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Der Angeklagte wird wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Drei Monate dieser Strafe werden wegen überlanger Verfahrensdauer für bereits vollstreckt erklärt.
Der Angeklagte wird wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte wird wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte wird wegen zweifacher Beihilfe zur Steuerhinterziehung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des AG H vom 9.4.2024 (Az. 3 Cs-402 Js 1170/24-368/24) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Anordnung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem vorgenannten Strafbefehl wird aufrechterhalten.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Vorschriften bzgl.:
§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, 149, 150 AO, § 18 UStG, §§ 25 Abs. 1, Abs. 2, 53 StGB
Angewandte Vorschriften bzgl.:
§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, 149, 150 AO, § 18 UStG, §§ 25 Abs. 1, Abs. 2, 53 StGB
Angewandte Vorschriften bzgl.:
§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, 149, 150 AO, § 18 UStG, §§ 25 Abs. 2, 53 StGB
Angewandte Vorschriften bzgl.:
§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 149, 150 AO, § 18 UStG, §§ 27, 53 StGB
Gründe
2(abgekürzt bzgl. des Angeklagten W gem. § 267 Abs.4 StPO)
3I.
4Dem Verfahren liegen eine Anklage der Staatsanwaltschaft E vom 11.01.2019, 700 Js 1880/17, betreffend den Angeklagten L, und zwei Anklagen der Staatsanwaltschaft C – vom 11.04.2023, 35 Js 77/21, betreffend die Angeklagten L, N und N1, sowie vom 21.08.2023, 35 Js 57/23, betreffend den Angeklagten W – zugrunde. Der Tatvorwurf lautet jeweils auf Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem gewerblichen Weiterverkauf von Eintrittskarten zu besonders begehrten Sport- und Konzertveranstaltungen.
5Mit der Anklage der Staatsanwaltschaft E vom 11.01.2019, 700 Js 1880/17 wurden dem Angeklagten L insgesamt 15 Taten der Hinterziehung von Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, davon acht Fälle der Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß und sechs Fälle des Versuchs der Steuerhinterziehung, im Tatzeitraum vom 01.06.2012 bis zum 04.06.2018 vorgeworfen. Die Ermittlungen waren im Februar 2017 eingeleitet und dem Angeklagten L im Zuge der Durchsuchungen vor Oktober 2017 bekannt gemacht worden. Die Anklageschrift ist am 21.01.2019 beim Landgericht E eingegangen und wurde dort unter dem Aktenzeichen 43 KLs 1/19 geführt. Nach Zustellung der Anklage erfolgten unter dem 18.10.2019, 11.02.2020, 08.09.2020 und 26.03.2021 Vermerke des Vorsitzenden der dortigen Kammer, dass eine Förderung des Verfahrens gegenwärtig wegen Überlastung nicht möglich sei und zunächst keine Entscheidung über die Eröffnung getroffen werden könne. Der Eröffnungsbeschluss datiert vom 19.07.2021. Unter dem 26.07.2021 nahm der Vorsitzende der dortigen Kammer einen Vermerk zur Akte, nachdem die Staatsanwaltschaft C über eine bevorstehende weitere Anklage berichtet habe und eine Verfahrensverbindung für sinnvoll erachte. Eine Durchführung der Hauptverhandlung in E mache daher keinen Sinn. Letztlich wurde das Verfahren mit Beschluss der hiesigen 13. Großen Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts C vom 10.11.2023 zwecks Verbindung übernommen.
6Die erste Anklage der Staatsanwaltschaft C vom 11.04.2023, 35 Js 77/21, betrifft insgesamt einen Tatzeitraum vom 31.05.2016 bis zum 31.10.2021, in welchem dem Angeklagten L 23 Fälle der Steuerhinterziehung, davon in vier Fällen der Versuch der Tat, dem zu Beginn des Tatzeitraums noch in X wohnhaften Angeklagten N 18 Fälle der Steuerhinterziehung inklusive fünf Fällen des Versuchs der Tat, sowie dem Angeklagten N1 15 Fälle der Steuerhinterziehung inklusive vier Fälle des Versuchs der Tat vorgeworfen wurden. Zwölf der Fälle betrafen nach Würdigung der Anklage gemeinschaftliche Handlungen, wobei in fünf dieser Fälle Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden sein sollen. Gegenstand auch dieser Anklage war der Vorwurf Hinterziehung von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Die Anklage richtete hierbei die Vorwürfe in den Jahren 2015 und 2016 allein gegen den Angeklagten N , für die Jahre 2017 bis 2020 gegen alle drei Angeklagte als Beteiligte an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und schließlich allein gegen den Angeklagten L als Einzelkaufmann für die Jahre 2019 und 2020.
7Die zweite verfahrensgegenständliche Anklage der Staatsanwaltschaft C vom 21.08.2023, 35 Js 57/23 – abgetrennt aus dem vorgenannten Verfahren – richtet sich gegen den Angeklagten W. Ihm wurden sieben Fälle der Beihilfe zu Steuerhinterziehungen des Angeklagten L aus den beiden zuvor geschilderten Anklagen im Tatzeitraum 23.07.2014 bis 10.09.2019 vorgeworfen.
8Die ursprünglich getrennten Verfahren wurden aufgrund ihres Sachzusammenhangs durch Beschlüsse der Kammer vom 10.11.2023 bzw. 07.02.2024 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
9Das Strafverfahren wurde am 17. und 19. Tag der Hauptverhandlung mit Zustimmung bzw. auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 154, 154a StPO auf folgende noch verbleibende Tatvorwürfe beschränkt bzw. im Übrigen vorläufig eingestellt:
10Betreffend den Angeklagten L verblieben die Vorwürfe der Hinterziehung von Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2014 bis 2017 aus der Anklage 700 Js 1880/17 sowie der gemeinschaftlichen Hinterziehung der von der GbR geschuldeten Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2017 bis 2020 aus der Anklage 35 Js 77/21.
11Betreffend den Angeklagten N verblieben die Vorwürfe der Hinterziehung von Umsatzsteuer der Jahre 2016 bis 2020.
12Betreffend den Angeklagten N1 verblieben die Vorwürfe der Hinterziehung von Umsatzsteuer der Jahre 2017 bis 2020.
13Betreffend den Angeklagten W verblieben die Vorwürfe der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten des Angeklagten L betreffend die Jahre 2014 und 2016.
14Ferner hat die Kammer gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von der Anordnung der Einziehung abgesehen, weil das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordert.
15Die Kammer hat den Verfahrensbeteiligten folgende rechtliche und tatsächliche Hinweise erteilt:
16a) Bezüglich der Anklage 35 Js 57/23 gegen W sei nach der erfolgten Einstellung bzw. Beschränkung von nur noch zwei Taten auszugehen. Zwar sei die Konkurrenzfrage für jeden Tatbeteiligten gesondert zu beurteilen; ferner sei konkurrenzrechtlich der Grundsatz anerkannt, dass sich ein einheitlicher Gehilfenbeitrag, der sich auf mehrere Haupttaten (hier Steuerjahre) auswirkt, in der Person des Gehilfen als nur eine Tat darstellt. Offenbar deshalb habe die Anklage die Zahl der Taten des Gehilfen W nach Maßgabe der Zahl der von ihm eröffneten und dem Haupttäter L zumindest bedingt vorsätzliche zur Steuerhinterziehung überlassenen sieben Bankkonten bestimmt. Konkurrenzrechtliche anerkannt sei jedoch auch der Grundsatz, dass mehrere Beihilfehandlungen, welche sich auf dieselbe Haupttat auswirken, in der Person des Gehilfen als nur eine Tat zu werten seien, da sich das Tatunrecht des Gehilfen maßgeblich aus dem Tatunrecht der Haupttat ableite. Hier hätten sich die Konten in je unterschiedlicher Verteilung auf die Umsatzsteuerhinterziehungen des Haupttäters in den Jahren 2014 und 2016 u.a. ausgewirkt. Von daher gehe die Kammer insoweit nur von zwei tatmehrheitlichen Straftaten i. S. v. § 53 StGB des Gehilfen aus.
17b) Ferner sei bezüglich des Angeklagten W die noch nicht erledigte Geldstrafe i. H. v. 60 Tagessätzen zu je 15,00 F1 aus dem Strafbefehl des AG H vom 09.04.2024, Az. 3 Cs – 402 Js 1170/24 – 368/24, rechtskräftig seit dem 26.04.2024, in eine ggf. hier zu verhängende Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1StGB einzubeziehen, wobei die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 55 Abs. 2 StGB aufrechtzuerhalten wäre.
18Dem Urteil ist betreffend die Angeklagten L und W eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen.
19II.
201.
21Der zur Zeit der Hauptverhandlung 00-jährige Angeklagte L ist ledig und Vater zweier nichtehelicher Söhne im Alter von 0 und 0 Jahren, von deren Mutter er getrennt lebt. Derzeit ist er neu liiert.
22Er ist nach eigenen Angaben in harmonischen Verhältnissen und gut behütet aufgewachsen. Seine Mutter hat als Büroangestellte und Sekretärin, später auch im Fahrdienst der Stadtwerke E gearbeitet. Sein Vater arbeitete bei den Stadtwerken, zunächst im Fahrdienst und später im Büro. Er ist aufgrund einer S-Erkrankung früh in Rente gegangen. Der Angeklagte hat einen Bruder mit dem er auch heute noch viel unternimmt und insbesondere die Leidenschaft zum Fußball, namentlich für die Mannschaft von C1 E (C2) teilt.
23Der Angeklagte hat zunächst die Grundschule besucht und dann bis zum Jahr 0000 die Realschule. Im Jahr 0000 erwarb er das Abitur, anschließend absolvierte er 0 Monate Zivildienst. Daran schloss sich eine Ausbildung zum W1 an. In diesem Beruf hat der Angeklagte knapp zwei Jahre gearbeitet und pflegte gute Kontakte zu seinen Geschäftskunden. Trotz seiner Erfolge in dem Berufsfeld konnte er sich nicht langfristig dafür begeistern, weil er in dem Gefühl lebte, Produkte zu verkaufen, die seine Käufer nicht wirklich benötigten.
24Seinen Lebensunterhalt hat der Angeklagte schon seit den 90er-Jahren jedenfalls teilweise aus dem Betrieb eines gewerblichen Tickethandels bestritten. Bereits in dieser Zeit – folglich seit über 25 Jahren – handelte er mit Eintrittskarten für Fußballspiele. Hierzu kam es, weil ihm beim erstmaligen Verkauf einer ungenutzten Karte die Lukrativität des Geschäfts auffiel. Anfänglich meldete der Angeklagte ein Gewerbe über seine Mutter an, in den Jahren 0000 bzw. 0000 gründete er auch vorübergehend eine GmbH & Co. KG, über die er seine Geschäfte abwickelte.
25Im Jahr 0000 lernte der Angeklagte seine damalige Lebensgefährtin, die Mutter seiner beiden Söhne kennen. Von der Schwangerschaft wurden beide überrascht. In diesem Jahr saß der Angeklagte auch erstmals wegen Straftaten im Zusammenhang mit dem Tickethandel in Untersuchungshaft. Hintergrund waren Steuerhinterziehungen, Betrugsvorwürfe und eine Urkundenfälschung, was schlussendlich in einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, ausgeurteilt durch das Landgericht E am 28.03.2012, mündete. Der erste Sohn des Angeklagten kam während seiner Inhaftierung zur Welt. Nach der Geburt des zweiten Sohnes im Jahr 0000 veränderte sich das Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin zum Negativen. Die elterliche Sorge haben beide Eltern gemeinsam inne, zurzeit ist allerdings beim OLG I ein familiengerichtlicher Rechtsstreit über das Umgangsrecht anhängig.
26Nach dieser Beziehung war der Angeklagte für kurze Zeit mit einer Frau Z verlobt, unter deren Namen er 0000 zum Zwecke der Abwicklung seines eigenständigen Tickethandels eine Gesellschaft in Q anmeldete. Das Verlöbnis ist aufgehoben. Inzwischen unterhält der Angeklagte eine neue Beziehung. Mit seiner jetzigen Lebensgefährtin lebt er nach Außervollzugsetzung seines Haftbefehls in einer gemeinsamen Wohnung.
27Im Jahr 0000 hat der Angeklagte den Handel mit Eintrittskarten nach eigenen Angaben aufgegeben. Hintergrund dessen waren insbesondere die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen in der Veranstaltungsbranche. In der Folgezeit handelte er mit medizinischen Produkten wie medizinischen Masken, Puls-Oxymetern und Fieberthermometern über die Plattform B. Ferner war er gemeinsam mit einem Freund im Vertrieb von Computerteilen tätig.
28Der Angeklagte gibt an, kein nennenswertes Vermögen zu besitzen. Im Zusammenhang mit einem früheren Insolvenzverfahren hat er diesbezüglich eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Er beabsichtigt nunmehr, wieder im Vertrieb von Elektroartikeln tätig zu sein. Der Angeklagte leidet unter C3, andere Erkrankungen sind nicht vorhanden.
29Im hiesigen Verfahren befand sich der Angeklagte L aufgrund des Haftbefehls vom 09.01.2024, neu gefasst durch Beschluss vom 26.02.2024, seit seiner vorläufigen Festnahme am 25.02.2024 bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit Urteilsverkündung am 25.10.2024 ununterbrochen in Untersuchungshaft.
30Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits mehrfach – auch einschlägig und mit inhaltsgleichen Verfehlungen – in Erscheinung getreten. Der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten weist insgesamt 11 Vorverurteilungen auf, die sämtlich erledigt sind.
31(1) Strafbefehl des AG M vom 06.01.2005: 50 Tagessätze zu je 15 F1 wegen Betrugs
32(2) Strafbefehl des AG E vom 30.06.2005: 190 Tagessätze zu je 70 F1 wegen Steuerhinterziehung
33(3) Urteil des AG M vom 02.05.2006: 100 Tagessätze zu je 15 F1 wegen Betrugs
34(4) Strafbefehl des AG M vom 22.05.2007: 10 Tagessätze zu je 20 F1 wegen Betrugs
35(5) Urteil des AG M vom 19.05.2010: 10 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung wegen Betrugs
36(6) Urteil des AG E vom 08.12.2011: 2 Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung wegen Steuerhinterziehung unter Einbeziehung der vorherigen Verurteilung zu Ziffer (5)
37(7) Urteil des LG E vom 28.03.2012: 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe wegen Urkundenfälschung unter Einbeziehung der vorherigen Verurteilung zu Ziffer (6)
38(8) Urteil des AG X1 vom 28.09.2017: 90 Tagessätze zu je 50 F1 wegen Betrugs
39(9) Urteil des AG T vom 24.11.2017: 75 Tagessätze zu je 20 F1wegen Trunkenheit im Verkehr
40(10) Urteil des AG E vom 28.12.2017: 20 Tagessätze zu je 15 F1 wegen sexueller Belästigung
41(11) Urteil des AG X1 vom 21.12.2021: 90 Tagessätze zu je 30 F1 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
422.
43Der Angeklagte N ist zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 00 Jahre alt und Vater eines anderthalb Jahre alten Sohnes. Er selbst ist nach eigenen Angaben in einem guten Elternhaus aufgewachsen. Sein Vater – der hiesige Mitangeklagte N1 – und seine Mutter ließen sich scheiden, als der Angeklagte N 0 Jahre alt war. Seine Mutter lernte einen neuen Partner kennen, aus der Beziehung ging ein Sohn, der Halbbruder des Angeklagten, aus einer neuen Beziehung seines Vaters eine weitere Halbschwester hervor. Der Angeklagte lebte im Kindheitsalter mit seinem Vater für vier Jahre in U und ging dort auf eine Privatschule.
44Im Jahr 0000 kehrte er im Alter von 00 Jahren nach E zurück und wohnte zunächst in X. Dort erwarb er 0000 sein Abitur und nahm im Anschluss ein M1studium mit dem Ziel einer Anstellung als M2 für die Fächer L1 und F auf. Das Studium steht kurz vor dem Bachelor-Abschluss, wurde vom Angeklagten aber nach Bekanntwerden der Ermittlungsmaßnahmen im hiesigen Verfahren zunächst nicht weiterverfolgt. Zwischenzeitlich hat der Angeklagte im Jahr 0000 bei der Fa. I1 aus S1 eine Ausbildung zum H1 aufgenommen und Anfang 0000 abgeschlossen. Von dem Ausbildungsbetrieb wurde der Angeklagte nicht übernommen, das Arbeitsklima dort empfand er selbst als schwierig, da es sich bei dem Geschäftsführer des Betriebs um den Lebensgefährten seiner Mutter handelt. Er bezieht seitdem Sozialleistungen und geht Minijobs nach. Monatlich steht ihm hieraus ein Betrag in Höhe von etwa 0.000,- F1 zur Verfügung
45Einen Monat nach dem Abschluss der Ausbildung kam sein Sohn zur Welt. Mit seiner damaligen Partnerin kam es nach der Geburt zu persönlichen Problemen, sodass die Beziehung mittlerweile beendet ist. Das Verhältnis ist angespannt, man teilt sich aber das Sorgerecht. Der Angeklagte leistet Unterhalt aus Rücklagen nach der E1 Tabelle.
46Ein zwischenzeitlich erworbenes Grundstück mit Einfamilienhaus hat der Angeklagte mittlerweile zum Preis von 000.000,- F1 veräußert. Mit dem Verkaufspreis wurde das zuvor zur Finanzierung aufgenommene Darlehen weitestgehend zurückgezahlt. Der Angeklagte gibt an, kein nennenswertes Vermögen zu besitzen. Seine Vermögenslosigkeit hat er gegenüber der Finanzverwaltung eidesstattlich versichert. Er lebt aktuell in einer Wohngemeinschaft.
47Der Angeklagte beabsichtigt, sein M1-Studium abzuschließen und in diesem Beruf zu arbeiten.
48Bei ihm bestanden und bestehen keine forensisch relevanten Erkrankungen
49Er hat keine Vorstrafen.
503.
51Der Angeklagte N1 ist der Vater des Angeklagten N. Er wurde im Jahr 0000 als drittes Kind seiner Eltern in C geboren. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Postamts in C, seine Mutter Hausfrau. Der Angeklagte hat zwei Brüder.
52Er besuchte zunächst die Stiftsschule, im Jahr 0000 verzog er mit seinen Eltern aus beruflichen Gründen des Vaters ins T1. Dort ging er zur Volksschule und machte später am Gymnasium sein Abitur. Aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen wurde er ausgemustert und begann ein Jurastudium in N2. Nach Absolvierung des ersten Staatsexamens in N2 und des zweiten Staatsexamens in E2 war er fortan als Rechtsanwalt in X2 tätig, u. a. als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Familienrecht. Seit 0000 bzw. 0000 übte er zudem die Tätigkeit als Notar aus.
53Bereits im Jahr 0000 kam es zu körperlichen Beschwerden, die Klinikaufenthalte nach sich zogen. Im Jahr 0000 wurde bei dem Angeklagten die Nerven- bzw. Autoimmunerkrankung D diagnostiziert, die seitdem behandelt wird. Die Krankheit führt nach Angaben des Angeklagten bei ihm u. a. zu Problemen bei der Wortfindung und Muskelkrämpfen und macht regelmäßig mehrtägige stationäre Krankenhausaufenthalte erforderlich. In dieser Zeit kam es auch zur Trennung mit seiner Ehefrau, der Mutter des Angeklagten N. Seit 0000 ist er zu 100% berufsunfähig, weshalb er seine Tätigkeit als Notar bzw. Rechtsanwalt aufgab und die Kanzlei verkaufte. Die seitdem bezogene Berufsunfähigkeitsrente wurde im Alter von 65 in eine Altersrente in Höhe von derzeit etwa 0,000- F1 umgewandelt.
54Zwei Jahre nach der Trennung von seiner Ehefrau wanderte der Angeklagte im Jahr 0000 mit seinem Sohn nach U aus. Hintergrund war u. a., dass der Angeklagte dort über frühere berufliche Beziehungen verfügte. In U heiratete der Angeklagte erneut, aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor. Die Tochter lebt mittlerweile bei dem Angeklagten in E3 und besucht hier die Schule. Der Angeklagte sorgt für ihren Unterhalt.
55Abgesehen von den Forderungen der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit dem hier anhängigen Verfahren hat der Angeklagte keine Schulden. Seine Vermögenslosigkeit hat auch der Angeklagte N1 gegenüber der Finanzverwaltung eidesstattlich versichert.
56Der Angeklagte N1 ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
574.
58Der Angeklagte W wuchs gemeinsam mit seinen Eltern und einer Schwester auf. Seine Mutter war Hausfrau, der Vater war als Schlosser tätig. Nachdem der Vater begann, seine Mutter und den Angeklagten zu schlagen, ließen sich seine Eltern scheiden. Die Mutter heiratete erneut, aus der Ehe sind zwei weitere Stiefschwestern hervorgegangen.
59Der Angeklagte wechselte nach der Grundschulde auf eine Hauptschule. In der fünften Klasse kam es vor dem Hintergrund der häuslichen Gewalt seines Vaters zu Problemen. Daraufhin besuchte er eine heilpädagogische Tagesstätte, später erwarb er den Hauptschulabschluss und leistet Pflichtwehrdienst. Im Anschluss arbeitete er sechs Jahre als Zeitsoldat. Danach war er als Lieferant für Kioske und andere Einzelhandelsbetriebe tätig, ehe er seinen Führerschein verlor. Der Angeklagte hat außerdem bei den Firmen E4 und bei B1 als Paketpacker gearbeitet. Er und der Angeklagte L kennen sich aus einer gemeinsam verbrachten Haftzeit.
60Der Angeklagte ist mehrfach geschieden. Er hat einen 17jährigen Sohn und eine sechsjährige Tochter, für die er unterhaltspflichtig ist.
61Nach eigenen Angaben hat er etwa 000.000,- F1 Schulden, die aus Strafverfahren und nicht bezahlten Rechnungen stammen, er jedoch nicht bedienen kann. Er lebt neben Sozialleistungen insbesondere von Unterstützung durch seine derzeitige Freundin.
62Der Angeklagte leidet unter C3, hat Probleme mit dem C4 und I2störungen, vor Beginn des Tatzeitraums bestanden bei ihm auch Q1 Probleme.
63Nach Abschluss des Verfahrens beabsichtigt der Angeklagte, sich zu verloben und zu seiner Lebensgefährtin nach C5 zu ziehen. Dort will er einen Job als Fahrkartenkontrolleur antreten, für den er bei den C5 S-Bahn Betrieben einen Termin für ein Vorstellungsgespräch hat.
