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Die Sorge vor einem Datenmissbrauch kann einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen reicht jedoch für die Darlegung eines Schadens nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 - 8 AZR 124/23).
1.Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2024 - 2 Ca 4416/23 - wird zurückgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über Schadensersatz nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen unterbliebener Auskünfte im Anschluss an eine abgelehnte Bewerbung.
3Der Kläger bewarb sich am 29.07.2023 auf eine Stellenanzeige der Beklagten als Sachbearbeiter Forderungsmanagement. Am 08.08.2023 erhielt er eine Absage. Am selben Tag übersandte der Kläger der Beklagten eine E-Mail (Bl. 10 d. erstinstanzlichen Akte) mit -auszugsweise- folgendem Inhalt:
4"Da mich natürlich interessiert, was die ausschlaggebenden Gründe für diese Absage waren, bitte ich Sie höflichst, mir die Ablehnungsgründe mitzuteilen und mir eine umfassende Auskunft sowie eine vollständige Datenkopie auf Grundlage von Artikel 15 DSGVO zu erteilen.
5Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Ihre unverzügliche Antwort bis zum 23.08.2023 zukommen lassen würden."
6Die Beklagte antwortete dem Kläger mit E-Mail vom 15.08.2023 (Bl. 11 d. erstinstanzlichen Akte) und übersandte ihm einen Ausdruck von gespeicherten Daten des Klägers aus ihren Systemen. Daneben wies sie darauf hin, dass seine Daten innerhalb der nächsten drei Monate gelöscht würden. Weitergehende Auskünfte erteilte die Beklagte dem Kläger zunächst nicht.
7Mit seiner am 26.09.2023 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 30.09.2023 zugestellten Klage, hat der Kläger zunächst Auskunft über die Empfänger seiner personenbezogenen Daten, über den Grund der Absage und die Herausgabe einer Kopie sämtlicher personenbezogener Daten verlangt. Ferner hat er eine Geldentschädigung geltend gemacht.
8Mit Schriftsatz vom 05.12.2023 (vgl. Bl. 68 ff. d. erstinstanzlichen Akte) hat die Beklagte dem Kläger eine weitere Auskunft erteilt und ihm Kopien sämtlicher personenbezogenen Daten herausgegeben. Daraufhin hat der Kläger seine Klage auf Zahlung einer Mindestentschädigung von 2.000,00 € reduziert und die übrigen Anträge für erledigt erklärt.
9Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf eine Geldentschädigung aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Aufgrund der verspäteten Auskünfte der Beklagten sei er in seinen Betroffenheitsrechten aus der DSGVO eingeschränkt worden. Er habe einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten und emotionales Ungemach erfahren. Es nerve ihn in erheblichem Maß, dass er Mühe und Zeit investieren müsse, um seine Rechte gerichtlich durchzusetzen.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 2.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2023 zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Klage rechtsmissbräuchlich sei, da sich der Kläger "gewerblich" bei verschiedenen Arbeitgebern bewerbe. Ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO könne zudem nur bei einem geltend gemachten Nachteil gefordert werden. Der Kläger habe einen solchen Nachteil nicht dargelegt.
15Mit Urteil vom 15.02.2024 hat das Arbeitsgericht den auf Schadensersatz gerichteten Antrag abgewiesen. Der Kläger habe die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadens und einer Kausalität zwischen Rechtsverstoß und Schaden nicht hinreichend konkret dargelegt. Ein abstrakter Kontrollverlust des Klägers stelle keinen konkreten immateriellen Schaden dar. Es genüge nicht, nur pauschal auf einen Kontrollverlust zu verweisen, ohne auf die konkreten Umstände einzugehen, wann dieser wie eingetreten sei und sich in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt auswirke. Ansonsten wäre der Verstoß gegen die Auskunftsverpflichtung aus Art. 15 DSGVO stärker sanktioniert als andere, schwerwiegendere Datenschutzverstöße. Entsprechendes gelte für die Behauptung des Klägers "genervt zu sein". Der Kläger habe nicht konkret dargelegt, wann er in welchem Maße, aufgrund welchen Verhaltens der Beklagten konkret genervt war und wie sich dieses "genervt sein" auf sein Wohlbefinden insgesamt ausgewirkt habe. Ferner sei der Kläger für seine Behauptungen zu den beiden Tatbestandsmerkmalen Schaden und Kausalität beweisfällig geblieben.
