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1.
Der Beklagte wird aus Verbraucherkreditvertrag verurteilt, an die Klägerin 8.296,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2014 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 102,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.02.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 9.000,00 € trägt der Beklagte.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht eine von der A1 Bank AG (Zedentin) an sie abgetretene Forderung aus einem wegen Zahlungsrückstands mit sofortiger Wirkung gekündigten Girokontovertrag geltend.
3Der Beklagte unterhielt bei der Zedentin das Girokonto mit der Kontonummer-01. Über dieses Girokonto hat der Beklagte verschiedene Verfügungen getätigt, deren Buchungen im Kontokorrent abgewickelt wurden. Der Beklagte erhielt regelmäßig Kontoauszüge, in denen sämtliche Buchungen und der aktuelle Saldo ausgewiesen waren. Alle drei Monate wurden Rechnungsabschlüsse mit dem Hinweis übersandt, dass etwaige Einwendungen innerhalb von sechs Wochen bekanntzugeben sind, da der jeweilige Saldo anderenfalls als anerkannt gilt.
4Nachdem auf dem Girokonto keine regelmäßigen Zahlungen mehr eingingen, war aufgrund der Verfügungen des Beklagten ein erheblicher Sollsaldo angewachsen, der mehrfach zur Zahlung angemahnt wurde und dem der Beklagte nicht widersprach. Als sich der fällige und anerkannte Saldo schließlich auf 8.296,73 € belief, wurde die Geschäftsverbindung mit Schreiben der Zedentin vom 10.12.2013 (Anlage K1 = Bl. 14 d.A.) gekündigt und der Beklagte zur Zahlung des offenen Saldos aufgefordert.
5Die Klägerin beauftragte in der Folge die Fa. B1 mit der Einziehung der Forderung. Für die Inkassotätigkeit wurde eine Vergütung in Höhe von 522,20 € berechnet. Darüber hinaus wurde der Beklagte mehrfach gemahnt; hierfür sind Mahnkosten angefallen in Höhe von insgesamt 102,00 €.
6Die Klägerin beantragt,
7den Beklagten aus Verbraucherkreditvertrag zu verurteilen, an die Klägerin 8.296,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2014 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 624,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er bestreitet die ordnungsgemäße Abtretung der Forderung und damit die Aktivlegitimation der Klägerin. Ferner erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Er ist der Ansicht, dass die Verjährung nicht nach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB gehemmt gewesen sei. Schließlich werde weder in der Kündigung noch in der Klage substantiiert dargelegt, wie sich der Rückstand letztendlich zusammensetzt. Der Beklagte als Schuldner habe zum Zeitpunkt der Kündigung keine Prüfungsmöglichkeit gehabt, ob der geforderte rückständige Betrag korrekt errechnet wurde.
11Das Gericht hat in der Sache am 02.06.2023 mündlich verhandelt, wobei die Klägerinvertreter – anders als die Beklagtenvertreterin, die im Termin körperlich anwesend war – nach entsprechender Gestattung durch Beschluss vom 29.03.2023 (Bl. 37 d.A.) gemäß § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung teilgenommen haben. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll von 02.06.2023 (Bl. 79 f. d.A.) und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13I.
14Die Klage ist zulässig und überwiegend – nämlich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – begründet.
151.
16Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung eines wegen Zahlungsrückstands mit sofortiger Wirkung gekündigten Verbraucherdarlehensvertrages in Höhe von 8.296,73 € gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 3 i.V.m. § 398 BGB.
17a)
18Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation durch Vorlage der Abtretungsmitteilung vom 18.05.2016 (Anlage K2) hinreichend nachgewiesen.
19Die diesbezüglichen Einwendungen des Beklagten in dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.06.2023 verfangen nicht. Die Klägerin hat ein Schreiben der Zedentin an den Beklagten vorgelegt, in dem diese ihm gegenüber anzeigt, dass sie ihre näher bezeichnete Forderung mit Wirkung zum 01.04.2016 an die Klägerin übertragen hat. Im Rechtssinne handelt es sich damit um eine Abtretungsanzeige im Sinne von § 409 Abs. 1 S. 1 BGB. Mehr brauchte die Klägerin zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation nicht vorlegen.
20b)
21Der Anspruch ist nicht verjährt. Die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede berechtigt ihn nicht, die Leistung nach § 214 Abs. 1 BGB zu verweigern.
22Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2023 zu Recht darauf hingewiesen, dass das vom Gericht in der Ladungsverfügung vom 29.03.2023 (dort unter Ziff. 2. = Bl. 35 d.A.) zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.07.2020 zum Az. XI ZR 553/19 eine andere Konstellation betrifft. Dort war die in dem letzten Mahnschreiben (vom 23.06.2008) gesetzte Zahlungsfrist (nämlich die Aufforderung, den Rückstand bis zum 07.07.2008 auf das Darlehenskonto einzuzahlen) wegen Verstoßes gegen § 498 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB a.F. und unter Missachtung des Charakters der Geldschuld als qualifizierter Schickschuld zu kurz bemessen, was zur Unwirksamkeit der Kündigung führte. Im vorliegenden Fall aber ist das (letzte) Mahnschreiben der Zedentin nicht vorgelegt worden. Ob die in dem Kündigungsschreiben der Zedentin vom 10.12.2013 (Anlage K1 = Bl. 14 d.A.) dem Beklagten gesetzte neuerliche Zahlungsfrist („Der Gesamtbetrag ist sofort fällig und muss innerhalb von 14 Tagen bei uns eingegangen sein.“) angemessen war, kann dahinstehen, da dies für die Wirksamkeit der Kündigung nicht von Belang ist.
23Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur: BGH, Urt. v. 14.07.2020 – XI ZR 553/19 – BKR 2020, 524, 525 f., Rn. 19-21), der das erkennende Gericht folgt, ist auf den die Hauptforderung ausmachenden Anspruch auf Rückzahlung des aus dem Darlehensvertrag Geschuldeten gemäß den §§ 488 Abs. 1 S. 2, 497 Abs. 1 S. 1 BGB der Hemmungstatbestand des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB auch nach Kündigung des Darlehensvertrags anwendbar.
242.
25Die Zinsen auf die Hauptforderung kann die Klägerin gemäß den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB ab Verzugseintritt (11.01.2014) beanspruchen.
263.
27Die geltend gemachten Inkassokosten in Höhe von 522,20 € kann die Klägerin dagegen nicht ersetzt verlangen.
28Das Gericht hat bereits in der Ladungsverfügung vom 29.03.2023 (dort unter Ziff. 1. = Bl. 35 d.A.) auf das beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg anhängige Musterfeststellungsklageverfahren gegen die hiesige Klägerin (Az.: 3 MK 1/21) hingewiesen. Das zwischenzeitlich – am 15.06.2023 – verkündete (nicht rechtskräftige) Urteil betrifft unmittelbar zwar nur die in der Musterfeststellungsklage benannten 15 Einzelfälle, in denen unbezahlte Forderungen gegen Verbraucher von Unternehmen der C1 oder von konzernfremden Unternehmen an die Beklagte übertragen und im Auftrag der Beklagten durch die Fa. B1 (im Folgenden nur: B1) in den Jahren 2020 und 2021 geltend gemacht wurden. Wegen der zwischen der dortigen Musterfeststellungsbeklagten (zugleich hiesigen Klägerin) als Forderungsgläubigerin und der B1 als Inkassodienstleisterin vereinbarten Vergütungsstruktur seien nach Auffassung des Senats die Rechtsverfolgungskosten in den konkreten Fällen bei der Musterfeststellungsbeklagten tatsächlich nicht angefallen und stellten damit keinen echten Vermögensnachteil dar. Die Inkassovergütung falle dem Urteil zufolge faktisch nur an, wenn sie von dem Verbraucher erfolgreich eingezogen werden könne. Gegenüber der Musterfeststellungsbeklagten als Auftraggeberin des Inkassos sei die Vergütung dagegen zunächst gestundet und müsse auch bei Erfolglosigkeit der Einziehung nicht von ihr gezahlt werden. Der (vermeintliche) Ersatzanspruch werde an den beauftragten Inkassodienstleister abgetreten, dieser nehme die Abtretung an Erfüllungs statt – also anstelle der mit dem Auftraggeber vereinbarten Vergütung – an, so dass der Auftraggeber die Inkassokosten faktisch nie selbst tragen müsse. Unter diesen Umständen handele es sich um Aufwendungen, die der Gläubiger tatsächlich so nicht habe, und damit um eine lediglich fiktive Schadensposition, für die er keinen Ersatz beanspruchen könne (vgl. Pressemitteilung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zum Verfahren 3 MK 1/21, abrufbar unter: https://justiz.hamburg.de/gerichte/oberlandesgericht/gerichtspressestelle/erfolgreiche -musterfeststellungsklage-wegen-inkassokosten--680150).
29Das Gericht tritt dieser rechtlichen Bewertung uneingeschränkt bei. Das Geschäftsmodell der Klägerin konstruiert mit den Inkassokosten – hier in Höhe von 522,20 € – eine rein fiktive Schadensposition, die von dem Verbraucher nicht erstattet verlangt werden kann.
304.
31Die Mahnkosten in Höhe von insgesamt 102,00 € kann die Klägerin dagegen gemäß den §§ 280 Abs. 1 u. Abs. 2, 286 Abs. 1 i.V.m. § 398 BGB ersetzt verlangen. Hiergegen hat der Beklagte auch keine Einwendungen vorgebracht.
325.
33Im Hinblick auf die Mahnkosten kann die Klägerin von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an – hier: am Folgetag des am 13.02.2023 erfolgten Eingangs der Mahnakte beim Streitgericht (§ 696 Abs. 1 S. 4 ZPO) – Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß den §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB beanspruchen.
34II.
35Die Kostenentscheidung fußt auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
36Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf bis zu 9.000,00 € festgesetzt.
37Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.