64Strafrechtlich ist der Angeklagte W bereits in erheblichem Umfang in Erscheinung getreten und musste mehrfach Freiheitsstrafen verbüßen. Der ihn betreffende Auszug aus dem Bundeszentralregister weist 26 Voreintragungen aus, die mit Ausnahme der jüngsten Vorstrafe sämtlich erledigt sind:
65(1) Urteil des AG E5 vom 11.05.1995: 15 Tagessätze zu je 20 E6 wegen Diebstahls
66(2) Strafbefehl des AG E2 vom 19.01.1996: 30 Tagessätze zu je 20 E6 wegen Unterschlagung
67(3) Urteil des AG P vom 24.05.1996: 10 Tagessätze zu je 30 E6 wegen Unerlaubten Entfernens vom Unfallort
68(4) Urteil des AG X3 vom 20.12.1996: 30 Tagessätze zu je 15 E6 wegen Betrugs
69(5) Urteil des AG X3 vom 01.04.1997: 30 Tagessätze zu je 15 E6 wegen Betrugs
70(6) Strafbefehl des AG E7 vom 09.02.1999: 60 Tagessätze zu je 20 E6 wegen Unterschlagung
71(7) Strafbefehl des AG E8: 130 Tagessätze zu je 20 E6 wegen Betrugs, einbezogen wurde die Entscheidung zu Ziffer (6)
72(8) Strafbefehl des AG E5 vom 20.09.1999: 60 Tagessätze zu je 30 E6 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen
73(9) Strafbefehl des AG P vom 27.01.2000: 90 Tagessätze zu je 30 E6 wegen Erschleichens von Leistungen
74(10) Urteil des AG E8 vom 06.09.2000: 6 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen Betrugs, die Strafaussetzung wurde widerrufen, die Vollstreckung war erledigt am 01.05.2008
75(11) Strafbefehl des AG D1 vom 22.01.2001: 50 Tagessätze zu je 15 E6 wegen Vortäuschens einer Straftat
76(12) Urteil des AG N3 vom 20.02.2002: 4 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen Beförderungserschleichung in zwei Fällen, die Strafaussetzung wurde widerrufen, die Vollstreckung war erledigt am 22.08.2005
77(13) Strafbefehl des AG E7 vom 15.05.2003: 80 Tagessätze zu je 10 F1 wegen Betrugs in drei Fällen
78(14) Strafbefehl des AG E8 vom 30.01.2004: 60 Tagessätze zu je 10 F1 wegen Unterschlagung
79(15) Urteil des AG E7 vom 07.06.2004: 2 Jahre und 4 Monate Freiheitsstrafe wegen Betrugs in 30 Fällen, erledigt am 20.03.2009
80(16) Strafbefehl des AG P vom 28.08.2006: 90 Tagessätze zu je 30 F1 wegen Betrugs in sieben Fällen
81(17) Urteil des AG E9 vom 16.06.2010: 4 Monate Freiheitsstrafe wegen Betrugs in zwei Fällen, erledigt am 11.01.2012
82(18) Strafbefehl des AG E7 vom 25.05.2011: 90 Tagessätze zu je 10 F1 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
83(19) Urteil des AG E8 vom 31.08.2012: 3 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen Betrugs, die Strafaussetzung wurde widerrufen, die Vollstreckung war erledigt am 19.10.2018
84(20) Urteil des AG E7 vom 21.09.2012: 7 Monate Freiheitsstrafe wegen Erschleichens von Leistungen in vier Fällen, Betrugs und Unterschlagung, erledigt am 03.09.2013
85(21) Urteil des AG E9 vom 11.11.2013: 6 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften, die Strafaussetzung wurde widerrufen, die Vollstreckung war erledigt am 19.03.2018
86(22) Urteil des AG E7 vom 10.04.2014: 12 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen Betrugs in drei Fällen
87(23) Urteil des AG E vom 09.04.2015: 2 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe wegen Gewerbsmäßigen Betrugs in zehn Fällen, davon in einem Fall im Versuch sowie gewerbsmäßigen Betrugs in drei weiteren Fällen, einbezogen wurde die Entscheidung zu Ziffer (22)
88(24) Strafbefehl des AG H2 vom 11.07.2019: 35 Tagessätze zu 6 F1 wegen Beleidigung
89(25) Urteil des AG E vom 14.02.2022: 80 Tagessätze zu je 10 F1 wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
90(26) Strafbefehl des AG H vom 09.04.2024, rechtskräftig seit dem 26.04.2024, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis: 60 Tagessätze zu je 15 F1 und Sperre von 12 Monaten für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Die Geldstrafe war zum 09.10.2024 erst in Höhe eines Teilbetrags von 30,- F1 bezahlt.
91Der Strafbefehl des Amtsgerichts H vom 09.04.2024, 3 Cs-402 Js 1170/24-368/24 hat folgenden Inhalt:
92„Strafbefehl
93gegen pp.
94Auf Antrag der Staatsanwaltschaft C6 wird gegen Sie
95wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
96- Vergehen nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 69a StGB -
97eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 F1 (= 900,00 F1) festgesetzt.
98Ihnen wird gestattet, die erkannte Geldstrafe in monatlichen Raten in Höhe von 30,00 F1, beginnend mit dem Monat nach Zugang der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Geraten Sie mit einer Rate in Rückstand, wird der gesamte Restbetrag sofort fällig.
99Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, Ihnen vor Ablauf von 12 Monaten keine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erteilen.
100Gemäß § 465 StPO werden Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt.
101Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Sie,
102am 28.12.2023 in H
103vorsätzlich ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl Sie die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten.
104Ihnen wird Folgendes zur Last gelegt:
105Sie befuhren am 28.12.2023 gegen 22:55 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen der Marke W2 mit dem Kennzeichen F2-X4 0000 unter anderem die L2straße.
106Zum Führen des Fahrzeugs waren Sie – wie Ihnen bekannt war – nicht berechtigt, weil Sie zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrerlaubnis besaßen.
107Durch diese Tat haben Sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“
108III.
109In der Sache hat das Gericht die folgenden Feststellungen getroffen:
1101.
111Veranstalter von Fußballspielen und Konzerten in E3 verbieten in ihren Allgemeinen Ticket- und Geschäftsbedingungen (ATGB) den nicht autorisierten gewerblichen Weiterverkauf von Eintrittskarten, da der gewerbliche Zweithandel hier – anders als in anderen Ländern – nicht strafbar ist. Hintergrund ist, dass ein sozialverträgliches Preisgefüge ebenso wie die Veranstaltungssicherheit gewährleistet werden sollen. Die Einhaltung der ATGB wird stichprobenartig kontrolliert, so dass Besuchern, die ihre Tickets aus gewerblichen Zweitveräußerungen erworben haben, der Eintritt zur jeweiligen Veranstaltung mitunter versagt wird. Ferner wird gegen gewerbliche Weiterverkäufer ein generelles Zutrittsverbot ausgesprochen und die lizensierten Vorverkaufsstellen werden angewiesen, an diese Personen keine Eintrittskarten abzugeben. Des Weiteren werden die gewerblichen Schwarzmarkthändler von den Veranstaltern abgemahnt und aufgefordert, ihre Tätigkeit zu unterlassen. Entsprechende Regelungen finden sich etwa in den ATGB von C1 seit mehr als einem Jahrzehnt, wobei diese exemplarisch für die gesamte Fußballbundesliga sind. Ebensolche Anstrengungen, einen gewerblichen Schwarzhandel in der Konzertbranche zu unterbinden, unternimmt beispielsweise die Vertriebsagentur der Rock-Band S2. So sind Tickets hier und für andere Musikveranstaltungen in der Regel nur personalisiert erhältlich, jedenfalls wird Besuchern mit Tickets aus dem Schwarzhandel regelmäßig der Eintritt zu den Auftritten verwehrt, soweit sich bei Kontrollen Ungereimtheiten ergeben.
112Diese und ähnliche Vorkehrungen und Sanktionen versuchen gewerbliche Weiterverkäufer unter anderem dadurch zu umgehen, dass sie Tickets unter Pseudonymen oder über Mittelsmänner erwerben und weiterverkaufen. Die Umgehungsversuche haben im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung des Tickethandels eher noch zugenommen. Der von diesen Weiterverkäufern betriebene Ticket-Zweitmarkt geht üblicherweise – so auch vorliegend – mit stark überhöhten Weiterverkaufspreisen und mit Steuerhinterziehung einher. Das liegt auch, aber nicht maßgeblich am Fehlen vorsteuerabzugsfähiger Rechnungen, vor allem aber daran, dass die Zweithändler auf Gewinnmaximierung fokussiert sind, jedoch nicht als gewerbliche Weiterverkäufer erkannt werden wollen und können, weil sie und ggf. ihre Kunden dann durch die Veranstalter gesperrt werden und hierdurch ihr Geschäftsfeld praktisch verloren gingeoder nur eingeschränkt aufrechterhalten werden könnte.
113Der Angeklagte L und der Angeklagte N handeln bereits seit vielen bzw. mehreren Jahren gewerblich mit Eintrittskarten zu Fußball- und Konzertveranstaltungen. In beiden Fällen entwickelten sich die Geschäfte daraus, dass sie als Anhänger von C1 eine nicht genutzte Karte aus dem Freundes- bzw. Bekanntenkreis privat an Dritte veräußerten und in diesem Zuge bemerkten, dass sich hierdurch erhebliche Gewinne erwirtschaften ließen.
1142.
115a)
116Der Angeklagte L handelte bezogen auf die hiesigen Vorwürfe zunächst in den Jahren 2014 bis Mitte 2017 selbstständig und eigenverantwortlich mit Konzert- und Fußballtickets. Dieser Handel gestaltete sich derart, dass er nach eigenen Erfahrungswerten Tickets für Fußballspiele – insbesondere von C1 – aber auch für Konzerte aus verschiedenen Quellen bezog. Er erwarb die Tickets zunächst bei lizensierten Vorverkaufsstellen und im Weiteren zunehmend bei den Vertriebsstellen der Fußballvereine und deren eigenen Online-Plattformen. Der Ankauf erfolgte in der Regel durch Helfer und Mittelsmänner, sog. „B2“, die der Angeklagte oder dessen weitere Unterstützer aktiv anwarben, weil der Angeklagte selbst schon seit vielen Jahren als gewerblicher Zweithändler aktiv und dementsprechend bei den Veranstaltern bekannt und „verbrannt“ war. Teilweise trat er noch selbst unter Aliasnamen auf.
117Die „B2“ erhielten für Tickets, die sie dem Angeklagten beschafften, in der Regel eine Provision von mindestens 0 F1 pro Karte. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung verfügte der Angeklagte über viele Beziehungen, sodass er in der Lage war, große Stückzahlen einzukaufen. Bei lizensierten Vorverkaufsstellen verfügte er über Kontakte, die ihm gegen entsprechenden Aufpreis große Teile oder sogar sämtliche dort verfügbaren Tickets überließen. Regelmäßig fanden auf Veranlassung des Angeklagten Einkaufsfahrten quer durch E3 statt, bei denen die Unterstützer Tickets bei auswärtigen Vereinen beschafften. Am Ticketeinkauf für den Angeklagten L beteiligten sich spätestens ab 2015 auch der Angeklagte N, ab 2016 der Angeklagte N1 und schon von Beginn des Tatzeitraums der Angeklagte W.
118Der anschließende Weiterverkauf der Tickets erfolgte zum Teil, namentlich betreffend Restbestände, „von Hand zu Hand“ als Bargeschäft oder über die Plattform F3-L3, teilweise über die Auktionsplattform F3, größtenteils jedoch über die Jplattform W3, auf der der Angeklagte einen Nutzeraccount verwendete, der auf die Personalien des Angeklagten W angemeldet war.
119Bei der W3 GmbH (ehemals W3 AG) handelt es sich um ein Unternehmen, dessen Geschäftsfeld im Betrieb einer Ticketbörse bzw. eines Sekundärmarktplatzes für den Kauf und Verkauf von Eintrittskarten über das J besteht. W3 gerät dabei seit Jahren wegen seiner Geschäftsgestaltung und der auf der Plattform geforderten stark überhöhten Preise immer wieder in die Kritik von Veranstaltern, Kunden und Verbraucherzentralen und ist bereits vielfach zivilrechtlich auf Umgestaltung seiner Geschäftspraktiken in Anspruch genommen worden. Zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit kooperierte das Unternehmen zeitweise offiziell mit einigen Veranstaltern, namentlich einigen Vereinen der ersten Fußballbundesliga, für die es beschränkte Ticketkontingente im Eigen- oder Kommissionshandel vertrieb. Diese Zusammenarbeit ist aber nicht zuletzt wegen erheblicher Proteste aus der Fanszene bereits seit mehreren Jahren beendet.
120Der Sitz der W3 GmbH befindet sich in der T2. Ursprünglich geht das Unternehmen auf die W3 Ltd., gegründet in H3 von dem US-Bürger C7 zurück. Im Umfeld dieser Gesellschaft besteht ein umfangreiches Firmengeflecht. So werden Zahlungen über die Z1 T3 mit Sitz auf N4 abgewickelt, es bestehen ferner zwei Service Gesellschaften mit den Bezeichnungen W4 T4. in H3 bzw. W4 T5 J1 Ltd. mit Sitz in J1. Anteilseigner ist bzw. war jeweils die Q2 F4 Inc. mit Sitz in den V, deren Geschäftsführer ebenfalls C7 ist.
121Die W3 GmbH ist steuerlich nicht in E3 registriert, sondern im Rahmen des sog. N5 Verfahrens in J1 und führt dort Steuern lediglich bezüglich ihrer auf die Ticketpreise aufgeschlagenen Gebühren ab. Vor diesem Hintergrund führt die Staatsanwaltschaft N6 aktuell ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der W3 GmbH unter dem Aktenzeichen 628 Js 21105/19 W. Die Ermittlungen sind dabei auf eine gemeinsame Ermittlungskommission der Finanzämter in O und C übertragen worden. Wegen langwieriger Rechtshilfeersuchen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Die dortigen Ermittlungsbehörden vertreten die Auffassung, dass W3 rechtlich generell als Dienstleistungs-Kommissionär anzusehen sei, da die Identität der jeweiligen Ticketanbieter nicht hinreichend erkennbar sei. Mithin unterliege der gesamte über die Plattform generierte Umsatz – also nicht nur der eigene Gebührenanteil – der Umsatzbesteuerung. Ferner besteht der Verdacht, dass W3 nicht erklärte Eigengeschäfte aus Kooperationen mit Bundesligavereinen, Event-Veranstaltern und mit gewerblichen Tickethändlern u.a. betreibe.
122Zur Überzeugung der hier erkennenden Kammer ist die W3 GmbH indes betreffend die hier in Rede stehenden Geschäftsvorfälle weder als Eigenhändler noch als Kommissionär anzusehen, sondern vermittelte über ihre Online-Plattform lediglich den Kontakt zwischen den Verkäufern und Käufern, begleitete dies durch Serviceleistungen und kassierte hierfür von beiden Seiten Gebühren. Diese betrugen im Tatzeitraum für den Verkäufer 10 %, für den Käufer 15 % des Ticketpreises.
123Auf der von der W3 GmbH betriebenen Website x5.w3.de befindet sich aktuell am oberen Rand folgender Hinweis:
124„Wir sind der weltweit größte Sekundärmarktplatz für den Verkauf von Live-Event-Tickets. Die Preise werden von den Verkäufern festgelegt und können unter oder über dem Originalpreis liegen.“
125Es folgt auf der linken Seite das Logo, auf der rechten Seite befinden sich die Menüpunkte „Erkunden“ – „Verkaufen“ – „Favoriten“ – „Meine Tickets“ – „Anmelden“.
126Unabhängig von etwaigen Veränderungen des Jauftritts über die Jahre haben sich die Kernfunktionen der Plattform, namentlich die Möglichkeit zum Kauf und Verkauf von Tickets, sowie die Geschäftsabläufe bzw. AGB über die Jahre des Tatzeitraums im Wesentlichen nicht verändert.
127Da sich die Plattform allerdings in der Vergangenheit (bereits vor dem hier in Rede stehenden Tatzeitraum) einen schlechten Ruf wegen überhöhter Preise und betrügerischer Anbieter erwarb, garantiert W3 inzwischen, dass der Käufer ggf. mit von W3 beschafften Ersatztickets Zutritt zur Veranstaltung erhält. Gelingt diese nicht, erstattet W3 dem Kunden den Kaufpreis und nimmt selbst beim Anbieter Regress, wie es z.B. bei der hier mit in Rede stehenden Konzertreihe der Rock-Band S2 der Fall war. Vor dem Hintergrund dieses Käuferschutzes hat W3 ferner seine Auszahlungspraxis dahingehend angepasst, dass die Verkaufserlöse an den jeweiligen Ticket-Anbieter erst 5 bis 7 Werktage nach der Veranstaltung ausgezahlt bzw. überwiesen werden.
128Die Website ermöglicht über mehrere Menüpunkte den schnellen Zugriff auf dort gehandelte Eintrittskarten zu diversen Veranstaltungen. Durchläuft man den Bestellprozess für eine bestimmte Veranstaltung, wählt man diese zunächst aus und bestimmt die Anzahl der gewünschten Tickets. Anschließend werden die verfügbaren Angebote konkret angezeigt. Auf den jeweiligen Verkäufer der Tickets weist W3 an dieser Stelle nicht namentlich hin. Nach einer Bestätigung der durch den Käufer gewählten Tickets können diese über ein Benutzerkonto oder auch über die Option „als Gast bestellen“ erworben werden. In diesem Schritt zeigt die Website auch folgenden Hinweis:
129„Indem Sie sich anmelden oder ein Konto erstellen, stimmen Sie unseren Nutzungsvereinbarungen zu und erkennen unsere Datenschutzrichtlinie an. Sie erhalten möglicherweise SMS-Benachrichtigungen von uns und können sich jederzeit abmelden.”
130Durch einen Klick auf das Wort „Nutzungsvereinbarungen“ wird der Nutzer – wie üblich – auf die Allgemeinen Nutzungsbedingungen der Website geleitet.
131Beispielsweise im Jahr 2013 existierten Allgemeine Geschäftsbedingungen von W3, die auszugsweise wie folgt lauteten:
132„0.0 U1. W3 bietet einen Service, der es Mitgliedern ermöglicht, andere Mitglieder zu finden, die Tickets kaufen ("Käufer") oder verkaufen ("Verkäufer") möchten. W3 erhebt keinen Anspruch auf das jeweilige Ticket und die eigentliche geschäftliche Abwicklung erfolgt zwischen Käufern und Verkäufern. Wir können nicht gewährleisten, dass ein Käufer oder Verkäufer ein Geschäft wirklich vollständig durchführt.
1331.3 W3 Garantie. Wenn Sie Tickets bei W3 kaufen, garantiert W3 Ihnen, dass Sie die Tickets rechtzeitig vor der Veranstaltung erhalten. In dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass Probleme auftreten und der ursprüngliche Verkäufer nicht in der Lage ist, die Karten, die zum Kauf angeboten wurden, zu liefern, wird W3 sich um gleich- bzw. höherwertigen Ersatz kümmern. Sollte es W3 nicht gelingen, gleich- bzw. höherwertige Tickets zu beschaffen, so erstatten wir Ihnen den gesamten Betrag zurück. Wenn Sie Tickets bei W3 verkaufen - und vorausgesetzt Sie liefern exakt die Tickets, die Sie zum Kauf angeboten haben, und der Käufer erhält erfolgreich Zugang zu der Veranstaltung - garantiert W3, dass Sie für den Verkauf bezahlt werden.
134(…)
1352.1 Bedingungen. Um ein Mitglied dieser Website zu werden, müssen Sie die Nutzungsbedingungen dieser Nutzungsvereinbarung akzeptieren. Anmeldeberechtigt sind ausschließlich volljährige und unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Personen.
1362.2 Registrierung. Wir gestatten Ihnen erst den Verkauf und Kauf von Tickets, nachdem Sie sich bei uns registriert haben. Geben Sie Ihren vollständigen Namen, Ihre Adresse, Telefonnummer und Email-Adresse an, um sich zu registrieren bzw. anzumelden.“
137Als weiteres Beispiel seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von W3 mit Stand vom 19.05.2020 genannt, die jedes Mitglied durch die Nutzung akzeptierte, und die auszugsweise wie folgt lauten:
1380.0. U2 W3 bietet einen Service, der es Mitgliedern ermöglicht, andere Mitglieder zu finden, die Tickets kaufen ("Käufer") oder verkaufen ("Verkäufer") möchten. W3 erhebt keinen Anspruch auf das jeweilige Ticket und die eigentliche geschäftliche Abwicklung erfolgt zwischen Käufern und Verkäufern.
1391.3 W3 Garantie. Wenn Sie Tickets über die Website kaufen, garantiert W3 Ihnen, dass Sie Tickets, für die Sie gezahlt haben, rechtzeitig vor der Veranstaltung erhalten. In dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass Probleme auftreten und der ursprüngliche Verkäufer die Karten, die zum Kauf angeboten wurden, nicht an Sie liefert, wird W3, nach eigenem Ermessen, vergleichbar bepreiste Tickets prüfen und Ihnen ohne Mehrkosten Ersatztickets anbieten oder Ihnen den Betrag für die Tickets zurückerstatten. „Vergleichbar bepreiste“ Ersatztickets bestimmt W3 ausschließlich nach eigenem Ermessen. Wenn Sie Tickets über die Website verkaufen – und vorausgesetzt Sie liefern exakt die Tickets, die Sie zum Kauf angeboten haben, und der Käufer erhält erfolgreich Zugang zu der Veranstaltung – garantiert W3, dass Sie für den Verkauf bezahlt werden.
140(…)
1412.1 Bedingungen. Um ein Mitglied dieser Website zu werden, müssen Sie die Nutzungsvereinbarung akzeptieren. Anmeldeberechtigt sind ausschließlich volljährige und unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Personen. Falls Sie nicht hierunter fallen, dürfen Sie die Services nicht nutzen.
1422.2 Registrierung. Wir gestatten Ihnen erst den Verkauf und Kauf von Tickets, nachdem Sie sich bei uns registriert haben. Geben Sie Ihren vollständigen Namen, Ihre Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse an, um sich zu registrieren bzw. anzumelden.
143(…)
1442.5 Mehrwertsteuer (MwSt.) auf Verkaufserlöse Der Verkäufer bzw. die Verkäuferin ist verantwortlich für die Ermittlung, ob er bzw. sie MwSt. auf den Verkauf des Tickets berechnen muss. W3 übernimmt hierfür keine Verantwortung. Wenn der Verkäufer (in H3 oder anderswo) für den Verkauf des Tickets MwSt. berechnen muss, sollte er/sie die MwSt. in den Gesamtpreis einrechnen, wenn er auf der Website den Ticketpreis festlegt. Beachten Sie bitte, dass W3 unabhängig davon auf seine Gebühren MwSt. berechnen muss.
1452.6 Gebote abgeben. Ein Mitglied, das ein Ticket kaufen möchte, durchsucht zuerst W3s Datenbank nach Tickets, die von Verkäufern eingestellt wurden und den Wunschtickets des Käufers entsprechen. Nachdem der Käufer ein passendes Ticket gefunden hat, zeigt er W3 mit einem "Angebot" an, dass er bereit ist, das Ticket zu kaufen. Bedenken Sie bitte, dass der Verkäufer ggf. MwSt. auf den Verkauf des Tickets erheben muss. Daher kann der (ohne unsere Gebühren) angezeigte Ticketpreis die entsprechende MwSt. (zahlbar in H3 oder anderswo) enthalten. Bitte beachten Sie, dass hierin nicht die von W3 auf ihre Gebühren zu erhebende MwSt. enthalten ist. Als Käufer erteilen Sie dem Zahlungsdienstleister die Erlaubnis, Ihre Kreditkarte, E10karte, Ihr Q3- oder Bankkonto für den Kauf der ausgewählten Tickets zu belasten.
