise verschließt (Schließstellung) oder durch Ausstellen seiner Hinterkante (Lüftungsstellung) oder durch eine Verschiebung längs der Führungsschiene (Öffnungsstellung) freigibt,
mit einem den Deckel oder ein mit diesem verbundenes Bauteil in der Schließposition oder der Ausstellposition gegenüber der Führungsschiene verriegelnden Riegelelement, das an einem Riegelhebel angeordnet ist, der im Wesentlichen in einer Vertikalebene (x-z-Ebene) schwenkbar am Deckel oder an einem mit dem Deckel verbundenen Bauteil angeordnet ist, wobei das Riegelelement durch die Ausstell- und Verschiebemechanik so steuerbar ist, dass es während der Verschiebebewegung des Deckels längs der Führungsschiene verschiebbar ist und während der Verschwenkbewegung des Deckels gegenüber der Führungsschiene verrastet ist,
wobei das Riegelelement mittels einer am Riegelhebel angeordneten Mitnehmereinrichtung zum Ende einer Verschiebebewegung des Deckels aus einer Öffnungsstellung in Richtung seiner Schließstellung in Eingriff mit einer Rastausnehmung der Führungsschiene gebracht wird,
wobei die Rastausnehmung an ihrer Vorderkante ein an die Bewegung des Riegelelements beim Eintreten in die Rastausnehmung bzw. beim Austreten aus der Rastausnehmung angepasstes Profil hat
und wobei eine einen Deckelträger mit einem Antriebsschlitten koppelnde Kulissenanordnung wenigstens einen an einer Seitenflache des Deckelträgers abstehenden Kulissensteg und einen unmittelbar am Antriebsschlitten angeformten, den Kulissensteg umgreifenden Greifabschnitt umfasst,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. Januar 2012 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Einkaufs- oder Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferpapiere in Kopie vorzulegen sind, und wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. Januar 2012 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,-zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 27. Januar 2012 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
Ziff. I. 1.: 250.000 Euro
Ziff. I. 2., I. 3.: 200.000,00 Euro
Ziff. III.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP X (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, sowie Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht in Anspruch.
3Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 31. August 2002 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 19. September 2001 angemeldet wurde. Die Patentanmeldung wurde am 16. Juni 2004, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 19. Juli 2006 veröffentlicht. Auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten wurde das Klagepatent durch das Bundespatentgericht mit dem als Anlage TW 2 vorgelegten Urteil vom 22. September 2021 in beschränkter Fassung aufrechterhalten. Über die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung ist noch nicht entschieden. Das Klagepatent steht in Kraft.
4Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach. Anspruch 1 in der vom Bundespatentgericht aufrecht erhaltenen Fassung lautet wie folgt:
5„1. Öffnungsfähiges Fahrzeugdach (1)
6mit wenigstens einem Deckel (2), welcher im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse schwenkbar gelagert ist, und welcher mittels einer Ausstell- und Verschiebemechanik eine Dachöffnung (3) wahlweise verschließt (Schließstellung) oder durch Ausstellen seiner Hinterkante (Lüftungsstellung) oder durch eine Verschiebung längs der Führungsschiene (Öffnungsstellung) zumindest teilweise freigibt,
7mit einem den Deckel (2) oder ein mit diesem verbundenes Bauteil in der Schließposition oder der Ausstellposition gegenüber der Führungsschiene (14) verriegelnden Riegelelement (28), das an einem Riegelhebel (24) angeordnet ist, der im Wesentlichen in einer Vertikalebene (x-z-Ebene) schwenkbar am Deckel (2) oder an einem mit dem Deckel (2) verbundenen Bauteil angeordnet ist,
8wobei das Riegelelement (28) durch die Ausstell- und Verschiebemechanik so steuerbar ist, dass es während der Verschiebebewegung des Deckels (2) längs der Führungsschiene (14) verschiebbar ist und während der Verschwenkbewegung des Deckels gegenüber der Führungsschiene (14) verrastet ist,
9wobei das Riegelelement (28) mittels einer am Riegelhebel (24) angeordneten Mitnehmereinrichtung (30, 32) zum Ende der Verschiebebewegung des Deckels (2) aus einer Öffnungsstellung in Richtung seiner Schließstellung in Eingriff mit einer Rastausnehmung (14f) der Führungsschiene (14) gebracht wird,
10wobei die Rastausnehmung (14f) an ihrer Vorderkante ein an die Bewegung des Riegelelements (28) beim Eintreten des Riegelelements in die Rastausnehmung bzw. beim Austreten aus der Rastausnehmung (14f) angepasstes Profil hat, und wobei eine einen Deckelträger (6) mit dem Antriebsschlitten (16) koppelnde Kulissenanordnung wenigstens einen an einer Seitenfläche des Deckelträgers (6) abstehenden Kulissensteg (18, 18a, 18b) und einen unmittelbar am Antriebsschlitten (16) angeformten, den Kulissensteg umgreifenden Greifabschnitt (20) umfasst.“
11Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift und geben Ausführungsbeispiele der Erfindung wieder. Figur 1 zeigt eine schematische perspektivische Draufsicht auf ein Fahrzeugdach; Figur 5 zeigt in einer Seitenansicht eine Ausstell- und Verschiebemechanik in verschiedenen Einstellungsphasen:
12Die Beklagten haben Leitungsfunktionen in der B -Unternehmensgruppe, einem Zulieferer für die Automobilindustrie und unter anderem spezialisiert auf Verkleidungen sowie Abdeck- und Sonnenschutzsysteme.
15Die Konzernstruktur der B -Unternehmensgruppe lässt sich aus dem als Anlage TW 9 vorgelegten Konzernabschluss zum Geschäftsjahr 01.01.2020 bis 31.12.2020 ersehen, der nachfolgend auszugsweise wiedergegeben ist:
16Muttergesellschaft der B -Unternehmensgruppe ist die A . Diese hält u.a. einen Anteil von 100% an der B + O GmbH, Ostfildern, über diese zudem einen Anteil von 96,97% an der A Administration Hungary Kft., Mosonmagyaróvár, und alle drei Gesellschaften zusammen einen Anteil von 100% an der B D Products Hungary LP.
18Die Beklagten sind seit dem 11. April 2006 einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der A . Ein chronologischer Handelsregisterauszug der B Verwaltungsgesellschaft mbH liegt als Anlage B 3 vor.
19Der Beklagte zu 1) ist zudem vertretungsberechtigt für die B Administration Hungary Kft., der Geschäftsführerin der B Products Hungary. Zudem ist der Beklagte zu 1) Geschäftsführer der A Holding GmbH. Ein Handelsregisterauszug dieser Gesellschaft liegt als Anlage TW 10 vor.
20Der Beklagte zu 2) ist Aufsichtsrat der B Administration Hungary Kft. Ein Handelsregisterauszug der B Administration Hungary Kft. liegt als Anlage TW 8 (dort ab Seite 8 in deutscher Übersetzung) vor. Auch der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der A Holding GmbH.
21In dem ungarischen Werk der B -Unternehmensgruppe in Mosonszolnok, das durch die B Hungary betrieben wird, werden für die Fahrzeugmodelle G 31 (C 5 Touring) und G 32 (C 6 Gran Turismo) des Automobilherstellers C Panorama-Glasdächer (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“) hergestellt.
22Nachfolgende Abbildungen zeigen die angegriffene Ausführungsform in eingebautem Zustand sowie Bilder der Mechanik in ausgebautem Zustand und Konstruktionszeichnungen der A (der Klageschrift entnommen, dort die Seiten 15, 16 und 17):
23Die Serienherstellung und Serienlieferung der angegriffenen Ausführungsform erfolgen im und vom ungarischen Werk der B Products Hungary. C platziert die Bestellungen unmittelbar bei der B Products Hungary, wobei C die streitgegenständlichen Fahrzeugdächer wiederum ab Werk in Ungarn selbst abholt bzw. abholen lässt, in der Bundesrepublik Deutschland in die Fahrzeug-Modelle G 31 und G 32 einbaut und diese dann weiterveräußert.
26Entwicklung und Konzeption der angegriffenen Ausführungsform erfolgten hingegen in der Bundesrepublik Deutschland durch die A . Sie nahm an dem Ausschreibungsverfahren betreffend Panorama-Glasdächer von C teil, durchlief das Zertifizierungsverfahren und bemusterte die angegriffene Ausführungsform. Nach Erteilung des Zuschlags an die A durch C wurde die Serienherstellung und Serienlieferung an die B Products Hungary nach Mosonszolnok – dort befindet sich auch das zentrale B Technologie- und Kompetenzzentrum für Panoramaglasdachsysteme in Europa – ausgelagert.
27Wegen des Angebots und des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland nahm die Klägerin im Parallelverfahren 4b O 128/18 bereits die A vor der Kammer erfolgreich auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
28Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien für die durch die Belieferung von C mit der angegriffenen Ausführungsform erfolgende Verletzung des Klagepatents persönlich verantwortlich.
29Zunächst biete die A die angegriffene Ausführungsform selbst deutschlandweit im Internet an. Die Beklagten hätten in jedem Fall positive Kenntnis vom Vertrieb von Fahrzeugen mit der angegriffenen Ausführungsform durch C im Inland und davon, dass diese Benutzungshandlungen durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform an C über das ungarische Werk in Mosonszolnok unmittelbar unterstützt würden. Die Beklagten hätten konkret gewusst, dass von C bestellte Fahrzeugdächer nach Deutschland geliefert, dort in Serienfahrzeuge des Modells G 31 und G 32 eingebaut und anschließend deutschlandweit vertrieben würden. Seit dem Urteil der Kammer hätten die Beklagten auch positive Kenntnis vom patentverletzenden Charakter der angegriffenen Ausführungsform.
