Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Zur sic-non-Einstufung von Kündigungsschutzanträgen bei außerordentlicher Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages im Nachgang zur neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2019 (9 AZB 23/18, siehe hierzu auch bereits LAG Düssel-dorf vom 12.11.2019 - 3 Ta 377/19). 2. Vereinbaren die Vertragsparteien die vertragliche Grundlage der Tätigkeit eines Fremdgeschäftsführers ausdrücklich als "Arbeitsvertrag", ist diese Vertragstypenwahl regelmäßig bin-dend. Eine gerichtliche Korrektur anhand der praktischen Vertragsdurchführung findet hier nicht statt. Damit ist automatisch auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten begründet.
I.Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 03.09.2019 gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.08.2019 - Az.: 12 Ca 3106/19 - wird zurückgewiesen.
II.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
III.Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 16.111,11 € festgesetzt.
IV.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagtenvertreter vom 22.05.2019 sowie über weitere von dem Kläger geltend gemachte Ansprüche aus einem von ihm behaupteten Arbeitsverhältnis und in diesem Zusammenhang vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.
4Der Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage des schriftlichen "Geschäftsführerdienstvertrages" vom 04.12.2017 mit Wirkung ab 01.07.2018 als Geschäftsführer zu einer Jahresbruttovergütung in Höhe von - nach seinen Angaben in der Klageschrift - 145.000,- € beschäftigt. In dem "Geschäftsführerdienstvertrag" ist eingangs ausdrücklich geregelt, dass zwischen der Beklagten und dem Kläger "folgender Arbeitsvertrag" geschlossen werde. Wegen des nachfolgenden weiteren Inhalts des Vertrags wird auf Blatt 11 ff. der Akte Bezug genommen.
5Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11.09.2017 wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.07.2018 zum Geschäftsführer bestellt.
6Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2019 (Blatt 19 f. der Akte) kündigte die Beklagte den "Geschäftsführerdienstvertrag" außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 30.06.2023 und weiter hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Gleichzeitig wurde dem Kläger unter Beifügung des entsprechenden Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 16.05.2019 (Blatt 21 f. der Akte) mitgeteilt, dass er mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen sei.
7Hiergegen richtet sich die am 11.06.2019 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobene Klage, mit der der Kläger sich im Wesentlichen gegen die Beendigung seines Vertragsverhältnisses, welches er für ein Arbeitsverhältnis hält, wendet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsgericht zuständig sei. Die Beklagte selbst habe, so sein Vortrag, ihn als Arbeitnehmer angesehen, denn im Rubrum des Geschäftsführerdienstvertrages heiße es ausdrücklich, dass ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien abgeschlossen werde.
8Der Kläger hat die Anträge angekündigt,
91.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 22.05.2019 nicht aufgelöst worden ist;
102.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22.05.2019 nicht aufgelöst worden ist;
113.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2023 hinaus fortbesteht;
124.die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt;
135.hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages weiter zu beschäftigen;
146.für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.
15Die Beklagte hat den Antrag angekündigt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hat zudem Rechtswegrüge erhoben und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf beantragt, da der Kläger als Geschäftsführer und damit nicht als Arbeitnehmer tätig geworden sei.
18Mit Beschluss vom 14.08.2019, wegen dessen Inhalts auf Blatt 55 ff. der Akte Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klageanträge einen sog. sic-non-Fall begründeten, bei dem der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bereits durch die bloße Rechtsansicht des Klägers, Arbeitnehmer zu sein, begründet werde.
19Der Beschluss ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 20.08.2019 zugestellt worden. Mit am 03.09.2019 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangener Beschwerdeschrift vom gleichen Tage hat sie sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt.
20Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe seine Zuständigkeit rechtsirrig angenommen. Sie bezieht sich insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 - und die diesbezüglichen Leitsätze und ist der Ansicht, der Kläger habe nicht schlüssig zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nach dem Maßstab dieser Rechtsprechung vorgetragen.