146(…)“
147Des Weiteren existierte im Tatzeitraum für besonders umsatzstarke Ticketanbieter ein sog. „w3 G-T6-Handbuch“. Darin heißt es u. a.: „Alle Regelungen, die in diesem w3-T6-Handbuch (das „Handbuch“) ausgelegt werden, sind eine Ergänzung zu W3s allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auf der W3-Website zu finden sind.“
148Grundsätzlich erfolgt die Aushändigung der Tickets an den Erwerber in der Form, dass der Verkäufer die auf der Plattform verkauften Tickets vor der Veranstaltung über den Dienstleister V1 versendet und hierfür Umschläge mit dem Firmen-Logo von W3 nutzt. Neben diesem regelmäßigen Ablauf der Versendung der Karten bietet bzw. bot W3 für bestimmte Events und eilige Fälle die Abholung der von den Anbietern hinterlegten Tickets an Abhol-Ständen an, die im Einzelfall von W3 in der Nähe des Veranstaltungsortes eingerichtet wurden (sog. Last-Minute-Sale). Die Ticketanbieter hatten dann die Möglichkeit, die (digitalen) Tickets an eine Mailbox zu senden oder am Abholstand von W3 zu hinterlegen. Sowohl der Angeklagte L, als auch der Angeklagte N nutzten diesen Service.
149Die Preisgestaltung des Angeklagten L richtete sich nach der jeweiligen Nachfrage und war darauf ausgelegt, zu jeder Zeit größtmögliche Gewinne zu erzielen. Teilweise verkaufte er die Tickets über die Plattform schon vor Beginn des Vorverkaufs durch die Veranstalter (sog. Leerverkauf). In den Fällen, in denen es dem Angeklagten dann nicht gelang, rechtzeitig ein entsprechendes Ticket zu beschaffen und an den Käufer zu senden, oder wenn einem Käufer mit einem durch den Angeklagten L gehandelten Ticket Einlass zu der Veranstaltung nicht gewährt wurde, erstattete W3 dem Käufer den Kaufpreis und berechnete oder verrechnete gegenüber dem Angeklagten Strafzahlungen von bis zu 60 % des Verkaufspreises.
150Vor dem Hintergrund offener Forderungen des Fiskus gegen den Angeklagten L aus dessen vorangegangenen Steuerstraftaten konnte er sich für seinen Tickethandel keiner auf seinen Namen eingerichteter Bankkonten bedienen. Aus diesem Grund wurden die Gelder aus dem Verkauf der Tickets über Konten bzw. Q3-Accounts von Freunden und Bekannten des Angeklagten vereinnahmt, auf die er jedoch in fast allen Fällen selbst zugreifen konnte oder bei denen sichergestellt war, dass Geldeingänge auf seine Anweisung hin weitergeleitet, ausgezahlt oder in Tickets reinvestiert wurden.
151Im Jahr 2014 verwendete der Angeklagte L für die Vereinnahmung von Erlösen aus dem Tickethandel den Q3-Account seines Bekannten F5, registriert mit der Mailadresse q400@x6.e11. Insgesamt wurde hierauf in dem Jahr ein Betrag in Höhe von 000.000,00 F1 durch W3 gutgeschrieben. Auf das unter dem Namen Q5 laufende Konto bei der T7 mit der Kontonummer 0000 0000 gingen (abzüglich durch die Kammer berücksichtigter Rückbuchungen) Erlöse in Höhe von 00.000,00 F1 ein. Konten auf den Namen des Angeklagten W bei der G1 Bank, Kontonummer 0000 0000, und bei der Q6 GmbH, Kontonummer 0000 0000 00, wiesen Gutschriften aus dem Tickethandel in Höhe von 000.000,00 F1 bzw. 000.000,00 F1 auf. Weitere 000,- F1 wurden über das eigene Konto des Angeklagten L bei der Commerzbank mit der Kontonummer 0000 0000 0000 vereinnahmt. Insgesamt ergaben sich im Jahr 2014 mithin Bruttoerlöse aus dem Tickethandel in Höhe von 000.000,- F1.
152Im Jahr 2015 nutzte der Angeklagte L neben dem bereits erwähnten eigenen Konto bei der D2bank, auf dem ein Betrag in Höhe von 0.000,00 F1 aus dem Tickethandel vereinnahmt wurde, weitere Konten, die alle unter dem Namen des Q5 liefen. So gingen auf das Konto bei der O1bank mit der Kontonummer 0000 00 000 insgesamt 0.000,00 F1, bei der D2bank mit der Kontonummer 00000000 0000 insgesamt 00.000,00 F1 und auf dessen Q3-Account insgesamt 000.000,00 F1 von W3 und 00.000,00 F1 aus F3 bzw. Privatverkäufen als Bruttoeinnahmen aus dem Tickethandel ein. Dies entspricht einem Gesamtbetrag in Höhe von 000.000,- F1.
153Im Jahr 2016 wurden die Erlöse maßgeblich, nämlich in Höhe von 0.000.000,00 F1 aus Zahlungen von W3 und in Höhe von 0.000,00 F1 aus Verkäufen über F3 bzw. aus Privatgeschäften über den Q3-Account des Q5 vereinnahmt. Daneben gingen auf dem D2bankkonto des Angeklagten L noch Erlöse in Höhe von 0.000,00 F1 und auf dem bereits für das Jahr 2014 berücksichtigten Konto auf den Angeklagten W bei der Q6 GmbH Erlöse in Höhe von 00.000,00 F1 ein. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbetrag der Bruttoerlöse für dieses Jahr in Höhe von 0.000.000,-F1.
154Im Jahr 2017 wurden über den Q3-Account des Q5 bis zum 18.05.2017 insgesamt 0.000.000,00 F1 durch W3 überwiesen. In diesem Jahr verlagerte sich sodann der Zahlungsweg der Einnahmen zunächst auf den Q3-Account des Zeugen C8. Auf diesem Account gingen Beträge in einer Höhe von 000.000,00 F1 ein. Die letzte Zahlung durch W3 erfolgte zum 25.08.2017, anschließend ergaben sich nur noch Eingänge kleinerer Beträgen von Privatpersonen, die Karten vom Angeklagten L erwarben. Bis zum 26.07.2017 gingen zudem auf dem D2bankkonto des Angeklagten L noch Beträge in Höhe von 0.000,00 F1 ein. Mithin ergaben sich für den Angeklagten L in diesem Jahr Bruttoerlöse in Höhe von insgesamt 0.000.000,- F1, die allein aus Verkäufen stammen, die aus dessen eigenverantwortlich betriebenem Tickethandel hervorgingen.
155Von diesen Bruttoumsätzen entfiel jeweils ein Anteil von 2/3 auf Sportveranstaltungen und ein Anteil von 1/3 auf Konzerte. Die Sportveranstaltungen fanden zu 90 % im Inland statt, Konzerte zu 50 %.
156Die dargestellten Umsätze hat der Angeklagte der Finanzverwaltung weder angezeigt, noch hat er hierfür Steuererklärungen eingereicht oder Steuern abgeführt, obwohl er sich der diesbezüglichen Pflichten bewusst war.
157Die Kammer hat daher die jeweiligen Jahresbruttoerlöse zunächst anteilig auf die Sport- und Konzertveranstaltungen verteilt und sodann um den jeweiligen Anteil der Auslandsveranstaltungen gekürzt. Im Weiteren wurde unter Rückrechnung auf die Jahresnettoerlöse anhand der jeweiligen Steuersätze von 19 % (Sport) bzw. 7 % (Konzert) die hinterzogene Umsatzsteuer berechnet. Veranschaulicht bzw. zusammengefasst wird dies durch die folgenden Berechnungs-Formeln:
158USt für Sportveranstaltungen im Jahr = (Bruttoerlöse Jahr * 2/3 * 0,9) – [(Bruttoerlöse Jahr * 2/3 * 0,9) / 1,19]
159USt für Konzertveranstaltungen im Jahr = (Bruttoerlöse Jahr * 1/3 * 0,5) – [(Bruttoerlöse Jahr * 1/3 * 0,5) / 1,07]
160Die hinterzogene Umsatzsteuer beträgt im Jahr 2014 folglich 52.092,- F1, im Jahr 2015 62.975,- F1, im Jahr 2016 178.488,- F1 und im Jahr 2017 201.477,- F1. Dies ergibt einen dem Angeklagten L für diese vier Taten zuzurechnenden Gesamtbetrag und Steuerschaden in Höhe von 495.032,- F1. Die Finanzverwaltung hat für diese Jahre gegen den Angeklagten L Steuerbescheide erlassen, die allerdings – u. a. aufgrund der fehlenden Kürzung für Veranstaltungen im Ausland und durchgehender Anwendung eines Steuersatzes in Höhe von 19 % – höhere Zahllasten ausweisen. Die Bescheide sind rechtskräftig, der Angeklagte hat jedoch bislang keine Zahlungen erbracht.
161b)
162Der Angeklagte W, der den Angeklagten L in Strafhaft kennengelernt und dort Kenntnis von dem steuerverkürzenden Tickethandel des L erlangt hatte, unterstützte diesen nach dem Ende der gemeinsamen Haftzeit bei der Fortsetzung seiner steuerunehrlichen Geschäfte durch die Eröffnung und Überlassung von zwei Geldverkehrs- bzw. Kreditkartenkonten. Namentlich handelte es sich hierbei um ein Konto bei der G1 Bank AG mit der Kontonummer 00000000 sowie das Konto bei der Q6 GmbH mit der Kontonummer 0000000000. Unter Nutzung dieser Konten erwirtschaftete der Angeklagte L in den Jahren 2014 und 2016 einen Teil der soeben genannten Umsätze. Die Konten wurden vom Angeklagten W eröffnet. Im Anschluss stellte der Angeklagte W dem Angeklagten L die Zugangsdaten bzw. zugehörigen Kreditkarten zur Verfügung, wodurch er ihn in die Lage versetzte, weitere Erlöse zu erzielen und seinen Handel gegenüber den Finanzbehörden zu verschleiern.
163Im Jahr 2014 wurde – wie festgestellt – über das Konto bei der G1 Bank AG ein Betrag in Höhe von 000.000,00 F1 vereinnahmt, der anhand der Zahlungsabsender (W3 bzw. verbundene Gesellschaften) bzw. anhand des angegebenen Verwendungszwecks als Einnahme aus dem Tickethandel zu erkennen war. Das Konto wurde ebenfalls in erheblichem Umfang für den Ankauf von Tickets, insbesondere bei verschiedenen Fußballvereinen der 1. Bundesliga genutzt.
164Über das Konto bei der Q6 GmbH wurde – wie festgestellt – im Jahr 2014 ein Betrag in Höhe von 000.000,00 F1 und im Jahr 2016 ein Betrag in Höhe von 00.000,00 F1 von W3 bzw. verbundene Gesellschaften oder Zahlungsdienstleister an den Angeklagten L ausgezahlt.
165Nach Maßgabe der vorgenannten Verteilung auf Sport- und Konzertereignisse unter Abzug der Auslandsveranstaltungen entfallen auf diese Umsatzteile Umsatzsteuerverkürzungen des L in Höhe von 24.419,- F1 im Jahr 2014 und 1.928,- F2 im Jahr 2016, die der Angeklagte W mit zu verantworten hat. Der Angeklagte W war daneben durch Hilfsdienste an dem Tickethandel des Angeklagten L beteiligt. So nahm er an Einkaufsfahrten teil oder übernahm Botendienste wie die Abholung von Tickets bei den Verkäufern des Angeklagten L.
1663.
167Der Angeklagte N war ebenfalls – jedenfalls ab dem Jahr 2015 – zunächst als eigenständiger Händler von Eintrittskarten aktiv. In diesem Zusammenhang lernte er spätestens im Jahr 2015 den Angeklagten L kennen. Der Angeklagte N verkaufte dem Angeklagten L bei einer Gelegenheit Tickets aus dem eigenen Bestand. Hieraus entwickelte sich eine umfangreiche Geschäftsbeziehung, so dass der Angeklagte L immer wieder auch größere Stückzahlen beim Angeklagten N ankaufte und diese Tickets dann selbst gewinnbringend weiterveräußerte. So sendete der Angeklagte L über den auf den Q5 laufenden Q3-Account etwa am 24.04.2015 einen Betrag in Höhe von 0.000,00 F1 an den Angeklagten N mit dem Verwendungszweck „00y C2-I3“. Im Juli 2015 kam es zu einer Zahlung in Höhe von 0.000,00 F1 „Für die 00 U3“. Im Jahr 2016 intensivierte sich die Geschäftsbeziehung, hier kam es zu einer mittleren zweistelligen Anzahl an Geldsendungen, weitestgehend im vierstelligen F1bereich. Diese Geschäftsbeziehung machte aber nur einen Teil des durch den Angeklagten N betriebenen Schwarzhandels aus.
168Auch der Angeklagte N vertrieb seine Karten vor allem über W3 und hielt hierfür einen unter seinen Personalien registrierten Nutzeraccount vor, wobei W3 auch ihm gegenüber nur die Rolle eines Vermittlers einnahm, nicht jedoch selbst Karten vom Angeklagten N ankaufte oder weiterveräußerte. Die Auszahlungen von W3 wurden auf den Q3-Account des Angeklagten N überwiesen. Von dort aus buchte der Angeklagte seine Erlöse auf sein Konto bei der Sparkasse X mit der Kontonummer 000000000 weiter. Im Jahr 2016 konnten aus seinen Ticketgeschäften Bruttoerlöse in Höhe von mindestens 78.038 F1 festgestellt werden. Unter Anwendung der oben betr. den Angeklagten L bereits dargestellten Berechnungsmaßstäbe ergibt sich hieraus ein hinterzogener Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 8.327,- F1. Die dargestellten Umsätze hat der Angeklagte der Finanzverwaltung weder angezeigt, noch hat er hierfür Steuererklärungen eingereicht oder Steuern abgeführt, obwohl auch ihm bewusst war, dass er hierzu verpflichtet gewesen wäre.
169Neben seinen Ticketgeschäften betrieb der Angeklagte N mit seinen Bekannten C9 und I4 die in X ansässige und ein Büro unterhaltende C10, I4 und N1 GbR, die mit T8 handelte. Bei dieser GbR war auch die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten N, die Zeugin V2, zeitweise als Bürokraft angestellt. Sowohl Frau V2 als auch die Herren C9 und I4 beteiligten sich daneben an Einkäufen von Tickets für den Angeklagten N.
1704.
171Im späteren Zeitraum des noch jeweils eigenständigen Ticket-Handels der Angeklagten L und N beteiligte sich auch der Angeklagte N1 am Ticketeinkauf. So erhielt er beispielsweise von dem Q3-Account des Q5 am 04.10.2016 zwei Zahlungen in einer Gesamthöhe von fast 0.000,- F1 mit den Verwendungszwecken „I3“ bzw. „S3“ und am 07.10.2016 in Höhe von knapp 0.000,- F1 mit den Nachrichten „T9“ und „M3“. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war sich der Angeklagte N1 über die erheblichen Summen, die im Ticketschwarzhandel zu erzielen sind, vollumfänglich bewusst. Bereits damals profitierten die drei Angeklagten jeweils von ihrer Kooperation beim Ticket-Erwerb. Eine gemeinschaftliche Tätigkeit im Rechtssinne war hiermit jedoch noch nicht verbunden.
172Auch im Jahr 2017 erhielt der Angeklagte N1 Beträge über den Q3-Account des Q5, namentlich 30 Zahlungen in Höhe von jeweils 0.000,- F1 zwischen dem 09.01.2017 und 09.04.2017, zum Teil versehen mit dem Verwendungszweck „00S4“ oder „00 S4 (bereits erhalten)“
173Am 29.08.2017 fand im Rahmen der Ermittlungen in der Wohnung des Angeklagten L auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts C vom 11.08.2017 eine Durchsuchung statt. Dies bestärkte den Angeklagten L in seinen Überlegungen, sich aus dem gewerblichen Tickethandel zumindest zeitweise zurückzuziehen oder zumindest noch weiter in den Hintergrund zu treten. Denn er sah sich spätestens seit dem Frühjahr 2017 mit verschiedenen Schwierigkeiten bei der Fortsetzung seines Geschäftsmodells konfrontiert. So verzögerte die von ihm mittlerweile fast ausschließlich genutzte Ticketplattform W3 wiederholt die Auszahlungen der Ticketerlöse und die Steuerfahndung ermittelte an verschiedenen Orten gegen Unterstützer des L. Von seinen Überlegungen berichtete er den Angeklagten N und N1 bei einem Treffen im Spätsommer 2017.
174Die Angeklagten N und N1 bewogen den Angeklagten L, seine Geschäfte nicht ruhen zu lassen, sondern sich im Rahmen einer gemeinsamen Unternehmung einzubringen. Sie berichteten ihm in diesem Zusammenhang über eine Q6 Gesellschaft, die der Angeklagte N1 bereits im Jahr 2015 erworben hatte und über die man den Zahlungsverkehr abwickeln könne. Hierbei handelt es sich um die in Q ansässigen N7 J2 U4 T9 a. p. p. T. L. (nachfolgend: „N7J“), bei der der Angeklagte N alleiniger Kommanditist war sowie deren Komplementärgesellschaft N7 J2 U4 T9 a. p. p., deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte N1 war.
175Der Unternehmenserwerb der N7J erfolgte ursprünglich zum Zweck des Handels mit T8, die aus U – wo die Angeklagten N1 und N in früheren Jahren gelebt haben – importiert und sodann exportiert werden sollte. Der Geschäftssitz in Q sollte dabei angeblich die beabsichtigte Geschäftsexpansion nach Osteuropa erleichtern. Am Geschäftssitz in Q unterhält die N7J Geschäftsräume mit Personal, führt Geschäftsbücher, erstellt Jahresabschlüsse und gibt über einen Steuerberater Steuererklärungen in Q ab. Die N7J trat in der Folge in Geschäftsbeziehung u. a. zu der bereits erwähnten C10, I4 und N6 GbR. Die dort und im Tickethandel des Angeklagten N tätige Zeugin V2, wurde in der Folge im Wege der Arbeitnehmerüberlassung auch für die polnische N7J als Bürokraft tätig und bereitete u.a. Eigenbelege des Angeklagten N1 betreffend den Tickethandel zur Weiterleitung an den Q6 Steuerberater der N7J auf, wobei sie ihre Arbeit auch insoweit im Büro der GbR in E3 verrichtete.
176Bereits am 09. März 2017 erkundigte sich der Angeklagte N1 bei dem in Q ansässigen Steuerberater Q6 X7 über die umsatzsteuerliche Verpflichtung aus dem Verkauf von Eintrittsberechtigungen mit dem dort präsentierten Ergebnis, dass Umsatzsteuern für die N7J nicht anfallen würden. Eine diesbezügliche Bestätigung des I5. X7 über den Inhalt dieses Gesprächs vom 17.02.2022 lautet übersetzt:
177„Sehr geehrter Herr Geschäftsführer,
178hiermit bestätigen wir die am 9. März 2017 bezogene Stellung, wonach der Verkauf von Eintrittskarten für verschiedene Veranstaltungen an das in der T2 ansässige Portal W3 als grenzüberschreitender Erwerb von der Mehrwertsteuer (Q6. W5) befreit ist. Der von W3 durchgeführte Weitervertrieb dieser Tickets, insbesondere der Ort des Kaufvertragsabschlusses, und die damit verbundenen steuerlichen Pflichten („sollen nicht“) [Anm. des Übersetzers: Der Verfasseränderte vermutlich den Stil seiner Formulierung und vergas die zwei Wörter „sollen nicht“ zu löschen] liegen außerhalb der Interessensphäre der Gesellschaft. Sollte hypothetisch angenommen werden, dass die Mehrwertsteuer gezahlt wurde, wäre sie erstattungsfähig.“
179Ebenfalls im März 2017 kam es zum Abschluss folgender Vereinbarung zwischen dem Angeklagten N und der N7J, vertreten durch den Geschäftsführer N1:
180„N führt das Kundenkonto bei W3. Nach Rücksprache mit W3 ist er nicht in der Lage, ein Konto für die Firma N7J2 U4 T10. a p.p. t.l. zu eröffnen. Aus diesem Grund vereinbaren die Parteien, dass ab dem 1. April 2017 alle Rechte und Pflichten, die aus dem bestehenden Verhältnis mit dem Konto von N resultieren, auf N7 J2 U4 T10. a p.p. t.l. übertragen werden. Insbesondere wird N von jeglicher Haftung, die sich aus den Kontodaten bei W3 ergibt, befreit. Die Firma W3 wird darüber informiert, dass N7 J2 U4 T10. a p.p. t.l. hinter dem formalen Besitz des Kontos von N steht.
181Dementsprechend wird W3 alle Zahlungen, die sich aus den Kontodaten ergeben,
182ausschließlich für die Fima N7 J2 U4 T10. a p.p. t.l. auf ihren Q6
183Geschäftskonten vornehmen.“
184Ab Juni 2017 unterhielt die N7J bei der J3 Bank T11 in Q, einer Tochtergesellschaft der J2 J3-Gruppe, aktive Geschäftskonten.
185Zu einem nicht mehr genau datierbaren Zeitpunkt im Spätsommer 2017 verständigten sich die Angeklagten N und N1 mit dem Angeklagten L bei einem persönlichen Treffen im X1 Raum oder M4 mündlich darauf, den gewerblichen Tickethandel fortan gemeinschaftlich, arbeitsteilig und gleichberechtigt zu betreiben. Hierzu brachte der Angeklagte L absprachegemäß neben seinen Kontakten und seiner langjährigen Erfahrung aus dem Geschäftsfeld sein zu diesem Zeitpunkt bestehendes Guthaben aus vorangegangenen Erlösen auf Konten bzw. Q3-Accounts in sechsstelliger Höhe sowie seine zu dem Zeitpunkt noch vorhandenen Ticketbestände ein, da es den Mitangeklagten N6 zu diesem Zeitpunkt an entsprechender Liquidität mangelte. Der Angeklagte N stellte absprachegemäß den auf seinen Namen bei W3 bestehenden Account für die gemeinsamen Ticketgeschäfte ein und führte fortan gemeinsam mit dem Angeklagten L das Tagesgeschäft. Der Angeklagte N1 stellte absprachegemäß die von ihm geführte Q6 Gesellschaft und deren Geschäftskonten zur Verfügung, steuerte die Geldflüsse über diese Konten nach E3 und beteiligte sich an strategischen Unternehmensentscheidungen, etwa über die Anschaffung eine automatisierten Einkaufs-Software, erstellte Eigenbelege und unterhielt Kontakt zum Steuerberater der N7J. Die gemeinsam erstrebten Gewinne sollten gleichmäßig, d.h. zu je einem Drittel, auf die Angeklagten verteilt werden. Tatsächlich erhielt der Angeklagte L nachfolgend aber geldwerte Vorteile im Wesentlichen nur dadurch, dass seine Wohnungsmiete von Geldeingängen auf den Q6 Geschäftskonten bzw. nach deren Weiterüberweisung nach E3 beglichen wurden. Eine Übertragung seines Tickethandels auf die Q6 Gesellschaft der beiden Angeklagten N6 hat der Angeklagte L weder vorgenommen noch auch nur beabsichtigt, sondern sich fortan gleichberechtigt in die gemeinsame Geschäftstätigkeit eingebracht. Er wurde dementsprechend weder an der Q6 Gesellschaft beteiligt noch trat er zu dieser in ein Beschäftigungsverhältnis.
