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Der Antrag wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die beim Antragsgegner Beschäftigten, die auf der Basis ihrer Vereinsmitgliedschaft in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege sowie in der Geburtshilfe tätig werden, als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG tätig sind. Der Antragsgegner ist in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert und als Mitglied des Verbandes der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e.V. ein Teil des Deutschen Roten Kreuzes e.V. Er hat ca. 1.350 Mitglieder, die in den oben genannten Bereichen tätig werden, sowie 330 Personen, die als Angestellte beschäftigt werden. Antragsteller ist der Betriebsrat, der von den 330 Angestellten gebildet worden ist.
4Während früher der Anteil der Angestelltenverhältnis beschäftigten Pflegekräfte höher war, ist er seit 2003 auf den aktuellen Stand gesunken, nachdem der Vorstand des Antragsgegners beschlossen hatte, künftig keine Arbeitsverträge mehr mit Bewerbern um eine Pflegekraftstelle abzuschließen, sondern nur noch mit Vereinsmitgliedern.
5Der Betriebsrat ist der Auffassung, die als Mitglieder beschäftigten Personen seien als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG anzusehen, und macht geltend:
6Sie verrichteten eine weisungsgebundene Tätigkeit, die der Antragsgegner organisiere. Dies gelte auch im Falle der Gestellung bei einem Dritten. Es stehe den Bewerbern nicht frei, sich für oder gegen eine Mitgliedschaft zum Antragsgegner zu entscheiden, denn nur als Mitglied könnten sie eine Beschäftigung erlangen. Zum anderen sei für die Beurteilung, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliege oder nicht, nicht die gewählte Vertragsgestaltung maßgebend, sondern der objektive Inhalt des Vertrages sowie die tatsächlichen Umstände der Arbeitsleistung. Maßgeblich sei die objektiv vorhandene persönliche wie wirtschaftliche Abhängigkeit der als Pflegekräfte beschäftigten Vereinsmitglieder. Das Vereinsrecht könne den Schutz, den das zwingende Arbeitsrecht biete, nicht ersetzen. Der Antragsgegner stelle unstreitig seit geraumer Zeit sämtliches Pflegepersonal am V.. Dort hätten sie keinerlei Einfluss auf die Art und Weise der Tätigkeitsausführung. Als einfaches Vereinsmitglied habe der einzelne auch keinen Einfluss auf Leitung, Organisation und Entscheidungen des Antragsgegners. Das Vereinsrecht ermögliche nicht im Ansatz den Grad der Beteiligung, den das Betriebsverfassungsrecht den Arbeitnehmern biete. Der Antragsgegner gewähre seinen Mitgliedern auch keinen erhöhten Kündigungsschutz. Zwar könne ein Mitglied gem. § 8 der Satzung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgeschlossen werden (Kopie der Satzung Bl/.3. ff). Aber der Antragsgegner schließe mit den Mitgliedern formelmäßige Vereinbarungen wonach der Einsatz über den Gestellungsvertrag im V. befristet sei und am Ende dieser Befristung sowohl die Vergütungsverpflichtung als auch die Verpflichtung Mitgliedsbeiträge an den Antragsgegner zu zahlen, endet. Falls die Mitgliedschaft nicht beendet werde, werde der Betroffene gem. § 4 Abs/. der Satzung "inaktives Mitglied" ohne Mitgliedschafts- und Organrechte.
7Der Antrag sei zulässig.
8Der Betriebsrat beantragt,
9festzustellen, dass die zur Leistung von Pflegediensten aufgenommenen Vereinsmitglieder/innen Arbeitnehmer des Antragsgegners im arbeitsrechtlichen Sinn und im Sinne von § 5 Abs.1 1 BetrVG sind;
10hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsgericht das Feststellungsinteresse nicht für gegeben hält,
11festzustellen, dass ihm vier Freistellungen gem. § 38 BetrVG zustehen.
12Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag zurückzuweisen.
14Er macht geltend:
15Dem Hauptantrag fehle das notwendige Feststellungsinteresse, weil die Frage der Arbeitnehmereigenschaft seiner Mitglieder kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO sei.