16Das Urteil ist dem Kläger am 14.03.2024 zugestellt worden. Mit einem am 10.04.2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit einem am 08.05.2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
17Der Kläger hält die rechtlichen Wertungen des Arbeitsgerichts für fehlerhaft. Er habe immaterielle Schäden in Gestalt einer Einschränkung seiner Rechte und eines temporären Kontrollverlusts erlitten. Die entscheidungserhebliche Frage sei nicht, "ob" ein Schaden vorliege, sondern "was" als immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO zu verstehen sei. Diese Frage habe durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.12.2023 in dem Verfahren C-340/21 eine Klärung dahingehend gefunden, dass Nachteile, die in Erwägungsgrund 85 Satz 1 benannt würden, einen Schaden darstellten. Dies habe der EuGH jüngst nochmals in der Entscheidung vom 11.04.2024 im Verfahren C-441/21 bestätigt. Vor diesem Hintergrund könne nicht mehr infrage gestellt werden, dass der bloße Kontrollverlust einen immateriellen Schaden darstelle, selbst wenn keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil der Personen erfolgt sei. Die Argumentation des Arbeitsgerichts, der Kontrollverlust sei in diesem konkreten Fall nicht als Schaden ausreichend, weil es zwischen einer Differenzierung zwischen dem Verordnungsverstoß und dem Schaden fehle, sei zirkelschlüssig und finde keine Bestätigung durch die Rechtsprechung des EuGH. Der Kläger habe eine Einschränkung seiner Betroffenenrechte und einen damit verbundenen Kontrollverlust im vorliegenden Streitfall auch tatsächlich erlitten. Zwar wisse der Kläger, welche Daten er der Beklagten zur Verfügung gestellt habe. Dem Kläger fehle aber das Wissen über das "Wie" der Datenverarbeitung. Er habe im Zeitraum zwischen dem 07.09.2023 und dem 05.12.2023 seine Daten nicht kontrollieren können und sei durch dieses temporäre Nichtwissen in seinen Betroffenenrechten eingeschränkt worden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei auch das erstinstanzlich vorgebrachte emotionale Ungemach als weiterer immaterieller Schaden ausreichend. Aufgrund des Verordnungsverstoßes der Beklagten habe der Kläger Zeit und Mühe investieren und in zweiter Instanz nun auch ein erhebliches Prozesskostenrisiko in Kauf nehmen müssen. All dies nerve den Kläger in erheblicher Weise. Es könne von ihm nicht verlangt werden, dass er den Schaden beispielsweise durch ein medizinisches Gutachten nachweise. Denn ein geringfügiger Schaden wie ein "genervt sein" sei nicht medizinisch diagnostizierbar. Die immateriellen Schäden des Klägers seien auch eine adäquat kausale Folge des Verstoßes der Beklagten gegen Art. 15 DSGVO.
18Der Kläger beantragt,
19das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2024 Az. 2 Ca 4416/23 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen immateriellen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 2.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Der Kläger habe weiterhin weder einen immateriellen Schaden noch eine Kausalität zwischen einem etwaigen Verstoß gegen die DSGVO und einem Schaden dargelegt. Zudem begründe eine verzögerte oder unvollständige Datenauskunft keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Parteischriftsätze in beiden Instanzen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie auf den gesamten weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akteninhalt Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25I.
26Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffenden, sorgfältig begründeten Erwägungen abgewiesen. Die Berufungskammer folgt der Begründung des angefochtenen Urteils unter I. 2. der Gründe und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Berufungsverfahren sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte vorgebracht worden, die zu einer Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Veranlassung geben könnten.
271.Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO verstoßen hat, indem sie das Auskunftsverlangen des Klägers vom 08.08.2023 erst nach Klageerhebung beantwortet hat. Es kann auch dahinstehen, ob eine verspätete Auskunft überhaupt einen Verstoß i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann (vgl. LAG Düsseldorf 7. März 2024 - 11 Sa 808/23 - zu II 2 b cc der Gründe; 28. November 2023 - 3 Sa 285/23 - zu II 2 der Gründe). Selbst wenn ein solcher Verstoß unterstellt wird, scheitert die Klage daran, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist, den die Beklagte durch eine ggf. verspätete Auskunft verursacht hätte.
282.Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei Entscheidungen vom 20. Juni 2024 (8 AZR 91/22 und 8 AZR 124/23 jeweils Rn. 11 ff.) zur Rechtslage wie folgt ausgeführt:
29"a) Das Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast der Klagepartei ist durch die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt (vgl. hierzu BAG 25. April 2024 - 8 AZR 209/21 (B) - Rn. 5 f.).
30aa) Aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO geht klar hervor, dass das Vorliegen eines "Schadens" eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 58; 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 77; 4. Mai 2023 - C-300/21 - [Österreichische Post] Rn. 32). Der Schadenersatzanspruch hat, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion, da eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und erfüllt keine Abschreckungs- oder Straffunktion (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 50; 21. Dezember 2023 - C-667/21 - [D.] Rn. 87). Der Schaden muss keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht haben (EuGH 14. Dezember 2023 - C-456/22 - [W.] Rn. 16 und - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 78; 4. Mai 2023 - C 300/21 - [Österreichische Post] Rn. 51).
