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Landgericht Aachen, 15 O 109/24

Datum:
25.03.2025
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
15. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 109/24
ECLI:
ECLI:DE:LGAC:2025:0325.15O109.24.00
 
Schlagworte:
Glücksspielstaatsvertrag 2012; Nichtigkeit; Verbotsgesetz; konzessionsfähig
Normen:
BGB §§ 31; 134; 199; 254; 257; 286; 288; 762; 812 Abs. 1 Satz 1; 814; 817; 818 Abs. 3; 819; 823; ZPO §§ 148; 253 Abs. 2 Nr. 2; Rom-I-VO Art. 12 Abs. 1 e); Art. 6 Abs. 1 b); Art. 4 Abs. 1 AEUV Art. 56; StGB §§ 284; 285; GlüStV 2012 §§ 4 Abs. 1; 4 Abs. 4; 4 Abs. 5; 4 Abs. 5;
Leitsätze:

1. Verträge, die gegen das Totalverbot des § 4 Abs. 1, Abs 4 GlüStV verstoßen(hier: Online-Casinoglücksspiele) sind nach § 134 BGB nichtig (Anschluss an BGH,Beschl. v. 25.07.2024 – I ZR 90/23, juris Rn. 17 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2023– 19 U 92/23, juris Rn. 13 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.04.2023 – 14 U 256/21, jurisRn. 72 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.01.2025 – 5 U 107/24, juris Rn. 58).2. Maßgeblich für die Beurteilung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 134BGB ist das zum Zeitpunkt des Verstoßes geltende Verbotsgesetz. Wird das Verbotnachträglich aufgehoben, führt nur eine bestätigende Neuvornahme gem. § 141BGB zur Wirksamkeit (Anschluss an BGH, Beschl. v. 22.03.2024 – I ZR 88/23, jurisRn. 21).3. Das im Glücksspielstaatsvertrag 2012 vorgesehene Verbot steht mit demUnionsrecht grundsätzlich in Einklang. Eine Pflicht der Mitgliedstaaten, eine voneinem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis anzuerkennen, ergibt sich aus demUnionsrecht nicht (Anschluss an BGH, Beschl. v. 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris Rn.16; BGH, Beschl. v. 25.07.2024 – I ZR 90/23, juris Rn. 59; BGH, Beschl. v.26.01.2023 – I ZR 79/22, juris Rn. 26; BGH, Beschl. v. 23.01.2025 – I ZB 39/24, jurisRn. 27). Allerdings muss ein Mitgliedstaat bei Einführung eines Glücksspielverbotsinsbesondere die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV beachten, wobei es beiVerfahren, die Online-Casinoglückssiele zum Gegenstand haben, nicht um dieUnionrechtskonformität des in § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 für Sportwettengeregelten Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt geht, sondern darum, ob das fürsonstige Online-Glücksspiele wie Casino-, Poker- oder Automatenspiele geltendeTotalverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mit Unionsrecht in Einklang steht. Solltedies nicht der Fall sein, könnte dies zur Folge haben, dass bei einerunionsrechtskonformen Auslegung des § 134 BGB von einer Wirksamkeit dergeschlossenen Verträge ausgegangen werden müsste und § 823 Abs. 2 BGB nichtals Schutzgesetz angesehen werden könnte. Die Annahme, das Unionsrecht steheder bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 aus § 134 BGB folgendenNichtigkeit sowie einer Auslegung des § 823 Abs. 2 BGB als Schutzgesetzentgegen, wäre allerdings von vorneherein allenfalls dann gerechtfertigt, wenn dasangebotene Glücksspiel nach nationalem Recht auch konzessionsfähig wäre. DasUnionsrecht gebietet es nicht, solche Glücksspielangebote zivilrechtlich als wirksamzu behandeln. Ein Veranstalter von Online-Glücksspielen kann aus dem Unionsrechtkeine Rechte herleiten, die er auch in einem unionsrechtskonformenKonzessionserteilungsverfahren nicht hätte erlangen können (Anschluss an BGH,Beschl. v. 25.07.2024 – I ZR 90/23, juris Rn. 39; BGH, Beschl. v. 22.03.2024 – I ZR88/23, juris Rn. 48 ff.). Im Hinblick hierauf ist eine Aussetzung des Verfahrens nach§ 148 ZPO analog im Hinblick auf eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit desTotalverbots in § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV nicht geboten.4. Auch bei einer Verjährung von Bereicherungsansprüchen kann dem Spielergegen den Veranstalter von Online-Casinoglücksspielen ein durchsetzbarerAnspruch in gleicher Höhe gem. § 852 i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB, § 4 Abs. 1, 4GlüStV 2012 zustehen (Anschluss an OLG Stuttgart, Urt. v. 24.05.2024 – 5 U 74/23,juris Rn. 110 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.01.2025 – 5 U 107/24, juris Rn. 126 ff.).5. Begehrt eine klagende Partei die Freistellung von den für die Beauftragung seinerProzessbevollmächtigten entstandenen außergerichtlichen Kosten, steht ihm einAnspruch auf Verzugszinsen insoweit nicht ohne weiteres zu. Verzugszinsen aufeinen Freistellungsanspruch können mangels Rechtsgrundlage nicht entsprechendder Regelung beim Zahlungsanspruch verlangt werden, da § 288 BGB auf einenFreistellungsanspruch nicht anwendbar ist (Anschluss an OLG Stuttgart, Urt. v04.10.2010 – 5 U 60/10, juris Rn. 91 f.).

 
Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.204,99 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2024 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Q. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Z.-straße 00, 00000 F. in Höhe von 1.751,80 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 37.204,99 Euro festgesetzt.

 

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