21Der Kläger tritt der Beschwerde entgegen und behauptet, die Beklagte habe eine über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis zu den konkreten Modalitäten seiner Leistungserbringung ihm gegenüber gehabt und ausgeübt. Bei der Beklagten habe es zwei Geschäftsführer gegeben. Der zweite Geschäftsführer sei vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr bestellt worden und habe die Aufgabe, sämtliche Rechtshandlungen und Maßnahmen des Klägers zu überwachen. Die Weisungen, denen der Kläger unterlegen sei, gingen weit über gesellschaftsrechtliche Weisungen hinaus. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers insoweit wird auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 07.10.2019 Bezug genommen.
22Mit Beschluss vom 23.10.2019, wegen dessen Begründung auf Blatt 147 ff. der Akte Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht, an das die Sache zuvor zur Abhilfeprüfung abgegeben worden war, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
23Die Beschwerdekammer hat zur Frage der Antragsauslegung einen Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 12.11.2019 erlassen, wegen dessen Inhalts auf Blatt 155 f. der Akte Bezug genommen wird. Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.11.2019 dahingehend Stellung genommen, dass die Feststellung der Nichtbeendigung "des Arbeitsverhältnisses" nicht als eigenständiger Bestandteil der Anträge zu verstehen sei, sondern das Vertragsverhältnis Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein solle, so dass seine Anträge in dem Sinne zu verstehen seien, dass der Begriff "Arbeitsverhältnis" jeweils durch "Vertragsverhältnis" zu ersetzen sei.
24Seitens der Beklagten ist keine weitere Stellungnahme mehr erfolgt.
25II.
261. Die gemäß §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses vom 14.08.2019 am 03.09.2019 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO eingelegt worden.
272. Die sofortige Beschwerde ist allerdings nicht begründet. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat seine Zuständigkeit im Ergebnis zu Recht bejaht, wenn ihm nach Klarstellung des Verständnisses der Antragstellung im Beschwerderechtszug durch den Kläger auch nicht mehr in der Begründung der Annahme eines sog. sic-non-Falles gefolgt werden kann. Die Entscheidung erweist sich allerdings aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Denn die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist hier nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a), b) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gegeben, da die Parteien im Rahmen eines bürgerlichen Rechtsstreits zwischen dem Kläger als Arbeitnehmer und der Beklagten als Arbeitgeberin über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und hieraus abgeleitete Ansprüche streiten. Entgegen der Annahme der Beklagten haben die Parteien nämlich mit dem Geschäftsführerdienstvertrag einen Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB abgeschlossen.
28Im Einzelnen:
29a.Die Fiktionswirkung aus § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG hindert die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte im vorliegenden Fall nicht. Danach "gilt" unter anderem der Geschäftsführer einer GmbH während des Zeitraums seiner Bestellung als Vertretungsorgan der Gesellschaft nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, so dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten selbst dann nicht eröffnet sein kann, wenn materiell-rechtlich seiner Bestellung ein Arbeitsverhältnis statt eines freien Dienstverhältnisses zugrunde liegen sollte. Diese Fiktionswirkung endete im vorliegenden Fall mit der ihm zusammen mit der Kündigung vom 22.05.2019 bekannt gemachten Abberufung des Klägers als Geschäftsführer. Somit sperrte die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bereits bei Klageerhebung nicht mehr, unabhängig davon, dass selbst eine spätere Abberufung noch im Rechtswegverfahren zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn die Fiktionswirkung bei Rechtshängigkeit der Klage noch bestanden hätte und erst im laufenden Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsweg weggefallen wäre (BAG vom 03.12.2014 - 10 AZB 98/14, juris, Rz. 21ff.; BAG vom 22.10.2014 - 10 AZB 46/14, juris, Rz. 26 ff.).
30b.Der bloße Wegfall der gesetzlichen Fiktion führt allerdings nicht automatisch schon dann zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, wenn die klagende Partei nur behauptet bzw. die Ansicht vertritt, in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt (gewesen) zu sein. Mit der Abberufung als Geschäftsführer entfällt nur die bisherige gesetzliche negative Fiktion. Nicht hingegen ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters allein durch dessen Abberufung. Durch die Abberufung wird ein bisheriges Dienstverhältnis des Geschäftsführers nicht zum Arbeitsverhältnis (BAG vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18, juris, Rz. 17; BAG vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, juris, Rz. 16). Mithin ist nach Abberufung festzustellen, ob der Tätigkeit des Klägers materiell-rechtlich ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis zugrunde gelegen hat. Dabei trägt der Kläger die Darlegungslast für die die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründenden Umstände, hier also für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
31c.Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts folgt aus der Antragstellung des Klägers, der alle Feststellungsanträge dahingehend formuliert hat "festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis..." nicht beendet werde, kein sog. "sic-non"-Fall, in dem bei streitiger Tatsachengrundlage allein die bloße Rechtsansicht der klagenden Partei, es bestehe ein Arbeitsverhältnis, bereits zur Begründung des Rechtsweges nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a/b i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausreicht.