186Der Tickethandel wurde fortan durch arbeitsteiliges Zusammenwirken betrieben. Der Angeklagte L und der Angeklagte N übernahmen das operative Tagesgeschäft, etwa den Einkauf der Tickets und dessen Koordination, die Auswahl der attraktiven Spiele und Konzerte, das Einstellen der Tickets bei W3, die Kommunikation mit der Plattform und den Versand bzw. die Hinterlegung der Tickets. Der Angeklagte N1 steuerte den Zahlungsverkehr über die Konten der Q6 Gesellschaft auf deutsche Konten und bearbeitete Abmahnungen von Veranstaltern, die gegen den gewerblichen Tickethandel vorgehen wollten. Über grundlegende strategische Fragen, z.B. die Anschaffung einer speziellen Software für den automatisierten Ticket-Erwerb im J (sog. C11), entschieden die Angeklagten gemeinsam. Dabei handelten sie jeweils in E3. Allerdings suchten die Angeklagten N1 und N auch wiederholt den Steuerberater der N8 in Q zu Konsultationen auf.
187Die Verkaufserlöse wurden von W3 weitestgehend auf die Geschäftskonten in Q und von dort auf Veranlassung von N1 zurück nach E3 auf Konten der N8 oder der Angeklagten geleitet, wo diese zur Finanzierung des Tagesgeschäftes auf die Gelder zugriffen. Die Einschaltung der N8 bzw. der Geldverkehr über deren Geschäftskonten diente in Wahrheit dem Zweck, die Geschäfte der Angeklagten vor dem deutschen Fiskus bzw. den hiesigen Finanzbehörden zu verschleiern und somit die hier geschuldete Umsatzsteuer zu hinterziehen. Dies haben auch alle drei Angeklagten erkannt. Der Ein- und Verkauf und namentlich der Versand oder die Übergabe der Tickets erfolgte nach wie vor in E3. Hier stimmten sich insbesondere die Angeklagten N und L engmaschig zur Einkaufs- und Preispolitik ab wie auch z. B. hinsichtlich der Aufgabenzuteilung an die Bürokraft V2. Der Angeklagte N1 steuerte die Geldflüsse von E3 aus und erstellte hier Eigenbelege, die er an die Bürokraft V2 übergab.
188Der Tickethandel wurde also tatsächlich nicht durch die N8 betrieben. Vielmehr wurden die Umsätze durch alle drei Angeklagten in ihrer Verbundenheit als GbR in E3 erwirtschaftet. Dabei verrichtete der Angeklagte L seine Tätigkeiten für die GbR zumeist aus einem Büroraum in Q7. Zudem erbrachte die Zeugin V2 Büroarbeiten betreffend den gemeinschaftlichen Tickethandel in den in X gelegenen Büroräumen der I4, C9 und N GbR.
189Gleichwohl schrieb der Angeklagte N1 Eigenbelege betreffend den Tickethandel für die N8, die dort neben den Umsätzen aus dem Kohle-Handel verbucht und steuerlich deklariert wurden. Der Q6 Steuerberater X7 aus L4 hat im Auftrag der N7 J2 U4 T9 A., vertreten durch N1, in dem Zeitraum ab 2017 über die Geschäftsvorfälle des Unternehmens, insbesondere auch aus dem Verkauf von Eintrittskarten, eine Buchführung, ein entsprechendes Rechnungswesen und darauf aufbauend entsprechende Jahresabschlüsse und Steuererklärungen am Sitz des Unternehmens in Q erstellt. Grundlage war insoweit unter anderem die erwähnte Vereinbarung aus März 2017 über die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem W3-O2 des Angeklagten N.
190Die Tickets wurden von den drei Angeklagten auch in den Jahren 2017 bis 2020 nicht etwa an die W3 GmbH mit Sitz in der T10 verkauft. W3 trat wiederum lediglich als Vermittler der Ticketverkäufe zwischen den Angeklagten bzw. ihrer GbR als Anbieter und den jeweiligen Abnehmern auf.
191Keiner der drei Angeklagten hat gegenüber den deutschen Finanzbehörden die gemeinsamen Umsätze angezeigt, Steuererklärungen abgebeben oder Steuern im Rahmen der besagten Geschäftstätigkeiten in E3 abgeführt. All diese Umstände, namentlich die deutsche Steuerbarkeit der Umsätze, die Steuerpflicht ihrer gemeinsam betriebenen GbR und die steuerliche Haftung bzw. Erklärungspflicht sowie die durch die unterlassenen Jahreserklärungen bewirkte Steuerverkürzung war den Angeklagten bewusst und wurde von ihnen zumindest billigend in Kauf genommen.
192Auch die im Zusammenhang mit den Umsätzen ausgebrachten Steuerbescheide der Finanzverwaltung gegen die Angeklagten N und N1 sind rechts- und bestandskräftig. Zahlungen darauf haben die Angeklagten bislang unter Berufung auf ihre Zahlungsunfähigkeit nicht geleistet.
193Die Motivation der Angeklagten bestand in allen Fällen darin, die beträchtlichen Gewinnaufschläge für die Schwarzmarkttickets ohne Steuerabzug zu vereinnahmen und gegenüber den Veranstaltern und der Finanzverwaltung unerkannt zu bleiben.
194Die N8 bzw. deren Komplementärgesellschaft unterhielt in Q und E3 mehrere Bankkonten, über die Erlöse aus dem Tickethandel der Angeklagten vereinnahmt und sodann für unterschiedliche Zwecke weiterverfügt wurden.
195Das Konto der N8 bei der J3 T11 in Q, QM00 0000 0000 0000 0000 0000 0000, erhielt am 23.10.2017 erstmals eine Zahlung durch den Finanzdienstleister von W3. Insgesamt flossen so umgerechnet 00.000,00 F1 aus dem gemeinsamen Tickethandel zunächst auf dieses – in Q6 Währung geführte – Konto. Ende 2017 weist es zwei als „private U5“ bezeichnete Buchungen an den Angeklagten N in umgerechnet vierstelligen Höhen aus und wird nachfolgend nicht weiter für Zahlungen durch W3 genutzt.
196Ab dem 17.11.2017 kam es durch W3 auch zu Zahlungen auf das weitere der N8 zuzuordnende Konto QM00 0000 0000 00000000 0000 0000 bei der J3 T11. Insgesamt wurden darüber Erlöse in Höhe von umgerechnet 00.000,00 F1 in 2017 und in Höhe von 00,00 F1 in 2018 vereinnahmt.
197Auf dem Konto der Komplementärgesellschaft der N8, QM00 0000 0000 0000 0000 0000 00000, bei der J3 T11 gingen am 09.03.2018 umgerechnet weitere 00.000,00 F1 Erlöse aus dem Tickethandel ein.
198Das Konto der N8 bei der J3 T11 in Q, QM000000 0000 0000 0000 0000 0000, vereinnahmte Zahlungen von W3 bzw. dessen Finanzdienstleister in Höhe von 0.000.000,00 F1 im Jahr 2018, 0.000.000,00 F1 im Jahr 2019 und 00.000,00 F1 im Jahr 2022. Im Jahr 2017 erfolgten von diesem Konto vierstellige Zahlungen mit dem Verwendungszweck „Q8 U4“, im Jahr 2019 mit dem Verwendungszweck „Q8 J4“ an den Angeklagten N. Zudem wurden hierüber vielfach Gelder an Einkäufer von Tickets ausgezahlt, meist mit dem Verwendungszweck „S“.
199Im Jahr 2019 wurde über das Konto 00000000 der N8 bei der Sparkasse X Beträge in Höhe von insgesamt 0000,00F1 überwiesen von der Plattform T12, einer weiteren Handelsplattform für Tickets. Auf dieses Konto gingen erhebliche Beträge von dem Konto QM000000 0000 0000 0000 0000 0000 ein. Beträge wurden sodann direkt für Einkäufe genutzt, an Einkäufer ausgekehrt oder in bar abgehoben.
200Auf den privaten Konten der Angeklagten N1 konnten ferner weitere durch W3 ausgezahlte Beträge festgestellt werden. So ergaben sich auf dem Konto des Angeklagten N bei der Sparkasse X, 000000000, im Jahr 2018 Zahlungen von insgesamt 0.000,00 F1 durch W3.
201Im Jahr 2019 überwies W3 auf die Konten des Angeklagten N bei der Sparkasse X, Kto-Nr. 000000000, und des Angeklagten N1 bei der Sparkasse E12, Kto-Nr. 000000000, einen Gesamtbetrag in Höhe von 00.000,00 F1.
202Schließlich erfolgten weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 00.000,00 F1 für 2020 bis einschließlich Februar 2020 auf das bereits erwähnte Konto des Angeklagten N bei der Sparkasse X.
203Zusammenfassend hat die Kammer für 2017 einen Betrag in Höhe von 00.000,-F1, für 2018 einen Betrag in Höhe von 0.000.000,- F1, für 2019 einen Betrag in Höhe von 0.000.000,- F1 und für 2020 in Höhe von 000.000,- F1 an Bruttoerlösen des durch die Angeklagten L und N betriebenen Tickethandels festgestellt.
204Auch in diesem Fall hat die Kammer die hinterzogene Umsatzsteuer anhand der bereits zuvor angewendeten Parameter bzgl. Aufteilung der Umsätze nach Sport- und Konzertveranstaltungen bzw. nach dem Ort der Veranstaltung im In- bzw. Ausland berechnet. Es ergibt sich mithin für das Jahr 2017 hinterzogene Umsatzsteuer in Höhe von 0.000,-F1, für das Jahr 2018 in Höhe von 000.000,- F1, für das Jahr 2019 in Höhe von 000.000,- F1 und für das Jahr 2020 in Höhe von 00.000,- F1 Dies entspricht einer Gesamtsumme von 000.000,-F1 für diesen Tatkomplex.
205IV.
206Die Feststellungen zur Person beruhen jeweils auf den insoweit glaubhaften Angaben der Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung sowie ergänzend auf den verlesenen Auskünften aus dem Bundeszentralregister und bezüglich des Angeklagten W auf dem verlesenen Strafbefehl des AG H.
207Die Feststellungen zur Sache hat das Gericht auf der Grundlage des Inbegriffs der Hauptverhandlung, namentlich nach umfassender Würdigung der jeweiligen Einlassungen der Angeklagten sowie der nachfolgend geschilderten Beweismittel, getroffen Die Kammer ist von der Richtigkeit dieser Feststellungen überzeugt.
208Vorab ist anzumerken, dass die Angeklagten L und W umfassend geständig waren. Die Angeklagten N und N1 haben die tatsächlichen Umstände – mit Ausnahme der Frage, ob hier zum Betrieb des gemeinsamen Tickethandels eine GbR gegründet wurde – im Wesentlichen eingeräumt und sind dem von der Kammer überarbeiteten Zahlenwerk der Anklage nicht entgegengetreten.
209Die Einwände der Verteidigung der Angeklagten N und N1 richteten sich vielmehr gegen die umsatzsteuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts und gegen die Annahme steuerbarer Umsätze. Insoweit haben sie zahlreiche Einwände vorgebracht, auf die hier erst im Rahmen der rechtlichen Würdigung eingegangen wird.
210Der Angeklagte L hat die Tatvorwürfe der ihn betreffenden Anklagen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich eingeräumt. Er sei zunächst lange Zeit als selbstständiger Tickethändler für Fußball- und Konzerttickets tätig gewesen und habe sich zur Abwicklung der Geschäfte Aliasnamen, Hilfskräften (sog. „B2“) und diverser Konten bedient. Umsätze habe er den Finanzbehörden nicht gemeldet und Steuerklärungen zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Aus den Einnahmen des Tickethandels habe er über lange Zeiträume seinen Lebensunterhalt bestritten.
211Der Ankauf der Tickets sei über verschiedene Vorverkaufsstellen der Vereine oder andere gewerbliche Händler erfolgt. Dort habe er in der Anfangszeit schnell große Stückzahlen erwerben können. Auch habe er schon ab dem Jahr 2012 Studenten oder Sozialhilfeempfänger angeworben, die dann gegen Provision Tickets für ihn gekauft hätten. Hierzu sei man regelmäßig quer durch E3 gefahren, woran sich u. a. auch der Mitangeklagte W beteiligt habe. Später hätten auch die Mitangeklagten N und N1 an den Angeklagten L Tickets verkauft oder sich an Einkaufsfahrten beteiligt. Der Kontakt zum Angeklagten N sei ursprünglich über F3-Kleinanzeigen entstanden. Der Angeklagte N sei für ihn als Lieferant schnell wertvoll geworden, da er auch größere Stückzahlen von 20 bis 40 Tickets besorgen konnte. Hieraus habe sich später eine verstärkte Zusammenarbeit entwickelt.
212Der Verkauf der Tickets habe zunächst insbesondere über die Plattform F3, teilweise auch „von Hand zu Hand“ stattgefunden. Etwa ab dem Jahr 2014 habe er seinen Handel vermehrt über die Plattform W3 betrieben. Hierfür habe er zunächst einen auf den Angeklagten W registrierten Nutzeraccount eingesetzt. W3 sei seinem Verständnis nach als Vermittler zwischen dem jeweiligen Verkäufer und dem Käufer des Tickets tätig geworden, wobei dem Käufer die Identität des Verkäufers aber nicht mitgeteilt worden sei. Hingegen habe z.B. F3 die Daten der Verkäufer an die Veranstalter weitergeleitet. Letzteres habe er umgehen wollen. Restkarten seien aber zum Teil über F3-Kleinanzeigen verkauft worden. Das Geschäft sei auf maximale Gewinnaufschläge ausgelegt gewesen, die allerdings von Veranstaltung zu Veranstaltung variierten.
213Im Spätsommer 2017 sei er nach seiner Erinnerung in M4 mit den beiden Mitangeklagten N sowie N1 übereingekommen, den Tickethandel fortan gemeinschaftlich zu betreiben, obwohl er zunächst unter dem Eindruck der erneuten Durchsuchungen durch die Steuerfahndung pausieren wollte. Man habe ihn jedoch überzeugt, sich an den gemeinsamen Geschäften gleichberechtigt, also mit einem Gewinnanteil von einem Drittel, zu beteiligen. Hierzu habe er Geldbeträge in sechsstelliger Höhe von Q3-Accounts, Ticketbestände und sein über die Jahre aufgebautes Wissen bzw. seine Erfahrung aus dem Schwarzhandel in das Tagesgeschäft eingebracht. N habe seinen W3-Account zur Verfügung gestellt und sich ebenfalls wesentlich in das Tagesgeschäft eingebracht. N1 habe die Q6Firma und deren Geschäftskonten zur Verfügung gestellt, sich um die Geldflüsse und etwaige Abmahnungen der Veranstalter sowie um Kontakte zu Q6 Rechtsanwälten oder Steuerberater gekümmert. Aus seiner Sicht sei sein bisheriger Geschäftsbetrieb in dem Zusammenschluss aufgegangen. Er habe seinen Tickethandel aber nicht auf die Q6 Gesellschaft N8 übertragen, an dieser sei er auch weder beteiligt worden noch sei er dort angestellt gewesen. Die Mitangeklagten N hätten ihm gegenüber mitgeteilt, dass sie Geld für den Betrieb des Tickethandels benötigten und ihn dazu bewogen, nicht alles „wegzuschmeißen“. Innerhalb der Übereinkunft habe man sich darauf verständigt, den Zahlungsverkehr über die Q6 Konten der N8 abzuwickeln. Man habe auch erörtert, Einnahmen aus dem Tickethandel in Q zu versteuern. Ob es dazu gekommen sei, könne er nicht sagen. Er selbst habe zu keiner Zeit Steuererklärungen abgegeben oder an etwaigen Zahlungen an die Finanzbehörden mitgewirkt. Nach seiner Erinnerung könne man den Beginn der Zusammenarbeit auf Oktober 2017 datieren.
214Auf den W3-Account des Angeklagten N habe auch der Angeklagte L zugreifen können. Sie beide hätten sich bezüglich der Organisation des Ein- und Verkaufs engmaschig abgesprochen und dabei arbeitsteilig zusammengewirkt. Man habe sämtliche Einkaufsmöglichkeiten gemeinsam genutzt. Die Gelder für den Einkauf seien von W3 auf die Konten der Q6 Gesellschaft überwiesen und sodann von dem Angeklagten N1 auf Konten in E3 weitergeleitet worden, wo sie dem Zugriff durch die Angeklagten N und L zur Verfügung standen. Der Einkauf, der Verkauf und der Versand der Tickets sei von E3 aus erfolgt. Hier habe auch die Zeugin V2 gemäß den Vorgaben der Angeklagten Büroarbeiten für den Tickethandel ausgeführt.
215Es sei abgesprochen gewesen, die Gewinne aus dem gemeinsamen Tickethandel untereinander gleichmäßig aufzuteilen. Im Nachhinein habe er allerdings das Gefühl, von den Angeklagten N um seine Gewinnanteile teilweise geprellt worden zu sein, da im Wesentlichen nur die Miete für seine Wohnungen übernommen worden sei. Seine Erwartung, dass er weiterhin erhebliche Einkünfte aus dem Tickethandel erzielen könne, habe sich nicht erfüllt.
216Nachdem er sich aus diesen Gründen Anfang des Jahres 2020 mit den beiden Mitangeklagten N überworfen habe, habe er seine Geschäfte schlussendlich wieder allein betrieben, bis der Handel aufgrund der D3-Pandemie im Jahr 2020 endete. Eine finanzielle Auseinandersetzung der gemeinschaftlichen Geschäftstätigkeit sei zwar von ihm angestrebt worden, habe aber nicht mehr stattgefunden.
217Die Kammer verkennt nicht, dass die Einlassung des Angeklagten L nicht der Wahrheitspflicht unterliegt, im Rahmen einer Verfahrensabsprache abgegeben wurde und dass der Angeklagte die Beantwortung von Nachfragen der Mitangeklagten abgelehnt hat. Nichtsdestoweniger ist seine Einlassung nachvollziehbar und lebensnah, korreliert mit seiner aus den Vorstrafen ersichtlichen langjährigen, eigenverantwortlichen und von Strafverfolgung unbeeindruckten Geschäftspraxis, und wird durch den in die Hauptverhandlung auszugsweise eingeführten Chatverkehr mit den Mitangeklagten und Dritten bestätigt.
218Bezogen auf den Umsatz hat der Angeklagte L mitgeteilt, dass hiervon ein Drittel auf Geschäfte mit Konzerttickets, der übrige Teil auf Fußballtickets entfallen seien. Die Fußballveranstaltungen hätten zu 90 % in E3 stattgefunden, Konzertveranstaltungen etwa zur Hälfte.
219Dass der Angeklagte L versuchte, seine Geschäfte vor dem Fiskus auf verschiedene Weisen geheim zu halten und sich der Steuerbarkeit seiner Umsätze bewusst war, wird belegt durch den in der Hauptverhandlung verlesenen Chat-Verkehr. Hier schreibt er etwa am 19.04.2017 (Bl. 2595) an eine Person namens T12: „Jetzt will ich anonym lieber meine Ruhe“, „Muss nicht jeder sehen, dass ich das bin“ und weiter: „Nur lasse ich mir mein Geld nicht mehr stehlen“ - „Von keiner Frau“ - „Von keiner Justiz“ - „Von keinem Amt“, „E3 ist so krank“ - „Kaufe ich von dir ne Karte für 00“ - „Verkaufe ich sie für 00 und Original ist 00 mache ich minus“ - „In E3“ - „O3“ - „00 F1 Gewinn minus steuern“ - „schwarz keine Steuern“. Wenige Monate später kommt es dann zum Zusammenschluss mit den Angeklagten N unter Einschaltung einer Q6 Gesellschaft bzw. Umleitung der Zahlungswege über deren Konten, was nahelegt, dass dies vor allem zur weitergehenden Verschleierung und Anonymisierung geschah.
220Dass der Angeklagte L auch selbst die Sichtweise hatte, nicht an, sondern über W3 zu verkaufen, schildert er im Rahmen einer Auseinandersetzung mit seinem Kontakt S1 – offensichtlich Ansprechpartner für Verkäufer: „(…) Trotzdem muss ich sagen, dass es immer unattraktiver wird, bei W3 zu verkaufen. Ich betreibe keine Bank die Kredite vergibt. Am Ende der Saison werde ich mich mit E13 und N9 zusammensetzen und alles analysieren.“ (Nachricht vom 28.04.2017, Bl. 2589; zu diesem Chat merkt die Kammer klarstellend an, dass er entsprechend der Seitenangabe in der Selbstleseliste tatsächlich verlesen worden ist, wenn gleich das betreffende Datum in der Liste versehentlich nicht mit aufgeführt ist). Offensichtlich verschleiert er auch gegenüber diesem Kontakt seine wahre Identität und die Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt noch allein und eigenverantwortlich handelte. Ferner wird im Rahmen der Kommunikation mit diesem Empfänger belegt, dass der Angeklagte tatsächlich ganz erhebliche Erlöse aus dem Handel mit Tickets erzielte: „(…) Wir haben in 12 Monaten bestimmt 3 Millionen Umsatz gemacht und komme mir manchmal vor wie der letzte Fußabtreter. (…)“ (Nachricht vom 28.05.2017, Bl. 2592, auch zu diesem Chat merkt die Kammer klarstellend an, dass er entsprechend der Seitenangabe in der Selbstleseliste tatsächlich verlesen worden ist, wenn gleich das betreffende Datum in der Liste versehentlich nicht mit aufgeführt ist).
221Der Angeklagte N hat eingeräumt, aktiv an einem Tickethandel mit Fußball- und Konzerttickets mitgewirkt zu haben, bzw. einen solchen Handel insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 zunächst eigenständig betrieben zu haben. In der Anfangszeit habe er insbesondere auch dem Angeklagten L Tickets beschafft. Hierzu habe man sich irgendwann im X1 Raum auch persönlich getroffen. Er habe früh gemerkt, dass es sich um ein lukratives Geschäft handle und er sich so sein studentisches Leben finanzieren könne. Dass für derartige Geschäfte Steuern anfielen sei ihm zwar bewusst gewesen, habe er aber aus jugendlichem Leichtsinn billigend in Kauf genommen. und dementsprechend auch keine Steuern angemeldet bzw. erklärt oder abgeführt. Dass er betreffend das Jahr 2016 rund 00.000 F1, im Wesentlichen durch Verkäufe über W3 vereinnahmt habe, käme durchaus hin. Das Geld sei zunächst auf seinen Q3-Account verbucht und sodann von dort auf sein Konto bei der Sparkasse geflossen. Irgendwann seien ihm angesichts des Wachstums der Umsätze Bedenken gekommen, ob er sich einem erhöhten Risiko von Strafverfolgung aussetze. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich dann seinem Vater anvertraut. Zuvor sei dieser nicht am Geschäft beteiligt gewesen, habe allenfalls gelegentlich bei der Beschaffung von Karten mitgewirkt.