30Zudem gehörten beide Beklagte zum Management der B -Unternehmensgruppe; der Beklagte zu 1) in seiner Funktion als Vorsitzender der Geschäftsführung der Muttergesellschaft der B -Unternehmensgruppe, der A , und der Beklagte zu 2) als zuständiger Geschäftsführer für den Vertrieb der A . Das Management der B -Unternehmensgruppe steuere sämtliche globalen Aktivitäten aus der Hauptverwaltung der B -Gruppe in Ostfildern, dem Sitz der A . Insbesondere der Vertrieb werde zentral aus der Hauptverwaltung heraus gesteuert, was sich der Internetseite der A , die auszugsweise als Anlage TW 6 vorliegt, entnehmen lasse.
31Die etwaige Einbindung eines ausländischen Werks in die Serienproduktion und Auslieferung der angegriffenen Ausführungsform ändere nichts daran, dass die Verantwortung beim Management der B -Unternehmensgruppe, und damit vor allem auch bei den Beklagten liege. Denn die A sei aktiv in die Anbahnung der Serienbelieferung von C mit der angegriffenen Ausführungsform eingebunden gewesen. Es liege auf der Hand, dass die A auch in die Verhandlung der maßgeblichen Modalitäten der Lieferbeziehungen und der entsprechenden Vertragswerke eng eingebunden gewesen sei und dies nicht ausschließlich mit den Mitarbeitern eines „ausländischen Werks“ verhandelt worden sei. Da die A die gesamten Aktivitäten der B -Gruppe steuere, erfolge auch die fortlaufende Produktion und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform unter ihrer Kontrolle und damit unter der Kontrolle der Beklagten.
32Beide Beklagte treffe zudem eine persönliche Verantwortlichkeit für die Verletzungshandlung. Die Klägerin behauptet insofern, der Beklagte zu 1) sei neben seiner unstreitigen Funktion als Geschäftsführer der Muttergesellschaft auch Leiter des Kompetenzzentrums für Panoramadachsysteme der B -Unternehmensgruppe. Dieses Zentrum sei am ungarischen B -Werk in Mosonszolnok angesiedelt, das formal von der B Products Hungary betrieben werde. Der Beklagte zu 1) sei – wie sich aus dem ungarischen Handelsregisterauszug gemäß Anlage TW 8 ergebe – Geschäftsführer dieser Gesellschaft und damit innerhalb der B -Unternehmensgruppe gerade auch für die Herstellung und den Vertrieb von Panoramadächern verantwortlich, wie sie in das Automodell C G 31 und G 32 eingebaut werden.
33Der Beklagte zu 2) sei in seiner Funktion als Geschäftsführer der Muttergesellschaft gerade für den Vertrieb zuständig und, wie sich aus Anlage TW 8 ergebe, zudem Aufsichtsratsmitglied der B Products Hungary, mithin des Kompetenzzentrums für Panoramadachsysteme. Der Beklagte zu 2) sei insbesondere für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zuständig. Er sei seitens der A auch als zuständig für Vergleichsverhandlungen betreffend den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform benannt worden.
34Die geltend gemachten Ansprüche seien nicht verjährt. Sie, die Klägerin, habe bei Klageerhebung im Parallelverfahren gegen die A weder Kenntnis von den Beklagten noch von ihrer Position in der B -Gruppe oder ihrer Rolle im Rahmen der Serienbelieferung von C gehabt. Erstmals durch die Einlassungen der A in dem auf das Parallelverfahren folgenden Zwangsmittelverfahren habe die Klägerin von der Einbindung eines „ausländischen Werks“ in die Serienbelieferung Kenntnis erlangt und daraufhin weitere Recherchen angestellt. Der Beklagte zu 2) und seine Zuständigkeit für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform sei ihr, der Klägerin, seit dem 24. November 2021 bekannt, als er ihr seitens der Patentabteilung der A als zuständig für Vergleichsgespräche betreffend die vorliegende Patentverletzung benannt worden sei.
35Die Klägerin beantragt,
36I. die Beklagten zu verurteilen,
371. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
38öffnungsfähige Fahrzeugdächer mit wenigstens einem Deckel, welcher im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse schwenkbar gelagert ist, und welcher mittels einer Ausstell- und Verschiebemechanik eine Dachöffnung wahlweise verschließt (Schließstellung) oder durch Ausstellen seiner Hinterkante (Lüftungsstellung) oder durch eine Verschiebung längs der Führungsschiene (Öffnungsstellung) freigibt,
39mit einem den Deckel oder ein mit diesem verbundenes Bauteil in der Schließposition oder der Ausstellposition gegenüber der Führungsschiene verriegelnden Riegelelement, das an einem Riegelhebel angeordnet ist, der im Wesentlichen in einer Vertikalebene (x-z-Ebene) schwenkbar am Deckel oder an einem mit dem Deckel verbundenen Bauteil angeordnet ist, wobei das Riegelelement durch die Ausstell- und Verschiebemechanik so steuerbar ist, dass es während der Verschiebebewegung des Deckels längs der Führungsschiene verschiebbar ist und während der Verschwenkbewegung des Deckels gegenüber der Führungsschiene verrastet ist,
40wobei das Riegelelement mittels einer am Riegelhebel angeordneten Mitnehmereinrichtung zum Ende einer Verschiebebewegung des Deckels aus einer Öffnungsstellung in Richtung seiner Schließstellung in Eingriff mit einer Rastausnehmung der Führungsschiene gebracht wird,
41wobei die Rastausnehmung an ihrer Vorderkante ein an die Bewegung des Riegelelements beim Eintreten in die Rastausnehmung bzw. beim Austreten aus der Rastausnehmung angepasstes Profil hat
42und wobei eine einen Deckelträger mit einem Antriebsschlitten koppelnde Kulissenanordnung wenigstens einen an einer Seitenflache des Deckelträgers abstehenden Kulissensteg und einen unmittelbar am Antriebsschlitten angeformten, den Kulissensteg umgreifenden Greifabschnitt umfasst,
43in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
442. ihr darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Juli 2006 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
45a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
46b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
47c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
48wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Einkaufs- oder Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferpapiere in Kopie vorzulegen sind, und wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
493. ihr schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. August 2006 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
50a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
51b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,-zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;
52c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;
53d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns;
54II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr
551. allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 19. August 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, und
562. für alle durch Ziffer I.1. bezeichneten und vom 16. Juli 2004 bis zum 18. August 2006 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
57Die Beklagten beantragen,
58die Klage abzuweisen,
59hilfsweise
60das Verletzungsverfahren bis zum rechtskräftigen Ausgang des Berufungsnichtigkeitsverfahrens X ZR 125/21 (BGH) und/oder des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens X ZR 119/21 (BGH) auszusetzen.
61Die Beklagten sind der Ansicht, sämtliche Patentverletzungsansprüche gegen die Beklagten bis zum 31. Dezember 2018 seien verjährt.
62Soweit die Klägerin die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts damit begründe, dass die angegriffene Ausführungsform deutschlandweit im Internet angeboten werde, sei dies unzutreffend. Die angegriffene Ausführungsform werde nicht im Internet angeboten. Soweit in Deutschland Lieferhandlungen erfolgt seien, sei durch die A Auskunft erteilt und Rechnung gelegt worden. Eine Inanspruchnahme auch der Beklagten – zumal diese an dem Parallelverfahren nicht beteiligt gewesen seien – sei bereits deshalb ausgeschlossen.
63Im Übrigen hätten sie, die Beklagten, bezüglich des auskunftspflichtigen Zeitraums vom 19. Juli 2006 bis heute bereits abschließend Auskunft und Rechnungslegung erteilt. Darüberhinausgehende Benutzungshandlungen habe es seitdem nicht mehr gegeben, da sich die vermeintliche Haftung der A auf eine abgeschlossene Entwicklungstätigkeit beschränke.
64Ferner komme eine Haftung in der Sache nicht in Betracht. Denn jedenfalls könnten Geschäftsführer einer inländischen juristischen Person wie der A , soweit nur Patentbenutzungshandlungen auf deutschem Boden geltend gemacht werden, auch nur für Benutzungshandlungen auf deutschem Boden belangt werden. Die Tätigkeit in Ungarn finde im patentfreien Ausland statt und könne auch über die Geschäftsführerhaftung nicht erfasst werden.
65Soweit die Klägerin den Beklagten vorwerfe, als Geschäftsführer der Komplementärin der A nicht zu verhindern, dass ein Drittunternehmen wie C die streitgegenständlichen Fahrzeugdächer unmittelbar im patentfreien Ausland bei der B D Products Hungary abhole und nach Deutschland einführe, um damit in Deutschland BMW-Fahrzeuge zu bestücken, müsse sie, die Klägerin, diese Tathandlung konkret in dem Unterlassungsantrag umschreiben.
66Allerdings könne die Haftung der Beklagten sich von vornherein nur auf Inlandshandlungen beziehen. Dabei mache die Klägerin nur hinsichtlich des Beklagten zu 1) geltend, dieser sei auch Geschäftsführer des ungarischen Herstellungswerkes. Dies sei insoweit irrelevant, weil in Ungarn kein Patent der Klägerin in Kraft stehe, sodass dem dortigen Geschäftsführer des ungarischen Werkes auch keine Pflichtwidrigkeiten gleich welcher Art angelastet werden könnten. Zudem wären etwaige Patentverletzungshandlungen eines ungarischen Patents für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz, weil hierfür das angerufene Gericht nicht zuständig sei. Schließlich folge aus dem Umstand, dass die A mittelbar und unmittelbar an der ungarischen B -Gesellschaft beteiligt sei, gerade nicht eine konkrete patentrechtliche Verantwortlichkeit. Hinzukomme, dass die ungarische B -Gesellschaft tatsächlich über die zentrale Herstellungs- und Vertriebskompetenz verfüge, weil es sich bei dieser Gesellschaft um die in Europa allein zuständige Gesellschaft für Panoramadachsysteme handele.
