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Die einstweilige Verfügung vom 16.10.2018 wird im Tenor zu Ziffer I. 1. und im Kostenausspruch bestätigt. Hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I. 2. ist das Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
12 O 245/18 |
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Verkündet am 19.12.2018M, Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Landgericht DüsseldorfIM NAMEN DES VOLKESUrteil
3In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
4pp.
5hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorfauf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2018durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht H, den Richter I und den Richter am Landgericht Dr. X
6für Recht erkannt:
7Die einstweilige Verfügung vom 16.10.2018 wird im Tenor zu Ziffer I. 1. und im Kostenausspruch bestätigt. Hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I. 2. ist das Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
8Die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
9T a t b e s t a n d
10Die Antragstellerin macht im Wege der einstweiligen Verfügung wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
11Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind als Versicherungsmakler tätig. Der Antragsgegner ist der Geschäftsführer der Antragsgegnerin.
12Im Rahmen der von der Antragsgegnerin als Versicherungsmakler zu leistenden Betreuung eines vermittelten Vertrages tätigt sie seit 2017 einmal jährlich so genannte „Service Calls“. Dabei ruft ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin den Kunden an und fragt, ob dieser mit seiner Versicherung zufrieden ist, er Hilfe benötigt oder sich Anpassungen des Vertrages erfordernde Änderungen ergeben haben.
13Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr D, schloss am 08.08.2014 als Privatperson nach telefonischer Beratung einen Vertrag für eine B- Zahnzusatzversicherung über die Antragsgegnerin ab. Ob dieser Anruf durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin mit vorheriger Einwilligung des Geschäftsführers der Antragstellerin erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. In einem am selben Tag mit einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin im Zuge der Qualitätssicherung geführten Gespräch bestätigte der Geschäftsführer der Antragstellerin, den Vertrag abschließen zu wollen. Mit E-Mail vom 15.08.2014 (Anlage AS7), gerichtet an die B, „widersprach“ der Geschäftsführer der Antragstellerin dem Vertrag.
14Im Rahmen eines „Service Calls“ rief die Antragsgegnerin den Geschäftsführer der Antragstellerin im September 2017 als Privatperson an, weil die B die Beiträge erhöht hatte. Im Rahmen des Telefonats bat der Geschäftsführer der Antragstellerin um eine Umstellung des Vertrages zur I2 Versicherung. Den Wechselwunsch bestätigte der Geschäftsführer der Antragstellerin am 06.09.2017 der Antragsgegnerin gegenüber im Rahmen eines Telefonanrufs zur Qualitätssicherung. Im Nachhinein „widersprach“ der Geschäftsführer der Antragstellerin dem Vertrag mit der I2 Versicherung mit E-Mail vom 11.09.2017 (Anlage AS9).
15Am 05.09.2018 führte die Antragsgegnerin erneut einen „Service Call“ an den Geschäftsführer der Antragstellerin als Privatperson durch, im Rahmen dessen ein Vertrag über eine Absicherung im ambulanten Bereich bei der C geschlossen wurde. Im Rahmen eines am selben Tag geführten Telefonats bestätigte der Geschäftsführer der Antragstellerin gegenüber der Qualitätssicherung der Antragsgegnerin den neuen Vertrag. Im Nachhinein widerrief der Geschäftsführer der Antragstellerin den Vertrag mit der C.
16Die Antragsgegnerin betreibt die Internetseiten „www.X.de“, „www.X.com“ und „www.X.info“. Auf der Internetseite „www.X.de“ wurde im Impressum als Geschäftsführer ein Herr „I3“ benannt. Auf der Internetseite „www.X.com“ teilte die Antragsgegnerin mit, dass ihr Geschäftsführer ein Herr C2 sei, welcher jedoch bereits im April 2016 als Geschäftsführer abberufen worden war. Auf der Internetseite „www.X.info“ unterließ es die Antragsgegnerin, die ihr zugeteilte Umsatzsteueridentifikationsnummer anzugeben.
17Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.09.2018 wegen der vorgenannten Sachverhalte abmahnen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.10.2018 räumten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin die Vorwürfe hinsichtlich der Verstöße gegen das Telemediengesetz ein und stellten die Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungsverfügung in Aussicht. Hinsichtlich des beanstandeten Anrufs baten Sie zur Prüfung des Unterlassungsanspruchs um Fristverlängerung bis zum 10.10.2018. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin verlängerte die Frist bis zum 04.10.2018. Am 12.10.2018 gab die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der Verstöße gegen das Telemediengesetz ab.
18Auf Antrag der Antragstellerin vom 08.10.2018 (Eingang bei Gericht am 09.10.2018), ergänzt und konkretisiert mit Schriftsatz vom 12.10.2018, hat die Kammer mit Beschluss vom 16.10.2018 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher den Antragsgegnern unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
191. mit einem Telefonanruf gegenüber Verbrauchern zu werben, ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung eingeholt zu haben;
202. eine Internetseite zu betreiben, ohne
21a. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz über den im Handelsregister eingetragenen, aktuellen Geschäftsführer leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu informieren, wenn dies geschieht, wie am 24.09.2018 auf der Internetseite www.X.com und/oder
22b. über den vollständigen Vornamen des Geschäftsführers leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu informieren, wenn dies geschieht, wie am 24.09.2018 auf den Internetseiten www.X.de und/oder www.X.info und/oder
23c. über die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu informieren, wenn dies geschieht, wie am 24.09.2018 auf den Internetseiten www.X.com und/oder www.X.info.
24Mit Schriftsatz vom 29.10.2018 (Bl. 25 ff. GA) haben die Antragsgegner Widerspruch gegen den Verfügungsbeschluss eingelegt.
25Die Antragstellerin trägt vor, nicht ihr Geschäftsführer habe im Telefonat am 05.09.2018 darum gebeten, statt der bisherigen Zahnvorsorge Angebote für eine Absicherung für den ambulanten Bereich für ihn herauszusuchen, sondern der Mitarbeiter der Antragsgegnerin habe dies vorgeschlagen. Ihr Geschäftsführer sei auf die Vertragsabschlüsse in den Jahren 2014, 2017 und 2018 nur eingegangen, um weitere Daten über die Antragsgegnerin ermitteln zu können. Dabei habe er ohne Rechtsbindungswillen gehandelt, einen Vertrag mithin niemals tatsächlich abschließen wollen.
26Die Antragstellerin hat ursprünglich beantragt, die einstweilige Verfügung vom 16.10.2018 aufrechtzuerhalten. Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag zu Ziff. I. 2. (Nummerierung gemäß Verfügungsbeschluss vom 16.10.2018) für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2018 haben die Antragsgegner sich der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen.
27Die Antragstellerin beantragt,
28die einstweilige Verfügung vom 16.10.2018 im Übrigen aufrechtzuerhalten.
29Die Antragsgegner beantragen,
30die einstweilige Verfügung vom 16.10.2018 im Übrigen unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufzuheben.
31Sie tragen vor, eine Umdeckung oder den Abschluss neuer bzw. weiterer Verträge schlage die Antragsgegnerin nur auf Initiative und Wunsch des Kunden vor. Ihre Mitarbeiter würden niemals selbst die Initiative hierfür ergreifen. Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, sie sei aufgrund des Widerrufs des Geschäftsführers der Antragstellerin 2017 und des deswegen nicht erfolgten Wechsels zur I2 Versicherung davon ausgegangen, dass der ursprünglich von ihr betreute B-Vertrag des Geschäftsführers der Antragstellerin wie zuvor weiterlief. Eine gegenteilige Mitteilung habe sie auch vom Geschäftsführer der Antragstellerin nicht erhalten. Im Jahr 2014 sei eine Einwilligung des Geschäftsführers der Antragstellerin in die Kontaktaufnahme erteilt worden.
32Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst den zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34I.
35Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, soweit wegen der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung noch über ihn zu entscheiden war, begründet.
36Das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG ist auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung überwiegend wahrscheinlich.
37Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind unmittelbare Wettbewerber und somit Mitbewerber i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
38Das Anrufen von Verbrauchern stellt, auch wenn es im Rahmen eines „Service Calls“ bei (vermeintlich) bestehender Vertragsbeziehung erfolgt, eine geschäftliche Handlung zur Förderung des Absatzes eigener Dienstleistungen der Antragsgegnerin dar, da auch im Rahmen derartiger Telefonate alte Verträge umgestellt oder neue Verträge abgeschlossen werden, wodurch die Dienstleistungen der Antragsgegnerin als Versicherungsmaklerin in Anspruch genommen werden.