222Der Angeklagte N1 habe ihm Anfang 2017 erläutert, einen Weg zu kennen, ihn aus der „persönlichen Haftung“ herauszunehmen. Dies sei ein Konstrukt gewesen, den Tickethandel auf die in Q ansässige N8 zu verlagern. Man habe sich im Zuge dessen auch durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater in Q beraten lassen. Hierbei habe sich die Einschätzung ergeben, dass in E3 keine Steuern abzuführen seien. Der Angeklagte gehe davon aus, dass Bilanzen in Q gefertigt worden seien und soweit notwendig dort auch Steuern gezahlt worden seien. Ob dies so war, könne er nicht sagen, da sich sein Vater um die finanziellen Angelegenheiten und auch um die Kontoführung gekümmert habe. Der Angeklagte beruft sich darauf, auf die Beratung durch den in Q ansässigen Steuerberater bzw. Rechtsanwalt Q6 X7 vertraut zu haben.
223Hingegen bestreitet der Angeklagte N eine Absprache dahingehend, dass der Handel mit dem Angeklagten L als Gesellschaft bürgerlichen Rechts o. ä. betrieben werden sollte. Hiergegen spreche aus seiner Sicht auch der Umstand, dass die Überweisungen seitens W3 tatsächlich auf die Firmenkonten der N8 geflossen seien. Der Angeklagte L habe an diesem Unternehmen – was den Tickethandel betrieben habe – nicht beteiligt werden sollen. Stattdessen habe es sich um eine bloße Gewinnbeteiligung des Angeklagte L gehandelt, auch wenn man von den Geschäftskontakten des Angeklagten L durchaus habe profitieren können. Er selbst habe letztlich an den Geschäften nicht verdient, Auszahlungen an ihn habe es nicht gegeben, alles sei in die Q6 Gesellschaft geflossen.
224Der Angeklagte N1 hat ebenso bestätigt, dass der Tickethandel unter seiner Beteiligung betrieben worden sei. Umfang und Höhe der durch W3 ausgezahlten Beträge träfen zu.
225Der Angeklagte N1 hat weiter angegeben, im Jahr 2015 noch keine Kenntnis von den Ticketgeschäften seines Sohnes gehabt, sondern erstmals im Jahr 2016 darauf aufmerksam geworden sei und damals auch erstmals selbst Tickets besorgt zu haben. Zum Jahreswechsel 2017 sei ihm dann die Dimension klargeworden, weshalb er nach eigener Prüfung der Rechtslage zu dem Entschluss gekommen sei, die Geschäfte auf die zu diesem Zeitpunkt bereits existierende N8 zu übertragen, sodass keine steuerlichen Pflichten mehr in E3 zu erfüllen wären. Hierzu habe er unter anderem die damals geltenden AGB von W3 studiert. Diese hätten mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereingestimmt. Von W3 habe man die Rückmeldung bekommen, dass sie nur mit Privatleuten in geschäftlichen Kontakt träten. Daher habe man die Konstruktion über eine Übernahme von Rechten und Pflichten durch die N8 gewählt. Da W3 seinen Sitz in der T2 hat, ergäbe sich letztlich keine Umsatzsteuerpflicht in E3. Profitiert habe man außerdem dadurch, dass Kosten in Q in Form von Eigenbelegen geltend gemacht werden könnten. Ebenso sei der Rechtsform unter Ausschluss einer persönlichen Haftung für seinen Sohn ein größeres Gewicht bei der Entscheidung zugekommen. Der Angeklagte L sei nur noch ein Zuarbeiter gewesen und seiner Auffassung nach damit auch aus einer steuerlichen Verantwortung für die Verkäufe entlassen gewesen. Die Steuerbescheide der Finanzverwaltung habe man letztlich aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht weiter im Klageverfahren angegriffen. Man habe bislang keine Forderungen der Finanzverwaltung bedienen können.
226Soweit die Einlassungen der Angeklagten N und N1 von den Feststellungen der Kammer abweichen, werden sie durch die Inhalte der ausgewerteten Geschäfts- und Privatkonten sowie den umfangreichen Chatverkehr zwischen den Angeklagten im Sinne der hier getroffenen Feststellungen widerlegt.
227Aus den im Selbstleseverfahren eingeführten Kontodaten der durch die Angeklagten genutzten Bankkonten und Q3-Accounts ist ersichtlich, dass der Angeklagte N schon im Jahr 2015 und der Angeklagte N1 schon im Jahr 2016 geschäftlichen Kontakt mit dem Angeklagten L hatten. Immer wieder kommt es dort zu Zahlungen in denen mehrfach ein Verwendungszweck angegeben wird, der Bezug zum Tickethandel besitzt. Der Angeklagte N1 erhält vom Angeklagten L über Q3 allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2017 Zahlungen in Höhe von 000.000,- F1. Das auch er selbst schon zu diesem Zeitpunkt den Schwarzhandel des L förderte und dementsprechend in dessen steuerunehrliche Geschäftspraxis verwickelt wurde, muss dieser als Jurist in besonderem Maße für sich erkannt haben. Vor diesem Hintergrund ist die Einlassung, seinen Sohn, nachdem sich dieser ihm anvertraute, aus einer „persönlichen Haftung“ nehmen zu wollen, nicht glaubhaft. Nahe liegt allein der von der Kammer gezogene Schluss, dass der Angeklagte N1 erkannte, welche Summen sich mit dem Handel von Tickets verdienen lassen, er dabei von den Erfahrungen des Angeklagten L profitieren wollte und die Strukturen unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Q6 Gesellschaften in Hinsicht auf eine größtmögliche Verschleierung der Praxis optimieren wollte. Insbesondere hat der Angeklagte N1 auch nicht davor zurückgeschreckt, die zumindest zivilrechtlich – nämlich durch B3 der Veranstalter – untersagte Geschäftspraxis des gewerblichen Weiterverkaufs von Tickets auszuüben.
228Zwischen dem Angeklagten L und dem Angeklagten N kam es zu umfangreicher Chat-Kommunikation über den Tickethandel. Hieraus ist zum einen ersichtlich, dass der Betrieb durch ein arbeitsteiliges Vorgehen der Angeklagten gekennzeichnet war. Deutlich wird aber wiederum insbesondere, dass der Angeklagte L eine zentrale Figur des Unternehmens war. So versichert sich etwa der Angeklagte N bei ihm am 07.01.2019 (Bl. 2712): „Könnten wir Donnerstag von I6 aus ein Auto nach n9 schicken“, wobei n9 offensichtlich für N10 steht. Der Angeklagte L entscheidet: „Okay“. Am 09.01.2019 (Bl. 2713) weist er den Angeklagten N an: „Bestell mal bitte in 00“, „Da gibt es wieder D00 00“.
229Angesichts dieser Entscheidungsgewalt ist die Einlassung der Angeklagten N, der Angeklagte L hätte ihnen nur zugearbeitet, abwegig und spiegelt nicht die gelebte Realität wieder. Am 21.01.2019 (Bl. 2714) fragt dann der Angeklagte N beim L an: „Alter wie werden wir unsere scheise los :E“.
230Die Verantwortlichkeit des Angeklagten N1 namentlich für die Geldflüsse wird beispielhaft aus folgender Chatkommunikation deutlich. Am 10.07.2019 (Bl. 747) fragt N seinen Vater: „Wie viel Geld ist noch in Q?“. Der Angeklagte N1 antwortet am selben Tag: „In Q sind noch 000 F1“. Und am 05.08.2019 (Bl. 747) bittet N seinen Vater: „Kannst du bitte das Geld einzahlen auf dem Konto“.
231Dass sich sämtliche Angeklagte über die Steuerunehrlichkeit der Geschäfte bewusst waren, verdeutlicht für die Angeklagten L und N folgender in der Hauptverhandlung verlesener Chat vom 23.01.2019 (Bl. 2716) – L: „Es ist nicht normal, das keiner irgendwo Geld hat um was mit Q3 zu bezahlen“, „Dann fehlen halt um die 00-00“, N: „Es ist immer noch keine Auszahlung da ! Was soll ich machen ? Du hast auch nen Papal Account oder sonst einer von denen wir es jetzt ne…“, L: „Ich habe einen aber dann kann ich’s gleich ans Finanzamt senden“.
232Der Angeklagte N machte derartige Andeutungen sogar im Chat mit einer Mitarbeiterin von W3, der Zeugin H4 vom 09.04.2019 (Bl. 3057). Die Zeugin H4: „Du gehst tatsächlich zur uni“, der Angeklagte N: „ Ja :E“, „Muss ja mal fertig werden“, „Und legale Geschäfte machen :E“ (…) „Ja aber Fußball ist gefährlich geworden also E12mit Karten“, „Man hört da nichts gutes“. Die Zeugin H4: „Ist ja eigentlich nichts neues“, „Entweder gesperrte karten oder das finanzamt klopft an“. Der Angeklagte antwortet noch: „Ja“, „Finanzamt flieht sehr sehr tief momentan“, „Auch bei kleinen Händlern“. Da schon durch die oben geschilderten Chats erkennbar ist, dass der Angeklagte N mit seinem Vater in engem Austausch steht, gelten die hier gezogenen Schlüsse für den Angeklagten N1 in gleichem Maße.
233Mit der Zeugin H4 hat der Angeklagte N außerdem am 16.01.2020 (Bl. 472f) Chatkontakt. Hieraus geht erneut explizit hervor, dass dem Angeklagten N die kriminelle Vergangenheit der Angeklagten L bewusst war: „ja der ist verlobt mit der… er hofft, wenn er heiratet dass er nicht in den knast muss“. Die Zeugin H4 antwortet: „Ich dachte, der wäre schon verheiratet“, „mit ner deutschen hier“.
234Schon in einem früheren Gespräch, in dem der Angeklagte L den Angeklagten N am 05.01.2019 (Bl. 721) um Übermittlung von Kreditkarten- bzw. Bankverbindungsdaten bittet, antwortet der Angeklagte N schlussendlich: „Wir sollten nur mit deiner Nummer nicht übertreiben“, „Weil da immer steht“, „Die Firma“. Im weiteren Verlauf wird erkennbar, dass auch der Angeklagte N1 etwa am Einkauf von Tickets mitwirkte. So erkundigt sich der Angeklagte L „Wer bucht alles mit?“. Der Angeklagte N antwortet ihm: „D4 du ich“, „Papa gleich sein Laptop hat nen Problem“.
235Etwa ab dem Spätsommer 2019 kommt es zu diversen Streitigkeiten in Bezug auf die Führung der Geschäfte zwischen den Angeklagten N und L. Der Angeklagte L schreibt am 30.08.2019 (Bl. 1712): „N ganz ehrlich hab die Schnauze voll“, „Es kotzt mich an“ (…) „Du hast gesagt du fährst am Mittwoch dahin, dann hast du gesagt du fährst am Freitag dahin. Wir schulden dem seit Monaten Geld es ist immer dasselbe bei euch“, „Ihr bringt das Geld nicht dahin und verschlampt ständig Zahlungen“, „Vergrault alle Lieferanten und ständig soll ich die scheisse ausbaden“.
236Am 13.09.2019 (Bl. 1714) folgen Nachrichten mit dem Inhalt „Du kannst bald dein scheiss W3 alleine machen. Wenn ich Sonntag wieder Zugang zu einem Laptop habe, werde ich ab sofort alle Angebote bearbeiten“, „Wir fahren ab sofort keinerlei Risiko mehr“, „Ich hab dir gesagt verkauf nicht I8 und so billig“
237Auf der anderen Seite wirft auch der Angeklagte N dem Angeklagten L am 19.11.2019 (Bl. 1724) Versäumnisse vor: „L…warum sind die Dauerkarten immer noch O4 online? Es kann doch nicht sein dass es ne Woche dauert die paar Dauerkarten mal ins System zu packen? Gerade wenn die Zeiten so scheise laufen wie sie gerade tun ist da absolut nichts weg zuschmeißen? Habe dafür such langsam kein Verständnis mehr für!“ Auch diese Nachrichten sieht die Kammer als Belege dafür, dass der Geschäftsbetrieb von den Angeklagten gemeinsam ausgeübt wurde und dass der Angeklagte L mitunternehmerisch eingebunden war.
238In einem weiteren Streitgespräch mit dem Angeklagten N vom 16.01.2020 (Bl. 2775), in der dem Angeklagten L vorgeworfen wird, nebenbei wieder eigene Geschäfte zu betreiben antwortet dieser – insoweit unwidersprochen –: „Und dann nur mal zur Erinnerung, solltest du überlegen wer das ganze Startkapital überhaupt eingebracht hat und wer die letzten zwei Jahre sich den Arsch fast alleine aufgerissen hat und alle Fehler ausgebadet hat. Ob ihr drei Wochen in den Urlaub gefahren seid oder nicht es blieb alles an mir hängen (…)“. Auch daraus wird der Stellenwert des Angeklagten L von Beginn an deutlich. Der Chat belegt ferner einen elementaren Gesichtspunkt der Aussage des Angeklagten L zum Beginn des gemeinsamen Handels: Die Überlassung erheblichen Startkapitals.
239In seiner Verärgerung regt der Angeklagte im weiteren Verlauf des Chats vom 16.01.2020 (Bl. 2776) an, die gemeinsame Unternehmung zum Saisonende zu beenden und sich vermögensmäßig auseinanderzusetzen: „Wenn du meinst dass wir so besser fahren, ziehen wir zum Saisonende einen CAD, rechnet alles aus, sofern überhaupt eine ansatzweise Transparenz eurerseits möglich ist und lassen es dann darauf beruhen. Aber ich lasse mich nicht an der Nase herumführen oder verarschen…“
240Die hier angeregte Auseinandersetzung des Geschäftskapitals spricht ebenfalls für den GbR-Zusammenschluss und den Rechtsbindungswillen der Angeklagten.
241Dass die Angeklagten sehr wohl zumindest mit der Möglichkeit der Steuerbarkeit ihrer Geschäfte in E3 gerechnet und dies billigend in Kauf genommen haben, ergibt sich andeutungsweise aus dem Chatverkehr zwischen dem Angeklagten L und N vom 07.01.2020 (Bl. 2769): „Du hast mir echt zumindest leicht nen Schrecken eingejagt in Sachen Steufa oder so“. Auf Nachfrage des Angeklagten N der Angeklagte L weiter: „Ja weil alles aus war. Ich hab sofort geschaut wann du das letzte mal online warst“, der Angeklagte N daraufhin: „Ne ne :E mit deinen haben ich ja eh kein Problem weil ich alles zahle“, L: „Sei dir nie zu sicher. Deswegen sage ich auch keinen anderen Händlern mehr was wenn die fragen wo die Firma haben.“ „Denn nach diesem MwSt-Gesetz müsste man diese in dem Land abführen wo die Veranstaltungen stattfinden. Die I9 setzen das wohl rigoros um. Die Q juckt es wohl wenig. Unser Glück.“ Der Angeklagte N antwortet schlichtweg: „Ja“ und zeigt sich damit weder überrascht von der in Rede stehenden Steuerbarkeit der Umsätze, noch widerspricht er dieser unter Hinweise auf die früheren Stellungnahmen des Q6 Steuerberaters, was nahegelegen hätte.
242Auch am 26.01.2020 (Bl. 1725) – dem Tag der Durchsuchung beim Angeklagten N – zeigt dieser sich dann gegenüber dem Angeklagten L unbeeindruckt. Auf eine Nachfrage des Angeklagten L antwortet er: „Soweit alles gut“, „Morgen da anrufen gucken was alles fehlt haben ja nen bisschen was mitgenommen“.
243Dass nach den insoweit unwiderlegten Einlassungen der Angeklagten N für die N8 in Q über einen Steuerberater Buchführung, Rechnungswesen und Steuererklärungen auch bzgl. des Tickethandels erstellt wurden, indiziert weder objektiv die Übertragung des Tickethandels auf die N8 noch belegt es subjektiv eine dahingehende (Fehl-)Vorstellung der Angeklagten. Wie bereits ausgeführt, widersprach die dem Steuerberater durch die Angeklagten N vermittelte Zuordnung des Tickethandels an die N8 der wirtschaftlichen Realität und ist daher von den Angeklagten ersichtlich als Verschleierungsmittel genutzt worden.
244Soweit der Angeklagte N in seiner Einlassung außerdem behauptet, Auszahlungen an die Gesellschafter habe es durch die Q6 Gesellschaften nicht gegeben, wird auch diese Angabe schon anhand der Kontoumsätze der Geschäftskonten der N8 widerlegt. Dort finden sich mehrere mit „Q8 U5“ oder „Q8 J4“ bezeichnete Umbuchungen an den Angeklagten N. Auch hieraus wird deutlich, dass es den Angeklagten N bei ihrer Aussage darauf ankam, jegliche Form offenkundiger Fehler in ihrer auf Verschleierung ausgelegten Firmenkonstruktion zu verdecken.
245Der Angeklagte W war umfassend geständig. Er hat bestätigt, dem Angeklagten L ein Konto bei der G1 Bank AG mit der Kontonummer 00000000 sowie das Konto bei der Q6GmbH mit der Kontonummer 0000000000 eingerichtet und zur Verfügung gestellt zu haben, wobei er damit gerechnet und billigend in Kauf genommen habe, dass L die Konten erneut für seinen steuerverkürzendenTicket-Handel nutzt.
246Hintergrund sei, dass der Angeklagte L ihm gegenüber erklärt habe, aufgrund der bisherigen Strafverfolgung und Ermittlungsverfahren keine Konten unter seinem eigenen Namen eröffnen und führen zu können. Der Angeklagte W hat darüber hinaus eingeräumt, weitere Hilfsdienste wie etwa Fahrten zu Vorverkaufsstellen, Ankäufe von Tickets oder sonstige Botenfahrten übernommen zu haben. Seine Angaben werden durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Chats bestätigt. Diese beinhalten u. a. Kommunikation der Angeklagten W und L zur Eröffnung eines Bankkontos mit Datum vom 22.06.2014 (Bl. 3737). Wörtlich führt der Angeklagte W darin etwa aus: „B4 konto ist Donnerstag zu 00,000000% aktive Karten sollen dann 14 Tage später da sein“. Der Angeklagte L antwortet hierauf am 22.06.2014 (Bl. 3738) u. a.: „Die wissen nicht was da bald für Umsatz ist“, was erneut den Umfang seiner Tätigkeit belegt.
247Dass der Angeklagte W über Jahre weitere Hilfsdienste wahrgenommen hat, wird ebenso durch die ihre gemeinsamen Chats bestätigt. So schreibt L an W am 28.01.2020 (Bl. 1701) „Wenn ihr Karten gekauft habt stellen sich am besten alle wieder an und lassen sich andere Namen einfallen“ (…), am 29.01.2020 (Bl. 1702) „Oder machen wir es anders, ich zahle für jede Karte 00 €. Das ist doch genug Ansporn andere welche anzuquatschen“. Am 30.01.2020 (Bl. 1702) schreibt W an L: „Ich mache dir folgenden Vorschlag, morgen Früh gegen 10:00 Uhr werde ich nach N10 fahren, die Tickets dort holen. Von dort aus fahre ich nach U6 und E14und nehme die beiden auf. Und dann fahren wir zu dir. Holen dich ab, fahren dann nach E12 und H5.“
248Weitere Feststellungen der Kammer wurden auf Grundlage der Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen getroffen.
249Der Zeuge L5 Abteilungsleiter im Bereich Ticketing beim Verein C1, hat bekundet, ein kommerzieller, gewerblicher Weiterverkauf von Tickets für Spiele des C2 sei schon seit jeher in Allgemeinen Ticketbedingungen des Vereins untersagt worden. Den Verkauf durch gewerbliche Schwarzmarkthändler zu verhindern, sei ein großes Anliegen der C13vereine. Hier investiere man erheblichen personellen Aufwand ebenso wie bei der Zusammenarbeit mit Kanzleien zwecks Abmahnung der Schwarzhändler und veranstalte verschiedene Aktionen, um Fans für die Thematik zu sensibilisieren. Die Angeklagten N und L seien im Zusammenhang mit dem Tickethandel bei C1 bekannt gewesen und mehrfach abgemahnt worden. Auf Grundlage seiner Aussage hat die Kammer die Feststellungen im Hinblick auf die Hintergründe zum Schwarzhandel in der FußballC13 und die entsprechenden Gegenmaßnahmen von Veranstaltern von Großveranstaltungen gewinnen können.
250Die Zeugin V2, ehemals Lebensgefährtin des Angeklagten N und seinerzeit Büroangestellte bei der zwischen diesem und den Herren C9 und I4 gegründeten GbR, hat angegeben, an Einkäufen von Fußball- und Konzerttickets für das In- und Ausland für die Angeklagten beteiligt gewesen zu sein. Zunächst habe sie zu diesem Zweck Bargeldbeträge vom Angeklagten N1, dann aber auch höher Summen auf ihr Bankkonto erhalten. Im Gegenzug habe sie Provisionen von etwa 0 bis 0 F1 pro Karte bekommen. Irgendwann habe sie auch für die N8 Bürotätigkeiten wie Telefondienste oder das Schreiben von Rechnungen übernommen. Überdies hat die Zeugin V2 bekundet, dass sie die Geschäftsvorfälle des Tickethandels im Wesentlichen aufgrund von Eigenbelegen des N1 erfasst habe. Auch durch die Aussage der für die N8 im Wege des Büroservice in E3 tätigen Zeugin V2, wird der Verdacht der inländischen Geschäftstätigkeit der Angeklagten bestätigt.
251Auch der Zeuge C10 gab an, die erwähnte GbR zum Handel mit T8-Kohle gegründet zu haben und in Geschäfte mit der N8 verwickelt gewesen zu sein. Die GbR sei im Jahr 0000 gegründet worden. Parallel habe er sich an den Ticketeinkäufen beteiligt und hierfür Provisionen erhalten.
252Die Verschleierung von Verantwortlichkeiten in Bezug auf diese GbR und die Q6 N8 ergibt sich aus einem Chat vom 15.01.2019 (Bl. 739) zwischen den Beteiligten an der C9, I4 und N GbR. Hierin wird die Anstellung der Zeugin V2 besprochen und wie man dies nach außen hin glaubhaft darstellen kann. Der Angeklagte N: „Habe in I10 den Arbeitsvertrag von D4 gepackt.“, „Dem müssen wir alle unterschreiben“. Daraufhin C9: „Wir müssen dann gucken wegen weiteren Kunden. Können ja nicht das Gehalt von der N8 uns überweisen lassen und 1 zu 1 durchgeben an D4.“ Daraufhin I4: „Ja das ist sehr wichtig. Der Steuerberater sagte auch ganz deutlich, ein Kunde reicht lange nicht, es müssen zwingend mehrere sein“. Der Angeklagte N: „Ja desweiteren werden wir den monatlichen Betrag variieren den Q bezahlt“, I4: N das müssen wir vorher klären. Wenn wir jetzt sagen: ‘ja erstmal D4 einstellen und dann gucken wir weiter dann verläuft es sich im Sande und es ändert sich nix. Es ist nun mal irgendwie eine kleine Mauschelei und der T13 hat gesagt, das geht nur mit mehreren Kunden etc. Also da sollte man sich jetzt drüber Gedanken machen und es nicht aufschieben“ .