67Anders als die Klägerin meine, seien die Beklagten auch nicht in ihrer Funktion als Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH oder A GmbH verantwortlich für die ungarische B -Gesellschaft. Es könne sein, dass der Beklagte zu 1) Vorsitzender Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH sei. Daraus folge aber nicht, dass er weltweit Entwicklung, Produktion und Vertrieb der streitgegenständlichen Fahrzeugdächer bestimme bzw. koordiniere. Der Beklagte zu 2) könne zwar Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH und für die Sparte der Fahrzeugdächer zuständig sein. Daraus folge allerdings keine persönliche Verantwortlichkeit für die vermeintlich patentverletzende Beschaffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugdaches. Schon gar nicht sei er in die Serienherstellung und die Serienbelieferung des Automobilkunden C eingebunden, was in die alleinige Zuständigkeit der B D Products Hungary falle.
68Im Übrigen seien die Beklagten als Geschäftsführer der Komplementärin der A ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG dadurch nachgekommen, dass sie für die Beachtung gewerblicher Schutzrechte, insbesondere für die Beachtung der Patentrechte der Klägerin, eine Patentabteilung vorhielten, auf die sie diese Sorgfaltspflichten delegiert hätten. Die Patentabteilung sei gehalten, etwaig entgegenstehende Schutzrechte zu recherchieren und zu beachten. Erst mit der erstinstanzlichen Verurteilung der A hätten die Beklagten Kenntnis von dem patentverletzenden Charakter der angegriffenen Ausführungsform erhalten.
69Wolle die Klägerin in diesem Zusammenhang vortragen, die Beklagten müssten C darauf hinweisen, dass die Einfuhr der streitgegenständlichen Fahrzeugdächer nach Deutschland patentverletzend sei, so wäre eine solche Hinweis- und Belehrungspflicht gegenüber C schon deswegen überflüssig, weil C darauf schon längst hingewiesen worden sei, nicht nur durch die A , sondern auch von der Klägerin selbst.
70Die Beklagten meinen ferner, die Inanspruchnahme auf Unterlassung sei unverhältnismäßig. Gegen eine Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs spreche der Umstand, dass beide Beklagten bereits mit der ursprünglichen Klage gegen die A vom 4. Dezember 2018 hätten in Anspruch genommen werden können (4b O 128/18 LG Düsseldorf). Die Beklagten als Geschäftsführerorgane seien der Klägerin ohne weiteres bekannt gewesen, bzw. hätten ihr bekannt sein müssen. Die Klägerin habe daher ungebührlich lange zugewartet. Im Übrigen sei die Klägerin bereits im Besitz eines vollstreckbaren Unterlassungstitels gegen die A . Die Vollstreckung werde sowohl hinsichtlich der Unterlassung als auch bezüglich der Auskunftserteilung seitens der Klägerin gegen die A aktiv betrieben, wovon die entsprechenden Ordnungsmittel- und Zwangsgeldverfahren (4b O 128/18 OV und ZV) zeugten. Eine objektive Notwendigkeit zur Inanspruchnahme beider Beklagten gäbe es daher nicht.
71Ferner diene die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs auch nicht dem Schutz eines entsprechenden patentgemäßen Fahrzeugdaches der Klägerin selbst. Die Klägerin könne der C AG kein Substitut für das streitgegenständliche Fahrzeugdach anbieten, weil sie ein solches für C nicht entwickelt habe. C würde ein Substitut nur akzeptieren, wenn es in gleicher Weise die Entwicklungs- und Zertifizierungsphase, die sich über zweieinhalb Jahre erstreckt habe, durchlaufen hätte. Denn das Fahrzeugdach werde auf die gesamte Konstruktion des Fahrzeugs abgestimmt.
72Schließlich habe sich die A erfolglos um eine Lizenznahme bei der Klägerin bemüht.
73Für den Unterlassungsausschluss spreche auch der Umstand, dass durch die Vollstreckung erhebliche Kollateralschäden nicht nur bei der A , sondern insbesondere auch bei Dritten, hier der C AG entstehen würden. Die streitgegenständlichen Fahrzeugdächer würden „just in time“ ab den Werkstoren des ungarischen B -Werkes von der C AG abgeholt und in das Produktionswerk der C AG in Bayern verbracht.
74Schließlich sei das Verfahren bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auszusetzen, da die Auslegung des Klagepatents durch das Oberlandesgericht Düsseldorf in revisionsrelevanter Weise gegen höchstrichterliche Auslegungsgrundsätze verstoße. Zudem werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen.
75Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 23. Juni 2022 sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
76Entscheidungsgründe
77Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
78A.
79Soweit die Beklagten meinen, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts könne nicht damit begründet werden, dass die angegriffene Ausführungsform – was tatsächlich nicht der Fall sei – deutschlandweit im Internet vertrieben werde, bedarf dies keiner Entscheidung. Denn die Zuständigkeit des Landgerichts ist vorliegend dadurch begründet, dass die Beklagten, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelten, § 39 ZPO.
80B.
81Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach seit dem 27. Januar 2012 aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB (dazu unter III.). Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents in der eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung wortsinngemäß (dazu unter I.). Die Beklagten sind auch verantwortlich dafür, dass es zu einem Vertrieb der von der ungarischen B Products Hungary LP hergestellten angegriffenen Panoramadächer in Deutschland und mithin zu einer Verletzung des Klagepatents gekommen ist. (dazu unter II.). Ansprüche für die Zeit vor dem 27. Januar 2012 und auf Entschädigung aus Art. 2 § 1 S. 1 IntPatÜG bestehen hingegen nicht.
82I.
83Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre der Klagepatentanspruchs 1 in der eingeschränkten Fassung wortsinngemäß Gebrauch.
841.
85Das Klagepatent betrifft ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach. Nach der Beschreibung des Klagepatents umfasst die Ausstell- und Verschiebemechanik für den Deckel im allgemeinen je einen, in längs einer jeden Seitenkante der Dachöffnung angeordneten Führungsschiene verschiebbaren Antriebsschlitten, welcher über eine kulissenartige Anordnung mit einem fest im vorderen Bereich des Deckels angeordneten hebelartigen oder mit diesem integral ausgebildeten Deckelträger gekoppelt ist, der über an seinem vorderen Ende angeordnete Gleitschuhe in der Führungsschiene verschiebbar und verschwenkbar gelagert ist (Abs. [0002]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift).
86Im Stand der Technik ist aus der X ein Fahrzeugdach bekannt, bei welchem ein federnd in Eingriffstellung mit der Führungsschiene vorbelasteter Rasthaken am vorderen Gleitschuh einer Schiebe-Hebedachmechanik vorgesehen ist, der beim Absenken des Deckels vor dem Verschieben unter das feste Fahrzeugdach vom Deckel oder einem mit diesem verbundenen Teil außer Eingriff gebracht wird. Als nachteilig beschreibt das Klagepatent, dass bei einem derartigen Rasthaken eine aufwendige Justierung gegenüber dem Deckel oder dem mit diesem verbundenen Teil erforderlich ist, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten (Abs. [0003]).
87Aus der US-A-X ist ein gattungsgemäßes Fahrzeugdach bekannt, das einen Deckel aufweist, der im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsbahn verschiebbar und schwenkbar geführt ist. Der Deckel ist mittels eines Ausstellhebels, der einerseits über Rollen an der Führungsbahn verschiebbar und verschwenkbar geführt ist und andererseits mittels eines Schwenklagers mit einem unterhalb des Deckels abstehenden Flansch verbunden ist, in seiner Schwenkstellung zwischen einer Öffnungsstellung, einer Schließstellung und einer Lüftungsstellung verstellbar. Wenn der Deckel in seiner Öffnungsstellung angeordnet ist und mittels des an der Führungsbahn verschiebbar gelagerten Schlittens und des vom Schlitten verschiebbaren Ausstellhebels in Richtung seiner Schließstellung bewegt wird, tritt ein Riegelstift, der an der Dachführung ortsfest angebracht ist, in eine Riegelkulisse ein, die an dem Ausstellhebel vorgesehen ist. Der Ausstellhebel behält hierbei seine Schwenkbewegung bzw. untere Stellung unverändert bei. Der Ausstellhebel wird soweit entlang der Führungsbahn verschoben, bis der Riegelstift an das Ende eines Eintrittsabschnitts der Riegelkulisse gelangt und dort an einem gekrümmten Abschnitt der Riegelkulisse anliegt, so dass der feststehende Riegelstift ein weiteres Verschieben des Ausstellhebels verhindert. Damit wird die am Ausstellhebel angeordnete Riegelkulisse zum Ende einer Verschiebebewegung des Deckels aus einer Öffnungsstellung in Richtung seiner Schließstellung in Eingriff mit dem Riegelstift der Dachführung gebracht und somit gegenüber der Führungsbahn in Verschieberichtung blockiert gehalten (Abs. [0004]).
882.
