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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 29.04.2024 (Az: 94 C 2/24) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Gericht ersetzt folgenden Beschluss: Die Beklagte wird die Kanzlei C1 PartG mbB beauftragen, den Bauträger D1 GmbH auf Nachbesserung und/oder Kostenvorschuss bezogen auf und für die Beseitigung des Schallschutzmangels, wie er sich in der Wohnung der Klägerin Nr. 13 im 2. OG auswirkt, zu verklagen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e:
2I.
3Die Kammer verzichtet gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 ZPO auf die Darstellung des Tatbestandes.
4II.
5Die zulässige Berufung hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.
61.
7Die seitens der Klägerin erstinstanzlich erhobene Klage ist zulässig. Die Klägerin ist als werdende Eigentümerin aktivlegitimiert, § 8 Abs. 3 WEG (Bärmann/Pick/Emmerich, 21. Aufl. 2025, WEG § 9a Rn. 76, beck-online). Ausgehend von der vorgelegten Teilungserklärung vom 12.06.2009 (vgl. Anl. K1, Bl. 12 ff. d.A. I. Instanz) und dem not. Kaufvertrag vom 28.10.2010 (vgl. Bl. 32 ff. d.A. I. Instanz) hat die Klägerin weiterhin einen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer, welcher im Übrigen auch durch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert ist.
82.
9Die Berufung betreffend die Anfechtung des anlässlich der Eigentümerversammlung vom 12.12.2023 unter TOP 18 gefassten Negativbeschlusses ist begründet, betreffend die Beschlussersetzungsklage ist sie unbegründet.
10a)
11Die Berufung betreffend die Ungültigkeitserklärung des am 12.12.2023 unter TOP 18 gefassten Negativbeschlusses ist begründet. Die Klage ist bereits unzulässig, weil die Kammer mangels Kenntnis des konkreten – zwischen den Parteien streitigen – Beschlussinhalts keine Entscheidung treffen kann.
12aa)
13Dass die GdWE am 12.12.2018 die klägerseitig behauptete Beschlussfassung getroffen hat, ist streitig. Zwar haben die Parteien im Rahmen der I. Instanz einen bestimmten Beschlussinhalt unstreitig gestellt. Für die Kammer ist aber weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus dem Protokollinhalt vom 08.04.2024 (vgl. Bl. 310 d.A. I. Instanz) ersichtlich, was konkret unstreitig gestellt werden sollte. Hierüber herrschte auch im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung am 04.02.2025 keine Einigkeit.
14bb)
15Die Kammer kann auch nicht zu ihrer Überzeugung feststellen, dass im Rahmen der Eigentümerversammlung am 12.12.2018 unter TOP 18 ein Beschluss – wie klägerseitig behauptet – dahingehend gefasst worden ist, dass Ansprüche der Klägerin gegen den Bauträger bezogen auf den Schallschutz nicht durch die GdWE gerichtlich durchgesetzt werden sollen.
16(1)
17Die Beklagte behauptet hiervon abweichend unter Vorlage der ordentlichen Protokollabschrift (vgl. Anlage B1 zum Schriftsatz vom 03.02.2025, Bl. 296 ff.), dass (nur) über den Antrag (der Klägerin), ein neues Gutachten erstellen zu lassen, entschieden worden sei.
18(2)
19Aus dem mit handschriftlichen Eintragungen versehenen Protokollentwurf, welchen die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.02.2025 (vgl. Bl. 353 ff. d.A.) vorgelegt hat, geht lediglich hervor, dass eine Abstimmung über „Schallschutz“ erfolgte. Einen Hinweis darauf, dass die Beschlussfassung die Ablehnung der gerichtlichen Durchsetzung zum Gegenstand hatte, folgt daraus nicht.
20(3)
21Ein etwaiger Hinweis ergibt sich auch nicht aus dem Einladungsschreiben vom 17.11.2023 und den beigefügten Anlagen (vgl. Anlage K12 zur Klageschrift vom 11.01.2024, Bl. 177 d.A. I. Instanz). Die beiliegende Tagesordnung enthält unter TOP 18 lediglich den Hinweis auf „Beschluss über Schallschutz“.
22(4)
23Die Kammer kann auch aus den der Einladung beigefügten Schreiben der Klägerin vom 12.10.2023 und vom 18.11.2023 sowie vom 23.11.2023 keinen Antrag erkennen, dass die GdWE über die gerichtliche Durchsetzung der klägerischen Ansprüche auf Mängelbeseitigung entscheiden sollte. Vielmehr deutet nachfolgend wiedergegebene Textpassage darauf hin, dass die Klägerin die weitere Beweissicherung begehrt hatte.
24„Unabhängig davon weise ich noch einmal auf den Beschluss des LG vom 24. 02. 2017 hin: ,,die Antragstellerin hat ein lnteresse daran feststellen zu lassen, worin die Ursache für die Geräuschwahrnehmungen zu sehen ist, in etwaigen Montagefehlern beim Ausbau des H1-Geschäftes und/oder in fehlendem bautechnischem Schallschutz." Auf die Klärung dieses Problems bestehe ich weiterhin.“
25b)
26Die seitens der Klägerin auf Beschlussersetzung gerichtete Klage ist zulässig und begründet.