253Der vernommene Zeuge C8 hat den Angeklagten L seinen Angaben nach zufällig durch einen Verkauf von Eintrittskarten für ein Spiel des C2 in M5 kennengelernt. Darüber sei ein regelmäßiger Kontakt in Form von Weiterverkäufen von Tickets und letztlich auch eine Freundschaft entstanden. Hierfür habe er auch eigene Kontakte genutzt und pro Karte etwa 0 F1 an Gewinn erhalten. Da der Angeklagte L seines Wissens nach über kein eigenes Konto verfügte, habe er für diesen über eigene Konten Gelder vereinnahmt, Überweisungen getätigt, sogar Unterhaltsleistungen überwiesen. Irgendwann seien dann die Angeklagten N10 dazugekommen und man habe ihm vermittelt, dass alles offiziell und steuerehrlich gehandhabt würde. Für ihn persönlich habe sich an dem bisherigen System aber nur geändert, dass er Gelder für Ticketeinkäufe nunmehr vom Angeklagten N1 erhalten habe. Sein Ansprechpartner sei aber weiterhin der Angeklagte L gewesen. Seiner Einschätzung nach habe man zu 80 % Fußballtickets eingekauft und nur ein verschwindend geringer Teil der Veranstaltungen habe im Ausland stattgefunden.
254Hieraus folgert die Kammer, dass die gewährten Abschläge für Auslandsveranstaltungen anhand der Angaben des Angeklagten L jedenfalls nicht zu niedrig bemessen wurden und die Angeklagten auch nicht im Hinblick auf die Verteilung zwischen Umsätzen die einer 19 % bzw. 7%igen Besteuerung unterliegen, beschwert worden sind.
255Die Zeugin C13, Steuerfahnderin beim Finanzamt für Steuerstrafsachen in C14, berichtete dem Gericht über ihre gewonnenen Erkenntnisse aus dem hiesigen Verfahren. Ausgangspunkt seien Geldwäscheverdachtsanzeigen hinsichtlich einer Person mit dem Namen Q5 gewesen, der trotz Sozialleistungsbezugs hohe Geldeingänge hatte. Schnell habe es Anhaltspunkte für Tickethandel über F3 gegeben, wodurch der Angeklagte L in den Fokus gerückt sei. Man habe Bankverbindungen abgefragt und ausgewertet und im Rahmen von Durchsuchungen beim Angeklagten L, N und der Zeugin V2 auch Smartphones sichergestellt und hieraus Erkenntnisse zu den Strukturen gewonnen. So habe man anhand der Kommunikation nachvollzogen, dass der Angeklagte L und der Angeklagte N zunächst nicht in größerem Umfang in Kontakt standen, ab dem Jahr 2017 dann aber stärker vernetzt waren und insbesondere Kommunikation zum Handel auftrat. Später habe man dann auch das Zerwürfnis herauslesen können. Ermittlungen über W3 seien dagegen mangels Kooperationsbereitschaft nicht realisiert worden, schon Zustellungen hätten Probleme gemacht.
256Aus ihrer Sicht habe sich auch nach Einschaltung der Q6 Gesellschaft nichts an der Tätigkeit verändert, außer dass die Geldströme nunmehr zunächst auf Q6 Konten überwiesen worden seien. Ob in Q Steuererklärungen auf den Weg gebracht worden seien, habe man nicht vor Ort ermittelt, sodass dies nicht ausgeschlossen sei. Trotz bestehender steuerlicher Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten habe man seitens der Angeklagten aber nie Unterlagen zur Verfügung gestellt. In E3 habe aber keiner der Angeklagten die Geschäftsvorfälle gegenüber den Finanzbehörden erklärt.
257Das Gericht hat ferner die Zeugin H6, ebenfalls beschäftigt beim Finanzamt C14, vernommen. Die Zeugin hat ausgesagt, an der gemeinsamen Ermittlungskommission im Verfahren gegen Verantwortliche von W3 beteiligt zu sein. Ausgangspunkt dort sei das hiesige Verfahren gegen den Angeklagten L und vergleichbare Sachverhalte gewesen, bei dem zunächst ermittelt worden sei, ob und wo W3 in E3 steuerlich geführt wird. Zudem schilderte die Zeugin die durch die Kammer festgestellte Konzernstruktur des Unternehmens. Eine Anfrage beim für die T2 zuständigen Finanzamt L6 bezüglich Steuererklärungen von W3 sei negativ verlaufen, über das Zentralamt für Steuern habe man aber von der Registrierung zum N11-Verfahren in J4 erfahren. Dieses Verfahren anzuwenden, sei aus ihrer Sicht unzutreffend, da W3 keine (reinen) elektronischen Leistungen erbringe. Da im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen bei Vereinen der FußballC13 entsprechende Verträge aus der Vergangenheit aufgefunden worden seien, habe man zudem Anhaltpunkte für Eigenhandel durch W3 gewonnen, sodass die entsprechenden Umsätze vollständig und nicht lediglich hinsichtlich der Verkaufsgebühr der Umsatzsteuer unterlägen. Die Auswertung habe ergeben, dass, neben den vereinbarten, z.T. erheblichen Sponsoring-Zahlungen von W3 an die Vereine, in den Verträgen unterschiedliche vertragliche Regelungen, u.a. Kommissionsgeschäfte, im Hinblick auf Ticketverkäufe zwischen den Vereinen und W3 vereinbart worden sind. Soweit darüber hinaus Dritte Tickets über die Plattform veräußerten, handle es sich ihrer Ansicht nach ebenfalls um Kommissionsgeschäfte, sodass auch W3 hierfür die Umsatzsteuer auf den Verkaufspreis nebst Gebühren schulde.
258Der Zeuge G2, tätig beim Finanzamt O und ebenfalls Teil der erwähnten gemeinsamen Ermittlungskommission, berichtete, man habe unter anderem einen Testverkauf durchgeführt, aus dem ersichtlich sei, dass auf den durch den Verkäufer bestimmten Kaufpreis zunächst eine Verkaufsgebühr zzgl. Umsatzsteuer aufgeschlagen werde, der Käufer dann jedoch noch eine zusätzliche Gebühr im Verkaufsprozess angezeigt bekäme, die wiederum zzgl. Umsatzsteuer und Versand den Endpreis bestimme. Im Übrigen bestätigte er die gewonnenen Erkenntnisse der Zeugin H6. Auch seiner Auffassung nach habe man beim Kauf auf der Website den Eindruck gewonnen, dass der Verkauf in jedem Fall durch W3 erfolge. Hierfür spräche aus seiner Sicht u. a. die Zahlungsabwicklung durch Finanzdienstleister von W3.
259Der Zeuge T13, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft N6 und zuständiger Dezernent im Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen von W3, hat die Angaben der Finanzbeamten H6 und G2 zum Ablauf und Stand des Verfahrens sowie die dabei gewonnenen Erkenntnisse bestätigt. Er hat zudem ebenso seine Rechtsauffassung geäußert, dass W3 zu Unrecht am N11-Verfahren teilnehme und zum Teil Eigengeschäfte, im Übrigen Kommissionsgeschäfte betreibe. Für letzteres spräche unter anderem die Ticketgarantie von W3 und die Abschirmung des ursprünglichen Verkäufers.
260Die Angaben zum sog. Last-Minute-Sale beruhen auf der Aussage der Zeugin H4. Die Zeugin war nach ihren Angaben bis zum Ausbruch der D3-Pandemie über eine Zeitarbeitsfirma für W3 tätig und hat die Weitergabe von Karten kurz vor Veranstaltungsbeginn mitorganisiert. In diesem Zusammenhang habe sie sowohl den Angeklagten L – allerdings unter dem (Alias-) Namen W – als auch den Angeklagten N regelmäßig getroffen. Nach ihrer Wahrnehmung hätten beide zunächst zusammengearbeitet, später sei das Verhältnis wohl auseinandergegangen. Sie hätten bei den Gelegenheiten jeweils Karten in mittlerer zweistelliger Menge abgegeben.
261Die letztlich festgestellten jeweiligen Bruttoerlöse des Angeklagten L, des Angeklagten N und dem gemeinsam betriebenen Tickethandel der Angeklagten L, N und N1 beruhen einerseits auf der von allen drei Angeklagten abgegebenen Einlassung, die Höhe der von der Kammer festgestellten Erlöse träfe nach ihrer Einschätzung zu, andererseits auf den im Selbstleseverfahren zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Kontodaten. Die Kammer hat hierbei insbesondere nur solche Umsätze berücksichtigt, die durch den Absender der Zahlung, den Verwendungszweck oder weitere durch die Angeklagten bekundete Umstände zu den Zahlungswegen dem Tickethandel zugerechnet werden können und bei denen eine Doppelberücksichtigung zeitlich ausgeschlossen ist.
262Ferner hat die Kammer die B3 von W3 in zwei Fassungen und das sog. G-T6-Handbuch im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen, aus denen sich – wie auch aus den Aussagen der vernommenen Finanzbeamten – die Feststellungen zu den Geschäftsstrukturen bzw. -abläufen treffen ließen.
263Die Feststellungen zum Erscheinungsbild des aktuellen J-Auftritts des Unternehmens W3 und zur Auslösung eines Bestellvorgangs hat die Kammer durch Inaugenscheinnahme der Website vom Dienstlaptop in der Hauptverhandlung gewonnen. Die ergänzenden Erkenntnisse zur früheren Gestaltung der Geschäftsabläufe wurden den entsprechenden Bekundungen der Steuerfahnder C13, H6 und G2 entnommen.
264Die Feststellung, dass W3 aktiv darauf hinwirkt, sein Geschäftsmodell der Vermittlung von Verkäufen zwischen gewerblichen Tickethändlern und den Endkunden vor Umgehung zu schützen und die Förderung des gewerblichen Weiterverkaufs nicht erkennbar werden zu lassen, geht aus der verlesenen Korrespondenz zwischen W3 und dem Angeklagten N hervor. Beispielsweise leitete der Angeklagte N am 18.09.2019 (Bl. 1716) den Screenshot einer E-Mail von W3 weiter. Darin schreibt der Mitarbeiter „K“: „Hallo N, ich weise hiermit nochmals daraufhin, dass jeglicher Kontakt zu den Kunden untersagt ist. Ebenso ist das Versenden von Zusatzinformationen oder leeren Umschlägen mit dem Hinweis der Kontaktaufnahme und Versand zu einem späteren Zeitpunkt untersagt. Sollte dies in Zukunft nochmals vorkommen, werden wir die Bestellungen umgehend stornieren und mit zusätzlichen Strafgebühren von E130 000 V2 pro verkauftes Ticket belegen. Die Summe ist entsprechend hoch, um ein deutliches Zeichen für entsprechendes Handeln zu setzen. In der Vergangenheit wurden diesbezüglich schon Verkäufer von der Plattform suspendiert. Bei Fragen kannst du dich gerne bei mir meiden.“ Offensichtlich hatten die Angeklagten – etwa vor dem Hintergrund eines missglückten Leerverkaufs – Kontakt zu den Endkunden aufnehmen wollen. Dies verdeutlicht auch, dass W3 die Regelungen seiner B3 tatsächlich umgesetzt hat
265Für die Annahme einer tatsächlichen Veräußerung der Tickets durch die Angeklagten oder die N8 an W3 oder für die Bewertung der Rolle W3 als Dienstleistungs-Kommissionär in Bezug auf die in Rede stehenden Ticket-Geschäfte hat die Beweisaufnahme hingegen keinen Anhaltspunkt ergeben, insbesondere auch nicht das G-T6-Handbuch, das nur Modifikationen und Erleichterungen der normalen B3-Abläufe für besonders umsatzstarke Anbieter vorsieht.
266Die festgestellten Gesellschaftsdaten der Q6 N8 hat die Kammer den im Selbstleseverfahren eingeführten übersetzten Kontoeröffnungsunterlagen bei der J3 T11 entnommen. Die Feststellungen zur Unternehmensgeschichte und dem Geschäftsfeld des T8- Handels beruhen auf den entsprechenden Bekundungen des Angeklagten N1.
267V.
2681.
269Der Angeklagte L hat sich, soweit er in den Jahren 0000 bis 0000 als Einzelkaufmann mit Eintrittskarten handelte und hieraus Umsätze erzielte, die er der Finanzverwaltung verschwieg, wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht.
270Indem er die Umsätze verschwieg und durch Nutzung von Aliasnamen, Hilfspersonen und nicht unter seinem Namen eingerichteten Konten seine Verantwortlichkeit verschleierte, ließ er die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis.
271Die steuerliche Erklärungspflicht ergibt sich vorliegend aus § 18 Abs. 1, Abs. 3 UStG. Hiernach hat der Unternehmer (…) für das Kalenderjahr (…) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz (…) zu übermitteln, in der er die zu entrichtende Steuer (…) selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist gem. § 149 Abs. 2 S. 1 AO bis zum 31.5. des Folgejahres, für Veranlagungszeiträume ab 2017 bis 31.7. des Folgejahres, abzugeben. Adressat ist insoweit der Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG.
272Grundlegende Voraussetzung ist dabei, dass diese Umsätze im Inland, also in E3, steuerbar waren, was vorliegend der Fall ist.
273Die Umsätze des Angeklagten L aus seinen Ticketverkäufen in den Jahren 0000 bis 0000 unterlagen als entgeltliche sonstige Leistungen eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
274Der gewerbliche Weiterverkauf von Eintrittskarten ist umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG. Mit einer Eintrittskarte, die zivilrechtlich als sog. kleines Inhaberpapier im Sinne von § 807 BGB anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 74/06, BGHZ 178, 63, unter III.), erwirbt der Inhaber das Recht, eine Dienstleistung des Verpflichteten in Anspruch zu nehmen. Der wesentliche Inhalt des Geschäfts ist dabei die Einräumung des Anspruchs auf Zutritt zu der Veranstaltung, nicht aber der Anspruch auf Verschaffung der Verfügungsmacht über das Inhaberpapier. Nichtsdestoweniger handelt es sich um keine bloße Abtretung, vielmehr wird das verkörperte Recht durch die Übereignung und Besitzverschaffung an dem Inhaberpapier bzw. der Eintrittskarte übertragen. Der wirtschaftliche und damit umsatzsteuerlich relevante Teil der Leistung liegt allerdings in der Einräumung des Zutrittsrechts (vgl. BFH, Urteil vom 3. Juni 2009 – XI R 34/08 –, BFHE 226, 369, BStBl II 2010, 857, Rn. 10, 14).
275Der Angeklagte L hat den Tickethandel gewerblich und selbständig betrieben, sodass er auch Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist. Der Betrieb war auf Dauer angelegt und sollte nach der Vorstellung des Angeklagten regelmäßige, umfangreiche Einnahmen erbringen. Er war weder weisungsgebunden, noch organisatorisch in ein Unternehmen eingebunden. Der Angeklagte übte seine Tätigkeit in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung aus.
276Handelte es ich mithin bei dem Tickethandel des Angeklagten L in den Jahren 0000 bis 0000 um unternehmerische sonstige Leistungen, so setzt deren Steuerbarkeit im Inland des Weiteren einen inländischen Leistungsort voraus.
277Der Bestimmung des Leistungsortes für sonstige Leistungen ist in § 3a UStG geregelt.
278Dabei kommt es vorrangig auf die Frage an, wer Leistender und wer Leistungsempfänger ist.
279Insoweit bestand hier die Besonderheit, dass der Angeklagte die Eintrittskarten über die Plattform W3, betrieben von der in der T2 ansässigen W3 GmbH, gehandelt hat, so dass in rechtlicher Hinsicht zu klären war, ob hier der Angeklagte die Tickets an die Abnehmer/Endkunden oder aber an W3 verkauft hat und W3 nachfolgend an die Abnehmer geleistet hat.
280Zur Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte L umsatzsteuerlich an die Abnehmer geleistet, während sich die W3 GmbH dabei auf die Rolle eines
281Vermittlers beschränkt hat.
282Wer Leistender und wer Leistungsempfänger ist, ergibt sich in der Regel aus den bürgerlich-rechtlichen Vertragsbeziehungen. Die Vertragsbestimmungen sind also für die Feststellung, wer Erbringer und wer Begünstigter einer Leistung ist, zu berücksichtigen. Sie sind lediglich dann nicht maßgebend, wenn sie nicht die wirtschaftliche und geschäftliche Wirklichkeit abbilden, sondern eine rein künstliche, der wirtschaftlichen Realität in keiner Weise entsprechende Gestaltung darstellen, die allein zu dem Zweck erfolgte, einen Steuervorteil zu erlangen (Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs, EuGH, Urteil vom 20. 06. 2013 – C-653/11– O4).
283Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt dabei grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen nach außen aufgetreten ist.
284Die diesbezüglichen Einwände der Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung geben bereits im Hinblick auf den nur den Angeklagten L betreffenden Tatkomplex Anlass zur Klarstellung, dass Leistender im Verhältnis zu den Endkunden nicht das Unternehmen W3 war.
285Soweit dabei die Grundsätze der sog. Ladenrechtsprechung des BFH herangezogen wurden, verkennt die Kammer nicht, dass im Rahmen der Bestimmung des Leistenden und der Leistungsbeziehungen zu beachten ist, dass derjenige, der im eigenen Laden ihm noch nicht übereignete Waren verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler und nicht als Vermittler anzusehen ist (BFH, Urteil vom 16.12.1987 – X R 32/82, BeckRS 1987, 5976). Raum für die Annahme einer Vermittlungsleistung besteht allerdings dann, wenn der Ladeninhaber in eindeutiger Weise vor oder bei Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er im fremden Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden ist.
286So lagen die Dinge auch hier.
287Vergleichbar mit einem Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkauft, ist auch der Erbringer von sonstigen Leistungen, soweit sie im J angeboten werden. (Nur) wenn der Betreiber einer Jseite in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann dessen Vermittlereigenschaft umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden (BFH, ZUM-RD 2013, 109). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
288Wie festgestellt, handelt es sich bei der Plattform W3 um eine Website, über die Eintrittskarten nicht nur angekauft, sondern auch verkauft werden können. Dies ist bereits anhand der äußeren Aufmachung und Gestaltung der Website zweifelsfrei für einen durchschnittlichen Betrachter bzw. Nutzer erkennbar und hat sich – wie sich aus den Bekundungen der vernommenen Steuerfahnder ergeben hat – seit Anbeginn der Geschäftstätigkeit von W3 auch nicht geändert. Zudem hat die Plattform – wie die Steuerfahnder recherchiert haben – als Ticket-Zweitmarkt bzw. Ticketbörse, auf der Tickets verkauft und gekauft werden können, nicht zuletzt durch wiederholte kritische mediale Aufmerksamkeit allgemeine Bekanntheit erlangt.
289Daran ändern die durch W3 übernommenen Zusatzdienste, wie z.B. die Unterstützung des Zahlungsverkehrs und des Ticketversands oder auch die „Garantie“ des Ticket- und Kaufpreis-Erhalts nichts. Soweit von der Verteidigung eingewandt worden ist, dass W3 sich mit seiner „Garantie“ selbst als Verkäufer erkennbar mache, kann diesem Einwand nicht gefolgt werden. Überobligationsmäßige Garantien eines J-Dienstleisters (vgl. etwa den sog. Q3- und F3-Käuferschutz), sind für das Jgeschäft geradezu wesenstypisch, um die Vertrauenswürdigkeit der eigenen Plattform vor dem verbreiteten Missbrauch durch betrügerische Anbieter zu schützen. Hierdurch machen sich die Plattformbetreiber aber - für jeden verständigen Jnutzer ersichtlich - nicht selbst zu Verkäufern bzw. Erbringern der vermittelten Hauptleistung.
290Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in Abhängigkeit von Besonderheiten des Einzelfalls die Zurechnung der Leistung und mithin des Umsatzes nicht an den Ladeninhaber, sondern an den Eigentümer der Ware angenommen (sog. „Second-Hand-Rechtsprechung“, BFH, Urteil vom 16.03.2000 – V R 44/99; vgl. auch O5 in: Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 212. Lieferung, 10/2024, § 1 UStG 1980, Rn. 612).
291W3 hat vorliegend – ausweislich der festgestellten und in den Bestellprozess eingebundenen B3 – in keinem Fall Tickets im eigenen Namen gehandelt, sondern im Gegenteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Plattform lediglich den Verkauf zwischen dem jeweiligen Drittanbieter und dem Erwerber vermittelt. Es verbleiben auch nicht etwa Zweifel dahingehend, dass W3 die Geschäftsabwicklung tatsächlich nicht gemäß den eigenen B3 praktiziert hat, wie sich beispielhaft aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Abmahnungen und Sanktionen von W3 an den Angeklagten N wegen B3-widrigen Verhaltens ergibt.
292Soweit die Verteidigung hierzu eine abweichende Auffassung unter Hinweis darauf vertreten hat, dass ausweislich der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahnder in einigen Einzelfällen auf der Plattform andere als die ursprünglich angebotenen Sitzplätze oder Preise aufgeführt worden seien, vermag dies keine generell abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, zumal hier neben der durchgängig bestehenden Möglichkeit der Veränderung durch Ersatzbeschaffung in den B3 – so ausdrücklich noch in der Fassung von 2013 – auch dynamische, d.h. veränderliche Preisgestaltungen vorgesehen waren.
293Nach der Auffassung des BFH ist zudem für ein Handeln in fremdem Namen nicht Voraussetzung, dass der Name des Zulieferers bei Vertragsabschluss genannt wird. Ausreichend ist, dass der Kunde aufgrund der Warenkennzeichnung den Namen erfahren könnte, der Verkäufer also theoretisch bestimmbar ist (vgl. auch O5 in: Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 212. Lieferung, 10/2024, § 1 UStG 1980, Rn. 654_5).
294Die Tatsache, dass vorliegend im Verkaufsprozess kein Name oder Nutzername des jeweiligen Anbieters bzw. Verkäufers des Tickets genannt wird, ändert also für sich genommen noch nichts an seiner Leistendeneigenschaft. Die lebensnahe Erklärung für die – vielfach medial und gerichtlich kritisierte – Intransparenz bzw. erschwerte Durchsetzbarkeit der Identifizierung der Anbieter liegt ersichtlich in dem Bestreben von W3, den Umstand zu verdecken, dass die Plattform insbesondere von gewerblichen Weiterverkäufern genutzt wird. Insoweit liegt es auch nach Auffassung der Kammer nicht fern, zu erwägen, ob sich W3 nicht nur der Förderung des B3-widrigen Weiterverkaufs, sondern auch der Förderung der begleitenden Steuerhinterziehung der Verkäufer schuldig macht. Dies ist aber hier nicht Prozessgegenstand und auch nicht mit der Frage zu vermengen, ob W3 den festgestellten Umständen nach als Vermittler, Eigenhändler oder Kommissionär anzusehen ist.
295Objektiv waren bei jedem Geschäftsvorfall die Personalien des Verkäufers bei W3 hinterlegt, da nur registrierte Verkäufer (und Käufer) die Plattform nutzen können. Die Verkäufer konnten auch nicht etwa einfach Fantasie-Personalien hinterlegen, weil W3 z.B. zur Übersendung der vorbereiteten Umschläge für den Ticket-Versand und zur Überweisung der Verkaufs-Erlöse über authentische Daten und Erreichbarkeiten der Verkäufer verfügen musste.
296Seitens der Erwerber bestand vor Ticketerhalt grundsätzlich kein Interesse daran, die Personalien des Verkäufers zu erfahren, zumal der W3-Käuferschutz den Ticketerhalt oder die Kaufpreiserstattung absicherte.
297Dass W3 in der Vergangenheit Ticket-Kontingente der Veranstalter, namentlich von einigen C13-Vereinen im Eigen- oder Kommissionsgeschäft vertrieben hat, ändert an den Feststellungen im Hinblick auf die Verkäufe des Angeklagten nichts.