89Vor diesem Hintergrund beschreibt es das Klagepatent als seine Aufgabe (technisches Problem), ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach zu schaffen, bei dem eine einfache, zuverlässige und verschleißarme Ver- und Entriegelung der Ausstell- und Verschiebemechanik ermöglicht wird (Abs. [0005]). Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach mit den Merkmalen des Anspruchs 1 in eingeschränkter Fassung vor:
901. |
Öffnungsfähiges Fahrzeugdach |
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2. |
mit wenigstens einem Deckel, |
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2.1 |
welcher im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse schwenkbar gelagert ist und, |
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2.2 |
welcher mittels einer Ausstell- und Verschiebemechanik eine Dachöffnung wahlweise verschließt (Schließstellung) oder durch Ausstellen seiner Hinterkante (Lüftungsstellung) oder durch eine Verschiebung längs der Führungsschiene (Öffnungsstellung) zumindest teilweise freigibt, |
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3. |
mit einem den Deckel oder ein mit diesem verbundenes Bauteil in der Schließposition oder der Ausstellposition gegenüber der Führungsschiene verriegelnden Riegelelement, |
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3.1 |
das an einem Riegelhebel angeordnet ist, der im Wesentlichen in einer Vertikalebene (x-z-Ebene) schwenkbar am Deckel oder an einem mit dem Deckel verbundenen Bauteil angeordnet ist, |
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3.2 |
wobei das Riegelelement durch die Ausstell- und Verschiebemechanik so steuerbar ist, dass es während der Verschiebebewegung des Deckels längs der Führungsschiene verschiebbar ist und |
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3.3 |
während der Schwenkbewegung des Deckels gegenüber der Führungsschiene verrastet ist, |
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4. |
wobei das Riegelelement mittels einer am Riegelhebel angeordneten Mitnehmereinrichtung zum Ende einer Verschiebebewegung des Deckels aus einer Öffnungsstellung in Richtung seiner Schließstellung in Eingriff mit einer Rastausnehmung der Führungsschiene gebracht wird; |
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5. |
wobei die Rastausnehmung an ihrer Vorderkante ein an die Bewegung des Riegelelements beim Eintreten des Riegelelements in die Rastausnehmung bzw. beim Austreten aus der Rastausnehmung angepasstes Profil hat; |
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6. |
und wobei die den Deckelträger mit dem Antriebsschlitten koppelnde Kulissenanordnung wenigstens einen an einer Seitenfläche des Deckelträgers abstehenden Kulissensteg und einen unmittelbar am Antriebsschlitten angeformten, den Kulissensteg umgreifenden Greifabschnitt umfasst. |
3.
92Die angegriffene Ausführungsform macht von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch die Merkmal 2.1 und 3.1.
93a)
94Die angegriffene Ausführungsform verfügt, wie von Merkmal 2.1 gefordert über einen Deckel, der im Bereich seiner Vorderkante in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse schwenkbar gelagert ist. Das Merkmal ist – wie bereits im Parallelverfahren von der Kammer ausgeführt und vom Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt – dahingehend auszulegen, dass der Deckel im Bereich seiner Vorderkante
95 in einer Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar und
96 um eine in y-Richtung liegende Schwenkachse verschwenkbar gelagert ist.
97Es ist nicht erforderlich, dass der Deckel auch um eine in der Führungsschiene liegende Schwenkachse verschwenkbar gelagert ist.
98Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform aber der Fall. Denn der jeweilige Deckel der angegriffenen Ausführungsform ist über den Ausgleichshebel mit dem Lagerschlitten verbunden, der in der Führungsschiene verschiebbar geführt ist. Der Lagerschlitten befindet sich in der Nähe der Vorderkante des Deckels. Infolgedessen ist der Deckel der angegriffenen Ausführungsform im Bereich seiner Vorderkante in der Führungsschiene in x-Richtung verschiebbar gelagert. Dass zwischen Deckel und Lagerschlitten der Ausgleichshebel angeordnet ist, der zudem zu einer gewissen Beabstandung von der Deckelvorderkante und der Lagerung in der Führungsschiene führt, ist unbeachtlich.
99Weiterhin ist der Deckel der angegriffenen Ausführungsform durch die Schwenklagerung des Deckelträgers am Ausgleichshebel um eine in y-Richtung liegende Achse schwenkbar gelagert. Dass die Schwenkachse außerhalb der Führungsschiene liegt, ist unbeachtlich. Ferner ist es unbeachtlich, dass der Ausgleichshebel seinerseits schwenkbar gelagert ist und sich die Verschwenkung des Ausgleichshebels am Lagerschlitten mit der Verschwenkung des Deckelträgers am Ausgleichshebel oder mit der Verschiebung in x-Richtung überlagern kann und dadurch eine geringfüge Anhebung des Deckels in z-Richtung erfolgt. Merkmal 2.1 schließt andere lineare Bewegungen oder Schwenkbewegungen nicht gänzlich aus.
100Dem Einwand der Beklagten, wonach die Auslegung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf in revisionsrelevanter Weise gegen höchstrichterliche Auslegungsgrundsätze verstoße, kann nicht gefolgt werden. Soweit die Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung auf die als Anlage B 8 vorliegende Nichtzulassungsbeschwerdeschrift (dort Seiten 18 - 23) verweisen, sind keine neuen Gesichtspunkte benannt, die eine andere Auslegung nahelegen. Hinsichtlich des Merkmals 2.1 erkennt auch die dortige Beschwerdeführerin – die A – die technisch zutreffende funktionale Auslegung des Merkmals durch das Oberlandesgericht an. Dass damit das Klagepatent nicht gemäß der formulierten Patentansprüche und Beschreibung ausgelegt worden sein soll, ist nicht ersichtlich.
101b)
102Die angegriffene Ausführungsform verfügt ferner über einen erfindungsgemäßen Riegelhebel. Dieser Riegelhebel ist nach Merkmal 3.1
103„im Wesentlichen in einer Vertikalebene (x-z-Ebene) schwenkbar am Deckel oder an einem mit dem Deckel verbundenen Bauteil angeordnet.“
104Nach Auffassung der Kammer, der das Oberlandesgericht Düsseldorf im Parallelverfahren bereits gefolgt ist, verlangt dabei der Begriff der „Anordnung“ weder eine unmittelbare noch eine feste Verbindung.
105Bei der angegriffenen Ausführungsform fungiert der Steuerhebel als Riegelhebel. An diesem ist das Riegelelement angeordnet. Der Steuerhebel ist wiederum am Lagerschlitten schwenkbeweglich gelagert ist. Dieser Lagerschlitten ist ein mit dem Deckel verbundenes Bauteil im Sinne des Klagepatents (Merkmal 3.1), weil er über den angelenkten Ausgleichshebel, der am Deckel befestigt ist, mit dem Deckel verbunden ist. Nach der oben dargestellten Auslegung kann ein solches Bauteil der Deckelträger oder aber jedes weitere, dazwischengesetzte Bauteil sein, über das bzw. über die der Riegelhebel mit dem Deckel verbunden angeordnet ist. Diese Anordnung ist bei der angegriffenen Ausführungsform über die Verbindung des Steuerhebels mit dem Lagerschlitten und dem am Deckelträger befestigten Ausgleichshebel gegeben. Der Steuerhebel ist zudem bei der angegriffenen Ausführungsform in x-z-Ebene schwenkbar.
106Soweit die Beklagten hierin einen Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze sehen, der in der als Anlage B 8 vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerdeschrift auch mit der fehlenden Beobachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der A begründet wird, bleibt diese Rüge einer Würdigung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vorbehalten.
107II.
108Die Beklagten haben durch ihr Verhalten das Klagepatent verletzt im Sinne von §§ 139 ff. PatG. Als Geschäftsführer der Komplementärin der A haben sie dafür einzustehen, dass die Muttergesellschaft der B -Unternehmensgruppe die Serienbelieferung von C mit der angegriffenen Ausführungsform durch die B Products Hungary, die als Patentbenutzung im Inland zu qualifizieren ist, überhaupt erst ermöglichte. Darüber hinaus haftet der Beklagte zu 1) zudem als Geschäftsführer der B Administration Hungary Kft, der Komplementärin der B Products Hungary in unmittelbarer Verantwortlichkeit für die ungarische Gesellschaft.
1091.
110Die B Products Hungary bietet die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland an und bringt sie hier in den Verkehr, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.
111a)
112Die im ungarischen Werk der B -Unternehmensgruppe in Mosonszolnok hergestellte angegriffene Ausführungsform wird von der B Products Hungary dort ab Werk zur Abholung durch C bereitgestellt. Von dort verbringt C die angegriffene Ausführungsform in die Bundesrepublik Deutschland oder lässt sie hierher verbringen. Dadurch führt die B Products Hungary die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland ein und bringt sie hier in den Verkehr. Unbeachtlich ist es insoweit, dass C die angegriffene Ausführungsform im ungarischen Werk abholen und in die Bundesrepublik Deutschland bringen lässt.
113Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es nicht darauf an, ob und bis zu welchem Zeitpunkt ein im Ausland ansässiger Hersteller nach den vertraglichen Vereinbarungen der an der Versendung und dem Import der ausgelieferten Waren beteiligten Unternehmen im Eigentum oder Besitz der patentverletzenden Produkte gewesen ist (vgl. BGH Beschl. v. 26.02.2002, X ZR 36/01 – Funkuhr I). Er haftet in jedem Fall für das Inverkehrbringen der patentgemäßen Produkte in der Bundesrepublik Deutschland.
114Nach diesen Grundsätzen hat die B D Products Hungary auch bei einer Übergabe der angegriffenen Ausführungsform an einen Spediteur oder die Abnehmer im Ausland für das Inverkehrbringen im Inland einzustehen. Sie ist die Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform. Ihr Abnehmer C hat seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Die angegriffene Ausführungsform wird ausschließlich für diesen Abnehmer produziert und in die Bundesrepublik Deutschland geliefert. Die Lieferungen der angegriffenen Ausführungsform an C stellen sich damit als Lieferungen vom Ausland ins Inland durch die B D Hungary dar unabhängig davon, ob die angegriffene Ausführungsform durch die B D Products Hungary selbst in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt oder in Ungarn an einen Spediteur oder an C übergeben wird, der diese dann unmittelbar in die Bundesrepublik Deutschland importiert.