31bb) Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast hat der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt, dass die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung nachweisen muss, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist (EuGH 11. April 2024 - C-741/21 - [juris] Rn. 35; 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 60 f.). Da der 85. Erwägungsgrund der Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich den "Verlust der Kontrolle" zu den Schäden zählt, die durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursacht werden können, hat der Gerichtshof entschieden, dass der - selbst kurzzeitige - Verlust der Kontrolle über solche Daten einen "immateriellen Schaden" iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (EuGH 11. April 2024 - C-741/21 - [juris] Rn. 42; 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 66). Dabei kann die durch einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, für sich genommen einen "immateriellen Schaden" iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 65; 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 79 ff.). Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten kann jedoch nicht zu einer Entschädigung führen (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [G. Rn. 68). Das angerufene nationale Gericht muss vielmehr prüfen, ob die Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (EuGH 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85).
32cc) Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast der Klagepartei kommt es nach Auffassung des Senats auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2023 (- VI ZR 97/22 - Rn. 30 ff.) nicht an. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage gestellt, ob Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens bloße negative Gefühle wie z. B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst genügen oder ob für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich ist. Diese Frage ist durch die nach der Vorlage des Bundesgerichtshofs ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedenfalls bezogen auf die Sorge vor Datenverlust bzw. unrechtmäßiger Datenverwendung beantwortet (aA Rombach/Hoeren WuB 2024, 28, 32; Scharpf jurisPR-ITR 8/2024 Anm. 5 unter C; vgl. auch BGH 12. Dezember 2023 - VI ZR 277/22 - Rn. 6).
33(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können negative Gefühle ("Befürchtung") in solchen Konstellationen einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus, denn das Gericht hat zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände "als begründet angesehen werden kann" (EuGH 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85). Dies setzt zwingend die Anwendung eines objektiven Maßstabs voraus (idS auch Halder/Maluszczak jurisPR-ITR 3/2024 Anm. 4 unter D; Sorber/Lohmann BB 2023, 1652, 1655; Peisker/Zhou BB 2024, 308, 310; aA Rudkowski NZA 2024, 1, 7). Dabei ist ua. die objektive Bestimmung des Missbrauchsrisikos der Daten von Bedeutung (vgl. Arning/Dirkers DB 2024, 381, 383).
34(2) Dem steht nicht entgegen, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht verlangt, dass ein erlittener Nachteil spürbar oder eine Beeinträchtigung objektiv sein muss (EuGH 14. Dezember 2023 - C-456/22 - [W.] Rn. 17). Damit hat der Gerichtshof nur klargestellt, dass es keine "Bagatellgrenze" gibt. Der objektive Maßstab bzgl. des Vorliegens eines Schadens als solchen ist hiervon zu unterscheiden. Besteht der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar sind, hat das nationale Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Sachvortrags zu beurteilen. Steht ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach richterlicher Beweiswürdigung i. S. v. § 286 Abs. 1 ZPO zum Nachteil der Klagepartei als geschützter Person fest, mindert sich das Beweismaß bzgl. der Entstehung und der Höhe des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 363/21 - Rn. 14)."
35b) Die Berufungskammer schließt sich diesen Grundsätzen an. Ausgehend hiervon hat der Kläger keinen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargelegt.
36aa) Der Kläger kann sich zur Darlegung eines Schadens nicht allein darauf stützen, er habe zwischen dem 07.09.2023 und dem 05.12.2023 seine Daten nicht kontrollieren können.
37Nach der vorgenannten Rechtsprechung kann ein Schaden nicht damit begründet werden, die Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO habe zu einem Kontrollverlust geführt, weil die Überprüfung verhindert werde, ob die Beklagte personenbezogene Daten rechtmäßig verarbeite. Der Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 DSGVO dient zwar dem Zweck, Betroffenen die Ausübung der Rechte auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch gegen die Verarbeitung nach Art. 16 bis 18 und Art. 21 DSGVO zu ermöglichen (vgl. EuGH 4. Mai 2023 - C-487/21 - [Österreichische Datenschutzbehörde] Rn. 35). Ein Kontrollverlust geht jedoch mit jeder Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO zwingend einher. Er ist daher nicht geeignet einen von der bloßen Verletzung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO unterscheidbaren Schaden zu begründen. Die eigenständige Voraussetzung des Schadens würde damit bedeutungslos. Sie wäre stets erfüllt. Dies ist mit dem Normverständnis des Gerichtshofs von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ebenso wenig zu vereinbaren wie mit den Anforderungen des nationalen Prozessrechts, das die substantiierte Darlegung eines Schadens verlangt (BAG 20. Juni 2024 - 8 AZR 124/23 - Rn. 18 mwN; aA Brandt/Goffart NZA 2024, 240, 242).