39Der Geschäftsführer der Antragstellerin wurde als Verbraucher von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin angerufen, ohne zuvor ausdrücklich in die Kontaktaufnahme eingewilligt zu haben. Dass der Verbraucher das Telefonat unwidersprochen fortsetzt führt allenfalls zu einer konkludenten Einwilligung, die dem Gesetzeswortlaut nach nicht genügt, sondern ausdrücklich vorab erteilt sein muss. Dass der Geschäftsführer der Antragstellerin als Verbraucher in die Kontaktaufnahme vorab eingewilligt hatte, haben die Antragsgegner, die die Beweis- bzw. Behauptungslast tragen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 7 Rn. 154, beck-online), nicht mit den im Verfügungsverfahren statthaften Mitteln (§§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO) glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsgegner zu 2) in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, der Geschäftsführer der Antragstellerin habe im Jahr 2014 in die Kontaktaufnahme eingewilligt, hat die Antragstellerin diesen Vortrag bestritten. Der Antragsgegner zu 2) hat erklärt, dass er die Einwilligungserklärung derzeit nicht vorlegen könne.
40Der Anruf der Antragsgegnerin stellte – auch im Rahmen einer Kundenzufriedenheitsumfrage bzw. eines „Service Calls“ – Werbung i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dar (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 7 Rn. 132, beck-online). Werbung liegt auch dann vor, wenn der Anruf mittelbar das Ziel verfolgt, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 7 Rn. 130 – 131a, beck-online). So liegt es hier. Auch die Kontaktaufnahme im Rahmen eines „Service Calls“ bei (vermeintlich) bestehender Vertragsbeziehung dient mittelbar der Absatzförderung, da auch im Rahmen derartiger Telefonate Kunden gehalten werden sollen und alte Verträge umgestellt oder neue Verträge abgeschlossen werden, wodurch die Dienstleistungen der Antragsgegnerin als Versicherungsmaklerin in Anspruch genommen werden.
41Die Wiederholungsgefahr ist nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.
42Der Antragsgegner haftet als Geschäftsführer der Antragsgegnerin für deren Wettbewerbsverstoß, weil er als alleiniger Geschäftsführer die Rechtsverletzung bei lebensnaher Betrachtung in Auftrag gegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2014, I ZR 242/12, Tz. 14 – Geschäftsführerhaftung).
43Auch ein Verfügungsgrund liegt vor. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Der beanstandete Anruf fand am 05.09.2018 statt, der Verfügungsantrag datiert auf den 08.10.2018 (Eingang bei Gericht am 09.10.2018). Bei dem 06. und 07.10.2018 handelte es sich um ein Wochenende. Der Verfügungsantrag ging damit nur knapp über einen Monat nach dem Telefonat ein. Dass die Antragstellerin nach dem Anruf drei Wochen zugewartet hat, steht der Eilbedürftigkeit nicht entgegen.
44II.
45Die einstweilige Verfügung ist hinsichtlich der Kostenentscheidung zu bestätigen; auch die weiteren Kosten sind dem Antragsgegner aufzuerlegen. Dies folgt hinsichtlich der auf den Antrag 1. entfallenden Kosten aus §91 ZPO.
46Die Kosten des für erledigten erklärten Teils waren den Antragsgegnern aufzuerlegen, da dies nach bisherigem Sach- und Streitstand billigem Ermessen entspricht. Die Antragsgegner haben weder innerhalb der von der Antragstellerin bis zum 04.10.2018 gesetzten Frist die von ihnen am 02.10.2018 angekündigte Unterlassungserklärung abgegeben, noch innerhalb der von ihnen selbst bis zum 10.10.2018 begehrten Fristverlängerung, sondern erst am 12.10.2018. Sie haben damit Veranlassung zur Einreichung des Verfügungsantrages gegeben, in welchem das Vorliegen eines entsprechenden Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht waren.
47Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil bedarf keines Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit.
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