115b)
116Soweit die Beklagten zuletzt auch in der mündlichen Verhandlung eingewendet haben, die B D Products Hungary sei mit der Auftragsabwicklung, der Rechnungsstellung und der Retourenbearbeitung befasst und diese finde im patentfreien Ausland statt, überzeugt dies nicht. Denn gerade die Serienherstellung und Serienbelieferung an BMW, in dem Wissen, dass C die angegriffenen Panoramaglasdächer in die Bundesrepublik Deutschland verbringt und dort in Kfz-Modelle einbauen lässt, stellt vorliegend eine klagepatentverletzende Auslands-Inlandslieferung dar.
1172.
118Für diese patentverletzenden Handlungen der ungarischen B D Products Hungary LP hat auch die A einzustehen.
119Die A ist Verletzer im Sinne der §§ 139 ff. PatG, weil sie die Patentverletzung durch die B D Products Hungary überhaupt erst ermöglicht hat, ohne Sorge dafür zu tragen, dass die Schutzrechte der Klägerin – hier das Klagepatent – nicht verletzt werden.
120a)
121Schuldner der Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG ist nicht nur, wer in eigener Person einen der Benutzungstatbestände des § 9 PatG verwirklicht oder vorsätzlich die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch einen Dritten ermöglicht oder fördert. Verletzer und damit Schuldner ist vielmehr auch, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch den Dritten ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGH Urt. v. 17.12.2009, Xa ZR 2/08 – MP3-Player-Import). Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, die Verantwortlichkeit für eine Patentverletzung setze nicht voraus, dass der in Anspruch genommene in seiner Person eine der in § 9 S. 2 PatG bezeichneten Handlungen vornimmt (BGH Urt. v. 21.02.1989, X ZR 53/87 – Ethofumesat). Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung der verletzenden Gegenstände könne vielmehr auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre (BGH Urt. v. 18.05.1989, X ZR 156/97 – Räumschild). Für den Tatbestand des § 139 PatG sei die Unterscheidung zwischen eigener und ermöglichter fremder Benutzung für unerheblich erachtet worden (BGH Urt. v. 03.06.2004, X ZR 82/03 – Drehzahlermittlung). Da jeder Beteiligte - gegebenenfalls neben anderen als Nebentäter im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB – bereits für eine fahrlässige Patentverletzung einzustehen habe, genüge für die täterschaftliche Schadensersatzverpflichtung grundsätzlich jede vorwerfbare Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden Vorsorge gegen solche Verstöße (BGH Urt. v. 30.01.2007, X ZR 53/04 – Funkuhr II; Beschl. v. 26.2.2002, X ZR 36/01 – Funkuhr I).
122b)
123Nach diesen Grundsätzen ist die A (Neben-)Täterin der durch die B D Products Hungary verübten Patentverletzung.
124aa)
125Es war die A , die bezüglich der Herstellung und Lieferung eines Panoramaglasdachs für die Modelle C G 31 und G 32 an einem Ausschreibungs- und Zertifizierungsverfahren von C teilnahm, an dessen Ende die Entwicklung und Bemusterung der angegriffenen Ausführungsform stand. Die daraufhin geschlossenen Liefervereinbarungen über die Serienfertigung und -lieferung handelte die A ebenfalls aus. Ferner führte sie die Musterbelieferung an C durch. Sie hat sich nach dem Zuschlag lediglich entschlossen, die Fertigung der angegriffenen Ausführungsform in einem zur B -Unternehmensgruppe gehörenden Werk in Ungarn durchführen zu lassen. Auch wenn dies von der B D Products Hungary geführt wird, hat die A alles in die Wege geleitet, um die ungarische Tochtergesellschaft überhaupt in die Lage zu versetzen, die angegriffene Ausführungsform in Serie an C zu liefern. Insofern macht es keinen Unterschied, ob die angegriffene Ausführungsform von der A unmittelbar aus Ungarn oder mit ihrer Mitwirkung durch die B D Products Hungary in die Bundesrepublik Deutschland geliefert wird.
126bb)
127Daher ist der A auch ein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen in Form der Verletzung einer Rechtspflicht, die jedenfalls auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und daher zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre (vgl. BGH Urt. v. 17.12.2009, Xa ZR 2/08 – MP3-Player-Import). Denn als am Markt für Panoramaglasdächer tätiges Unternehmen, das selbst Panoramaglasdächer entwirft, konstruiert und bemustert in der Absicht, diese selbst oder durch mit ihr verbundene Gesellschaften auf den inländischen Markt zu bringen, muss die A dafür Sorge tragen, dass durch ihr oder ihrer Tochtergesellschaften Verhalten technische Schutzrechte nicht verletzt werden. Der A war es ohne weiteres zuzumuten, dass sie sich die Kenntnis verschafft, ob die von ihr unterstützte Handlung das absolute Recht der Patentinhaberin verletzt, und in Abhängigkeit vom Ergebnis der Prüfung die weitere Bereitstellung ihrer Entwicklungsergebnisse unterlässt.
128cc)
129Der die A treffende Vorwurf gründet aber nicht nur darauf, dass sie im Zuge der Konstruktion, Zertifizierung, Bemusterung und Anbahnung von Serienherstellung und -lieferung es versäumt hat, zu prüfen, dass die zu liefernden Panoramaglasdächer das Klagepatent verletzen, und die Bereitstellung der Entwicklungsergebnisse für die B D Products Hungary zu unterlassen. Die Verantwortlichkeit der A gründet auch auf dem Vorwurf, die dann eintretenden Patentverletzungen durch die B D Products Hungary in der Folgezeit nicht unterbunden zu haben. Dabei geht es nicht um die Frage, ob sich die Haftung der A bereits allein daraus ergeben könnte, dass sie auf die B D Products Hungary einen beherrschenden Einfluss ausübt oder jedenfalls ausüben könnte (ablehnend OLG Düsseldorf, Mitt. 2006, 428 – Permanentmagnet). Der Streitfall ist insofern anders gelagert als der vom OLG Düsseldorf in der zitierten Entscheidung zu beurteilende Sachverhalt. Denn die Verpflichtung der A zur Unterbindung weiterer Patentverletzungen durch die ungarische Tochtergeselllschaft ergab sich bereits durch das frühere mitverursachende und insofern gefahrerhöhende Verhalten (Ingerenz).
130Tatsächlich hatte und hat die A die Möglichkeit, auf die B D Products Hungary Einfluss zu nehmen. Die A hält an der ungarischen Tochtergesellschaft unmittelbar und mittelbar (über die A GmbH und die B Administration Hungary) eine Beteiligung von 100 %. In allen Gesellschaften (A , A GmbH und B Administration Hungary) ist der Beklagte zu 1) Geschäftsführer. Zudem ist er Vorsitzender Geschäftsführer der gesamten B -Unternehmensgruppe. Weiterhin ist die B Administration Hungary Komplementärin der B D Products Hungary. Dies ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig geblieben. Die A hat damit über ihren Vorsitzenden Geschäftsführer und ihre (un-)mittelbare Beteiligung an der B D Products die Möglichkeit, unmittelbar Einfluss auf die Geschäfte dieser Gesellschaft zu nehmen. Dass dies auch tatsächlich geschieht, wird daraus ersichtlich, dass es die A war, die an der Ausschreibung von C teilnahm, das angegriffene Panoramaglasdach entwarf, konstruierte und bemustern und zertifizieren ließ in der Absicht, die Serienherstellung und -lieferung durch die ungarische Tochtergesellschaft durchführen zu lassen. Sie führte sogar die Verhandlungen über die Bedingungen der Serienlieferung, die schließlich durch die B D Products Hungary zwar eigenständig, aber selbstverständlich im Rahmen der von der Muttergesellschaft ausgehandelten Bedingungen vorgenommen wurde.
131Der Einwand der Beklagten, die ungarische Gesellschaft sei selbstständig verantwortlich für Herstellung und Vertrieb der Panoramadachsysteme, überzeugt vor diesem Hintergrund in keiner Weise. Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob das Werk in Ungarn von der A selbst oder durch die B D Hungary betrieben wird.
1323.
133Die Beklagten haften als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der A , der B Verwaltungsgesellschaft mbH, und der Beklagte zu 1) darüber hinaus auch als Vertreter der B Administration Hungary Kft, der Geschäftsführerin der B D Products Hungary, für diese Patentverletzungen.
134a)
135Ein gesetzlicher Vertreter haftet für Verletzungshandlungen der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn er daran durch positives Tun beteiligt gewesen ist oder wenn er sie auf Grund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14 (Rn 107 ff.) – Glasfasern II). Für die Annahme, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft, die ein Produkt herstellt oder in den inländischen Markt einführt, auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters beruht, bedarf es jedoch im Regelfall keines näheren Klägervortrags und keiner näheren tatrichterlichen Feststellungen zu den dafür maßgeblichen Handlungen des gesetzlichen Vertreters (BGH Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14 (Rn. 118) – Glasfasern II). Denn angesichts der besonderen Gefährdungslage im Zusammenhang mit dem Schutz technischer Erfindungen und der großen Bedeutung, die einer Prüfung der Schutzrechtslage zukommt, deutet der Umstand, dass es zu einer schuldhaften Patentverletzung gekommen ist, in der Regel darauf hin, dass die gesetzlichen Vertreter die ihnen insoweit obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt haben. Deshalb hat der Verletzte - dem grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt - regelmäßig keinen Anlass, näher zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers vorzutragen. Er hat in der Regel auch nicht die Möglichkeit zu näherem Vorbringen hierzu, weil es um interne Vorgänge des Verletzers geht, in die er keinen Einblick hat (BGH Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14 (Rn. 119) – Glasfasern II).