27aa)
28Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt, die Klägerin ist auch rechtsschutzbedürftig.
29(1)
30Die Unzulässigkeit folgt nicht aus der seitens der Beklagten beanstandeten Unbestimmtheit der begehrten Beschlussersetzung.
31(aa)
32Die verwendete Formulierung ergibt ein hinreichend konkretes Rechtsschutzziel der Klägerin, welches eine zielgerichtete Beauftragung eines Rechtsanwaltes ermöglicht. (BGH, Urteil vom 24. Mai 2013 – V ZR 182/12 –, Rn. 23, juris). Die Auftragsziele, Mangelbeseitigung oder Kostenvorschuss zur Beseitigung von Schallschutzmängeln, die sich in der Wohnung der Klägerin auswirken, sind festgelegt (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 85 ff., beck-online).
33(bb)
34Der Einwand, es sei schon nicht klar, welche Mängel beseitigt werden sollen, ob sich die Beseitigung auch etwa auf Verkehrsgeräusche bezieht, dringt bereits vor dem Hintergrund der sog. „Symptom-Rechtsprechung“ nicht durch. So ist der Kläger einer Mangelbeseitigungsklage gerade nicht gehalten, etwa "Anhaltspunkte zu Schallschutzwerten" vorzutragen. Ausreichend ist der Sachvortrag, die Schallschutzwerte seien bei weitem nicht eingehalten. Welche Schallschutzwerte geschuldet sind, ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Sind Schallschutzwerte nicht ausdrücklich vereinbart, so hat der Auftragnehmer im allgemeinen mit seiner Werkleistung die Werte zu erreichen, die nach den zur Zeit der Errichtung/Abnahme anerkannten Regeln der Technik maßgebend sind (BGH, Urteil vom 16. März 2018 – V ZR 276/16 –, Rn. 11 ff., juris). Ob die danach maßgeblichen Werte eingehalten sind, ist durch Beweisaufnahme zu klären (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 115/97 –, Rn. 10, juris). Durch den begehrten Beschlussinhalt wird dieses hinreichend konkret bestimmt.
35(2)
36Die Klägerin ist auch rechtsschutzbedüftig. Einer weiteren Vorbefassung bedarf es hier nicht. Die GdWE hat jedenfalls im hiesigen Verfahren hinreichend zum Ausdruck gebracht, das Begehren der Klägerin nicht durchsetzen zu wollen. Letzteres entnimmt die Kammer dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten, dass die Ansprüche der Klägerin nicht erfolgreich durchgesetzt werden könnten. Eine weitere Befassung der GdWE wäre bloße Förmelei (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 90, beck-online).
37bb)
38Die Klage ist auch begründet.
39Die Klägerin hat einen Anspruch auf den ihrem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss, weil nur die begehrte Beschlussfassung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022 – V ZR 263/21 –, Rn. 20, juris).
40(1)
41Die GdWE verfügt aufgrund der Beschlussfassung vom 19.06.2016 über die Kompetenz der Durchsetzung der Mängelbeseitigungsansprüche am Gemeinschaftseigentum. Die GdWE hat von dem ihr eingeräumten Ermessen, etwaige Ansprüche an sich zu ziehen, bereits 2016 Gebrauch gemacht. Auf obige Ausführungen wird Bezug genommen.
42(2)
43Die Durchsetzung entspricht auch dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung, weil für die Prozessführung ein möglicher Erfolg nicht abgesprochen werden kann. Die Kammer kann offenlassen, ob auf den Maßstab des § 114 ZPO abzustellen ist, oder sogar geringere Anforderungen zu stellen sind. Jedenfalls sind die Voraussetzungen des § 114 ZPO, wonach zu fragen ist, ob ein Gericht den Rechtsstandpunkt für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, erfüllt.
44(a)
45Das dem Grunde nach Gewährleistungsrechte auf Nachterfüllung bzw. Kostenvorschuss aus den jeweiligen Bauträgerverträgen gemäß §§ 634 Abs. 1 bzw. 2 ff. BGB bestehen, ist unstreitig. Andernfalls hätte die GdWE nicht beschlossen, etwaige Rechte an sich zu ziehen und betreffend anderer Mängel bereits Klage erhoben.