298Leistungsempfänger im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (Schuldverhältnis) als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist, vorliegend die jeweiligen Endkunden der Ticketverkäufe.
299Der Angeklagte L hat sein Unternehmen, den Ticketzweithandel, aus E3 betrieben. Auch der Ort der sonstigen Leistung liegt hinsichtlich der in Rede stehenden Verkäufe von Tickets für Veranstaltungen in E3 – nur diese hat die Kammer in die Berechnung der hinterzogenen Umsatzsteuer einbezogen – im Inland.
300Dass es im Rahmen des Tickethandels des Angeklagten L auch zu Ticketverkäufen an Leistungsempfänger – Privatpersonen oder Unternehmer – im Ausland gekommen sein mag, ist unerheblich, weil die Kammer nur erwiesene Inlands-Umsätze in die Berechnungen einbezogen hat.
301Für sonstige Leistungen eines Unternehmers an Nichtunternehmer gilt schon im Ausgangspunkt nach § 3a Abs. 1 UStG das Sitzortprinzip, wonach die sonstige Leistung am Sitz des Unternehmers ausgeführt wird.
302Auch hinsichtlich der Erbringung sonstiger Leistungen an Unternehmer ändert sich trotz des grundsätzlichen Empfängerortprinzips aus § 3a Abs. 2 UStG nichts an dem Umstand, dass der Ort der sonstigen Leistung bei den Veräußerungen der genannten Tickets im Inland lag. Denn insoweit greifen hier die vorrangig anzuwenden Spezialregelungen des § 3a Abs. 3 Nr. 3a und Nr. 5 UStG ein.
303Gemäß Nr. 3a werden kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen, wie Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistungen unerlässlich sind, an einen Empfänger, der weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, dort ausgeführt, wo sie vom Unternehmer tatsächlich erbracht werden.
304Entgegen der Auffassung der Verteidigung gilt diese Vorschrift nicht nur für den Ersthändler bzw. jeweiligen Veranstalter, sondern auch für Unternehmer, die Eintrittskarten an Nichtunternehmer verkaufen, selbst wenn sie selbst nicht der Veranstalter sind (vgl. Bunjes/Korn, 23. Aufl. 2024, UStG § 3a Rn. 59). Die in dem Leistungskatalog des § 3a Abs. 3 Nr. 3 a) UStG aufgeführten Leistungen müssen nicht höchstpersönlich erbracht werden, sondern können auch von eingeschalteten Unternehmern ausgeführt werden, soweit diese die Leistungen in eigenem Namen für eigene Rechnung ausführen (BFH, MwStR 2018, 759). Hintergrund ist letztlich, dass sich die EU-Mitgliedstaaten auf Unionsebene auf eine gemeinsame Auslegung beim Anwendungsbereich der Ortsregelung beim Verkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen durch einen anderen Unternehmer als den Veranstalter nach Art. 53 und 54 MwStSystRL (= § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und Nr. 5 UStG) geeinigt haben. Danach richtet sich der Leistungsort beim Verkauf von Eintrittskarten im eigenen/fremden Namen und auf eigene Rechnung durch einen anderen Unternehmer als den Veranstalter an einen Nichtunternehmer seit dem 01.07.2013 nach dem Ort, an dem die Veranstaltung durchgeführt wird (Langer in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, 196. Ergänzungslieferung, November 2024, § 3a UStG 1980, Rn. 81_1; vgl. auch Abschn. 3a.6 Abs. 2 UStAE) i.d.F. von BMF vom 10.06.2013, IV D 3 - S 7117/12/10001, BStBl I 2013, 780.)
305Die Verteidigung hat gegen die Anwendung von § 3a Abs. 3 Nr. 3a UStG ins Feld geführt, dass der Zweithandel für die Durchführung der Veranstaltung nicht unerlässlich sei. Dem liegt ersichtlich die Auffassung zugrunde, das Tatbestandsmerkmal der Unerlässlichkeit sei im Wortsinn einer unverzichtbaren Voraussetzung oder im empirischen Sinn einer conditio sine qua non auszulegen. Dieses Verständnis geht fehl. Das Tatbestandsmerkmal der Unerlässlichkeit geht zurück auf die sog. Dudda-Entscheidung des EuGH (Az. C-327/94 vom 26.09.1996). Dort ging es vorrangig um die Frage, ob umsatzsteuerpflichtige Zusatzleistungen nur solche des Veranstalters oder auch einer dritten Person sein können. Der EuGH hat sich für letzteres ausgesprochen und als begrenzendes Merkmal das Kriterium der Unerlässlichkeit eingeführt. Damit sollte also in erster Linie klargestellt werden, dass der Kreis der einbezogenen Leistungen nicht personell, sondern materiell einzugrenzen ist. Bei der Erläuterung des materiellen Abgrenzungskriteriums hat der EuGH überdies deutlich gemacht, dass das Tatbestandsmerkmal der Unerlässlichkeit nicht etymologisch oder empirisch, sondern normativ auszulegen ist. Leitend sei – so der EuGH – der Gesetzeszweck der vereinfachten und effizienten Besteuerung, weshalb neben der Veranstaltungsleistung im engeren Sinne auch solche Hilfs-Leistungen Dritter in das Veranstaltungsortprinzip einzubeziehen seien, die im Land der Veranstaltung durch einen dort ansässigen Unternehmer erbracht werden und in den Endkundenpreis als maßgebliche Bemessungsgrundlage der Umsatzbesteuerung einfließen. Diese Kriterien werden auch durch den hier in Rede stehenden in E3 betriebenen Zweithandel des Angeklagten L erfüllt.
306Der Ort der sonstigen Leistung lag auch bei etwaigen Verkäufen an Unternehmer, deren Sitz sich nicht in E3 befindet, im Inland. Denn gemäß Nr. 5 des § 3a Abs. 3 UStG wird die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen, sowie eine damit zusammenhängende sonstigen Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, an dem Ort erbracht, an dem die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird, § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG (sog. Veranstaltungsortsprinzip).
307Auch dieser Vorschrift unterfällt nicht nur der erstmalige Verkauf eines Tickets etwa durch den jeweiligen Fußballverein oder Konzertveranstalter.
308Die Verteidigung hat eingewandt, dass angesichts des Begriffs „Einräumung“ in Nr. 5 und des systematischen Vergleichs mit § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG, der für Patente u.a. explizit die Fälle der Einräumung und Übertragung unterscheide, angenommen werden müsse, dass die „Einräumung“ der Eintrittsberechtigung nur die Erstvermarktung erfasse.
309Die Argumentation verkennt, dass § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG neben der Einräumung auch „damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen“ aufführt. Dies korreliert mit Art. 53 MwStSystRL, der allgemein von einer „Dienstleistung (…) betreffend die Eintrittsberechtigung“ spricht. Es ist also sowohl dem Gesetzeswortlaut nach als auch mit Rücksicht auf die Normenhierarchie möglich und zulässig, die Vorschrift sowohl auf den Veranstalter als auch auf den Weiterverkäufer anzuwenden (so auch Stadie in: Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 212. Lieferung, 10/2024, § 3a UStG 1980, Rn. 463).
310Schließlich ist die Steuerbarkeit der Umsätze von der Verteidigung unter Hinweis darauf in Abrede gestellt worden, dass mit Rücksicht auf den Geschäftssitz von W3 in der T10 von einer Umsatzsteuerfreiheit nach Maßgabe der Grundsätze über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gem. § 13b Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG (sog. Reverse-Charge-Verfahren) auszugehen sei.
311Auch dieser Einwand greift nicht durch, weil hier nach Maßgabe der Feststellungen keine Einfuhr-Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers erbracht wurden, sondern die Tickets durch den im Inland ansässigen Angeklagten L vertrieben wurden, wobei der Ort der Leistung nach dem Sitzort- wie auch nach dem Veranstaltungsortsprinzip im Inland lag.
312Hinsichtlich des Anteils der Tickets, der auf Konzerte entfiel, ist der ermäßigte Steuersatz von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a) UStG einschlägig.
313Im Ergebnis kam es hierdurch zu einer Verkürzung von Steuern in den Jahren 2014 und 2015 in mittlerer fünfstelliger, in den Jahren 2016 und 2017 unterer sechsstelliger Höhe, da der Angeklagte für die betreffenden Zeiträume zu keiner Zeit Umsatzsteuervoranmeldungen und auch im weiteren Verlauf keine Steuererklärungen abgegeben hat.
314Der Angeklagte L handelte diesbezüglich vorsätzlich. Dass die Vereinnahmung der Erlöse aus dem Tickethandel der Umsatzsteuerpflicht unterliegen war ihm nicht zuletzt aufgrund seiner Vorverurteilungen bekannt. Gleichwohl unternahm er keinerlei Bemühungen, seinen steuerlichen Erklärungspflichten nachzukommen bzw. die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen in Kenntnis zu setzen.
315Die Strafverfolgung ist hinsichtlich der hier festgestellten Hinterziehung der Jahresum-satzsteuer für die Zeiträume 2014, 2015, 2016 und 2017 nicht verjährt. Bezüglich dieser Jahre liegt – wie nachfolgend zu Beginn der Strafzumessung noch näher dargelegt wird – jeweils ein besonders schwerer Fall im Sinne von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO vor. Die relative Verjährungsfrist beträgt mithin jeweils 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 S. 1 AO). Der Fristlauf beginnt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung (§ 78a StGB). Bei der hier in Rede stehenden Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer durch Unterlassen tritt Vollendung und Beendigung mit dem fruchtlosen Ablauf des gesetzlichen Abgabetermins ein; das ist frühestens der 31.05. bzw. 31.07. des Folgejahres. Mithin ist die relative Verjährungsfrist noch in keinem Fall abgelaufen.
3162.
317Für den Veranlagungszeitraum 2016 hat sich der Angeklagte N wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.
318Auch der Angeklagte N hat den Tickethandel gewerblich und selbständig betrieben, sodass er für diesen Zeitraum als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG anzusehen ist.
319Selbstständig handelt, wer auf eigene Rechnung (Unternehmerrisiko) und in eigener Verantwortung (Unternehmerinitiative) tätig wird.
320Der Angeklagte N handelte entgegen dem Einwand der Verteidigung nach Maßgabe der Feststellungen gerade nicht auf Weisung des Angeklagten L.
321Der Angeklagte N hat selbst geschildert, bereits zu dieser Zeit über einen eigenen W3-Account verfügt und hierüber Eintrittskarten verkauft zu haben. Er hat auch bestätigt, dass die Summe der für dieses Jahr festgestellten Erlöse im Wesentlichen hierdurch erzielt worden ist und zunächst über seinen Q3-Account und sodann auf sein Konto bei der Sparkasse geflossen ist. Der Umstand, dass der Angeklagte N auch an den Angeklagten L verkauft hat, führt für sich genommen nicht zur Annahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Verhältnis zu L, zumal diese Verkäufe in die Erlösberechnung letztlich nicht eingeflossen sind.
322Entgegen seinen steuerlichen Pflichten als Einzelkaufmann hat der Angeklagte N seine Umsätze aus dem Tickethandel im Jahr 2016 der Finanzverwaltung nicht angezeigt, obwohl er sich seiner diesbezüglichen Verpflichtung bewusst war und hat eine Steuerverkürzung zumindest billigend in Kauf genommen.
323Infolge der Unterlassung ist gegen ihn zunächst keine Umsatzsteuer festgesetzt worden.
324Die Strafverfolgung ist hinsichtlich der hier festgestellten Hinterziehung der Jahresum-satzsteuer für den Zeitraum 2016 nicht verjährt. Es liegt insoweit kein benannter oder unbenannter besonders schwerer Fall vor, so dass der Regelstrafrahmen nach § 370 Abs. 1 AO eingreift. Die relative Verjährungsfrist beträgt mithin fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Der Fristlauf beginnt mit der Beendigung der Steuerhinterziehung (§ 78a StGB). Bei der hier in Rede stehenden Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer durch Unterlassen tritt Vollendung und Beendigung mit dem fruchtlosen Ablauf des gesetzlichen Abgabetermins ein; das war bezüglich der Jahresumsatzsteuer für 2016 der 31.05.2017. Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ist seitdem noch nicht abgelaufen. Der Lauf der relativen Verjährungsfrist ist durch den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses des AG C14 vom 09.01.2020 (Az 64 Gs 4764/19) unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB).
3253.
326Die Angeklagten L, N und N1 haben sich, soweit sie in den Jahren 2017 bis 2020 als Gesellschafter einer GbR mit Eintrittskarten handelten und hieraus Umsätze erwirtschafteten, die sie gegenüber der Finanzverwaltung verschwiegen, als Mittäter der Steuerhinterziehung in vier Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
327Die steuerliche Erklärungspflicht der Angeklagten als GbR-Gesellschafter ergibt sich aus § 18 Abs. 1, Abs. 3 UStG.). Die Umsatzsteuerjahreserklärung wäre gem. § 149 Abs. 2 S. 1 AO für die in Rede stehenden Veranlagungszeiträume bis zum 31.7. des Folgejahres, abzugeben gewesen. Das haben die Angeklagten vorsätzlich unterlassen, so dass keine Umsatzsteuer festgesetzt wurde.
328Die gemeinschaftlich erwirtschafteten Umsätze der Jahres 2017 bis 2020 waren im Inland, also in E3 steuerbar. Denn die festgestellten jährlichen Umsätze der im Inland betriebenen GbR aus Ticketverkäufen für Sport- und Konzertveranstaltungen in E3 unterlagen als entgeltliche sonstige Leistungen eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
329Entgegen dem Vorbringen der Verteidigung wurde der Tickethandel nicht etwa von der in Q ansässigen N8 betrieben. Hierzu sei nochmals angeführt, dass die in den verlesenen Chats wie auch in dem Geständnis des Angeklagte L offenbarte wirtschaftliche Wirklichkeit dies zweifelsfrei widerlegt Sowohl das operative Tagesgeschäft als auch strategische Entscheidungen, etwa zur Preis- und Verkaufspolitik, wurden regelmäßig von den Angeklagten N und L in E3 getroffen. Die Tickets wurden von E3 aus gekauft und verkauft und dort auch versandt bzw. übergeben. Hier war auch eine Bürokraft beschäftigt. Die Gelder von W3 wurden lediglich über Konten der N8 in Q an die Akteure in E3 durchgeleitet.
330Steuerschuldner war vielmehr die zwischen den Angeklagten L, N und N1 im Spätsommer 2017 gegründete inländische GbR. Die Einlassung des Angeklagten L vermittelt in tatsächlicher Hinsicht sämtliche für die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts notwendigen Voraussetzungen, nämlich einen rechtsverbindlichen Zusammenschluss zur gemeinschaftlichen Verfolgung eines bestimmten Geschäftszweckes unter allseitiger Einbringung vermögenswerter Leistungen. So haben sich die Angeklagten unter Erbringung vermögenswerter Beiträge zur gemeinsamen Betreibung des Schwarzhandels mit Eintrittskarten zwecks Erzielung maximaler Gewinne zusammengeschlossen.
331Dieser gesellschaftliche Zusammenschluss ist nicht als OHG zu qualifizieren. Zwar hat die GbR über die maßgeblichen Tatzeiträume beträchtliche Umsätze erwirtschaftet. Aufgrund der Tatsache, dass – mit Ausnahme der zeitweisen Beschäftigung der Zeugin V2 – kein eigenes oder fremdes festes Personal angestellt wurde, keine Anhaltspunkte für eine Inanspruchnahme von Fremdkapital festgestellt werden konnten, sich das Leistungsangebot allein auf Veranstaltungstickets beschränkte und auch sonst keine wesentlichen typischen Umstände eines kaufmännischen Unternehmens festgestellt wurden (vgl. OLG München, Urteil vom 19.1.2022 – 7 U 3250/20 = NZG 2022, 604), erforderte das Gewerbe keine kaufmännische Einrichtung, § 1 Abs. 2 HGB.
332Die Angeklagten L, N und N1 haften gemäß § 34 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner für die steuerlichen Pflichten der GbR.
333Leistungsempfänger bzw. Ticketerwerber waren jeweils die Endkunden. Die diesbezüglichen Ausführungen im vorangegangenen Urteils-Abschnitt betreffend die früheren Eigengeschäfte des Angeklagten L gelten entsprechend für den Tickethandel der GbR. Weder wurden die Tickets tatsächlich von der GbR an W3 und erst durch W3 an die Endkunden veräußert, noch wird solches hier wegen angeblicher Dienstleistungskommission seitens W3 gesetzlich fingiert.
334Die bezüglich des gemeinschaftlichen Tickethandels zu berücksichtigende Besonderheit, dass die Geschäfte über ein auf den Angeklagten N angemeldetes Nutzerkonto bei W3 abgewickelt wurden und dass N seiner Rechte und Pflichten aus diesem Konto auf die Q6 N8 übertragen hatte, führt entgegen der Auffassung der Verteidigung zu keiner abweichenden Bewertung.
335Die Abtretungsvereinbarung betraf ersichtlich allein die Rechte und Pflichten in Bezug auf die Unterhaltung des Nutzerkontos bei W3, also die Geschäftsbeziehung zu W3, nicht aber die Rechte und Pflichten aus den Kaufverträgen über Tickets, also die Geschäftsbeziehung zu den Endkunden. Praktisch kam der Vereinbarung sogar nur die Bedeutung der Einräumung einer Geldempfangsvollmacht für die N8 zu. Dies wird daraus ersichtlich, dass W3 in der Folge der Vereinbarung lediglich die Geldauszahlungen auf Konten der N8 erbracht hat, aber die sonstige Geschäftskorrespondenz, namentlich Pflichtenappelle und Sanktionsmitteilungen, weiterhin allein an den Angeklagten N – und nicht etwa an die N8 oder den Angeklagten N1 als ihren gesetzlichen Vertreter – adressiert hat.
336Entgegen dem Vorbringen der Verteidigung greift auch nicht die Fiktion einer Leistungskette gemäß § 3 Abs. 11 UStG ein. Nach Maßgabe der Feststellungen hat W3 nicht im eigenen, sondern im fremden Namen gehandelt, W3 war nicht Dienstleistungs-Kommissionär, sondern Vermittler.
337Nur klarstellend sei angemerkt, dass die abweichende Bewertung der Verteidigung dahingehend, dass der Tickethandel insgesamt auf die Q6 N8 übertragen worden sei, auch insofern unerheblich ist, als diese Übertragung ggf. als Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO unbeachtlich wäre.
338Dem steht entgegen der Auffassung der Verteidigung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung (namentlich im sog. D5-Urteil, Az. C-196/04 vom 12.09.2006) nicht entgegen, dass die N8 auch nach Maßgabe der hier getroffenen Feststellungen keine reine Briefkasten- oder Domizilgesellschaft war. Der Gestaltungsmissbrauch ergibt sich vielmehr daraus, dass jedenfalls die angebliche Übertragung des Tickethandels auf diese Gesellschaft mit der gelebten wirtschaftlichen Wirklichkeit unvereinbar war. Denn nach Maßgabe der Feststellungen haben die drei Angeklagten den Tickethandel mitunternehmerisch und gleichberechtigt aus E3 heraus betrieben. Lediglich die Zahlungsflüsse würden über die Geschäftskonten der N8 umgeleitet und dies ersichtlich zu dem Zweck, die Fortsetzung der B3-widrigen und steuerunehrlichen Geschäfte vor den Veranstaltern und dem deutschen Fiskus zu verschleiern.
339Die Verteidigung hat gegen die Heranziehung von § 42 AO ferner angeführt, dass ein beachtlicher Grund für die angebliche Verlagerung des Tickethandels auf die Q6 N8 namentlich darin gelegen habe, dass in Q – anders als in E3 unter der Geltung von § 160 AO – der Vorsteuerabzug auf der Grundlage bloßer Eigenbelege möglich sei. Auch dieser Einwand geht an den Besonderheiten des vorliegenden Falles vorbei. Im redlichen Geschäftsverkehr bedarf der Kaufmann der Vorsteuererstattung, weil er beim Weiterverkauf Umsatzsteuer auf den vollen Kaufpreis und nicht nur auf seine Gewinnmarge abführt. Solches stand hier aber gar nicht in Rede, weil die Angeklagten mit einer ust-freien Weiterveräußerung zu überdies überhöhten Preisen kalkuliert haben. Sie haben sich die Vorsteuer sozusagen auf kaltem Wege zurückgeholt.
340Sofern der auf § 160 AO Bezug nehmende Einwand durch das Argument der Steuerfahndung provoziert worden sein sollte, dass der Beweggrund für die Steuerhinterziehung gerade in der Unmöglichkeit der Vorsteuererstattung mangels an die Angeklagten adressierter Rechnungen für den Ticketeinkauf zu sehen sei, ist aus Sicht der Kammer im Lichte der Beweisaufnahme klarzustellen, dass die Schwarzhändler die Steuer nicht deshalb hinterziehen, weil sie keine vorsteuerfähigen Rechnungen erhalten, sondern weil sie insgesamt auf Gewinnmaximierung aus sind und nicht als gewerbliche Weiterverkäufer erkannt werden wollen.
341Gegenüber dem weiteren Einwand der Verteidigung, dass die GbR für den Geschäftsverkehr und namentlich für die Endkunden nicht erkennbar in Erscheinung getreten sei, ist erneut auf die der „Second-Hand-Rechtsprechung“ vergleichbare Struktur bzw. die Besonderheit des festgestellten Sachverhalts hinzuweisen.
342Den Ticketerwerbern bzw. Endkunden kam es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf die Identität des Verkäufers - nicht zuletzt wegen der Garantie bzw. des Käuferschutzes aus den W3-B3 - nicht an. Eben darum ist es hier aber auch nicht geboten, die Person des Verkäufers bzw. Unternehmers aus der Sicht der Kunden zu bestimmen. Stattdessen ist es im Lichte der objektiv möglichen - weil bei W3 hinterlegten - Individualisierung der Ticket-Anbieter bzw. Verkäufer ausreichend, die Vertragsparteien entweder nach den Grundsätzen des „Geschäftes für den, den es angeht“ zu bestimmen oder nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizontes, also aus der Sicht einer Vertragspartei, die über sämtliche tatsächlichen Umstände unterrichtet ist. Aus dieser Perspektive steht nach Maßgabe der festgestellten Gesamtumstände außer Zweifel, dass hier weder der Angeklagte N, noch die N8, sondern die Angeklagten L, N1 und N in gesellschaftlichem Zusammenwirken als GbR den Tickethandel unter Nutzung des W3-Accounts des Angeklagten N betrieben haben und somit als Leistungserbringer anzusehen sind.
343Für eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf die Leistungsempfänger, sofern es sich um Unternehmen gehandelt haben sollte, gemäß § 13b Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG besteht auch hier kein Raum, da wiederum keine sonstigen Leistungen durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht wurden.
344Die Angeklagten handelten vorsätzlich. Im Lichte der zahlreichen Indizien für eine Steuerumgehungsabsicht hält die Kammer das Bestreiten des Tatvorsatzes seitens der Angeklagten N und N1 für zweifelsfrei widerlegt. Hierzu sei nochmals namentlich an folgende Beweisergebnisse erinnert.