136b)
137Nach diesen Grundsätzen sind die Beklagten für die Patentverletzungshandlungen auch persönlich verantwortlich. Es liegt eine Situation vor, in der typischerweise von einer (schuldhaften) Patentverletzung einer Gesellschaft auf die Haftung ihrer gesetzlichen Vertreter geschlossen werden kann.
138aa)
139Hinsichtlich des Beklagten zu 1) folgt dies daraus, dass er einer der drei Geschäftsführer der B Administration Hungary Kft. ist. Diese ist – wie in der mündlichen Verhandlung unbestritten blieb – die Komplementärin und damit Geschäftsführerin der B D Products Hungary. In dieser Funktion als Geschäftsführer hat der Beklagte zu 1) unmittelbar die Möglichkeit der Einflussnahme auf die geschäftlichen Aktivitäten der ungarischen Gesellschaften und somit auch ein Durchgriffsrecht auf das ungarische Werk in Mosonszolnok. Dass die B D Products Hungary vier weitere Geschäftsführer hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist der Beklagte zu 1), der Vorsitzender Geschäftsführer der gesamten B -Unternehmensgruppe ist und Geschäftsführer der Komplementärin der B D Products Hungary ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er bestimmenden Einfluss gerade auch in Grundsatzfragen auf die Gesellschaft hat und von der Produktion und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch das ungarische Werk zuständigkeitshalber informiert ist. Spätestens aber seit der Verurteilung der A im Parallelverfahren, von der der Beklagte zu 1) Kenntnis hatte, war er dazu verpflichtet, weitere Patentverletzungen zu unterbinden. Die gesellschaftsinterne Zuständigkeit der vier weiteren Geschäftsführer bleibt dagegen im Dunkeln. Die Beklagten haben insofern nicht ihrer sekundären Darlegungslast genügt und die Zuständigkeit des Beklagten zu 1) nicht erheblich bestritten.
140Darüber hinaus ist der Beklagte zu 1) auch in seiner Funktion als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Vorsitzender Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der A , für die Patentverletzungshandlungen persönlich verantwortlich. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) – was streitig ist – Leiter des Kompetenzzentrums für Panoramaglasdächer in Ungarn ist. Als Vorsitzender Geschäftsführer der B -Unternehmensgruppe, der in vielen Tochtergesellschaften der Gruppe als Geschäftsführer fungiert, hat er von den wesentlichen Vorgängen innerhalb der Gruppe Kenntnis. Insofern kann auch davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis von dem Ausschreibungsverfahren von BMW, dem Zuschlag für das angegriffene Panoramadach und der beabsichtigten Abwicklung der Serienfertigung und -lieferung durch die B D Products Hungary hatte. Dann wäre es ihm aufgrund seiner Stellung im Unternehmen aber auch möglich gewesen, die Patentverletzung zu unterbinden.
141bb)
142Hinsichtlich des Beklagten zu 2) ergibt sich seine patentrechtliche Verantwortung ebenfalls aus seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementärin der A . Er ist nach dem in der mündlichen Verhandlung unbestritten gebliebenen Sachvortrag der Klägerin innerhalb der B -Unternehmensgruppe für die Sparte Panoramaglasdächer und für den Vertrieb zuständig. Gemäß dieser internen Geschäftsverteilung gehörte die Prüfung einer etwaigen Patentverletzung durch Herstellung und Vertrieb von Panoramaglasdächern zum Pflichtenkreis des Beklagten zu 2) – dies vor allem im Zusammenhang mit der Ausschreibung für das angegriffene Panoramaglasdach, der Vereinbarung der Serienlieferung mit C und der Einrichtung der Serienherstellung und -lieferung durch die B D Products Hungary.
143Eine Haftung des Beklagten zu 2) kann jedoch nicht aus seinen Positionen in den ungarischen Tochtergesellschaften oder in der A GmbH hergeleitet werden. Denn auch in der mündlichen Verhandlung ist offen geblieben, ob und inwieweit der Beklagte zu 2) aufgrund seiner Stellung innerhalb der B -Unternehmensgruppe die Möglichkeit hatte, unmittelbar in das operative Geschäft der B D Products Hungary einzugreifen oder etwaig bestehende Durchgriffsrechte auszuüben. Unstreitig ist der Beklagte zu 2) Aufsichtsrat der B Administration Hungary Kft. Aber auch diese Position vermittelt ihm nicht die Möglichkeit, unmittelbar auf das operative Geschäft der B D Products Hungary Einfluss auszuüben.
144cc)
145Der Einwand der Beklagten, sie hätten jedenfalls vor Verkündung des Urteils im Parallelverfahren 4b O 128/18 durch die Kammer keine Kenntnis von der Patentverletzung durch das angegriffene Panoramaglasdach gehabt, insbesondere treffe sie aufgrund der Zuständigkeit einer hierfür vorgehaltenen Patentabteilung keine Verantwortlichkeit, überzeugt nicht.
146Nach der Entscheidung „Glasfaser II“ des Bundesgerichtshofes (GRUR 2016, 257) sind die Voraussetzungen für eine Haftung der gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft im Hinblick auf den Schutz von Patenten jedenfalls dann typischerweise erfüllt, wenn ein Unternehmen technische Erzeugnisse herstellt oder in den inländischen Markt einführt. Für praktisch jeden Bereich der Technik ist eine Vielzahl von Patenten mit unterschiedlichsten Gegenständen in Kraft. Ein Unternehmen muss deshalb vor Aufnahme einer der genannten Tätigkeiten prüfen, ob seine Erzeugnisse oder Verfahren in den Schutzbereich fremder Rechte fallen (BGH a.a.O. Rn 114 f.). Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass grundlegende Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen und dass die mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb betrauten Mitarbeiter der Gesellschaft die gebotenen Vorkehrungen treffen, um eine Verletzung fremder Patente zu vermeiden (BGH a.a.O. Rn 117). Bei dieser Ausgangslage bedarf es im Regelfall keiner näheren Feststellungen dazu, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht (BGH a.a.O. Rn 118).
147Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte zu 1) jedenfalls aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführerin der B D Products Hungary und als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Vorsitzender Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH verantwortlich.
148Auch der Beklagte zu 2) ist insoweit für die Patentverletzungshandlungen verantwortlich, weil er als Geschäftsführer der A für die Panoramaglasdach-Sparte der Gruppe zuständig ist.
149Die Beklagten haben hingegen nicht vorgetragen, für welche Bereiche die Patentabteilung im Hause der A überhaupt zuständig ist, insbesondere welche Aufgaben dieser Abteilung übertragen wurden. So bleibt offen, ob die Patentabteilung überhaupt mit der Prüfung möglicher Patentverletzungen durch neue Produktmodelle betraut ist. Ebenso wenig ist vorgetragen, wie das Verhältnis von Geschäftsführung und Patentabteilung organisiert ist, insbesondere ob und in welchem Umfang Berichtspflichten und Kontrollmöglichkeiten bestehen. Noch weniger ist vorgetragen, dass überhaupt eine Prüfung im konkreten Fall stattfand, dessen Ergebnis der Geschäftsführung mitgeteilt worden wäre. Jedenfalls hätte die Geschäftsführung darauf bestehen müssen, nachdem die A ein neues Panoramadach konstruiert und bemustert hatte und dann zur Serienherstellung freigeben wollte. Solange all dies unklar ist oder nicht einmal geschehen ist, können sich die Beklagten nicht damit exkulpieren, die Prüfung möglicher Patentverletzungen hätte nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich gelegen.
150III.
151Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen:
1521.
153Die Beklagten sind der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da sie zur Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht berechtigt sind.
154a)
155Der Unterlassungsanspruch ist nicht aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, § 139 Abs. 1 S. 3 PatG.
156aa)
157Gemäß § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG ist der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde.
158Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Klarstellung des Gesetzgebers, mit der zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt sein kann, wie es auch bereits vor Erlass der Regelung in der BGH-Rechtsprechung anerkannt war (BT-Drs. 19/25821, S. 52f.). Damit ist eine Rechtsprechung in Bezug genommen, nach der die Einräumung einer Aufbrauchfrist im Einzelfall geboten sein kann, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellt und treuwidrig wäre (BGH, GRUR 2016, 1031, Rn. 41 – Wärmetauscher). Dabei wird zugleich betont, dass die Gewährung einer Aufbrauchfrist im Falle einer Patentverletzung aus in der Natur der Beeinträchtigung liegenden Gründen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommt (ebd., Rn. 45). Hieran anknüpftend hebt auch die Gesetzesbegründung hervor, dass eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs „nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommt“ (BT-Drs. 19/25821, S. 53).
159Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit verlangt eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls und eine sorgfältige Abwägung aller Umstände unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben und der grundsätzlich vorrangigen Interessen des Verletzten an der Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs (BT-Drs. 19/25821, S. 53; Voß, in: Schulte, PatG mit EPÜ, 11. Auflage, 2022, § 139, Rn. 78; Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 14. Auflage, Kap. D., Rn. 562). Hierbei kann eine Reihe von Gesichtspunkten von Bedeutung sein, zwischen denen auch Wechselwirkungen bestehen können.
