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1. Eine Kollision von Verbandstarifverträgen auf Bundes- und Landesebene, die von den gleichen Tarifpartnern abgeschlossen wurden, wird nach dem Grundsatz der Spezialität aufgelöst, daher geht der TVöD-NRW dem TVöD-V (VKA) vor. 2. Das Merkmal "Baumkontrolle" im Sinne der Entgeltgruppe 7 TVöD-NRW erfasst nicht nur solche, die vom Boden aus durchgeführt werden. 3. Für das Erfüllen des Merkmals "Baumkontrolle" im Sinne der Entgeltgruppe 7 TVöD-NRW genügt im Rahmen einer - hier vorliegenden - Gesamttätigkeit ein rechtserhebliches Ausmaß.
I.Auf die Berufung des Klägers wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 10.06.2021 - 1 Ca 3151/20 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Landesbezirklichen Tarifvertrags zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW) zu vergüten und die sich für die Zeit ab Dezember 2017 ergebenden Nettodifferenzbeträge ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats sowie die sich für die Monate Januar 2017 bis November 2017 ergebenden Nettodifferenzbeträge ab dem 01.05.2018 jeweils mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
II.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III.Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers.
3Der am 28.04.1992 geborene Kläger ist seit dem 12.06.2012 bei der Beklagten beschäftigt und wird als Gärtner eingesetzt. Es gilt der Arbeitsvertrag vom 12.06.2012 (Bl. 44 f. dA.). Auf das Arbeitsverhältnis finden sowohl kraft arbeitsvertraglicher Verweisung wie auch kraft Mitgliedschaft der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V (VKA)) wie auch der Landesbezirkliche Tarifvertrag vom 19. Dezember 2006 zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW) in der jeweiligen Fassung Anwendung. Der Kläger ist in einer 39-Stunden-Woche beschäftigt.
4Der Kläger hat die Ausbildung zum Gärtner abgeschlossen. Weiterhin legte er am 11.02.2015 erfolgreich die Zertifizierung der Forschungsgesellschaft und Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) als Baumkontrolleur bei der Landwirtschaftskammer NRW ab (Bl. 16 d.A.). Die Kenntnisse der FLL-Zertifizierung sind nach Vorgabe der Beklagten zwingende Voraussetzung für die Ausübung der sicherheitsrelevanten Tätigkeiten des Klägers.
5Der Kläger ist im Eigenbetrieb "Grün und Gruga" der Beklagten tätig. Dieser ist zuständig für die Betreuung der Bäume im Stadtgebiet. Organisatorisch wird die Baumbetreuung von den Regiebetrieben "Baumkontrolle" und "Baumpflege" wahrgenommen. Der Regiebetrieb Baumkontrolle führt die Baumkontrolle ausschließlich vom Boden aus durch. Bei dieser Kontrolle werden zu erledigende Aufgaben priorisiert elektronisch im digitalen System "proBaum" als Aufgaben für die Teams des Regiebetriebs Baumpflege erfasst. Die Beklagte unterscheidet dabei nach drei Prioritäten:
61 | Unmittelbare Abarbeitung | Akuteinsatz, Gefahr im Verzug (herabfallende Äste, Abbrechen des Baumes) |
2 | Innerhalb von 2 Wochen | Dringende Arbeiten nach ZTV-Baumpflege (Sichtbehinderung des fließenden Verkehrs durch Hineinragen von Ästen) |
3 | Innerhalb von 6 Monaten | Regelbaumpflege nach ZTV-Baumpflege (Lichtraumprofilarbeiten) |
Die hinterlegten Aufgaben werden durch die Teams des Regiebetriebs Baumpflege abgearbeitet. Insgesamt bestehen bei der Beklagten sechs Baumpflegeteams (vgl. das Organigramm, Bl. 99 d.A.). Der Kläger ist dem Team 2 zugeordnet, welches neben dem Kläger aus einem Vorarbeiter und zwei bis drei weiteren ausgebildeten Gärtnern besteht.
8Die Baumpflegeteams arbeiten sowohl am Boden wie auch - von einem an einer Hebebühne angebrachten Korb (vgl. hierzu das Bild Bl. 238 d.A.) aus - in der Krone der betreuten Bäume. Es befindet sich immer ein Mitarbeiter im Korb der Hebebühne. Die Tätigkeit im Korb wird am Tag abwechselnd von den verschiedenen Mitgliedern des Teams verrichtet. Der Kläger verrichtet im Durchschnitt etwa zwei bis drei Stunden seiner Arbeitszeit pro Arbeitstag im Korb. Die übrigen Mitarbeiter erledigen derweil Tätigkeiten am Boden. Während das im Korb befindliche Teammitglied am Baum hochgefahren wird, führt es zunächst eine weitere Kontrolle des Baumes - insbesondere im Kronenbereich - durch. Dabei werden Schäden entdeckt, die vom Boden aus nicht erkennbar waren (vgl. die Bilder Bl. 239 - 242, 243 Rs. d.A.) und die auch nicht Teil der vom Regiebetrieb Baumkontrolle eingepflegten Arbeitsauftrags waren. Hierbei werden die durch die FLL-Zertifizierung erlernten Fähigkeiten voraus- und eingesetzt. Diese Schäden werden direkt behandelt oder es wird eine weitere Aufgabe im digitalen System proBaum eingepflegt. Soweit sich der Kläger im Korb der Arbeitsbühne befindet, entscheidet er als Gärtner grundsätzlich, ob und ggf. welche ad hoc zu treffende Maßnahme nötig ist.
9Neben Lichtraumprofilschnitten hat der Kläger am 06.07.2020 u.a. 35 Minuten für die Entdeckung und Entnahme mehrerer Äste mit Sonnenbrand aufgewandt. Am 09.07.2020 hat er ebenso 35 Minuten für die Entdeckung und Entfernung von Rindennekrosen an zwei verschiedenen Bäumen aufgewandt. Am 13.07.2020 hat er Brandschäden an Stamm und Stammfuß zweier Bäume entdeckt. Hierfür sind ca. 40 Minuten angefallen. Am 20.07.2020 hat er ca. 65 Minuten verwandt, um an Astoberseiten zahlreiche Rindennekrosen mit tiefer Morschung (50%) durch Sonnenbrand und Astbrüche durch Sturm zu beseitigen. Ebenfalls am 20.07.2020 hat er an drei Eschen Sonnenbrand am Stamm auf einer Länge von sechs bis acht Metern entdeckt. Da in diesen Fällen kein Erhalt mehr möglich war, erfolgte die sofortige Fällung der Eschen. Hierfür sind 80 Minuten für angefallen. Am 21.07.2020 hat er einen Pilzfruchtkörper um einen Baum herum gefunden. Zusätzlich hat er einen wulstigen Lackporling (Pilz) festgestellt, der die Standfestigkeit von Bäumen stark beeinträchtigte und hierfür einen Prio-2-Fällauftrag angelegt. Hierfür sind ca. 25 Minuten angefallen. Am 03.08.2020 hat er einen Rindenschaden auf der Oberseite eines Starkastes entdeckt und den Ast eingekürzt. Hierfür sind ca. 35 Minuten angefallen. Außerdem hatte er Reibeäste zu entfernen. Hierbei handelt es sich um Äste, die im Baum übereinander liegen und aneinander reiben, was zum Bruch führen kann. Problematischer aus Sicht des Baumerhalts ist der Umstand, dass sich in den Reibestellen Pilze ansiedeln könnten. Am 04.07.2020, 14.07.2020 und 10.08.2020 hat er 40, 20 bzw. 15 Minuten aufgewandt, um Reibeäste zu entfernen.
10Die Beklagte vergütet den Kläger nach der Entgeltgruppe (EG) 6 des TVöD-NRW. Die Eingruppierungsmerkmale der EG 6 der Anlage zu § 11a TVöD-NRW lauten:
11"Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden (gelernte Beschäftigte) sowie Beschäftigte mit einer Tätigkeit eines solchen beschäftigten gleichwertigen Tätigkeit."
12Die eigenen Entgeltgruppen des TVöD-NRW haben eine Regelung auf Bundesebene zum Hintergrund. Insoweit haben die Tarifpartner auf Bundesebene im Anhang zum TVöD-V (VKA), dort unter (3), geregelt, dass die Tarifvertragsparteien auf der Landesebene im Bereich des Besonderen Teils Verwaltung (BT-V) in den Entgeltgruppen 2 bis 9a unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen, der Eingruppierungsgrundsätze, der Struktur der Entgeltordnung und des Eingruppierungsniveaus spezielle Tätigkeitsmerkmale, die der Wertigkeit der allgemeinen Merkmale entsprechen, sowie Ferner-Merkmale vereinbaren können, soweit die Beschäftigten u.a. im Bereich der Grünflächenunterhaltung (einschließlich Friedhöfe, Kurparks und Parks) tätig sind. Vor dem Hintergrund dieser Ermächtigung haben die Tarifpartner auf Landesebene für die Kommunen den TVöD-NRW vereinbart, der eigene Entgeltgruppen aber auch eigene grundsätzliche Eingruppierungsregelungen vorsieht. Anders als der TVöD-V (VKA), der in § 12 Abs. 2 Satz 2 die zeitlich mindestens zur Hälfte anfallenden Arbeitsvorgänge für die Eingruppierung für maßgeblich erklärt, stellt der TVöD-NRW in den Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen des Eingruppierungsverzeichnisses nach § 11a TVöD-NRW Teil A auf die Tätigkeit ab:
13"1. 1Die Beschäftigten sind in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte entspricht. 2Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Satz 1 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. 3Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung entsprechend erfüllt sein."
14Unter dem 06.12.2017 verlangte der Kläger eine Vergütung nach der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW (Bl. 19 d.A.).
15Die relevanten Eingruppierungsmerkmale der EG 7 Abschnitt a) lauten:
16"Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 mit besonders qualifizierter oder besonders vielseitiger Tätigkeit
17Abschnitt a)
18Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem Verwandtenfach eine besonders qualifizierte Spezialtätigkeit verrichten, und zwar als
19[ ]
2025. Forstwirte, Gärtner oder Fachagrarwirte, die selbstständig und verantwortlich Maßnahmen zur Baumerhaltung durchführen; nicht erfasst werden Maßnahmen der "allgemeinen Pflege"*)
21[ ]
2228.Gärtner oder Fachagrarwirte, die aufgrund einer Zusatzqualifikation die Baumkontrollen durchführen.
23[ ]"
24Nach der Vorbemerkung Nr. 2 zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A, sind die mit dem Hinweis "*)" versehenen Tätigkeitsmerkmale erfüllt, wenn Beschäftigte die geforderte Tätigkeit bzw. Teiltätigkeit in nicht unerheblichem Umfang ausüben:
25"2. 1Die mit dem Hinweiszeichen "*)" versehenen Tätigkeitsmerkmale gelten als erfüllt, wenn Beschäftigte die geforderte Tätigkeit bzw. Teiltätigkeit in nicht unerheblichem Umfang ausüben. 2Der Umfang ist nicht mehr unerheblich, wenn er ¼ der Gesamttätigkeit ausmacht."
26Nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A verlangen die Anforderungen "selbstständig" und "verantwortlich" ab der EG 7, dass Beschäftigte über das bis zur EG 6 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführen ("selbstständig") und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung tragen ("verantwortlich"). Darüber hinausgehende Verantwortung aus anderem Recht ist keine Anforderung im Sinne der Tätigkeitsmerkmale.
27Mit Schreiben vom 09.04.2018 (Bl. 20 d.A.) lehnte die Beklagte das Höhergruppierungsverlangen des Klägers ab.
28Mit der am 15.12.2020 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der Beklagten am 04.01.2021 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter.
29Der Kläger hat behauptet, er erfülle nicht nur die Tätigkeitsmerkmale der EG 6, sondern auch der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW, hier des Tätigkeitsmerkmals der Nr. 25. Seine Tätigkeit werde in einem einheitlichen Arbeitsvorgang i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V (VKA), der auf die Pflege und den Erhalt des Baumes ausgelegt sei, verrichtet und diene fast ausschließlich dem Baumerhalt. Erst die von ihm vorgenommene Sichtung des Baumes lasse eine fachliche Entscheidung zu, ob allgemeine pflegerische Arbeiten ausreichten oder schon Maßnahmen des Baumerhalts durchzuführen seien. Allgemeine pflegerische Arbeiten reichten aufgrund der zunehmenden Trockenperioden und Stürme immer seltener aus, um einen Baum am Leben zu erhalten. Mehr als 50 % seiner Tätigkeit machten daher baumerhaltende Schnitte, wie der sog. ELA-Schnitt, aus. So habe er am 06.07.2020 sechs Stunden für den ELA-Schnitt an mehreren Bäumen, die Beseitigung von Astbrüchen, Unglücksbalken und Trockenheitsschäden, Lichtraumprofilschnitte etc. und Zusammenhangstätigkeiten aufgewandt. Diese zeitliche Aufteilung entspreche dem ganzjährigen Durchschnitt. Hierbei handele es sich um baumerhaltende Maßnahmen i.S.d. Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW, also solche am kranken oder befallenen Baum. Er führe die baumerhaltenden Maßnahmen auch verantwortlich und selbstständig durch. Die fachliche Entscheidung, ob und ggf. welche konkrete Maßnahme im Zuge der Baumkontrolle auszuführen seien, treffe er allein. Hierzu sei er aufgrund der FLL-Zertifizierung auch in der Lage. Er lege auch eigenverantwortlich und ohne besondere Anweisung weitere Maßnahmen und Kontrollzyklen in Bezug auf erforderliche baumerhaltende Maßnahmen fest. Eine Entscheidungskontrolle durch den Vorarbeiter finde nicht statt; dies sei praxisfern. Lediglich die Eingabe in das digitale System proBaum werde vom Vorarbeiter ausgeführt, jedoch sei hiermit keine fachliche Einschätzung verbunden.
30Hilfsweise hat er sich darauf berufen, dass er Baumkontrollen i.S.d. Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW durchführe. Baumkontrollen erfolgten nur im ersten Schritt durch die vom Boden aus agierenden Baumkontrolleure. Unter einer Baumkontrolle sei die systematische Inaugenscheinnahme auf verkehrsgefährdende Schäden an Wurzeln, Stamm und Krone zu verstehen. Solche Tätigkeiten verrichte er in rechtserheblichem Ausmaß. Die Kontrolle durch den Regiebetrieb Baumkontrolle "von unten" könne schon aus baumphysiologischen Gründen nicht ansatzweise vollständig abgeschlossen werden. Zudem könne sich ein vom Boden aus festgestellter Schaden, der gesehen wurde, innerhalb des festgelegten Pflegeintervalls verschlimmern, so dass eine umfangreiche Untersuchung "von oben" aus durchgeführt werden müsse. Aus diesem Grund müssten eben auch die Baumpflegeteams alle Sachverhalte kennen und die vom Boden aus agierenden Baumkontrolleure flexibel unterstützen.
31Äußerst hilfsweise hat er sich darauf berufen, dass die Tätigkeitsmerkmale aus der Überschrift der EG 7 TVöD-NRW erfüllt seien, die auch in rechtserheblichem Ausmaß vorlägen. Insoweit gehe aus der Vormerkung Nr. 3 zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A hervor, dass die in den jeweiligen Entgeltgruppen in Fettdruck vorangestellten Überschriften allgemeine Tätigkeitsmerkmale seien, auf die eine Eingruppierung mit Ausnahme der Entgeltgruppen 2, 8 und 9a gestützt werden könne, sofern sie nicht ohnehin von einem bereits aufgeführten Merkmal erfasst seien.
32Zumindest aber bestehe ein Anspruch auf Höhergruppierung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe die Vorarbeiter der EG 7 zugeordnet, ohne dass dies durch ihre Stellung gerechtfertigt sei. Ihre Stellung als Vorarbeiter werde schon durch die Vorarbeiterzulage ausgeglichen.
33Der Kläger hat beantragt,
34festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes für NRW (TVöD-NRW) zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Differenzbeträge für die Monate ab 01.01.2017 ab dem auf dem jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu verzinsen.
35Die Beklagte hat beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Die Beklagte hat vorgetragen, nach der Vorbemerkung Nr. 1 zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A seien die Beschäftigten in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte entspreche. Insoweit stelle der TVöD-NRW anders als der TVöD-V (VKA) in dessen § 12 Abs. 2 Satz 2 nicht auf den Arbeitsvorgang als Grundlage der Eingruppierung ab. Da der TVöD-NRW aufgrund größerer Sachnähe spezieller sei, sei dessen Regelung für die Beurteilung der Eingruppierung maßgeblich. Die Tätigkeit des Klägers könne nicht zu einer Gesamttätigkeit zusammengefasst werden, da Baumpflege, Baumerhalt und Baumkontrolle jeweils unterschiedliche Tätigkeiten seien, die sie auch organisatorisch voneinander getrennt habe.
38Der Kläger sei vor diesem Hintergrund nicht in die EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW eingruppiert, weil er nicht zu einem Viertel seiner Arbeitszeit Baumerhaltungsmaßnahmen i.S.d. Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW ausübe. Die Notwendigkeit, dass die Tätigkeiten nach Nr. 25 zu einem Viertel seiner Arbeitszeit anfallen müssten, ergebe sich aus dem in Nr. 25 enthaltenen Hinweiszeichen und dem hierin liegenden Verweis auf die Vorbemerkung Nr. 2 zum Eingruppierungsverzeichnis nach § 11a TVöD-NRW Teil A. Baumerhaltung und allgemeine Baumpflege seien organisatorisch getrennt. Zeige sich bei Arbeiten an der Hebebühne am Baum weiterer Handlungsbedarf, habe der Kläger - sofern dies nicht in den durchzuführenden Pflegeauftrag falle - einen weiteren Pflegeauftrag an den Vorarbeiter weiterzugeben. Die Entscheidung zur Baumerhaltung bleibe dem Vorarbeiter vorbehalten. Aus dem Tätigkeitsprotokoll vom 06.07.2020 ergebe sich nichts anderes. Hieraus gehe schon nicht hervor, ob der Kläger für die Sicherung oder den Kronenschnitt eingeteilt gewesen sei. Ausweislich ihrer Aufzeichnung sei das Team des Klägers am 06.07.2020 neben dem ELA-Schnitt nach Schnittmuster u.a. mit der Kronenpflege in einem Stundenumfang von 28 Stunden befasst gewesen, umgerechnet auf die einzelnen Personen mit je sieben Stunden, so dass der Kläger etwa 89 % der Tagesarbeitszeit mit der reinen Baumpflege verbracht habe. Allerdings sei die Abgrenzung von allgemeiner Pflege und Baumerhaltung i.S.d. Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW nicht leicht, da letztlich jede pflegerische Tätigkeit langfristig dem Baumerhalt diene. Da die Tarifvertragsparteien jedoch allgemeine Pflegemaßnahmen nicht zur Eingruppierung in die EG 7 Abschnitt a) Nr. 25 TVöD-NRW ausreichen ließen, genügten solche pflegerischen Maßnahmen, die langfristig der Baumerhaltung dienten, nicht zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals. Die baumpflegerischen Maßnahmen beinhalteten nach dem Leistungsverzeichnis der ZTV-Baumpflege (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien der Baumpflege, Bl. 386 ff. d.A.) der FLL u.a. die Jungbaumpflege inkl. Aufbau- und Erziehungsschnitt, die Kronenpflege inkl. Kroneneinkürzung, Kronenauslichtung/Kronenentlastung sowie Totholzbeseitigung, Lichtraumprofil-, Form- und Kopfbaumschnitte, Einkürzungen einzelner Äste und Kronenteile, Sofortmaßnahmen an geschädigten Baumkronen nach unvorhergesehenen Ereignissen, Stabilisierungs- und Stützmaßnahmen etc. Diese Tätigkeiten seien dem Kläger auch zeitlich mindestens zur Hälfte dauerhaft übertragen. Dagegen seien stärker eingreifende Maßnahmen am Baum als Baumerhaltungsmaßnahme zu qualifizieren. Der ELA-Schnitt gehöre nicht hierzu. Die nach dem Sturm ELA in 2014 durchgeführten Schnitte in den Baumkronen seien nach einem von einem Baumsachverständigen festgelegten Schnittmuster erfolgt. Diese Arbeiten seien längst abgeschlossen. Soweit die Mitarbeiter derzeit noch von einem ELA-Schnitt sprächen, fielen hierunter Nacharbeiten im Rahmen der Regelbaumpflege an Bäumen, die mit einem ELA-Schnitt versehen worden seien. Gemeint sei die Nachpflege von Kappstellen und die Entnahme von Trockenästen. Auch bei einem kranken Baum sei der Kronenschnitt der allgemeinen Pflege zuzuordnen.
39Zudem arbeite der Kläger weder selbstständig noch verantwortlich im Sinne der Tarifvorschrift, da er alle Information an den Vorarbeiter weitergebe, der diese dann digital erfasse. Die Endentscheidung obliege daher dem Vorarbeiter. Dieser sei für die Tagesleistungserfassung des gesamten Teams selbstständig verantwortlich. Zusätzlich erforderliche Maßnahmen der Baumerhaltung seien in das System einzugeben und ein neuer Auftrag für den jeweiligen Baum zu erstellen. Einschneidendere Maßnahmen am Baum könne der Kläger deshalb nur nach Rücksprache mit dem Vorarbeiter durchführen. Allenfalls entscheide er über allgemeine Pflegemaßnahmen im Rahmen des zu erledigenden Pflegeauftrags.