32Nach der bisherigen, auch für gegen außerordentliche Kündigungen gerichtete Kündigungsschutzanträge geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts begründete allerdings eine Antragstellung, mit der die Feststellung der Nichtbeendigung "des Arbeitsverhältnisses" durch eine bestimmte Kündigung geltend gemacht wird, in der Regel einen "sic-non"-Fall (BAG vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, juris, Rz. 11, 21 f.; BAG vom 11.06.2003 - 5 AZB 43/02, juris, Rz. 15, 23; BAG vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00, juris, Rz. 6, 15 f.). Denn die Statusfrage sei unabhängig davon, ob der Kläger Unwirksamkeitsgründe geltend mache, die allein Arbeitsverhältnisse betreffen, doppelrelevant, wenn die Antragstellung bewusst und nicht irrtümlich oder zufällig "das Arbeitsverhältnis" statt des "Vertragsverhältnisses" zum Gegenstand des Feststellungsantrages mache. Denn dann enthalte der Feststellungsantrag zwei Feststellungen, über die das Gericht mit entsprechender Rechtskraftwirkung zu befinden habe: Zum einen die, dass bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis - und nicht ein anderes Vertragsverhältnis - zwischen den Parteien vorgelegen hat und zum anderen, dass dieses durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist (vgl. BAG vom 03.12.2014 - 10 AZB 98/14, juris, Rz. 17; BAG vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, juris, Rz. 21).
33Mit der Entscheidung des nunmehr für Rechtswegfragen zuständigen 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2019 (9 AZB 23/18, juris, Rz. 6, 21) ist die bisherige Rechtsprechung des 5. und 10. Senats weder grundsätzlich aufgegeben noch relativiert worden. Das Bundesarbeitsgericht hat vielmehr angenommen, die Auslegung des - ansonsten vergleichbar dem vorliegenden Fall formulierten - Klageantrages ergebe, dass über "den engen Wortlaut" hinaus die Feststellung der Nichtbeendigung des Vertragsverhältnisses unabhängig davon beantragt werde, ob dieses nun als Arbeitsverhältnis oder freies Dienstverhältnis einzuordnen ist. Anderenfalls handelte es sich also auch nach der Rechtsprechung des 9. Senats weiterhin um einen "sic-non"-Fall, bei dem einerseits die Rechtsansicht des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zur Rechtswegbegründung bereits ausreichend wäre, andererseits konsequenterweise ohne weitere Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung in der Hauptsache bereits dann die vollständige Klageabweisung drohen würde, wenn lediglich festgestellt würde, dass zwischen den Parteien bei Zugang der Kündigung kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
34Maßgeblich ist demnach die Auslegung der Klageanträge und mithin die Frage, ob der Kläger die Feststellung der Nichtbeendigung "des Arbeitsverhältnisses" bewusst als eigenständigen Bestandteil seiner Anträge geltend macht oder ob es sich - entgegen des ausdrücklichen Wortlauts - insoweit lediglich um einen unselbständigen Bestandteil handelt, der nicht Gegenstand der beantragten gerichtlichen und dann ggfs. Rechtskraftwirkung entfaltenden Entscheidung sein soll, so dass die Formulierung der Anträge dahin zu verstehen ist, dass die Feststellung begehrt wird, dass "das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ..." nicht aufgelöst worden ist (ebenso LAG Schleswig-Holstein vom 04.07.2019 - 6 Ta 51/19, juris, Rz. 33 f.).