160bb)
161Bei Anwendung dieser Maßstäbe greift der von den Beklagten erhobene Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht durch. Unter Berücksichtigung aller Umstände des zwischen der Klägerin und den Beklagten herrschenden Rechtsstreits und der maßgeblichen Interessen der von den Beklagten geführten A sowie ihres Abnehmers C kann im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verurteilung zur Unterlassung zu einer unangemessenen, über die mit einer Unterlassungsverurteilung typischerweise verbundenen Nachteile hinausgehende Härte führen würde. Nach Treu und Glauben sind die Folgen des Unterlassungsgebots von den Beklagten, aber auch von der B -Unternehmensgruppe und von C hinzunehmen.
162(1)
163Gegen eine Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs spricht zunächst nicht der Umstand, dass die Klägerin im Dezember 2018 die A vor der Kammer in Anspruch genommen hat und dabei auch die Geschäftsführer, die jetzigen Beklagten, hätte in Anspruch nehmen können. Denn die Klägerin konnte sich aufgrund ihres Verständnisses der Herstellung und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform zum damaligen Zeitpunkt nicht veranlasst sehen, auch die Geschäftsführer persönlich in die Haftung zu nehmen. Die Klägerin hatte ihrer Klage das Verständnis zugrunde gelegt, dass sowohl Serienherstellung als auch Serienlieferung durch die A eigenhändig vorgenommen werden; für eine andere Einschätzung bestand damals keine Veranlassung. Die A hat dieses Verständnis im damaligen Verfahren nicht aufgegriffen und hierzu vorgetragen. Soweit sich nunmehr herausgestellt hat, dass die Serienherstellung und Lieferung ausschließlich durch das selbstständig agierende Werk in Mosonszolnok erfolgt, kann es der Klägerin nicht verwehrt sein, nunmehr auch die Beklagten in Anspruch zu nehmen. Ein in diesem Zusammenhang ungebührlich langes Zuwarten kann die Kammer nicht feststellen.
164(2)
165Auch dass die Klägerin über einen Vollstreckungstitel gegen die A verfügt, lässt die Verurteilung auch der Beklagten zur Unterlassung nicht unverhältnismäßig erscheinen. Denn diese werden auch insoweit auf Unterlassung in Anspruch genommen, als Lieferhandlungen des ungarischen Werkes in Rede stehen, die die A gerade nicht gegen sich gelten lassen möchte.
166(3)
167Der Einwand der Beklagten, die Klägerin verbiete die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform, obwohl sie selbst nicht liefern könne, und dadurch gerade bei einem Dritten – hier dem Automobilhersteller C – nicht unbeträchtliche Kollateralschäden entstehen, greift letztlich nicht durch. Gerade dies ist die notwendige Folge einer rechtswidrigen Patentverletzung, für die nun auch die Beklagten einzustehen haben. Bereits der A ist es aufgrund des Urteils der Kammer sowie des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf untersagt, die angegriffene Ausführungsform zu liefern. Ein qualitativ oder quantitativ höherer Schaden dadurch, dass auch die Beklagten nunmehr ebenfalls zur Unterlassung verpflichtet sind, ist daher nicht erkennbar.
168Hinzukommt, dass die Schutzdauer des Klagepatents vorliegend bereits am 31. August 2022 abläuft, so dass der Schaden dadurch, dass den Beklagten die Lieferung der angegriffenen Ausführungsform an C untersagt ist, nicht unverhältnismäßig hoch ausfallen kann. Jedenfalls fehlt jeglicher Sachvortrag dazu, welche konkreten Schäden bei C und der A entstehen werden. Die Beklagten haben insoweit lediglich Planungszahlungen zur Anzahl der (wohl) von C abzurufenden Panoramaglasdächer benannt, die für die konkrete Schadensbemessung nicht tauglich sind. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass – wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben – infolge einer Verurteilung zur Unterlassung bei C die Bänder stillstehen. Das angegriffene Panoramadach ist ein optionales Ausstattungsmerkmal. Selbst wenn für den auf ca. zwei Monate bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents beschränkten Unterlassungszeitraum vorbestellte Kraftfahrzeuge mit angegriffenem Panoramadach nicht hergestellt werden können, muss deswegen nicht die gesamte Produktion der Fahrzeugmodelle G 31 und G 32 ausfallen. Letztlich wird sich das avisierte Lieferdatum für Kunden von C allenfalls um wenige Monate verschieben, was ebenfalls gegen die Annahme größerer Schadensfolgen spricht. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem genannten Fahrzeugmodell (5er Touring) nach dem Vortrag der Klägerin nicht um ein Standardmodell handelt, das in großen Stückzahlen hergestellt wird. Die Folgen für C durch eine Unterbrechung der Lieferung von angegriffenen Panoramadächern werden sich daher in Grenzen halten, die von C und den Beklagten als typische Folgen einer Patentverletzung hinzunehmen sind.
169(4)
170Soweit die Beklagten darauf verweisen, die A habe sich lizenzwillig gezeigt und es sei vielmehr die Klägerin, die lizenzunwillig sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Beklagten hätten – unabhängig von den bestehenden Nichtigkeitsverfahren – als Geschäftsführer der Komplementärin der A darauf hinwirken können, dass die Lizenzvertragsverhandlungen mit der Klägerin zeitnah nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung im parallelen Verletzungsverfahren gegen die A geführt werden. Erst im November 2021 und damit bereits weit nach der Klageerhebung im Jahr 2018 trat die A mit dem Beklagten zu 2) als Vertreter in Lizenzvertragsverhandlungen ein.
171Hinzu kommt, dass die Klägerin vorliegend nicht darauf zu verweisen ist, Lizenzvertragsverhandlungen nur für das hier in Rede stehende Klageschutzrecht zu führen, auch wenn dies für die A finanziell attraktiver erscheinen mag. Die Kammer kann auch insoweit mangels Sachvortrags durch die Beklagten nicht abschätzen, ob die von der Klägerin geforderte Summe von knapp 6,5 Mio. Euro zzgl. Anwaltskosten wirtschaftlich weit überhöht erscheint. Dass die Beklagten nach Art eines „Versailler Diktats“ vernichtet werden sollen, kann die Kammer nicht erkennen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Schutzdauer des Klagepatents in etwas mehr als 2 Monaten abgelaufen sein wird. Vor diesem Hintergrund stellen auch zeitliche Beschränkungen der Unterlassung oder die Einräumung von Aufbrauchsfristen keine Alternative dar, da der Unterlassungsanspruch dann durch den Ablauf der Schutzdauer leer läuft.
172b)
173Soweit die Beklagten verlangen, dass die Klageanträge und der Urteilstenor die Tathandlungen der Beklagten konkret wiedergeben müssten, vermögen sie damit nicht durchzudringen.
174Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung „Ultraschallwandler“ (Urt. v. 08.06.2021, X ZR 47/19) verlangt, dass, wenn ein im Ausland ansässiger Hersteller einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, obwohl konkrete Anhaltspunkte es als naheliegend erscheinen lassen, dass der Abnehmer die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird, diese Umstände im Klageantrag oder in der Klagebegründung sowie in einem der Klage stattgebenden Urteil oder dessen Gründen konkret zu umschreiben sind.
175Im Streitfall handelt es sich bereits nicht um eine Lieferung vom Ausland ins Ausland. Die Haftung der Beklagten ist vielmehr durch die sorgfaltspflichtwidrige Ermöglichung bzw. Mitverursachung einer inländischen Patentverletzung begründet. Nach den dafür herrschenden Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung haftet der (Mit-)Verursacher – hier die A bzw. deren Geschäftsführer, die Beklagten zu 1) und 2) – selbst als Täter (BGH Urt. v. 17.12.2009, Xa ZR 2/08 (Rn 34) – MP3-Player-Import). Ihm wird die fremde Schutzrechtsverletzung (als eigene) zugerechnet (BGH Urt. v. 17.12.2009, Xa ZR 2/08 (Rn 36, 37) – MP3-Player-Import). Dies rechtfertigt es, in den Antrag und den Urteilstenor die eigentliche patentverletzende Handlung, die dem Schuldner zuzurechnen ist und für die er haftet, aufzunehmen. Selbst wenn man dies im Grundsatz anders sehen wollte, ergibt sich im konkreten Streitfall kein anderes Ergebnis, weil die Beklagten aufgrund der der A zustehenden Möglichkeiten der Einflussnahme auf die B D Hungary durchweg in der Lage sind, für eine Durchsetzung des Unterlassungsgebots zu sorgen. Die Verpflichtung zur Unterlassung patentverletzender Benutzungshandlungen ist lediglich die Kehrseite einer Verpflichtung zur Unterlassung der weiteren Untätigkeit angesichts der fortdauernd begangenen Patentverletzungen der Tochtergesellschaft.
1762.
177Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB, allerdings nur für den Zeitraum ab 27. Januar 2012.
178a)
179Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG ohne Berücksichtigung eines Karenzmonats, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
180b)
181Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten weiterhin ein Anspruch auf Rechnungslegung im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die ihnen abverlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
182c)
183Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sind nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Einwand der Beklagten, die A habe bereits umfassend über die von ihr erfolgten Musterlieferungen Auskunft erteilt und damit seien die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung erfüllt, greift nicht durch. Denn nach den hiesigen Feststellungen haben die Beklagten auch die durch das ungarische Werk an C erfolge Serienlieferung zu beauskunften und darüber Rechnung zu legen.
184d)
185Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung für Ansprüche in dem Zeitraum vor dem 31. Dezember 2018 greift nicht durch. Allerdings waren die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aufgrund der zehnjährigen absoluten Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 BGB) bei Klageerhebung am 27. Januar 2022 bereits verjährt.
186aa)
187Die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sind für den Zeitraum vor dem 31. Dezember 2018 grundsätzlich durchsetzbar; die dreijährige Frist für die Regelverjährung ist noch nicht abgelaufen (§ 214 BGB).