40Der Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW. Sie habe die Tätigkeiten der Baumkontrolle und der Baumpflege organisatorisch getrennt. Der Kläger werde ausschließlich im Rahmen der Baumpflege tätig. Soweit eine Kontrollsichtung im Kronenbereich während der Baumpflege stattfinde, gebe der Kläger, sofern dies nicht in den durchzuführenden Pflegeauftrag falle, einen weiteren Pflegeauftrag an den Vorarbeiter weiter. Dieser leite seine Dokumentation sodann dem entsprechenden Disponenten weiter. Der jeweilige Vorarbeiter schließe die Maßnahme an einem Baum mit einer weiteren Regelbaumkontrolle ab und löse damit ein neues Kontrollintervall aus. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen der Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW jedoch nicht, weil er zu mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit Maßnahmen der Baumpflege und keine Regelbaumkontrollen durchführe.
41Ein Anspruch aus Gleichbehandlung stehe dem Kläger nicht zu. Die Vorarbeiter würden nach der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW vergütet, da die abschließenden Baumkontrollen zeitlich mindestens zur Hälfte anfielen. Dies treffe auf den Kläger nicht zu.
42Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.06.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Tätigkeit des Klägers entgegen der Ansicht der Beklagten nach Arbeitsvorgängen zu bemessen sei. § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V (VKA) könne durch die Vorbemerkung Nr. 1 zum Eingruppierungsverzeichnis nach § 11a TVöD-NRW Teil A nicht abbedungen werden, da dies gegen den Anhang "Regelungskompetenzen" zur Entgeltordnung des TVöD-V (VKA) verstoße. Gemäß der dortigen Ziffer (3) werde die Eingruppierung der Beschäftigten (grundsätzlich) auf Bundesebene geregelt. Die Tarifvertragsparteien könnten auf Landesebene im Bereich des Besonderen Teils der Verwaltung, der hier einschlägig sei, in den Entgeltgruppe 2 bis 9a nur unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen, der Eingruppierungsgrundsätze, der Struktur der Entgeltordnung und des Eingruppierungsniveaus spezielle Tätigkeitsmerkmale vereinbaren. Entgegen der Regelung im TVöD-NRW komme es für die Eingruppierung daher nicht auf die Tätigkeit, sondern nach Maßgabe des TVöD-V (VKA) auf den Arbeitsvorgang an. Die Tätigkeit des Klägers stelle sich als einheitlicher Arbeitsvorgang i.S. der tariflichen Vorschriften dar. Dass dieser vom Kläger geschuldete Arbeitsvorgang das Tarifmerkmal der "Durchführung von Maßnahmen zur Baumerhaltung" im Sinne der Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW darstelle, könne die Kammer jedoch nicht erkennen. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Maßnahmen der Baumerhaltung, die er durchführe und die ihm zur Durchführung zugewiesen seien, mehr als 25 % des Arbeitsvorganges darstellten. Insbesondere fehle es an dem Erfordernis der Selbstständigkeit und Verantwortung. Eine Höhergruppierung könne der Kläger auch nicht unter Berücksichtigung des Tätigkeitsmerkmals Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW beanspruchen. Die Auslegung des TVöD-NRW ergebe, dass es den Vertragsparteien nicht auf Kontrolltätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Bäumen ergänzend auftreten, angekommen sei, sondern die strukturierte zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht nach dem aktuellen regelmäßig durchgeführten Kontrollen erfasst werden sollte, mithin die Regelkontrollen, die nach dem aktuellen Stand der Technik vom Boden aus durchgeführt würden. Ein Anspruch aus Gleichbehandlung scheide aus, da der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingreife, wenn der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schaffe. Bei - auch nur vermeintlichen - Normenvollzug sei dies nicht anzunehmen.
43Gegen das ihm am 11.06.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.07.2021 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.09.2021 aufgrund Antrags vom 06.08.2021 - am 08.09.2021 begründet.
44Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe bei zutreffender Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen müssen, dass er in die EG 7 TVöD-NRW eingruppiert sei. Zwar sei dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen, dass sich die Eingruppierung nach Maßgabe der Arbeitsvorgänge i.S.d. TVöD-V (VKA) richte und dass sich seine Tätigkeit als ein einheitlicher Arbeitsvorgang darstelle, nicht zuzustimmen sei dem Arbeitsgericht aber, soweit es ein zeitliches Maß von 25 % seiner Arbeitszeit für Baumerhaltungsmaßnahmen angesetzt habe. Da es auf den Arbeitsvorgang ankomme und sich seine Tätigkeit als einheitlicher Arbeitsvorgang darstelle, sei innerhalb dieses Arbeitsvorgangs die Erfüllung des Merkmals "Baumerhaltungsmaßnahmen" mit einem rechtserheblichen Ausmaß ausreichend. Dies sei gegeben. Dies gelte auch, wenn man für die Differenzierung von Maßnahmen der allgemeinen Pflege und der Baumerhaltung darauf abstelle, ob die jeweilige Maßnahme kurzfristig notwendig sei, um eine Gefährdung des Baumes abzuwenden. Allerdings könne das Sterben eines Baumes Jahre dauern, so dass die zeitliche Notwendigkeit der Maßnahme kein zwingendes Abgrenzungskriterium sei. Weder die tarifliche Historie - dem Begriff der Baumerhaltung ging derjenige der baumchirurgischen Maßnahme voraus - noch fachliche Publikationen, wie die ZTV-Baumpflege, oder Ausbildungspläne, wie der Rahmenstoffplan für die Weiterbildung zum geprüften Fachagrarwirt Baumpflege (Bl. 308 ff. d.A.) oder die Fachagrarwirt-Baumpflege-Prüfungsverordnung (Bl. 341 Rs. ff d.A.) gäben einen Hinweis darauf, wie die Abgrenzung vorzunehmen sei. Baumerhaltungsmaßnahmen lägen daher seiner Auffassung nach vor, wenn fachspezifische Maßnahmen an kranken und verletzten Bäumen vorgenommen würden, die ohne die ergriffenen Maßnahmen aufgrund des Schadensbildes absterben würden oder - aus Gründen etwa der Verkehrssicherheit - bereits vor ihrem biologischen Lebensende gefällt werden müssten. Die Maßnahme müsse also dazu dienen, dass der Baum nicht als Lebewesen ausfalle. Solche Maßnahmen würden unter Pkt. 1.4 "Maßnahmen in der Baumpflege und Maßnahmen zur Standortverbesserung" des Rahmenstoffplans für die Weiterbildung zum geprüften Fachagrarwirt Baumpflege aufgeführt. Hierzu gehörten "Maßnahmen zur Bekämpfung von Schadorganismen [ ]", "Behandlung von Baumschäden", "Behandlung von Kronenschäden [ ]" und die "Kronensicherung". Solche Maßnahmen nehme er vor. Hierzu gehörten das Beseitigen auffälliger Rindenschäden und auch die Beseitigung eines unzureichenden Lichtraumprofils, weil der Bestand eines Baumes durch Anfahrschäden von LKW oder einer Baumaschine gefährdet werden könne. Dagegen lasse sich die Entfernung von Totholz, der Einbau von Kronensicherungen bei Zwieseln, die Entfernung von Unglücksbalken, an denen sich Längsrisse gebildet hatten sowie die Entfernung von Klebeästen als allgemeine Pflege einordnen. Anhand der beispielhaft dargelegten baumerhaltenden Interventionen könne zwar kein feststehendes Zeitmaß festgestellt werden, ob er also in einem Umfang von 5 % oder 50 % baumerhaltende Maßnahmen ausführe. Er müsse aber an jedem Tag damit rechnen, eines der genannten Schadensbilder vorzufinden. Ausgenommen seien nur solche Tage, an denen Arbeiten ausgeführt würden, für welche entweder kein Höhenzugang notwendig sei oder an denen lediglich Fällungen durchgeführt würden. Das rechtserhebliche Maß der tariflich höher bewerteten Tätigkeit sei daher gegeben.
45Der Kläger geht davon aus, dass er die Baumerhaltungsmaßnahmen auch selbstständig durchführe, d.h. ohne besondere Weisung. Im Baum entscheide er aufgrund seiner Ausbildung allein, wie die einzelne Maßnahme durchzuführen sei. Jeder Schnitt bedeutet eine Verletzung des Baumes und gefährde diesen in seinem Bestand, weil die Schnittfläche eine Wunde darstelle. Deshalb sei die sorgsame Abwägung des "Ob" und des "Wie" des Eingriffs eine der Hauptaufgaben des Gärtners in der Baumerhaltung. Jeder Schnitt - so er sich nicht verhindern lasse - müsse dem Baum mehr nützen als schaden. Für seine Arbeiten trage er auch die volle Verantwortung. Weder melde er laufend seine Arbeitsschritte, noch nehme der Vorarbeiter die ergriffene Maßnahme ab. Der Vorarbeiter könne auch nicht für die ergriffene Maßnahme einstehen, da er eben selbst entscheide, ob und wie er bspw. eine Motorsäge einsetze und inwiefern er Warnungen an die Kollegen am Boden gebe. Auch der Ort der Arbeitsleistung bedinge eine "verantwortliche" Tätigkeit: Der Großteil der Arbeit finde nicht vom Boden aus statt, sondern im Arbeitskorb. Arbeite er etwa im Kronenbereich, sehe sein Vorarbeiter weder das Schadensbild, noch den Allgemeinzustand des Baumes. Der Kläger meint, dass er folglich den gesamten Schaffensprozess vom Erkennen eines Schadens über die Wahl eines Interventionsmittels und Abwägung der Intensität des Eingriffs bis hin zur Durchführung der Schnitte verantworte.
46Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts führe er auch Baumkontrollen i.S.d. Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW durch. Aus dem Wortlaut lasse sich nicht ableiten, dass hiermit ausschließlich die vom Boden aus stattfindenden Baumkontrollen gemeint seien. Da die Baumkontrolle auch als Aufgabe übertragen werden müsse, um für die Eingruppierung maßgeblich zu sein, werde zugleich verhindert, dass der Beklagten eine Leistung aufgedrängt werde. Diese Übertragung habe die Beklagte bewusst vorgenommen. Der einheitlich zu bewertende Arbeitsvorgang lasse sich auch nicht ohne die Baumkontrollen durchführen, da die vom Boden aus nicht erkennbaren Schäden beurteilt werden müssten. Folglich genüge auch für die Erfüllung dieses Tätigkeitsmerkmals ein rechtserhebliches Ausmaß.
47Das Ergebnis ändere sich im Übrigen nicht, wenn man mit der Beklagten von einer tätigkeitsbezogenen Eingruppierung ausgehe. Dann sei nicht von Einzeltätigkeiten, sondern von einer Gesamttätigkeit auszugehen. Die hierfür geltenden Maßstäbe seien vergleichbar zu denen, die für die Beurteilung maßgeblich seien, ob ein einheitlicher Arbeitsvorgang vorliege. Da von einer Gesamttätigkeit auszugehen sei, reiche es auch hier aus, wenn das höher bewertete Tätigkeitsmerkmal in einem nicht unerheblichen Ausmaß vorliege.