35Eine Auslegung des Klageantrags ist selbst dann erforderlich, wenn der Wortlaut vermeintlich eindeutig zu sein scheint, aber aus den begleitenden Umständen wie der Klagebegründung Zweifel begründet sind, dass der Kläger wirklich selbständig neben der Feststellung der Nichtbeendigung des Vertragsverhältnisses durch eine Kündigung auch die Feststellung wünscht, dass dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist (LAG Düsseldorf vom 12.11.2019 - 3 Ta 377/19, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nicht selten nehmen Parteien aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit Teile der Klagebegründung in die Antragstellung auf. Daraus können Probleme der Zulässigkeit der Antragstellung (vgl. Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Auflage, A. I. Rn. 107 f. m.w.N.) ebenso resultieren wie Rechtswegfragen. Soweit Antragswortlaut und -begründung nicht in jeder Hinsicht zweifelsfrei den Schluss zulassen, es werde wirklich eine doppelte Feststellung (Feststellung eines Arbeits- statt generell eines Vertragsverhältnisses und Feststellung der Nichtbeendigung desselben durch eine bestimmte Kündigung) mit entsprechender Rechtskraftwirkung durch das Gericht erstrebt, wird das Gericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Rahmen seiner Verpflichtung zum Hinwirken auf eine sachdienliche Antragstellung auf die Zweifel hinsichtlich der Auslegung der gestellten Anträge und auf die mögliche Folge einer Antragstellung im Sinne einer doppelten und damit dann auch doppelrelevanten Feststellung hinzuweisen haben.
36Die Auslegung ergibt hier, dass der Passus "das Arbeitsverhältnis" in den Anträgen des Klägers keine eigenständige Bedeutung hat, sondern lediglich eine technisch unsaubere Verknüpfung der Rechtsansicht des Klägers mit seiner Antragstellung darstellt. Entgegen des Wortlauts der Antragstellung ist diese im Sinne von "das Vertragsverhältnis" zu verstehen. Das folgt jedenfalls spätestens aus der Klarstellung des Klägers mit Schriftsatz vom 25.11.2019, in dem er nach Hinweis und Frage durch die Beschwerdekammer ausdrücklich erklärt hat, dass der Passus "das Arbeitsverhältnis" kein eigenständiger, sondern lediglich unselbständiger Antragsbestandteil sei. Damit steht fest, dass dieser Passus trotz entgegenstehenden Wortlauts als "das Vertragsverhältnis" auszulegen ist. Damit steht gleichermaßen fest, dass hier kein "sic-non"-Fall vorliegt.
37d.Die damit zu prüfende Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien ergibt allerdings gleichwohl entgegen der Annahme der Beklagten, dass der Kläger als ihr Fremdgeschäftsführer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig geworden ist. Das Vorbringen des Klägers bereits in der Klageschrift reicht sehr wohl zur schlüssigen Begründung der Voraussetzungen der §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a) / b), 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und damit zur Begründung der Fachzuständigkeit der Arbeitsgerichte aus, so dass es bei dem Ergebnis der Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.08.2019 verbleibt.
38aa. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258, 261) eingefügte, am 1. April 2017 in Kraft getretene Regelung des § 611a BGB entspricht hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis in Abs. 1 den nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden, aus § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB abgeleiteten Grundsätzen (BAG vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18, juris, Rz. 23; vgl. auch BAG vom 17.10.2017 - 9 AZR 792/16, juris, Rz. 12; BAG vom 11.08.2015 - 9 AZR 98/14, juris, Rz. 16).
39bb. Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese zwar in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig (BAG vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18, juris, Rz. 24; BAG vom 24.11.2005 - 2 AZR 614/04, juris, Rz. 18; BGH vom 10.05.2010 - II ZR 70/09, juris, Rz. 7).