188(1)
189Die Verjährung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen Verjährungsregeln. Danach unterfällt dieser Anspruch der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren gemäß §§ 194, 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
190(2)
191Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben Umstände, die auf eine Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere der konkreten Verletzungshandlungen und der Beklagten als Anspruchsschuldner, schließen lassen, nicht hinreichend dargetan.
192Soweit die Beklagten einwenden, die Klägerin habe spätestens durch die Klage vom 4. Dezember 2018 gegen die A Kenntnis von der Patentverletzung gehabt und hätte diese Klage auch gegen die Beklagten richten können, überzeugt dies nicht. Dass die Beklagten als Geschäftsführer der A in das Handelsregister eingetragen sind, macht ihre Inanspruchnahme zwar möglich. Es bedurfte jedoch der Kenntnis der konkreten Umstände einer Haftung auch der Beklagten als Geschäftsführer für die von dieser Gesellschaft begangenen Rechtsverletzungen. Hiergegen spricht, dass die hiesigen Beklagten ausweislich des als Anlage B 3 vorgelegten Handelsregisterauszugs der B Verwaltungsgesellschaft mbH nicht die alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft waren. Insoweit waren mehrere Geschäftsführer mit der Vertretung der Gesellschaft betraut. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihr die interne Verteilung der Geschäftsführeraufgaben zum Zeitpunkt der damaligen Klageerhebung nicht bekannt gewesen sei. Ob somit der Beklagte zu 1) als Vorsitzender Geschäftsführer auch selbst in die Serienherstellung und Serienbelieferung der angegriffenen Ausführungsform involviert war, sei ihr nicht bekannt gewesen. Von dem Beklagten zu 2) habe sie erstmals erfahren, als dieser von der A als Ansprechpartner für die Vergleichsverhandlungen benannt worden sei. Da auch nicht vorgetragen ist, woher die Klägerin entsprechende Informationen unschwer hätte erhalten können – das Handelsregister, dessen Einsichtnahme zwar erwartet werden kann, gibt für die konkrete Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern in der B -Unternehmensgruppe nichts her – ist auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen zu verneinen.
193Soweit die Haftung der Beklagten mit der Steuerung und Kontrolle der B D Products Hungary durch die A bzw. die Beklagten und deren Leitungsfunktionen innerhalb der ungarischen Gesellschaft gestützt wird, lässt sich erst Recht nicht feststellen, dass die Klägerin Kenntnis von den entsprechenden Umständen hatte oder grob fahrlässig nicht hatte.
194Die Beklagten wenden insofern ein, die Klägerin habe anhand des ihr vorliegenden Musters und der dort aufgebrachten Kennung feststellen können, dass die angegriffene Ausführungsform in dem ungarischen Werk der B -Unternehmensgruppe hergestellt werde. Zwar mag es branchenüblich sein, den Herstellungsprozess in das Ausland auszulagern. Die konkreten Umstände der Serienherstellung und Serienbelieferung an C lassen sich daraus aber nicht ableiten. Da vorliegend gerade die Verletzung des Klagepatents durch Auslands-Inlandslieferung in Rede steht, hätte es seitens der Klägerin der konkreten Kenntnis dieses Lebenssachverhalts bedurft, um eine Haftung der Beklagten begründen zu können. Die Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie von dem „Komplex Ungarn“ erst mit der Erwiderung der A im Zwangsmittelverfahren am 23. Dezember 2021 Kenntnis erlangt habe. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte sie Anhaltspunkte, um hinsichtlich der Beklagten näher zu recherchieren. Die von den Beklagten unter Verweis auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urt. v. 05.07.2012, I- 2 U 12/12) angeführten Grundsätze zur Dringlichkeit als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind auf die Anforderungen an die fristauslösende Kenntnis im Fall der Einrede der Verjährung nicht übertragbar.
195bb)
196Allerdings sind die vor dem 27. Januar 2012 entstandenen Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung verjährt, da die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB für diese Ansprüche spätestens am 26. Januar 2022 abgelaufen ist.
197Die Verjährungsfrist ist nur für die seit dem 27. Januar 2012 entstandenen Ansprüche noch nicht abgelaufen, da ihr Ablauf durch Erhebung der Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt ist. Die Klage gilt als erhoben, sobald sie zugestellt ist, § 253 Abs. 1 ZPO, wobei die Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurückwirkt, wenn sie „demnächst“ erfolgt, § 167 ZPO. Im Streitfall ist die Klage am 27. Januar 2022 eingereicht worden. Die Zustellung ist keine drei Wochen später am 15. Februar 2022, mithin innerhalb angemessener Frist und somit „demnächst“ bewirkt worden.
1983.
199Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG. Allerdings sind die Beklagten nur für Verletzungshandlungen seit dem 27. Januar 2012 ersatzpflichtig.
200Die Beklagten handelten schuldhaft, da sie als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der B Verwaltungsgesellschaft mbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der A , und der Beklagte zu 1) zudem als Vertretungsberechtigter für die B Hungary Kft., der Geschäftsführerin der B D Products Hungary die Patentverletzung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen können, § 276 BGB.
201Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass den Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Insbesondere kann die Klägerin ihren Schaden noch nicht anhand der bereits erteilten Auskünfte abschließend beziffern (vgl. die Ausführungen unter Ziffer III.2.c)).
202Allerdings sind Schadensersatzansprüche der Klägerin für vor dem 27. Januar 2012 begangene Verletzungshandlungen aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zur Verjährung der Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verwiesen, die hier gleichermaßen gelten.
2034.
204Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Zeitraum vom 16. Juli 2004 bis zum 18. August 2006 gemäß Art. 2 § 1 S. 1 IntPatÜG. Denn insoweit haften die Beklagten als Geschäftsführer nicht für die Benutzung des Klagepatents durch das von ihnen vertretene Unternehmen (vgl. Kühnen, Hdb. Patentverletzung a.a.O. Kap. D Rn. 405).
205C.
206Anlass, das vorliegende Verletzungsverfahren bis zum rechtskräftigen Ausgang des Berufungsnichtigkeitsverfahrens auszusetzen, besteht nicht.
207I.
208Eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens kommt nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. BGH GRUR 2014, 1237, 1238 – Zugriffsrechte).
2091.
210Regelmäßig nicht in Betracht kommen kann eine Aussetzung, wenn der dem Klageschutzrecht entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren berücksichtigt worden ist. Gleiches gilt erst recht, wenn das Patent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist. Diese – unter Beteiligung technischer Fachleute zustande gekommene – Entscheidung hat das Verletzungsgericht aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung hinzunehmen. Im Rahmen der Aussetzungsentscheidung ist es nicht Sache des Verletzungsgerichts, das Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsverfahren in allen Einzelheiten vorweg zu nehmen. Immer dann, wenn die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren möglich und mit nachvollziehbaren Gründen vertretbar erscheint, hat es vielmehr bei der getroffenen Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung zu verbleiben (Kühnen, Hdb. Patentverletzung Kap. E Rn. 816).
2112.
212Nach diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung der Verhandlung nicht in Betracht.
213Die Lehre des geltend gemachten Klagepatentanspruchs ist nicht durch die EP 1 046 530 A 1 (D 5) neuheitsschädlich vorweggenommen.
214Das Bundespatentgericht hat mit Urteil vom 22. September 2021 (Anlage TW 2) das Klagepatent in dem mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Umfang nach Würdigung der Entgegenhaltung D 5 aufrechterhalten. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hat im Berufungsverfahren (I-15 U 43/20) zum parallelen Verletzungsverfahren (4b O 128/18) einen Anlass zur Aussetzung im Hinblick auf die D 5 nicht festgestellt (Anlage TW 1 S. 29). Da die Beklagten eine Aussetzung in der Sache lediglich aufgrund der Entgegenhaltung D 5 veranlasst sehen, die in dem Urteil des Bundespatentgerichts und auch des Oberlandesgericht Düsseldorf bereits berücksichtigt wurde, ist eine Aussetzung grundsätzlich nicht veranlasst.
215Die nunmehr als Anlage TW 2 vorgelegte Begründung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren rechtfertigt keine hiervon abweichende Entscheidung. Denn das Bundespatentgericht hat die Druckschrift D 5 in seiner Entscheidung eingehend gewürdigt und ist zum dem Ergebnis gelangt, dass diese Druckschrift zwar den Patentanspruch 1 in der ursprünglich geltend gemachten Fassung vollständig neuheitsschädlich vorwegnimmt (Anlage TW 2 Seite 23 f.), jedoch die im Nichtigkeitsverfahren und auch im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 2a durch die D 5 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen und auch dem Fachmann nicht nahegelegt ist (Anlage TW 2 Seite 34 f.)
216II.
217Eine Aussetzung der Verhandlung ist auch nicht im Hinblick auf die von der A im parallelen Verletzungsverfahren anhängig gemachte Nichtzulassungsbeschwerde geboten. Gemäß § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.
218Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Bereits die Anspruchsgegner – die Beklagten – sind vorliegend nicht personenidentisch mit der Beklagten – der A – des betreffenden Verfahrens. In Rede steht vorliegend die persönliche Haftung der Beklagten als Geschäftsführer. Soweit es hierzu der Feststellungen einer Haftung der A bedarf, ist diese Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren durch die Kammer zu entscheiden und hängt nicht vom Ausgang der Nichtzulassungsbeschwerde ab.
219D.
220Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
221Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung der einzelnen Ansprüche festzusetzen.
222E.
223Der Streitwert wird gemäß § 51 Abs. 1 GKG auf 500.000,00 Euro festgesetzt, wovon 200.000 EUR auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten zur Schadensersatzleistung (Antrag zu II.) entfallen.
224Dr. Voß Dr. Gräwe Dr. Gruneberg