48Der Kläger beantragt,
49das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 10.06.2020 - 1 Ca 3151/20 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes für NRW (TVöD-NRW) zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Differenzbeträge für die Monate ab 01.01.2017 ab dem auf dem jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu verzinsen.
50Die Beklagte beantragt,
51die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen zurückzuweisen.
52Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts, weist aber darauf hin, dass das Arbeitsgericht den Spezialitätsgrundsatz verletzt habe, indem es auf den im Bereich des TVöD-V (VKA) für die Eingruppierung maßgeblichen Arbeitsvorgang abgestellt habe. Die Parteien des spezielleren TVöD-NRW seien hiervon abgewichen, so dass auf die Tätigkeit abzustellen sei.
53Hinsichtlich des Tätigkeitsmerkmals Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW könne die Frage des zeitlichen Ausmaßes der Baumerhaltungsmaßnahmen dahinstehen, da der Kläger solche Maßnahmen ohnehin weder selbstständig noch verantwortlich durchführe. Jedenfalls sei der Lichtraumprofilschnitt das vom Niveau her einfachste Schnittmuster. Die Behandlung von Rindennekrose oder der Reibeäste seien typische Maßnahmen der allgemeine Kronenpflege. Jedenfalls arbeite der Kläger nicht ohne Anweisung. Für ihn sei aufgrund der Anweisungen des Vorarbeiters und der Angaben im digitalen System proBaum vorgegeben, an welchem Tag er welchen Baum bearbeiten müsse. Der Vorarbeiter führe eine Vorsichtung der Baustelle durch, entscheide über Pflegemaßnahmen, welche über den Auftrag hinausgingen und führe die abschließende Baumkontrolle und Dokumentation im digitalen System proBaum durch. Kämen bei der Regelkontrolle Zweifel über die zu ergreifende Maßnahme auf, erfolge das Analysieren, Bewerten und Dokumentieren über den Vorarbeiter. Dass der Kläger über das Wie der Durchführung nach den fachlichen Vorgaben frei entscheiden könne, begründe die Selbstständigkeit nicht. Der Kläger stelle nicht dar, inwiefern seine Tätigkeit über die reguläre Baumpflege hinaus selbstständig sei und welche Entscheidungsspielräume er habe, die über die bloße Arbeitsausführung hinausgingen. Durch den Zusatz "über das bis zur Entgeltgruppe 6 geforderte Maß hinaus" in der Vorbemerkung Nr. 5 zum Eingruppierungsverzeichnis nach § 11a TVöD-NRW Teil A hätten die Tarifvertragsparteien auch eine über die reine Ausführungsverantwortung hinausgehende Verantwortung verlangt. Eine solche Verantwortung im Sinne eines Einstehen Müssens - auch für die Arbeitsleistung anderer Mitarbeiter - trage der Kläger nicht. Nur weil der Kläger seine Aufgaben sachgerecht und vorschriftsmäßig ausführen müsse, sei das Tarifmerkmal nicht erfüllt, da diese Verpflichtung jeden Mitarbeiter auch unterhalb der EG 7 treffe. Für Fehler und Fehleinschätzungen habe zudem der Vorarbeiter einzustehen. Dieser trage die Verantwortung im Tarifsinne dafür, dass die von seinem Team ausgeführten Arbeiten sachgerecht und vorschriftsmäßig ausgeführt würden.
54Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts auch betreffend die Nichterfüllung des Tarifmerkmals Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW. Der Kläger führe keine Regelbaumkontrollen i.S.d. Tarifmerkmals durch, nur weil er bei der Durchführung seiner Arbeiten etwaige Schäden am Baum feststelle, die vom Boden aus durch den Regiebetrieb Baumkontrolle nicht erkannt worden seien. Bei dem Begriff der Baumkontrolle handele es sich um einen Terminus technicus. Nach den Begriffsbestimmungen der einschlägigen ZTV-Baumpflege seien Baumkontrollen Regelkontrollen in Form von Sichtkontrollen durch fachlich qualifizierte Inaugenscheinnahme vom Boden aus zur Überprüfung der Verkehrssicherheit des Baumes.
55Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
56E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
57I.
581. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Sie weist insbesondere die gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auf.
592. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 10.06.2021 ist auch überwiegend begründet.
60a. Es handelt sich um eine nach § 256 Abs. 1 ZPO allgemein übliche und zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage (BAG 12.12.2018 - 4 AZR 147/17, BAGE 164, 326; 28.02.2018 - 4 AZR 816/16, BAGE 162, 81). Das Feststellungsinteresse besteht auch für die gegenüber der Hauptforderung akzessorischen Zinsforderungen (BAG 12.12.2018 - 4 AZR 147/17, a.a.O.; 13.05.2015 - 4 AZR 355/13, NZA-RR 2015, 644). Insoweit war der Antrag freilich auszulegen (§§ 133, 157 BGB), da nicht bestimmt war, ob die Brutto- oder die Nettobeträge zu verzinsen sein sollen. Der Kläger hat das Verständnis der Kammer, wonach die Nettobeträge gemeint waren, in der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2022 bestätigt. Mit dieser Maßgabe ist der Antrag zulässig (vgl. BAG 17.06.2015 - 4 AZR 371/13, NZA-RR 2016, 24).
61b. Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW seit dem 01.01.2021 sowie teilweise auf die Verzinsung der nachzuzahlenden Nettodifferenzbeträge.
62aa. Der Kläger ist in die EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW eingruppiert.
63(1)Dabei kann an dieser Stelle noch dahinstehen, ob sich die Eingruppierung nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V (VKA) nach den anfallenden Arbeitsvorgängen richtet oder ob auf die Tätigkeit des Klägers, wie dies der TVöD-NRW vorsieht, abzustellen ist.
64(a) Sowohl für die Überprüfung der Arbeitsvorgänge wie auch für die der Tätigkeit ist zunächst festzustellen, ob ein einheitlich zu bewertender Arbeitsvorgang bzw. eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit ausgeübt wird oder mehrere Arbeitsvorgänge bzw. unterschiedliche Tätigkeiten, die tatsächlich trennbar und jeweils rechtlich selbständig bewertbar sind, vorliegen (vgl. zu Arbeitsvorgängen: BAG 17.11.2021 - 4 ABR 1/21, NZA 2022, 131; 17.03.2021 - 4 AZR 327/20, AP Nr. 6 zu § 12 TVöD; 09.09.2020 - 4 AZR 161/20, ZTR 2021, 79; zur Tätigkeit: BAG 18.02.2015 - 4 AZR 778/13, AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972; 13.11.2013 - 4 ABR 16/12, NZA-RR 2014, 426; 23.10.2013 - 4 AZR 431/12, BAGE 146, 226; 25.08.2010 - 4 ABR 104/08, AP Nr. 37 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn; 01.07.2009 - 4 ABR 18/08, BAGE 131, 197). Für letzteres gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng (BAG 01.07.2009 - 4 ABR 18/08, BAGE 131, 197; 27.08.2008 - 4 AZR 484/07, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 210).
65(b)Stellt man auf den - nach obiger Maßgabe engeren - Begriff des Arbeitsvorgangs ab, ist mit dem Arbeitsgericht von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen.
66(aa)Die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit kann einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst. Wiederkehrende, gleichartige und gleichwertige Bearbeitungen können zusammengefasst werden; nicht zusammengefasst werden können jedoch Bearbeitungen, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Letzteres gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vorne herein - sei es auf Grund der Schwierigkeit oder anderer Umstände - auseinandergehalten werden können und voneinander zu trennen sind. Dafür reicht jedoch nicht die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, solange sie als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person übertragen sind. Tatsächlich trennbar sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (vgl. BAG 21.08.2013 - 4 AZR 933/11, NZA-RR 2014, 302; 23.09.2009 - 4 AZR 308/08, NZA-RR 2010, 494).
67(bb) Die gesamte Tätigkeit des Klägers ist auf ein einheitliches Arbeitsergebnis - den Erhalt des Baumes als Lebewesen sowie die Gewährleistung seiner Verkehrssicherheit - gerichtet. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er zunächst, wenn er im Korb der Hebebühne am Baum hochgefahren wird, den Baum auf Schäden zu kontrollieren. Dabei ist es seine Aufgabe, Schäden zu entdecken, sei es eine Verschlimmerung, sei es neue Schadensbilder, die vom Boden durch die Mitarbeiter des Regiebetriebs Baumkontrolle nicht bemerkt wurden. Er hat sodann unstreitig allgemeine Pflegemaßnahmen am Baum zu verrichten und auch Baumerhaltungsmaßnahmen, ob nun nach Anweisung des Vorarbeiters oder eigenständig, durchzuführen. Zwar ist es denkbar, dass die verschiedenen Tätigkeiten durch unterschiedliche Mitarbeiter erbracht werden könnten. So könnte die Beklagte auch die Baumkontrolle im Korb zunächst vom Regiebetrieb Baumkontrolle ausführen lassen und den Mitarbeitern der Baumpflegeteams diese entziehen. Oder sie könnte den Mitarbeitern des Baumpflegeteams Baumerhaltungsmaßnahmen entziehen und ein Baumerhaltungsteam aufbauen. Beides hat die Beklagte jedoch nicht getan. Vielmehr nimmt der Kläger diese Teilaufgaben ineinander übergreifend wahr, so dass die einzelnen Aufgaben und Arbeitsschritte einheitlich auf dasselbe Ziel ausgerichtet und tatsächlich nicht trennbar sind. Sie sind durch den einheitlichen Zweck so eng miteinander verknüpft, dass sie tariflich nicht gesondert zu bewerten sind. Denn es stellt sich erst im Verlauf der vom Kläger durchgeführten Kontrolle des Baumes heraus, welche Schäden tatsächlich oder in welchem Ausmaß vorhanden sind. Die Beklagte will und verlangt vom Kläger auch nicht nur die Abarbeitung des von den Baumkontrolleuren eingegebenen Auftrags, sondern setzt die Zusatzqualifikation eines Baumkontrolleurs voraus, damit auch der Kläger wie ein solcher Schäden entdecken und beurteilen kann. Ohne die Kontrolle des Baumes in der Krone würden solche Schäden unentdeckt bleiben, die vom Boden aus nicht sichtbar waren, so dass der Erhalt des Baumes als Lebewesen, ohne die vom Kläger vorgenommene Kontrolle vom Korb der Hebebühne aus, nicht möglich wäre. Aufgrund dieser Kontrolle, ggf. der Kontrolle des Vorarbeiters und des Baumkontrollteams wird der Kläger tätig und pflegt und erhält den Baum. Der Kläger ist auch immer mit dieser ganzheitlichen Aufgabe beschäftigt und wird bspw. nicht an verschiedenen Tagen mit nur einer dieser Aufgaben betraut (vgl. zum umgekehrten Fall: BAG 01.07.2009 - 4 ABR 18/08, NZA 2010, 290). Die Beurteilung als einheitlicher Arbeitsvorgang entspricht auch dem sog. Atomisierungsverbot bei der Eingruppierung (BAG 17.03.2021 - 4 AZR 327/20, AP Nr. 6 zu § 12 TVöD; 23.01.2019 - 4 ABR 56/17, AP Nr. 66 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung; 13.04.2016 - 4 AZR 13/13 -; 21.08.2013 - 4 AZR 933/11, NZA-RR 2014, 302).
68Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen keine unterschiedlichen Arbeitsvorgänge vor (wobei die Beklagte freilich von unterschiedlichen Teiltätigkeiten ausgeht). Dies ergibt sich weder aus der von ihr behaupteten Organisation, wonach der Vorarbeiter über Baumerhaltungsmaßnahmen entscheide, noch aus der Unterteilung in den Baumpflegebereich und den Baumkontrollbereich. Denn die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, reicht zur Begründung von Teiltätigkeiten nicht aus (BAG 17.03.2021 - 4 AZR 327/20, a.a.O.). Es kommt für die tarifliche Bewertung nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Beschäftigten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als eine einheitliche Arbeitsaufgabe tatsächlich einer Person übertragen sind (LAG Hamm 04.04.2019 - 11 Sa 1169/18 - Rn. 117 nach juris). Dies ist hier der Fall. Der Kläger nimmt sowohl Aufgaben der Baumkontrolle, der Baumpflege und des Baumerhalts wahr, ohne dass es auch nur eine zeitliche Zäsur in seiner Aufgabenwahrnehmung gäbe.
69Wollte man in der Benennung der Baumerhaltungsmaßnahmen in Nr. 25 und der Baumkontrollen in Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW eine Wertung der Tarifvertragsparteien erblicken, die auf eine eingruppierungsrelevante Trennung der einzelnen Aufgaben hindeuten soll, stünde auch dies dem gefundenen Ergebnis eines einheitlichen Arbeitsvorgangs nicht entgegen. Die Bestimmung der konkreten Tätigkeiten als Gesamttätigkeit oder Abgrenzung in mehrere Teiltätigkeiten ist eine rechtliche Bewertung (BAG 27.01.2016 - 4 AZR 916/13, NZA-RR 2016, 366; 13.11.2013 - 4 ABR 16/12, NZA-RR 2014, 426; 28.01.2009 - 4 AZR 13/08, BAGE 129, 208).
70(c)Stellt man auf die Tätigkeit des Klägers ab, bilden die Aufgaben des Klägers eine Gesamttätigkeit.
71(aa)Zur Feststellung, ob es sich um eine Gesamt- oder um Teiltätigkeiten handelt, gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs (BAG 01.07.2009 - 4 ABR 18/08, BAGE 131, 197; 11.10.2006 - 4 AZR 534/05, AP Nr. 9 zu § 20 BMT-G II; 15.02.2006 - 4 AZR 634/04, BAGE 117, 92). Ähnlich wie bei der Bildung von Arbeitsvorgängen ist darauf zu achten, dass keine Tätigkeitsbereiche eigenständig erfasst werden, die mit anderen Teiltätigkeiten derart in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, dass sie als unselbständiges Teilstück einer anderen, namentlich einer höherwertigen Teiltätigkeit erscheinen (etwa BAG 25.09.2013 - 4 AZR 99/12, NZA-RR 2014, 249) und - als allgemeiner Grundsatz der Eingruppierung - keine tarifwidrige Atomisierung von Arbeitseinheiten vorgenommen wird (BAG 13.04.2016 - 4 AZR 13/13 -, zu allem Treber in Schaub ArbR-HdB, § 64 Eingruppierungsrecht Rn. 80).
72(bb)Entsprechend den Ausführungen und Feststellungen unter I. 2. b. aa. (1) (b) der Gründe, die hier entsprechend gelten, gilt auch hier, dass sich die einzelnen Aufgaben des Klägers nicht unterteilen lassen, so dass es sich um eine Gesamttätigkeit handelt, was die Kammer hiermit feststellt.
73(2)Der Kläger erfüllt vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW, da der einheitliche Arbeitsvorgang sowohl zeitlich zu mehr als der Hälfte anfällt und für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals dieser Entgeltgruppe erfüllt, wie auch weil seine Gesamttätigkeit zeitlich mindestens zu mehr als der Hälfte einem Tätigkeitsmerkmal der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW entspricht.
74(a)Die Tarifpartner des TVöD-V (VKA) haben im Anhang des TVöD-VKA, hier Abs. 5, geregelt, dass für Beschäftigte im Sinne des § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD für die Besonderen Teile Verwaltung, Entsorgung und Flughäfen im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen für die Entgeltgruppen 2 bis 9a TVöD-V (VKA) ergänzend die nachfolgenden besonderen Regelungen unter Beachtung der Maßgaben der §§ 12 und 13 TVöD-VKA und der grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zu allen Teilen der Entgeltordnung gelten. Bei dem Kläger handelt es sich um einen solchen Beschäftigten, der auch im Bereich Grünflächenunterhaltung tätig ist. Vor dem Hintergrund der Regelung des TVöD-V (VKA) haben die gleichen Tarifpartner auf Ebene des Landesbezirks Nordrhein-Westfalen den TVöD-NRW vereinbart. Nach der dort geregelten EG 7 Abschnitt a) sind in diese Entgeltgruppe Beschäftigte der EG 6 mit besonders qualifizierter oder besonders vielseitiger Tätigkeit eingruppiert. Insoweit ist es ausreichend, entweder eine besonders qualifizierte oder eine besonders vielseitige Tätigkeit auszuüben. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm ("oder") wie auch aus ihrer Systematik, da die Tarifvertragsparteien im TVöD-NRW in Abschnitt a) der EG 7 Beispiele für eine besonders qualifizierte Spezialtätigkeit formuliert haben und in Abschnitt b) solche mit vielseitigen Tätigkeiten.
75(b)Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW, da er Beschäftigter der EG 6 mit besonders qualifizierter Tätigkeit ist.
76(aa)Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger jedenfalls die Voraussetzungen der EG 6 erfüllt, so dass insoweit eine pauschale Prüfung genügt (BAG 22.04.2009 - 4 AZR 166/08, AP Nr. 311 zu §§ 22, 23 BAT 1975; 27.08.2008 - 4 AZR 484/07, BAGE 127, 305). Da der Kläger eine Ausbildung als Gärtner hat und unstreitig zu mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit auch als Gärtner tätig ist, liegen die Voraussetzungen der EG 6 auch tatsächlich vor, was die Kammer hiermit feststellt.
77(bb)Der Kläger erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des Tarifmerkmals Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW, auf das er sich primär beruft. Insoweit sind die Erfordernisse von Tätigkeitsmerkmalen regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 26.02.2020 - 4 ABR 19/19, NZA-RR 2020, 429; 12.06.2019 - 4 AZR 363/18, BAGE 167, 78; 23.01.2019 - 4 ABR 56/17, AP Nr. 66 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).
78(2.1)Der Kläger übt Maßnahmen der Baumerhaltung aus.
79(2.1.1)Der TVöD-NRW definiert nicht, was unter Maßnahmen der Baumerhaltung zu verstehen ist. Wird ein von den Tarifvertragsparteien verwendeter Begriff nicht im Tarifvertrag selbst definiert, ist für die Ermittlung des fachlichen Geltungsbereichs davon auszugehen, dass sie diesen in dem Sinne gebraucht haben, wie es dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Auffassung der beteiligten Branchen entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind (BAG 16.12.2020 - 4 ABR 8/20, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Internationaler Bund; 26.02.2020 - 4 ABR 19/19, NZA-RR 2020, 429; 12.06.2019 - 4 AZR 363/18, BAGE 167, 78). Ist ein im Tarifvertrag gebrauchter Begriff weder gesetzlich definiert, noch nach der Anschauung der beteiligten Fachkreise oder dem allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig, erhalten systematische Auslegungskriterien entscheidendes Gewicht (BAG 08.03.2006 - 10 AZR 129/05, BAGE 117, 202; 22.10.2002 - 3 AZR 468/01, AP Nr. 184 zu § 1 TVG Auslegung). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch der praktischen Tarifübung, geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 08.03.2006 - 10 AZR 129/05, a.a.O.; 24.11.2004 - 10 AZR 221/04, EzA TVG § 4 Bankgewerbe Nr. 4; 04.06.2003 - 10 AZR 579/02, BAGE 106, 225).
80Die Baumpflege umfasst begrifflich den Ausdruck des Pflegens, welcher synonym mit "Fürsorge", "Hege", "Betreuung" oder "Versorgung" ist. Die Baumerhaltung hingegen betont den Begriff des Erhalts, der synonym verwendet wird mit Begrifflichkeiten wie "Bewahren", "Fortdauern", "Lebendig bleiben" oder noch weitergehend "in seinem Bestand bewahren", "aufrechterhalten", "konservieren" oder "retten" (vgl. Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 2018, Stichworte "erhalten" und "pflegen"; Duden-Bedeutungswörterbuch, 2018, Stichwort "erhalten" und "pflegen"). In Abgrenzung der Wortbedeutungen wird daraus deutlich, dass baumpflegerische Maßnahmen sich von baumerhaltenden in der Eingriffsintensität unterscheiden. Dies Verständnis wird vertiefend bestätigt, wenn man die Tarifgeschichte hinzunimmt (zu deren Berücksichtigung BAG 16.12.2020 - 4 ABR 8/20, a.a.O.; 12.12.2018 - 4 AZR 147/17, BAGE 164, 326). Der Begriff der baumerhaltenden Maßnahmen trat an die Stelle des ursprünglich verwendeten Terminus der baumchirurgischen Maßnahmen. Chirurgie ist allgemein die Behandlung von Krankheiten durch Operation (vgl. Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 2018, Stichwort "Chirurgie"; Duden-Bedeutungswörterbuch, 2018, Stichwort "Chirurgie"). Entsprechend wurde die Baumchirurgie definiert als die Behandlung von (kranken) Bäumen durch Auskratzen und Desinfektion der schadhaften Stellen (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort "Baumchirurgie") oder allgemeiner als die Beseitigung von Schadstellen am Baum durch Eingriffe, Heilung von Wunden im Holz, Sicherung der Standfestigkeit durch Verankerung etc. (Meyers Enzyclopädisches Lexikon, Stichwort "Baumchirurg"). Dem entsprechen auch die Leistungsbeschreibungen der ZTV-Baumpflege. Während unter 0.2.2 noch "Schonende Form- und Pflegeschnitte" definiert werden, werden erstmals unter 0.2.3 "Stark eingreifende Schnittmaßnahmen" definiert, die über die schonenden Form- und Pflegeschnitte hinausgehen, mit stärkeren Eingriffen verbunden sind und den Habitus und/oder die Funktion des Baumes verändern (Bl. 397 d.A.). Die hierunter fallende Einkürzung der Krone sowie Sofortmaßnahmen (0.2.3.2) an geschädigten Bäumen, z. B. nach extremen Witterungsereignissen dienen nach der Formulierung der ZTV-Baumpflege u.a. dem Erhalt des Baumes (vgl. die Formulierung unter 0.2.3.1.3 der ZTV Baumpflege, Bl. 397 Rs. d.A. sowie unter 0.2.3.2, Bl. 397 Rs. d.A.). Im Gegensatz hierzu sind schonende Form- und Pflegeschnitte gemäß BNatSchG Schnitte, die zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen dienen (Bl. 421 Rs. d.A.). Insgesamt stellen sich Baumerhaltungsmaßnahmen in Abgrenzung zur allgemeinen Pflege daher als Eingriffe am Baum mit einer höheren Eingriffsintensität zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für den Lebenserhalt des Baumes dar. Dabei kann die zeitliche Komponente wichtig sein, also ob die Maßnahme sofort, in kurzem oder in längerem zeitlichen Abstand ergriffen werden muss, muss sie aber nicht, da das Sterben eines Baumes ggf. lange Zeit dauert.