46(b)
47Ob etwaige Ansprüche, die die GdWE bereits dem Grunde nach im April 2016 an sich gezogen hatte, verjährt sind, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass die Bauträgerin sich gegenüber der GdWE auf die Einrede berufen wird. Denn die Bauträgerin und die Klägerin haben wechselseitig in einem Gerichtsverfahren vor dem LG Bochum einen wechselseitigen und umfassenden Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis Ende 2025 erklärt (vgl. Anl. K25. Bl. 234 d.A. II. Instanz). Demnach hätte die Klägerin derzeit immer noch die Möglichkeit, sich das Recht auf individuelle Durchsetzung ihrer Ansprüche betreffend den Schallschutz durch die GdWE wieder einräumen zulassen. Hierzu ist die GdWE auch befugt (mwN: Staudinger/Wobst (2023) Vorbemerkung zu § 43, Rn. 43). Zudem kommt in der Verjährungsverzichtserklärung das Interesse der Bauträgerin deutlich zum Ausdruck, an einer Gesamtbeendigung interessiert zu sein. Ohnehin übt die Beklagte die individuellen Rechte der Klägerin nur für diese aus. Sind diese nicht verjährt, läuft die GdWE insoweit auch nicht in das Risiko, einen verjährten Anspruch geltend zu machen.
48(c)
49Die Klage hat auch in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Erfolgsaussichten.
50(aa)
51Zunächst nimmt die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichtes Bezug. Dass Mängel im Bereich des Schallschutzes hinreichend wahrscheinlich sind, folgt zudem auch aus den bereits vorliegenden Gutachten. Beispielsweise konnte der Sachverständige T1 aufgrund seiner Messungen Überschreitungen des einzuhaltenden Schall(druck)pegels aufgrund von Geräuschen der Kompressoren und der Kompressorenraum-Lüftunq sowohl in der Küche als auch im Wohn-/ Esszimmer in der Wohnung der Klägerin feststellen (vgl. Bl. 72 ff. d.A. I. Instanz). Hierzu korrespondieren die Feststellungen des Sachverständigen E1 mit Gutachten vom 16.07.2019 (vgl. Anlage K21, Bl. 155 ff. d.A. II. Instanz), der in dem seitens der GdWE gegen die Bauträgerin anhängigen Bauverfahren, tätig war. Danach sind die Überschreitungen des Lärmpegels durch einen im Kompressorraum ungedämmten Ständer bedingt. Die entsprechenden Befestigungen seien mit weich federnden Unterlagen von der Stahlbetondeckenplatte zu trennen (Aufwand 417,00 €). Für den Fall, dass die Maßnahmen nicht ausreichend seien, müsse ein schwimmender Estrich eingebaut werden, was wiederum mit größeren Umbauarbeiten verbunden sei.
52(bb)
53Soweit die Gutachten vereinzelt Widersprüche aufweisen oder Anlass zu ergänzenden Untersuchungen geben, liegt dies in der Natur eines Bauprozesses, und steht den Erfolgsaussichten einer möglichen Klage nicht entgegen. Eine absolute Sicherheit, welchen die Beklagte hier zum Maßstab machen will, ist gerade nicht erforderlich.
54(1)
55Auch besteht seitens der GdWE vorliegend kein weiteres Ermessen.
56(a)
57Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, es bestehe hinsichtlich der Frage, welche Mängel beim Schallschutz geltend zu machen sind, ein Ermessen. Die Beklagte stellt hier letztlich auf mögliche unterschiedliche Ursachenbereiche ab. Dies ist aber nach bereits erläuterten Grundsätzen eine Frage der Beweiserhebung. Ob dann aus dem laufenden Verfahren wegen etwaiger Kosten auf eine weitere Beweiserhebung verzichtet wird, kann erst aus der Dynamik des Prozesses heraus beurteilt werden und muss Gegenstand einer späteren Beschlussfassung sein. Nicht jedes Detail, nicht jede prozessuale Eventualität kann vorab bei der Entscheidung über die Klageerhebung eingestellt werden. Eine wirksame Beschlussfassung könnte unter den Maßstäben, die die Beklagte aufstellen will, dann nie erfolgen.
58(b)
59Bei der Ermessenentscheidung ist auch zu berücksichtigen, dass sich die GdWE bei fehlender Durchsetzung möglicherweise gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig macht. Im Übrigen besteht ein Anspruch der Klägerin auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums auch gegenüber der Beklagten. Diese wäre dann verpflichtet, einen ordnungsgemäßen Zustand auf Kosten aller Eigentümer herzustellen. Solange aber ein primär haftender Bauträger in Anspruch genommen werden kann, entspricht es grundsätzlich der ordnungsmäßigen Verwaltung, diesen bei hier ausreichenden prognostischen Erfolgsaussichten in Anspruch zu nehmen bevor die GdWE mit diesen Kosten belastet wird.
60(c)
61Ein Ermessen bestand auch nicht mehr betreffend die Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwaltes. Bereits mit dem anlässlich der Eigentümerversammlung vom 19.06.2016 unter TOP 6 gefassten Beschluss hatte die GdWE ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, Rechtsanwalt C1 – den hiesigen Beklagtenvertreter – mit der Durchsetzung der Mängelrechte am Gemeinschaftseigentum zu beauftragen (Anl. K3, Bl. 55 d.A. I. Instanz). Dass in der Formulierung die Kanzlei des zu beauftragenden Anwaltes und nicht dieser selbst genannt wird, ist unschädlich.
62III.
63Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.