16Die Mitglieder seien aber auch keine Arbeitnehmer im Rechtssinne. Eine Umgehung zwingender Rechtsvorschriften liege, wie das Bundesarbeitsgericht festgestellt habe, nicht vor. Die Mitverwaltungs- und Mitspracherechte der Mitglieder ermöglichten diesen ein größeres Beteiligungsrecht als eine betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung der Arbeitnehmer. Im Rahmen des Gestellungsvertrages mit dem V. könnten sich ihre Mitglieder mit den dortigen Entscheidungsträgern in Verbindung setzen, außerdem könne er selbst seinen Einfluss geltend machen. Der Status eines Arbeitnehmers würde zudem die Einflussmöglichkeiten nicht verändern. Eine Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten liege auch nicht deshalb vor, weil inaktive Mitglieder kein Stimmrecht mehr besäßen, denn sie würden erst zu inaktiven Mitgliedern, wenn sie keine Dienstleistungen mehr erbrächten, in einem solchen Fall bestünde auch kein Arbeitsverhältnis mehr. Der befristete Einsatz sei nur noch für medizinische Fachangestellte vorgesehen und er sei generell auf ein Jahr beschränkt, was gegenüber dem Teilzeit- und Befristungsgesetz eine Besserstellung bedeute.
17Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie die Protokollerklärungen Bezug genommen.
18II.
19Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
20Der Begriff des Feststellungsinteresses ist im Rahmen von Beschlussverfahren grundsätzlich weit zu fassen. Der Betriebsrat weist zu Recht darauf hin, dass das Verfahren dazu diene, seinen Zuständigkeitsbereich gegenüber dem Antragsgegner zu klären und damit ein Rechtsverhältnis. Für die Klärung dieser Frage gibt es auch einen konkreten Bedarf, wie der Hilfsantrag, aber auch zum Beispiel das Beschlussverfahren vor der 2. Kammer - 2 BV 86/10 - zeigen.
21Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Kammer folgt der bisherigen Linie des Bundesarbeitsgerichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Rote-Kreuz-Schwestern keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 BetrVG, weil sie ihre Arbeitsleistung aufgrund vereinsrechtlicher Mitgliedschaft erbringen (vgl. BAG vom 03. Juni 1975 - 1 ABR 98/74 - AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG vom 20. Februar 1986 - 6 ABR 5/85 - AP Nr. 3. zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG vom 06. Juli 1995 - 5 AZB 9/93 - AP Nr. 3. zu § 5 ArbGG 1979; BAG vom 3.. April 1997 - 1 ABR 74/96 - AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung = NZA 1997, 1297 = EzA § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 3). In seinem Beschluss vom 23. Juni 2010 - 7 ABR 1/09 - hat das Bundesarbeitsgericht zu dieser Problematik zwar keine Stellungnahme bezogen, jedoch auch in keiner Weise angedeutet, seine Auffassung zu überdenken.
22Eine Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften sieht die Kammer nicht. Dem Antragsgegner kann es nicht als Umgehung vorgeworfen werden, wenn er künftig keine Arbeitsverträge mehr mit Bewerbern um eine Pflegestelle abschließen, sondern nur noch Mitglieder aufnehmen will. Dies unterliegt seiner Vereinsautonomie. Die Möglichkeiten für Pflegekräfte, sich bei anderen Arbeitgebern um eine Einstellung als Arbeitnehmer zu bemühen, werden in keiner Weise eingeschränkt.
23Der Entschluss des V., nur mit Gestellungskräften des Antragsgegners zusammenzuarbeiten, ist eine Entscheidung des Klinikums, die, wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt, nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt.
24Die Vereinsmitglieder werden auch bei befristeten Einsätzen bei Anwendung der Satzung des Antragsgegners nicht schlechter gestellt als ein Arbeitnehmer nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Denn in § 6 der Satzung wird die Einführungszeit auf ein Jahr beschränkt. Auch die vom Betriebsrat vorgelegten Gestellungsverträge belegen für sich genommen keine Verschlechterung der Mitglieder gegenüber befristet beschäftigten Arbeitnehmern, denn auch deren Arbeitsverhältnisse sind bei Ablauf der Befristung automatisch beendet. Ob die gewählte Gestaltung möglicherweise der eigenen Satzung zuwiderläuft, ist eine Frage, die hier nicht zu klären ist.
25Schließlich bieten die Mitgliedschaftsrechte eine gleichwertige Teilhabe der Mitglieder an den Entscheidungen des Antragsgegners. Zwar müssen die Mitglieder eine Mehrheit für von ihnen gewünschte Maßnahmen organisieren, dafür können sie aber u.a. auch die Satzung selbst ändern. Allerdings muss für eine solche Satzungsänderung eine 3/4 -Mehrheit gewonnen werden, es reicht aber die Mehrheit der abgegebenen Stimmen aus.
26RECHTSMITTELBELEHRUNG
27Gegen diesen Beschluss kann von dem Betriebsrat Beschwerde eingelegt werden.
28Für die Arbeitgeberseite ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
29Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
30Landesarbeitsgericht Düsseldorf
31Ludwig-Erhard-Allee 21
3240227 Düsseldorf
33Fax: 0211-7770 2199
34eingegangen sein.
35Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
36Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
371.Rechtsanwälte,
382.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
393.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
40Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
41* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
42Pannenbäcker