81(2.1.2)Ausgehend von dieser Definition fallen nach Auffassung der Kammer lediglich die Entdeckung und Entnahme von Ästen mit Sonnenbrand und Rindennekrose unter den Begriff der Baumerhaltungsmaßnahme. Die Beseitigung dieser Schäden geht über die bloße allgemeine Pflege hinaus, da der Baum bereits durch den Befall erkrankt ist und der Eingriff unmittelbar erforderlich ist, damit der Baum erhalten bleiben kann. Ohne die Beseitigung des Befalls wäre der Erhalt des Baumes nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers nicht zu gewährleisten. Der Schaden setzt auch einen in seiner Intensität erheblichen Eingriff voraus, da dies mit dem Einkürzen und der Entfernung von Ästen verbunden ist. Dagegen sind Lichtraumprofilschnitte, der ELA-Schnitt außerhalb einer notwendigen Sofortmaßnahme, die Beseitigung von Reibeästen ohne Pilzbefall, also zur Vorbeugung von Pilzbefall und damit zur Vorbeugung oder Krankheit des Baumes sowie Pilzfruchtkörper, von denen jedenfalls keine erkennbare Gefahr für den Baum ausgeht, pflegerische Maßnahmen. Maßnahmen, die zur Fällung des Baumes führen, dienen offensichtlich nicht mehr seinem Erhalt.
82(2.2)Der Kläger übt diese baumerhaltenden Maßnahmen auch selbständig und verantwortlich durch.
83(2.2.1) Nach der Ziffer 5 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen des Eingruppierungsverzeichnisses nach § 11a TVöD-NRW Teil A verlangen die Anforderungen "selbstständig" und "verantwortlich" ab der EG 7, dass Beschäftigte über das bis zur EG 6 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführen ("selbstständig") und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung tragen ("verantwortlich").
84(2.2.2)Die Tarifvertragsparteien haben nicht näher erläutert, was sie unter dem Begriff "selbständig" verstehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist deshalb vom allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Danach verlangt Selbständigkeit eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (BAG 13.11.2019 - 4 ABR 3/19, NZA-RR 2020, 204; 18.05.2011 - 4 ABR 82/09, AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; 23.09.2009 - 4 AZR 333/08, AP Nr. 95 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Diese Selbstständigkeit muss keine weitergehende Selbstständigkeit als die eines Gärtners der EG 6 TVöD-NRW sein. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass für die erforderliche Wertung, ob sich die Tätigkeit entsprechend den tariflichen Qualifizierungsmerkmalen der höheren Entgeltgruppe heraushebt, ein Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten der niedrigeren Entgeltgruppe erforderlich ist, wenn Tätigkeitsbei-spiele wie die der EG 6 TVöD-NRW "Gärtner" und der EG 7 TVöD-NRW "Gärtner, die selbstständig und verantwortlich Baumerhaltungsmaßnahmen durchführen" aufeinander aufbauen (vgl. BAG 27.08.2008 - 4 AZR 484/07, BAGE 127, 305; 13.11.2013 - 4 ABR 16/12, NZA-RR 2014, 426; 21.03.2012 - 4 AZR 292/10, NZA-RR 2012, 604). Allerdings ist hier zu beachten, dass die Tarifvertragsparteien nach der Formulierung des Tätigkeitsbeispiels der Nr. 25 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW davon ausgegangen sind, dass sich aus der EG 6 schon heraushebt, wer nicht nur Maßnahmen der allgemeinen Pflege durchführt, sondern schon solche der Baumerhaltung. Es ist für die Heraushebung also nicht notwendig, dass eine weitergehende Selbstständigkeit oder Verantwortung als in der EG 6 an den Tag gelegt wird, sondern dass Selbstständigkeit und Verantwortung sich auf die Baumerhaltungsmaßnahmen beziehen, die nach den Vorstellungen der Tarifpartner in der EG 6 nicht anfallen, jedenfalls nicht selbstständig und eigenverantwortlich erledigt werden. Dementsprechend hat bereits das Landesarbeitsgericht Hamm die Voraussetzungen der Ziffer 5 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen des Eingruppierungsverzeichnisses nach § 11a TVöD-NRW Teil A für erfüllt gehalten, wenn der Arbeitnehmer die Arbeiten ohne Einzelanweisung vor Ort ausführt und für ihre ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich ist (noch zum Vorgängertarifvertrag LAG Hamm 25.01.2001 - 4 Sa 1270/00 -, insoweit nicht kritisiert durch BAG 31.07.2002 - 4 AZR 146/01, ZTR 2003, 182, Rn. 41 - 42 nach juris).
85(2.2.3) Der Kläger führt die Baumerhaltungsmaßnahmen mit der notwendigen Selbstständigkeit im obigen Sinne durch. Die Beklagte hat selbst in erster Instanz vorgetragen, dass der Kläger betreffend die von ihm während seiner Arbeit im Korb der Hebebühne entdeckten Schäden, die durch den Regiebetrieb Baumkontrolle nicht entdeckt wurden, grundsätzlich selbst entscheidet, ob und ggf. welche ad hoc zu treffende Maßnahme nötig ist. Sodann trägt die Beklagte vor, dass die Entscheidung zum Baumerhalt dem Vorarbeiter vorbehalten bleibe. Da die Beklagte davon ausgeht, dass die Beseitigung von Rindennekrosen und sonstigen Rindenschäden keine Baumerhaltungsmaßnahmen sind, holt der Kläger, diesen Vortrag der Beklagten zugrunde gelegt, auch nach dem Vortrag der Beklagten keine weitergehende Entscheidung des Vorarbeiters bei deren Beseitigung ein. Sodann trägt die Beklagte vor, einschneidende Maßnahmen am Baum könne der Kläger nur nach Rücksprache mit dem Vorarbeiter durchführen. Allenfalls entscheide er über allgemeine Pflegemaßnahmen im Rahmen des zu erledigenden Pflegeauftrags. Auch hier gilt: Da die Beklagte die Beseitigung von Rindenschäden nicht als Baumerhaltungsmaßnahme, sondern als solche der allgemeinen Pflege einstuft, geht sie selbst nicht davon aus, dass der Kläger vor deren Beseitigung eine Rücksprache mit dem Vorarbeiter hält. Soweit die Beklagte dann vorträgt, das Analysieren, Bewerten und Dokumentieren erfolge über den Vorarbeiter, wenn bei der Regelkontrolle Zweifel über die zu ergreifende Maßnahme aufkämen, mag auch dies sein. Der Kläger trägt selbst vor, dass er bei Zweifeln mit dem Vorarbeiter Rücksprache hält. Bestehen keine Zweifel, entscheidet der Kläger also auch dann selbstständig, wenn man diesen Vortrag der Beklagten zugrunde legt. Die Kammer stellt daher fest, dass der Kläger Baumerhaltungsmaßnahmen wie Rindennekrosen und andere Rindenschäden ohne Rücksprache mit dem Vorarbeiter beseitigt. Er geht damit selbstständig in obigem Sinne vor.
86Jedenfalls geht die Beklagte selbst davon aus, dass der Kläger grundsätzlich selbst entscheidet, ob und ggf. welche ad hoc zu treffende Maßnahme nötig ist. Den so vom Arbeitsgericht als unstreitig gewerteten Sachverhalt hat die Beklagte nicht angegriffen, so dass er für die Kammer bindend ist (vgl. BAG 25.04.2007 - 6 AZR 436/05, BAGE 122, 190). Auch vor diesem Hintergrund gilt - selbstständig tragend -, dass der Kläger selbstständig in obigem Sinne vorgeht.
87Unabhängig von Vorstehendem beseitigt der Kläger diese Schäden jedenfalls nicht in Anwesenheit des Vorarbeiters. Auch wenn er vor Beseitigung eines Rindenschadens mit dem Vorarbeiter Rücksprache halten würde, hat die Beklagte nicht behauptet, dass der Kläger nicht eigenständig über das Wie der Beseitigung des Schadens entscheidet. Vielmehr ist es zwingend, dass der Kläger über das Wie der Beseitigung zumindest in gewissem Maß eigenständig entscheidet, da er eben alleine im Korb der Hebebühne arbeitet. Der Kläger entscheidet selbst, wie er den Schaden beseitigt, wie tief er also bespielweise in den Baum hineinschneidet. Es mag sein, dass er dabei allgemeine Anweisungen zu beachten hat oder auf allgemein anwendbare Schnittmuster zurückgreift. Dies schließt aber nicht aus, dass er in der konkreten Situation selbstständig entscheidet, wie die Baumerhaltungsmaßnahme durchzuführen ist, da keine vollkommene Selbständigkeit, sondern nur eine gewissen Eigenständigkeit verlangt wird. Diese liegt vor. Denn jede Erkrankung des Baumes ist individuell, so dass der Kläger auch immer individuell entscheiden muss, wie sehr er - ggf. unter Zuhilfenahme von Anweisungen oder allgemeinen Schnittmustern - in den Baum eingreift. Insoweit trägt die Beklagte selbst vor, dass der Kläger nach den fachlichen Vorgaben über die Durchführung frei entscheidet. Auch aus diesem Grund stellt die Kammer selbstständig tragend fest, dass der Kläger Baumerhaltungsmaßnahmen wie Rindennekrosen und andere Rindenschäden mit einer gewissen Eigenständigkeit beseitigt und damit selbstständig in obige Sinne vorgeht.