40Haben die Parteien allerdings ausdrücklich ihr Vertragsverhältnis als "Arbeitsvertrag" vereinbart und bezeichnet, ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen (BAG vom 18.03.2014 - 9 AZR 740/13, juris, Rz. 21; BAG vom 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94, juris, Rz. 25; LAG Nürnberg vom 21.12.2007 - 7 Ta 208/07, juris, Rz. 11; ErfK/Preis, 20. Auflage, § 611a BGB Rn. 30). Die vertragliche Vereinbarung setzt sich, wenn nach der Art der Tätigkeit sowohl ein freier Dienstvertrag nach § 611 BGB als auch ein Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB grundsätzlich möglich sind, auch gegenüber einer abweichenden Vertragspraxis dann durch, wenn die Parteien gerade das besonderen Schutzregeln unterliegende Arbeitsverhältnis als vertragliche Grundlage gewählt haben. Für eine Statuskorrektur unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vertragsdurchführung besteht dann kein Anlass (BAG vom 18.03.2014 - 9 AZR 740/13, juris, Rz. 21; BAG vom 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94, juris, Rz. 25; LAG Nürnberg vom 21.12.2007 - 7 Ta 208/07, juris, Rz. 11; ErfK/Preis, 20. Auflage, § 611a BGB Rn. 30). An dieser jahrelangen Rechtsprechung hat sich auch durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2019 nichts geändert, da auch dort zunächst geprüft wird, ob das Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag ausgewiesen wurde und erst nach Verneinung dieser Eingangsfrage weiter die Ausgestaltung des Vertragsinhalts und dann die Vertragsdurchführung einer Prüfung unterzogen werden (vgl. BAG vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18, juris, Rz. 26).
41Indem die Parteien hier im Eingangssatz ihres Geschäftsführerdienstvertrages vom 04.12.2017 ausdrücklich geregelt haben, dass sie einen "Arbeitsvertrag" abschließen, sind sie an diese Vertragstypenwahl nun auch gebunden. Anhaltspunkte für einen bloßen Schreibfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten trotz des bereits mit der Klageschrift auf Seite 4 erfolgten ausdrücklichen Hinweises auf den Vertragspassus im Eingangssatz des Geschäftsführerdienstvertrages auch nicht behauptet. Die Bezeichnungen "Geschäftsführerdienstvertrag" und "Arbeitsvertrag" schließen sich auch nicht aus. Der "Dienstvertrag" als Vertragstyp unterteilt sich vielmehr gerade in den freien, keiner Weisungsbindung in persönlicher Abhängigkeit unterliegenden Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB und den Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB, der Dienstnehmer betrifft, die weisungsgebunden in persönlicher Abhängigkeit tätig werden und einem besonderen gesetzlichen Schutzkonzept unterliegen. Kommen für eine Tätigkeit - wie unter anderem auch der eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH - beide Vertragstypen grundsätzlich in Betracht, entscheidet die Vertragstypenwahl der Parteien.
42Diese aus der allgemeinen Vertrags- und Handlungsfreiheit der Parteien folgende Selbstverständlichkeit wird lediglich dann einer gerichtlichen Korrektur unterzogen, wenn sich im Rahmen einer Prüfung von Vertragsinhalt und Vertragsdurchführung herausstellt, dass entgegen der Vertragsbezeichnung als freier Dienstvertrag eine Weisungsbindung des Dienstnehmers wie in einem Arbeitsverhältnis besteht. Denn die gesetzlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften stehen größtenteils nicht zur Disposition der Parteien. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es somit auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (BAG vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18, juris, Rz. 23).
43Umgekehrt gilt dies aber eben nicht. Vereinbaren die Parteien als Grundlage ihrer Geschäftsführeranstellung einen Arbeitsvertrag, unterwerfen sie sich damit freiwillig dem entsprechenden gesetzlichen Schutzsystem. Das steht ihnen im Rahmen der Vertragsautonomie frei. Für eine Korrektur der vorgenommenen Vertragstypenwahl besteht hier keinerlei Anlass. Vielmehr muss sich die Beklagte an der eigenen Einordnung des Vertragsverhältnisses als "Arbeitsvertrag" festhalten lassen. Durch sie wird zugleich die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet.
44III.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos betriebenen Beschwerdeverfahrens zu tragen.
46IV.
47Der Streitwert beträgt für das Beschwerdeverfahren nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer 1/3 des Hauptsachestreitwertes, beruhend auf den klägerseits gemachten Angaben. Der Hauptsachestreitwert beträgt nach den Angaben in der Klageschrift 48.333,32 €. Daraus folgt die Wertfestsetzung in Höhe von 16.111,11 € für das Beschwerdeverfahren.
48V.
49Die Rechtsbeschwerde wird mangels dies nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigender Gründe nicht zugelassen.
50R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
51Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
52Klein