38Soweit der Kläger im Hinblick auf einen Verlust der Kontrolle vorträgt, ihm sei die Prüfung verwehrt, ob und vor allem wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite, legt er lediglich ein hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung dar. Ein objektiv erhöhtes Missbrauchsrisiko in Bezug auf die von dem Auskunftsanspruch betroffenen personenbezogenen Daten zeigt der Kläger hingegen nicht auf. Anders als bei einem Datenleck - das hier nicht behauptet wird - verschlechtert sich durch die unterbliebene Auskunft die Sicherheit der Daten nicht unmittelbar. Es hätte ergänzender Darlegungen des Klägers bedurft, aus welchen Gründen ein mehr als nur hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestehen soll (vgl. BAG 20. Juni 2024 - 8 AZR 124/23 - Rn. 19).
39Soweit sich aus dem Vortrag des Klägers negative Gefühle in Form einer Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung ergeben, können diese unter den gegebenen Umständen nicht als begründet angesehen werden. Nach der vorgenannten Rechtsprechung reicht das bloße Berufen auf Befürchtungen dieser Art nicht aus. Um zu prüfen, ob das Gefühl als begründet angesehen werden kann, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Dabei ist insbesondere das objektive Risiko eines Missbrauchs in den Blick zu nehmen, zu dem es vorliegend an ausreichenden Darlegungen fehlt (vgl. BAG 20. Juni 2024 - 8 AZR 91/22 - Rn. 20).
40bb) Für die geforderte Darlegung eines Schadens reicht auch nicht aus, dass der Kläger behauptet, es nerve ihn in erheblicher Weise, dass er wegen des Verstoßes der Beklagten Mühe und Zeit investieren müsse, um seine Rechte gerichtlich durchzusetzen. Damit wird kein immaterieller Schaden dargelegt. Der Ersatz des Aufwands, welcher durch eine Rechtsverfolgung entsteht, stellt einen materiellen Schaden dar, welchen der Kläger nicht verlangt (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 19. September 2024 -13 SLa 293/24 - zu B. b) bb) der Gründe).
41Dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs in atypischer Weise erfolgt ist und damit besonders "nervend" war, vermag die Berufungskammer ebenfalls nicht zu erkennen. Soweit der Kläger das Prozessrisiko und die ungeklärte Rechtslage anführt, handelt sich um einen Zirkelschluss. Durch das Verfolgen eines unbegründeten Anspruchs auf Schadensersatz kann ein solcher nicht erst entstehen. Eine Straffunktion kommt dem Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht zu (vgl. LAG Düsseldorf 19. September 2024 -13 SLa 293/24 - zu B. b) bb) der Gründe).
42Ärger und Frust als Pauschalbehauptung vermögen im Übrigen einen konkreten immateriellen Schaden nicht zu begründen (LAG Düsseldorf 28.11.2023 - 3 Sa 285/23 - Rn. 52; vgl. Fuhlrott/Fischer, NZA 2023, 606, 610). Auch wenn das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle bei der Schadensdarlegung nicht gefordert wird, bleibt das Erfordernis bestehen, den Schaden auch im niedrigschwelligen Bereich konkret zu begründen. Diese Anforderung erfüllt das Vorbringen des Klägers nicht. Das Arbeitsgericht hat zurecht darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht konkret dargelegt hat, wann er in welchem Maße, aufgrund welchen Verhaltens der Beklagten konkret genervt war und wie sich dieses "genervt sein" auf sein Wohlbefinden insgesamt ausgewirkt hat. Konkrete Darlegungen hierzu sind auch in zweiter Instanz nicht erfolgt. Es liegt seitens des Klägers ein bloßes Berufen auf eine Gefühlslage vor, welches die Berufungskammer ohne weitere Konkretisierung und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls nicht als begründet ansehen kann.
43C.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
45RECHTSMITTELBELEHRUNG
46Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
47REVISION
48eingelegt werden.
49Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
50Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
51Bundesarbeitsgericht
52Hugo-Preuß-Platz 1
5399084 Erfurt
54Fax: 0361 2636-2000
55eingelegt werden.
56Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
57Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
58Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
591.Rechtsanwälte,
602.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
613.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
62In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
63Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
64Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
65* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
66| Dr. Haves | Glombitza | Müsgen |