88(2.2.4) Unter "Verantwortung" versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verantwortung, d.h. die Verpflichtung, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt. In diesem allgemeinen Sinne ist unter Verantwortung i.S.d. Tarifmerkmals die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, selbst für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsmäßige Ausführung der im Dienst- oder Arbeitsbereich übertragenen Tätigkeit einzustehen (vgl. BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 55).
89(2.2.5)Der Kläger ist für die Baumerhaltungsmaßnahmen verantwortlich im obigen Sinne, da er selbst für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsmäßige Ausführung der im Dienst- oder Arbeitsbereich übertragenen Tätigkeit einzustehen hat. Begeht er einen Fehler, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Daran ändert auch nichts, dass der Vorarbeiter die letzte Verantwortung für den Gesamtkomplex hat und ggf. auch mit einer Abmahnung rechnen müsste, wenn der Kläger einen Fehler macht, will man die Beklagte ernst nehmen. Denn für die Verantwortlichkeit im hiesigen Sinne kommt es nur darauf an, dass der Kläger die Verantwortung für die von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten tragen muss (vgl. BAG 03.12.1985 - 4 AZR 305/84 -, Rn. 20 nach juris).
90(2.3) Die selbstständig und verantwortlich durchgeführten Baumerhaltungsmaßnahmen fallen aber nicht zu ein Viertel der Gesamttätigkeit an.
91(2.3.1)Das Erfordernis nach Ziffer 2 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A, wonach die mit dem Hinweiszeichen "*)" versehenen Tätigkeitsmerkmale als erfüllt gelten, wenn Beschäftigte die geforderte Tätigkeit bzw. Teiltätigkeit in nicht unerheblichem Umfang ausüben und der Umfang nicht mehr unerheblich ist, wenn er ¼ der Gesamttätigkeit ausmacht, ist wirksam vereinbart. Insoweit sind die Tarifvertragsparteien von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es für die Erfüllung eines tariflichen Qualifikationsmerkmals ausreicht, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer Gesamt- oder Teiltätigkeit in rechtserheblichem Ausmaß Einzeltätigkeiten ausübt, die das Qualifizierungsmerkmal erfüllen und anderenfalls kein sinnvolles Arbeitsergebnis erzielt werden kann (vgl. BAG 13.11.2013 - 4 ABR 16/12, NZA-RR 2014, 426, 17.04.2013 - 4 AZR 915/11, AP Nr. 226 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie) abgewichen.
92Dem steht nicht entgegen, dass der TVöD-V (VKA), soweit er die Eingruppierung dem Landesbezirk NRW überlassen hat, eigentlich den Arbeitsvorgang (§ 12 Abs. 2 Satz 2) als maßgeblich für die Eingruppierung bestimmt hat und sich das Erfordernis nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW Teil A im TVöD-V (VKA) nicht wiederfindet. Die Tarifverträge unterscheiden sich an dieser Stelle; der TVöD-NRW ist an dieser Stelle enger als der TVöD-V (VKA), da es nicht mehr auf die zeitliche Hälfte zu der das Tätigkeitsmerkmal innerhalb der (Gesamt-)Tätigkeit anfällt, ankommt, sondern darauf, dass das Tätigkeitsmerkmal selbst zu mindestens einem Viertel der Arbeitszeit anfällt. Die Regelung des TVöD-NRW geht der des TVöD-V (VKA) aber vor. Insoweit handelt es sich bei dem TVöD-V (VKA) und dem TVöD-NRW um zwei nebeneinander geltende Tarifverträge mit sich überschneidendem Geltungsbereich, die unabhängig von einer etwaigen Öffnungsklausel beide wirksam sind (vgl. BAG 24.03.2010 - 4 AZR 713/08, ZTR 2010, 462). Mangels Regelung dieser Tarifkollision in den beiden Tarifwerken (siehe hierzu BAG 12.02.2015 - 10 AZR 50/14, NZA-RR 2015, 386), wird sie nach dem Grundsatz der Spezialität aufgelöst (vgl. etwa BAG 14.06.2017 - 7 AZR 627/15 - Rn. 37; 19.11.2014 - 4 AZR 761/12, BAGE 150, 97; 24.01.2001 - 4 AZR 655/99, NZA 2001, 788; explizit für die Kollision von Bundes- und Landestarifvertrag vgl. BAG 14.06.2017 - 7 AZR 627/15, a.a.O. sowie insbesondere BAG 09.09.2010 - 2 AZR 936/08, AP Nr. 149 zu § 2 KSchG 1969). Spezieller ist im Zweifel der Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht (BAG 23.01.2008 - 4 AZR 312/01, BAGE 125, 314; 10.03.1982 - 4 AZR 158/79, BAGE 38, 106); im Verhältnis zweier Tarifverträge auf Bundes- und Landesebene, ist regelmäßig der Landestarifvertrag spezieller (vgl. BAG 09.09.2010 - 2 AZR 936/08, a.a.O.). Dies ist auch hier der Fall. Der Landestarifvertrag steht dem Betrieb der Beklagten räumlich aufgrund seines engeren Geltungsbereichs und auch fachlich aufgrund der spezifischeren Eingruppierungsmerkmale näher. Damit stimmt auch die Regelung des Bundestarifvertrags überein, der die Eingruppierung im Land NRW den dortigen Tarifpartnern überlässt.
93(2.3.2)Da die Kammer allein die Beseitigung von Rindenschäden und Rindennekrose als Baumerhaltungsmaßnahme im obigen Sinne einordnet, hat der Kläger folgende Arbeitszeiten hierauf verwandt:
9406.07.2020 35 Minuten7,5 % der täglichen Arbeitszeit
9509.07.2020 35 Minuten 7,5 % der täglichen Arbeitszeit
9613.07.2020 40 Minuten 8,5 % der täglichen Arbeitszeit
9720.07.2020 max. 65 Minuten 13,9 % der täglichen Arbeitszeit
9803.08.2020 35 Minuten7,5 % der täglichen Arbeitszeit
99gesamt210 Minuten
100Soweit der Kläger am 20.07.2020 an drei Eschen Sonnenbrand am Stamm auf einer Länge von sechs bis acht Metern entdeckt hat, diente die dann ergriffene Maßnahme - die sofortige Fällung - nicht mehr dem Erhalt des Baumes. Vom 06.07.2020 bis 09.08.2020 entspricht die auf die Baumerhaltungsmaßahmen angefallene Arbeitszeit bei fünf Arbeitswochen à 39 Stunden durchschnittlich 1,79 % der angefallenen Gesamtarbeitszeit, so dass weniger als 25 % der Gesamtarbeitszeit auf selbstständig und verantwortlich durchgeführte Baumerhaltungsmaßnahmen angefallen sind. Entsprechendes gilt nach der obigen Darstellung bezogen auf die tägliche Arbeitszeit.
101(cc)Die Gesamttätigkeit des Klägers lässt sich aber unter das Tätigkeitsbeispiel Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW subsumieren. Auch insoweit gilt, dass das Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe grundsätzlich dann erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübt, die als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel zu diesem genannt ist (BAG 01.07.2009 - 4 ABR 18/08, NZA 2010, 290; 28.01.2009 - 4 ABR 92/07, BAGE 129, 238).
102(2.1)Unter Baumkontrollen sind nicht nur solche zu verstehen, die vom Boden aus durchgeführt werden. Das Tätigkeitsmerkmal erfasst auch nicht nur solche Arbeitnehmer, bei denen Baumkontrollen den Kern der Tätigkeit ausmachen (a.A. LAG Düsseldorf vom 21.12.2021 - 14 Sa 662/21 -).
103Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff nicht eindeutig definiert. Soweit die 14. Kammer in einem parallel gelagerten Fall eines Kollegen des Klägers aus der Wortwahl der Tarifvertragsparteien ("die" Baumkontrollen) schließt, dass hiermit nur Baumkontrollen als Kern der Tätigkeit des Arbeitnehmers gemeint sein könnten, schließt die hiesige Kammer sich diesem Verständnis nicht an. Ein solches Verständnis ergibt sich schon nicht aus dem Wortlaut. Der Wortlaut kann auch dahingehend verstanden werden - wollte man der Verwendung des Artikels "die" überhaupt irgendeine tiefergehende Bedeutung zuweisen -, dass Baumkontrollen als Aufgabe übertragen werden müssen oder dass es sich um fachgerechte Baumkontrollen nach Maßgabe der ebenfalls von Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW vorausgesetzten Zusatzqualifikation handeln muss. Die Auffassung der 14. Kammer verstößt insbesondere gegen die Vorbemerkung Nr. 1 zu allen Entgeltgruppen des Eingruppierungsverzeichnisses nach § 11a TVöD-NRW Teil A. Eine Gesamttätigkeit, die sowohl die Baumkontrolle wie auch die allgemeine Pflege und auch Baumerhaltungsmaßnahmen (letztere nicht mit dem erforderlichen Umfang nach der Vorbemerkung Nr. 2 zu allen Entgeltgruppen des Eingruppierungsverzeichnisses nach § 11a TVöD-NRW Teil A) umfasst, kann nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eben auch unter die Entgeltgruppe 7 fallen, wenn zeitlich nur mindestens zur Hälfte ein Tätigkeitsmerkmal der entsprechenden Entgeltgruppe anfällt.
104Maßgeblich ist nach Auffassung der Kammer der Wortlaut im Übrigen. "Kontrolle" steht auch für Aufsicht, Durchsicht, Inspektion, Prüfung, Observation (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., Stichwort Kontrolle). Zudem muss es sich um solche Kontrollen des Baumes handeln, die aufgrund einer Zusatzqualifikation durchgeführt werden. Damit wird eine Baumkontrolle, die lediglich aufgrund der in der Lehre zum Gärtner erworbenen Kenntnisse (in Abgrenzung zur EG 6, auf die die EG 7 aufbaut) durchgeführt wird, von dem Tätigkeitsbeispiel ausgeschlossen. Der Beschäftigte muss also eine Zusatzqualifikation haben, die ihn zu einer weitergehenden Baumkontrolle befähigt und deren Inhalte bei der Beobachtung des Baumes anwenden.