345Der Angeklagte N1 hat als promovierter Jurist und ehemaliger Rechtsanwalt seinem Sohn nicht etwa von der Beteiligung am Schwarzmarkthandel abgeraten, sondern zunächst mit ihm zusammen den Schwarzhändler L aktiv unterstützt.
346Die dem gemeinsamen Tickethandel vorausgegangene Analyse der B3 von W3 durch den Angeklagten N1 habe ergeben, dass die B3 angeblich in keiner Weise der wirtschaftlichen Wirklichkeit entsprachen. Dies hielt N1 aber nicht etwa davon ab, Geschäfte über diese Website abzuwickeln, sondern er entschied sich im Gegenteil dafür, diese undurchsichtigen Strukturen für die gemeinsame Tätigkeit fruchtbar zu machen.
347Die Angeklagten N hatten Kenntnis von der einschlägigen kriminellen Vergangenheit des Angeklagten L und der aktuellen Ermittlungen gegen ihn.
348Der Q6 Steuerberater ist – gleichviel aus welchen Gründen – für die Angeklagten ersichtlich von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen, nämlich einem tatsächlich nicht existenten Ticket-Handel zwischen der Q6 N8 und der T13 W3 GmbH, ausgegangen. Seine Annahme einer Umsatzsteuerfreiheit der in Rede stehenden Geschäfte hat den Angeklagten daher nicht den Blick für die deutsche Steuerbarkeit der Umsätze und ihre gesamthänderische Haftung für die Steuerschuld verstellt. Vielmehr haben sie sich den Inhalt der unzutreffenden Beratung zur Verschleierung ihrer steuerschädlichen Absichten bewusst zu Nutze gemacht.
349Die Strafverfolgung ist bzgl. der hier festgestellten Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer für die Zeiträume 2017, 2018, 2019 und 2020 nicht verjährt. Bezüglich der Jahre 2018 und 2019 liegt – wie nachfolgend im Abschnitt zur Strafzumessung noch näher dargelegt wird – jeweils ein besonders schwerer Fall im Sinne von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO vor, bezüglich der Jahre 2017 und 2020 ist hingegen der Regelstrafrahmen nach § 370 Abs. 1 AO einschlägig. Die relative Verjährungsfrist beträgt mithin für die Steuerhinterziehungen der Jahre 2018 und 2019 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 S. 1 AO) und für die Steuerhinterziehungen der Jahre 2017 und 2020 fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Der Fristlauf beginnt jeweils mit der Beendigung der Steuerhinterziehung (§ 78a StGB). Bei der hier in Rede stehenden Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer durch Unterlassen tritt Vollendung und Beendigung mit dem fruchtlosen Ablauf des gesetzlichen Abgabetermins ein; das ist frühestens der 31.07. des Folgejahres. Betreffend die Jahre 2018, 2019 und 2020 sind die vorgenannten relativen Verjährungsfristen bislang nicht abgelaufen. Bezüglich des Jahres 2017 ist der fünfjährige Fristlauf durch die Anordnung der Bekanntgabe der entsprechenden Erweiterung des Ermittlungsverfahrens durch die Steuerfahndung am 04.08.2022 gegenüber N und N1 sowie am 09.08.2022 gegenüber L unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 376 Abs. 2 AO).
3504.
351Der Angeklagte W war wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 27 StGB schuldig zu sprechen.
352Der Haupttäter L hat in den Jahren 2014 und 2016 vorsätzlich und rechtswidrig Umsatzsteuer durch die pflichtwidrige Unterlassung der entsprechenden Jahres-Erklärungen hinterzogen.
353Diese Steuerhinterziehung hat der Angeklagte W objektiv gefördert, indem er zwei der von L für seine steuerunehrlichen Ticket-Geschäfte genutzten Bankkonten unter eigenen Namen eröffnete und dem Angeklagten L sodann zugänglich machte. Die Vereinnahmung der Gelder über namensfremde Konten war für den Angeklagten L aufgrund seiner vorangegangenen Straftaten und der damit einhergehenden erhöhten Aufdeckungsgefahr ein wesentlicher Bestandteil seines auf Verschleierung ausgelegten Geschäftsmodells. Die Kontoüberlassung ermöglichte dem Angeklagten L zudem, vereinnahmte Gelder ohne größerer Sorge vor Pfändungsmaßnahmen in seinen Tickethandel zu reinvestieren.
354Der Angeklagte W handelte sowohl hinsichtlich der Haupttat als auch bezüglich seines Gehilfenbeitrags vorsätzlich. Er rechnete – aufgrund seiner Vorkenntnis über die steuerverkürzende Geschäftstätigkeit des L – zumindest mit der Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass L die ihm von W überlassenen Konten erneut für Ticket-Umsätze, die er dem Finanzamt verschweigt, einsetzt.
355Daneben hat sich der Angeklagte W auch auf andere Weise an den Geschäften des Angeklagten L, namentlich durch Hilfsdienste und Kartenankäufe unterstützend beteiligt, sodass er über fundierte Einblicke in das Geschäftsmodell verfügte.
356Konkurrenzrechtlich handelt sich bei der Überlassung der beiden Bankkonten um zwei Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Konkurrenzfrage ist grundsätzlich für jeden Tatbeteiligten gesondert zu beurteilen. Dabei ist einerseits der Grundsatz anerkannt, dass sich ein einheitlicher Gehilfenbeitrag, der sich auf mehrere Haupttaten (hier Steuerjahre) auswirkt, in der Person des Gehilfen als nur eine Tat darstellt. Andererseits ist anerkannt, dass mehrere Beihilfehandlungen, welche sich auf dieselbe Haupttat auswirken, in der Person des Gehilfen als nur eine Tat zu werten sind, da sich das Tatunrecht des Gehilfen maßgeblich aus dem Tatunrecht der Haupttat ableitet. Hier haben sich die Konten in unterschiedlicher Verteilung auf die Umsatzsteuerhinterziehungen des Haupttäters in den Jahren 2014 und 2016 u.a. ausgewirkt. Von daher gehe die Kammer insoweit von zwei tatmehrheitlichen Straftaten i. S. v. § 53 StGB des Gehilfen aus.
357Strafverfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Die Verjährung der Beihilfetaten folgte derjenigen der Haupttaten. Insoweit ist bereits oben dargelegt worden, dass die entsprechenden Haupttaten des Angeklagten L noch nicht verjährt sind.
358VI.
359Ausgangspunkt der Rechtsfolgenentscheidung bzw. der Strafzumessung ist für sämtliche Angeklagte der Strafrahmen der Steuerhinterziehung, § 370 AO. In den Fällen der (einfachen) Steuerhinterziehung sieht § 370 Abs. 1 Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. In den Fällen, in denen Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden sind (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO), greift regelmäßig der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
3601.
361Der Angeklagte L hat bei sechs seiner insgesamt acht Straftaten – nämlich betreffen die Steuerhinterziehung der Jahre 2014 bis 2017 als Einzelkaufmann und betreffend die Jahre 2018 und 2019 als GbR-Gesellschafter – das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht. Ein großes Ausmaß liegt bei jeder Steuerhinterziehung über 50.000,- € vor (BGH Urteil vom 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BeckRS 2016, 2436). Diese Wertgrenze wurde durch die einzelkaufmännische Tätigkeit in den Jahren 2014 und 2015 jeweils leicht und in den Jahren 2016 und 2017 um das drei- bzw. vierfache überschritten, in den Jahren 2018 und 2019 durch die Tätigkeit als GbR-Gesellschafter jeweils etwa dreifach überschritten.
362Die strafrahmen-erhöhende Regelbeispielswirkung wird bei der Gesamtwürdigung mit den nachfolgend aufgeführten Strafzumessungsgründen nicht kompensiert. Unter Berücksichtigung aller Umstände unterscheidet sich die Schuld des Angeklagten L in keinem Falle so deutlich vom Regelfall, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung unangemessen erscheint.
363Nach Maßgabe der Strafzumessungskriterien des § 46 StGB hat die Kammer insbesondere folgende Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen.
364Die Kammer hat zugunsten des Angeklagten L namentlich berücksichtigt, dass er bereits zu Beginn der Hauptverhandlung und unabhängig von der Verfahrensabsprache Geständnis-bereit gewesen ist. Er hat hierdurch die Sachaufklärung gefördert und die Dauer der Beweisaufnahme erheblich verkürzt. Seine Taten liegen bis zu 10 Jahren zurück, was zu einem Absinken des Strafbedürfnisses geführt hat, überdies ist er durch die lange Dauer des Strafverfahrens seelisch belastet worden.
365Zu seinen Lasten war namentlich zu würdigen, dass er der hier in Rede stehenden strafbaren Tätigkeit des Schwarzhandels mit Eintrittskarten unter Hinterziehung der Umsatzsteuer seit über 25 Jahren nachgeht. Er ist erheblich und einschlägig vorbestraft und hat Straf- und Untersuchungshaft erfahren, ohne sich dadurch von seiner kriminellen Tätigkeit abbringen zu lassen, Vielmehr hat er zeitnah nach der Haftentlassung alte Tatmuster wiederaufgenommen. Hierbei hat er eine Vielzahl anderer Personen in sein strafbares Tun verstrickt.
366Unter Differenzierung nach der Schadenshöhe und dem Strafrahmen hat die Kammer auf folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessene erkannt:
367Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2014 eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr. Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2015 eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr. Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2016 eine Freiheitsstrafe von2 Jahren. Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffen das Jahr 2017, soweit der Angeklagte eigenständig handelte, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten.
368Für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 2017, soweit dies gemeinschaftlich mit den Angeklagten N erfolgte, eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Insoweit liegen besondere Umstände, die in der Tat bzw. der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen, vor (§ 47 StGB). Der Angeklagte hebt sich aufgrund seiner jahrzehntelangen steuerunehrlichen Betätigung im Schwarzhandel persönlich und anhand Anzahl und Umfang seiner Taten klar vom Durschnitt der in diesem Feld gewöhnlichen Fälle ab. Er hat eine umfangreiche Serie von Steuerhinterziehungen begangen. Auch handelt es sich bei ihm um einen hartnäckigen Rechtsbrecher, der bereits den Freiheitsentzug kennengelernt hat. Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2018 hat die Kammer auf eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren erkannt. Für die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2019 wurde auf eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten erkannt, für die Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 2020 auf eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten.
369In der Gesamtschau der Strafzumessungsgründe werden die mildernden Aspekte durch die schärfenden Gesichtspunkte mehr als kompensiert.
370Unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die verwiesen wird, hat die Kammer gem. § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
3713 Jahren und 6 Monaten
372gebildet, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand. Maßgebend ist vielmehr die Gesamtwürdigung der Person des bereits mehrfach – einschlägig – vorbestraften Angeklagten ebenso wie das Ausmaß der begangenen Taten, namentlich der Steuerschaden in deutlich sechsstelliger Höhe. Rechnung getragen wurde auch dem Umstand, dass die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn, wie hier, zwischen den Taten ein enger zeitlicher, sachlicher bzw. situativer Zusammenhang besteht, der es gebietet, die Einzelstrafen enger zusammenzuziehen.
373Drei Monate dieser Strafe hat die Kammer mit Rücksicht auf eine überlange Verfahrensdauer für bereits vollstreckt erklärt.
374Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (grundlegend: BGH NJW 2008, 860).
375Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat ein Beschuldigter das Recht auf eine Behandlung seiner Sache binnen angemessener Frist. Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung ist ein Umstand, der neben dem Strafzumessungsgrund langer Verfahrensdauer selbständiges Gewicht hat und eine Verpflichtung zu angemessener Kompensation nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung begründet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer beurteilt sich nach den Umständen des Falles, insbesondere der Komplexität der Tat, des Verhaltens des Beschuldigten und der zuständigen Behörden. Für den Beginn der Frist kommt es auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Schuldvorwurfs an den Beschuldigten an. Als der Justiz zuzurechnende Ursachen kommen sowohl organisatorische Mängel in Betracht, z. B. die dauerhafte Überlastung von Spruchkörpern, als auch persönliche Versäumnisse wie längeres Liegenlassen eines laufenden Verfahrens.
376Selbst unter Berücksichtigung der bei regelmäßig komplexen Wirtschaftsstrafsachen üblicherweise längeren Verfahrensdauer ist der vorliegende Zeitablauf bzgl. des E12 Verfahrens von rund sieben Jahren zwischen der ersten Bekanntgabe des Tatvorwurfs im Rahmen der Durchsuchung an den Beschuldigten und dem Beginn der Hauptverhandlung nicht mehr angemessen, zumal das Tatmuster des Angeklagten bereits aus einschlägigen Vorstrafen bekannt war. Ob die Sache nun liegengelassen wurde oder der jahresübergreifenden Überlastung des Spruchkörpers nicht abgeholfen wurde; beides vermag die überlange Verfahrensdauer nicht zu entschuldigen.
377Andererseits hat selbst die Kenntnis von diesem schwebenden Verfahren den Angeklagten nicht von der Fortsetzung der Straftaten abgehalten. Vor diesem Hintergrund ist ein auf drei Monate begrenzter Vollstreckungsabschlag zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung angemessen, aber auch ausreichend
3782.
379Der Angeklagte N hat bei zwei seiner insgesamt fünf Straftaten – nämlich betreffend die Steuerhinterziehung der Jahre 2018 und 2019 als GbR-Gesellschafter – das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht. Ein großes Ausmaß liegt bei jeder Steuerhinterziehung über 50.000,- F1 vor (BGH Urteil vom 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BeckRS 2016, 2436). Diese Wertgrenze wurde in den Jahren 2018 und 2019 jeweils vielfach überschritten
380Die strafrahmen-erhöhende Regelbeispielswirkung wird bei der Gesamtwürdigung mit den nachfolgend aufgeführten Strafzumessungsgründen nicht kompensiert und erscheint im Vergleich mit anderen besonders schweren Fällen nicht als unangemessen.
381Zugunsten des Angeklagten N ist in erster Linie ins Gewicht gefallen, dass er nicht vorbestraft ist und in der Hauptverhandlung weite Teile des Tatgeschehens in tatsächlicher Hinsicht eingeräumt hat, wodurch die Beweisaufnahme erheblich entlastet wurde. Ferner war auch bzgl. dieses Angeklagten zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren mehrere Jahre in Anspruch genommen hat, wodurch das Strafbedürfnis vermindert und der Angeklagte belastet worden ist; wenngleich bzgl. des Angeklagten N keine Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegen. Die Kammer unterstellt zudem zugunsten des Angeklagten an, dass seine Hemmschwelle mit fortschreitender Tatdauer absank.
382Strafschärfend hat die Kammer gewürdigt, dass sich sein Tatzeitraum über mehrere Jahre erstreckte und die Tatgestaltung, etwa durch die Einbindung Dritter und einer Auslandsgesellschaft, mit hohem Aufwand und daher mit erhöhter krimineller Energie einherging. Die Einzelbeträge und der Gesamtbetrag der Verkürzung sind erheblich und überschreiten zum Teil deutlich die Betragsgrenze für die Annahme eines besonders schweren Falles.
383Die Kammer hat für die Steuerhinterziehung von Umsatzsteuer im Jahr 2016 eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten, für 2017 von 3 Monaten, im besonders schweren Fall für 2018 von 1 Jahr und 6 Monaten, im besonders schweren Fall für 2019 von 1 Jahr und 3 Monaten und für 2020 von 4 Monaten verhängt.
384Soweit Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängt wurden, liegen besondere Umstände in der Tat bzw. der Persönlichkeit des Angeklagten vor, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 StGB).
385Denn der Angeklagte N hat eine Serie von Straftaten begangen, die auch im Zusammenhang gewürdigt werden müssen. Zudem ist er mitverantwortlich einen erheblichen Steuerschaden im mittleren sechsstelligen Bereich.
386Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von
3872 Jahren
388für tat- und schuldangemessen.
389Die Strafvollstreckung konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
390Die Sozialprognose ist günstig im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB. Es besteht die Erwartung, dass sich der Angeklagte N schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht mehr straffällig werden wird. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der Grundlage einer Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit getroffen worden, unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen geschilderten Umstände, die zugunsten sowie zulasten des Angeklagten ins Gewicht fallen. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und teilgeständig. Die Schadenshöhe bewegt sich nach höchstrichterlichen Maßstäben im bewährungsfähigen Bereich. Der Angeklagte ist zwischenzeitlich Vater geworden und beabsichtigt, seinen langjährigen Berufswunsch umzusetzen.
391Nach der Gesamtbetrachtung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände vor, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe wiederspiegelt, als nicht unangebracht und den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen, § 56 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte ist Ersttäter. Er musste sich im Alter von nunmehr 29 bzw. 30 Jahren einer mehrmonatigen Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer stellen.
392Auch Verteidigung der Rechtsordnung gebietet nicht die Vollstreckung gem. § 56 Abs. 3 StGB. Der Angeklagte ist zu einer nicht unerheblichen Strafe verurteilt worden, was nicht als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Unrecht empfunden werden kann. Darüber hinaus muss der Angeklagte im Rahmen der Bewährung 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten.
3933.
394Der Angeklagte N1 hat bei zwei seiner insgesamt vier Straftaten – nämlich betreffend die Steuerhinterziehung der Jahre 2018 und 2019 als GbR-Gesellschafter – das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht. Ein großes Ausmaß liegt bei jeder Steuerhinterziehung über 50.000,- F1 vor (BGH Urteil vom 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BeckRS 2016, 2436). Diese Wertgrenze wurde in den Jahren 2018 und 2019 jeweils vielfach überschritten.
395Die strafrahmen-erhöhende Regelbeispielswirkung wird bei der Gesamtwürdigung mit den nachfolgend aufgeführten Strafzumessungsgründen nicht kompensiert.
396Auch zugunsten des Angeklagten N1 war zu berücksichtigen, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Seine Taten liegen zumindest teilweise lange zurück, mit fortschreitender Tatdauer kann auch bei ihm ein Absinken der Hemmschwelle unterstellt werden. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters und seiner Erkrankung ist er in erhöhtem Maße haftempfindlich.
397Auf der anderen Seite ist er jedoch – anders als sein Sohn – nicht nach und nach in die Begehung der Straftaten hineingeraten, sondern war sich aufgrund seiner juristischen Qualifikation der kriminellen Relevanz und Tragweite seit Anbeginn seines Tuns und in besonderem Maße bewusst. Sein Wissen hat er in den Dienst der gemeinsamen Straftaten gestellt und ersichtlich allein aus Profitstreben durch rechtlichen Gestaltungsmissbrauch maßgeblich zur verschleiernden Ausgestaltung bzw. Perfektionierung der Taten beigetragen.
398Die Kammer hat folgende Einzelstrafen verhängt: Für die Steuerhinterziehung der Umsatzsteuer im Jahr 2017 eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten, im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2018 von 1 Jahr und 7 Monaten, im besonders schweren Fall betreffend das Jahr 2019 von 1 Jahr und 4 Monaten und betreffend das Jahr 2020 von 5 Monaten.
399Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte in einem langen Tatzeitraum und mit hoher krimineller Energie zu einem Steuerschaden in mittlerer sechsstelliger Höhe beigetragen hat, liegen besondere Umstände in der Tat bzw. der Persönlichkeit des Angeklagten vor, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen.
400Aus den verhängten Einzelstrafen hat die Kammer unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkten und unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von
4012 Jahren
402als tat- und schuldangemessen erachtet.
403Auch dem Angeklagten N1 wird Strafaussetzung zur Bewährung gewährt.
404Die Sozialprognose ist günstig im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB. Es besteht die Erwartung, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht mehr straffällig werden wird. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist wiederum auf der Grundlage einer Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit getroffen worden, unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen geschilderten Umstände die zugunsten sowie zulasten des Angeklagten ins Gewicht fallen. Der Angeklagte war teilgeständig. Die Schadenshöhe bewegt sich nach höchstrichterlichen Maßstäben im bewährungsfähigen Bereich. Der Angeklagte ist zweifacher Vater und unterhaltspflichtig für seine Tochter.
405Nach der Gesamtbetrachtung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände vor, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe wiederspiegelt, als nicht unangebracht und den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen, § 56 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte ist wie sein Sohn Ersttäter und hat keinerlei Vorstrafen. Er musste sich erstmals im Alter von 68 Jahren einer Hauptverhandlung stellen.
406Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet nicht die Vollstreckung gem. § 56 Abs. 3 StGB. Der Angeklagte ist zu einer nicht unerheblichen Strafe verurteilt worden, was nicht als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Unrecht empfunden werden kann. Darüber hinaus muss der Angeklagte im Rahmen der Bewährung 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten.
4074.
408Dem Angeklagten W kam schon allein mangels Tatherrschaft die Milderung gem. §§ 27 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 StGB zu. Ferner war seine Strafe nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, da das strafbegründende besondere persönliche Merkmal der steuerlichen Erklärungspflicht in seiner Person nicht vorlag.
409Als strafmildernde Umstände haben sich das Geständnis des Angeklagten hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Vorwurfs, die Tatsache, dass die begangenen Taten erhebliche Zeiträume zurückliegen und die vergleichsweise geringe – ihm zurechenbare – Schadenssumme von rund 25.000,- F1 ausgewirkt.
410Strafschärfend wirkten sich die in Anzahl und Umfang erheblichen Vorbelastungen des Angeklagten aus, wenngleich er bislang nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist. Der Angeklagte hat bereits viele Jahre Strafhaft verbüßt, was ihn offenbar nicht zu einem straffreien Leben angehalten hat. Berücksichtigt hat die Kammer auch die hohe Rückfallgeschwindigkeit.
411Als Einzelstrafen hat die Kammer für die Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Umsatzsteuer für das Jahr 2014 eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten und für das Jahr 2016 eine Freiheitsstrafe von 2 Monaten festgesetzt.
412Bei dem Angeklagten W liegen besondere Umstände vor, die in der Tat bzw. der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Bei ihm handelt es sich um einen hartnäckigen Rechtsbrecher mit in Anzahl und Bedeutung umfangreichen Voreintragungen und vorverbüßten Freiheitsstrafen.
413Diese Einzelstrafen sind gesamtstrafenfähig mit der noch nicht (vollständig) erledigten Einzel-Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 F1 aus dem Strafbefehl des AG H vom 09.04.2024 (Az. 3 Cs-402 Js 1170/24-368/24).
414Gemäß §§ 55 Abs. 1, 53, 54 StGB ist aus diesen Strafen nachträglich eine tatschuldgerechte Gesamtfreiheitsstrafe von
4156 Monaten
416gebildet worden.
417Daneben war gemäß § 55 Abs. 2 StGB die noch nicht erledigte Festsetzung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) aus dem einbezogenen Vorstrafenurteil aufrechtzuerhalten.
418Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Denn es besteht die Erwartung, dass der Angeklagte sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und nunmehr auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht mehr straffällig werden wird.
419Unbeschadet der zahlreichen Vorstrafen und der bislang fruchtlos gebliebenen Hafterfahrung des Angeklagten erlauben sein Prozessverhalten und die Veränderung seiner Lebensumstände eine positive Sozial- und Legalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte war geständig und nur für einen vergleichbar geringen Schadensanteil mitverantwortlich. Positiv zu berücksichtigen war zudem die berufliche und private Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse.
420In Anbetracht dieser Besonderheiten ist die Strafvollstreckung auch nicht zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten (§ 56 Abs. 3 StGB)
421VII.
422Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.