105Die ggf. nach Maßgabe der allgemeinen Ausführungen unter I. 2. b. aa. (2) (b) (2.1) (2.1.1) der Gründe heranzuziehende Formulierung der ZTV-Baumpflege widerspricht dem hiesigen Verständnis nur vordergründig. Zwar sind hiernach Baumkontrollen Regelkontrollen in Form von Sichtkontrollen durch fachlich qualifizierte Inaugenscheinnahme zur Überprüfung eines Baumes auf Verkehrssicherheit vom Boden aus. Allerdings darf man bei der Heranziehung der ZTV-Baumpflege auch nicht deren Zweck außer Acht lassen. Sie dienen nach ihrer Formulierung der Ausschreibung und Abrechnung von definierten Leistungen der Baumpflege (vgl. Bl. 386 Rs. d.A.). Sie sind deshalb nur beschränkt zur Auslegung eines Tarifwerkes anwendbar. Denn es muss gerade nicht so sein, dass ein kommunaler Betrieb so organisiert ist, dass Baumkontrollen lediglich vom Boden aus stattfinden. Dies zeigt der hiesige Fall deutlich: Die vom Boden aus durchgeführte Baumkontrolle ist genauso wichtig für den Erhalt des Baumes als Lebewesen wie die aus dem Korb der Hebebühne heraus durchgeführte. Zudem dient weder die vom Kläger noch die von den Mitarbeitern des Regiebetriebs Baumkontrolle durchgeführte Kontrolle nur der Überprüfung des Baumes auf Verkehrssicherheit. Dies ist zwar ein Aspekt der Baumkontrolle wie die Beklagte sie durchführen lässt. Mindestens ebenso wichtig ist ihr aber der Erhalt des Baumes als Lebewesen. Dieser Zweck findet sich in der Definition der ZTV-Baumpflege gerade nicht. Will man daher die ZTV-Baumpflege zur Auslegung des Begriffs Baumkontrolle heranziehen, dann insoweit, als dass diese durch fachlich qualifizierte Inaugenscheinnahme vorgenommen wird; und wegen der weiteren Formulierung der Nr. 28 eben aufgrund einer Zusatzqualifikation. Ein Verständnis, bei dem auch die vom Baumpflegeteam durchgeführten Baumkontrollen von Nr. 28 der EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW erfasst werden, entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des Tarifvertrags, Lohngerechtigkeit herzustellen, da sowohl die Kontrolle vom Boden aus wie auch aus dem Korb der Hebebühne, für den Erhalt des Baumes als Lebewesen zwingend notwendig sind.
106(2.2)Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Kläger Baumkontrollen im vorgenannten Sinne durchführt, wenn er im Korb der Hebebühne am Baum hochfährt. Dass er diese durchführt, stellt die Kammer fest. Diese Aufgabe wurde dem Kläger durch die Beklagte auch tatsächlich zugewiesen und ist daher für die Beurteilung der Eingruppierung maßgeblich (vgl. insoweit BAG 27.01.2016 - 4 AZR 916/13, NZA-RR 2016, 366; 08.03.2006 - 10 AZR 129/05, BAGE 117, 202). Der Kläger hat unstreitig auch die erforderliche Zusatzqualifikation in Form der FLL-Zertifizierung, die die Beklagte für die Mitglieder des Baumpflegeteams voraussetzt.
107(2.3) Da es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine Gesamttätigkeit handelt, bei der ohne die einzelnen Aspekte der Tätigkeit kein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis erzielt werden könnte (vgl. hierzu bereits oben unter I. 2. b. aa. (1) (b) und (c) der Gründe), ist es für die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 7 ausreichend, dass innerhalb dieser Gesamttätigkeit das Tätigkeitsbeispiel der Nr. 28 EG 7 Abschnitt a) TVöD-NRW mit einem rechtserheblichem Ausmaß anfällt. Denn die Gesamttätigkeit, aus der die Baumkontrollen i.S.d. Nr. 28 nicht herausgelöst werden können, fällt zeitlich zu mindestens der Hälfte der Tätigkeit des Klägers an. Insoweit kommt es für die in dem Tätigkeitsbeispiel enthaltene Qualifizierung nicht darauf an, dass dieses zeitlich überwiegend anfällt, den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bildet oder für diese so bedeutsam ist, dass diese insgesamt dem "Bild" des Tätigkeitsbeispiels entspricht (vgl. BAG 26.02.2020 - 4 ABR 19/19, NZA-RR 2020, 429; Treber in Schaub ArbR-HdB, § 64 Eingruppierungsrecht Rn. 81). Maßgeblich ist, dass ohne die Baumkontrollen ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könnte (vgl. insoweit BAG 26.02.2020 - 4 ABR 19/19, a.a.O.; 21.03.2012 - 4 AZR 266/10 NJOZ 2012, 1603).
108(2.4)Entsprechendes gilt, wenn man auf den Begriff des Arbeitsvorgangs abstellt, da die Aufgaben des Klägers einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden (vgl. oben unter I. 2. b. aa. (1) (b) der Gründe) und auch hier ein rechtserhebliches Ausmaß innerhalb des einheitlichen Arbeitsvorgangs genügt, damit das Tarifmerkmal zeitlich mindestens zur Hälfte anfällt. Auch hier könnte ohne die Baumkontrollen kein sinnvolles Arbeitsergebnis erzielt werden, so dass die Kammer feststellt, dass das rechtserhebliche Ausmaß auch dann vorliegt, wen man auf den Arbeitsvorgang als für die Eingruppierung maßgebliches Kriterium abstellt.
109(3) Die Kammer hat nicht zu überprüfen, ob auch das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der EG 7 Abschnitt a) des TVöD-NRW erfüllt ist. Ist ein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, verbietet sich die Prüfung des allgemeinen Tätigkeitsmerkmals (BAG 14.10.2020 - 4 AZR 252/19, NZA-RR 2021, 260; 12.06.2019 - 4 AZR 363/18, BAGE 167, 78).
110(4)Der Kläger kann ab dem 1. Januar 2017 eine Vergütung der EG 7 TVöD-NRW verlangen. Das ergibt sich aus § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA i.V.m. § 17 Abs. 4 TVöD-V (VKA) in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung.
111(5)Der Anspruch auf Nachzahlung der Differenzbeträge ist nicht verfallen.
112(a)Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD-V (VKA) wird für Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer Überleitung in die neue Entgeltordnung nach § 29b TVÜ-VKA stehen, nicht von der in § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA genannten Ausschlussfrist als einer Spezialregelung verdrängt. Die Wirkung der Ausschlussfrist nach § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA ist vielmehr auf das Antragsrecht nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA beschränkt (BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 65; 18.09.2019 - 4 AZR 42/19, BAGE 168, 13).
113(b)Der Kläger hat die von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD-V (VKA) durch sein Schreiben vom 06.12.2017 gewahrt, da der Anspruch am 06.12.2017 aufgrund des insoweit konstitutiven Antrags des Klägers (vgl. insoweit BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 74; 18.09.2019 - 4 AZR 42/19, BAGE 168, 13) entstanden ist. Ob ein Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA zugleich eine - ausreichende - Geltendmachung i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V (VKA) enthält, hängt von dessen Inhalt ab und ist deshalb in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen (BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 66; 18.09.2019 - 4 AZR 42/19, a.a.O.). Mit dem Schreiben vom 06.12.2017 (Bl. 19 d.A.) hat der Kläger neben der Höhergruppierung in die EG 7 außerdem ausdrücklich seinen Anspruch auf "Entgelt nach der Entgeltgruppe 7 ab dem 01.01.2017 geltend" gemacht. Hieraus war für die Beklagte ersichtlich, dass der Kläger nicht nur die Prüfung der Höhergruppierung begehrte, sondern zugleich auch die Nachzahlung der entsprechenden Differenzgehälter.
114bb. Das auf die Zinsforderungen bezogene Feststellungsbegehren ist aber nur teilweise begründet. Die Bruttodifferenzentgeltansprüche für die Zeit ab Dezember 2017 sind jeweils ab dem Ersten des Folgemonats, die für die Monate Januar bis November 2017 allerdings erst ab dem 01.05.2018 mit dem gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu verzinsen.
115(1)Die Differenzentgeltansprüche für die Zeit von Januar bis November 2017 sind nach § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 BGB erst ab dem 01.05.2018 zu verzinsen.
116(a) Für die nachzuzahlenden Differenzentgeltansprüche ist eine Mahnung nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, da für diese eine Zeit nach dem Kalender nicht bestimmt ist. Aufgrund des konstitutiven Charakters des Höhergruppierungsantrags nach § 29b TVÜ-VKA sind die Ansprüche nach der neuen Entgeltordnung für die Monate Januar bis November 2017 erst ab Zugang des Antrags entstanden, hier ab dem 06.12.2017. Sie wurden, da die Fälligkeit eines Anspruchs regelmäßig nicht vor seiner Entstehung eintritt, erst ab diesem Zeitpunkt fällig. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA ist insoweit nicht einschlägig, so dass die Entgeltansprüche nicht schon ab dem Ersten des jeweiligen Folgemonats zu leisten waren (vgl. BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 69).
117(b) Eine Mahnung ist erst mit der endgültigen Ablehnung des Höhergruppierungsantrags durch die Beklagte mit Schreiben vom 09.04.2018 überflüssig geworden, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Damit befand sich der Beklagte mit der Zahlung der Differenzentgeltansprüche erst ab dem 01.05.2018 in Verzug. Der Kläger hat nicht dargelegt, die Beklagte sei vor dem 01.05.2018 durch eine Mahnung in Verzug gesetzt worden.
118(2)Für die ab Dezember 2017 fällig gewordenen Differenzentgeltansprüche schuldet die Beklagte nach § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB Verzugszinsen, die dem Kläger gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zustehen (vgl. BAG 19.05.2015 - 3 AZR 891/13 - Rn. 45). Als Teil des monatlich zu zahlenden Entgelts waren die Differenzentgeltansprüche aufgrund des konstitutiven Charakters des Höhergruppierungsantrags durch das der Beklagten am 06.12.2017 zugegangene Schreiben an diesem Tag entstanden und nach § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V (VKA) am letzten Tag des Monats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein vom Kläger benanntes Konto zu zahlen.
119(3)Die Zinsansprüche sind nicht nach § 37 Abs. 1 TVöD/VKA verfallen. Durch die Geltendmachung eines Entgeltanspruchs wird die tarifliche Ausschlussfrist auch für Ansprüche auf Zahlung von Verzugszinsen gewahrt. Bei diesen handelt es sich um Nebenforderungen, die von der Hauptforderung abhängig sind. Es widerspricht dem Zweck der Ausschlussfrist, für diese eine gesonderte Geltendmachung zu verlangen, zumal die Höhe von Verzugszinsen gesetzlich in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegt und somit anhand der Hauptforderung hinreichend berechenbar ist (BAG 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 74; 17.11.2021 - 4 AZR 77/21 - Rn. 38).
120II.
121Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
122III.
123Die Revision war für die Beklagte zuzulassen. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung von der Entscheidung der 14. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts ab, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.
124RECHTSMITTELBELEHRUNG
125Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
126REVISION
127eingelegt werden.
128Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
129Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
130Bundesarbeitsgericht
131Hugo-Preuß-Platz 1
13299084 Erfurt
133Fax: 0361 2636-2000
134eingelegt werden.
135Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
136Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
137Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1381.Rechtsanwälte,
1392.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1403.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
141In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
142Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
143Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
144* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
145Dr. Reinartz | Prof. Dr. Knauer | Hoffmann-Gaubig |