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1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.12.2022 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte
3. Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie.
3Der Kläger ist seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
4Die Beklagte als GmbH des Bundes ist verantwortlich für das deutsche Autobahnnetz (Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung der Autobahnen).
5Für den Zeitraum vom 01.08.2021 bis zum 30.09.2023 haben die Parteien einen Änderungsvertrag über die Weiterbeschäftigung in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung flexibler Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte vom 27. Februar 2010 zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 25. Oktober 2020 zwischen der BRD und den vertragsschließenden Gewerkschaften (kurz: TV Falter) abgeschlossen. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wurde auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit reduziert und im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 01.08.2021 bis zum 31.08.2022 und einer Freistellungsphase vom 01.09.2022 bis zum 30.09.2023 geleistet.
6Mit einem Informationsschreiben vom 13.12.2022 informierte die Personalverwaltung der Beklagten ihre Beschäftigten über die Auszahlung einer steuer- und sozialversicherungsfreien Inflationsausgleichsprämie um die Belastungen durch die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten abzufedern in Höhe von 3.000,00 € für Tarifbeschäftigte und AT-Beschäftigte bei Vollzeittätigkeit am 01.12.2022, für Teilzeitkräfte entsprechend dem Beschäftigungsumfang am 01.12.2022 und von 1.500,00 € für Auszubildende, Dual-Studierende und Werkstudierende.
7Auszahlungsberechtigt waren Beschäftigte, die am 01.12.2022 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis standen und auch an mindestens einem Tag zwischen dem 01.01.2022 und dem 30.11.2022 Anspruch auf Entgelt hatten. Auch Mitarbeiter, die zu der genannten Beschäftigungsgruppe gehörten und aufgrund von Eltern- oder Pflegezeit am 01.12.2022 in einem passiven Beschäftigungsverhältnis standen, waren anspruchsberechtigt.
8Von der Leistung ausgenommen wurden Beschäftigte, deren Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnis gekündigt war (maßgeblich war die zugegangene Kündigungserklärung bis spätestens 01.12.2022), zugewiesene und gestellte Beschäftigte, Praktikantinnen bzw. Praktikanten, Stipendiatinnen bzw. Stipendiaten, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sowie Beschäftigte in Altersteilzeit, die sich am 01.12.2022 in der Freistellungsphase befunden haben.
9Der Kläger erhielt keine Inflationsausgleichsprämie. Er machte einen Zahlungsanspruch mit einem Email-Schreiben vom 6.3.2023 und mit anwaltlichem Schreiben vom 12.4.2023 erfolglos geltend. Die Beklagte lehnt den Anspruch außergerichtlich mit dem Verweis auf § 7 Abs. 1 S. 1 TV Falter ab. Nicht in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile (wie vorliegend) würden nur entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeit berücksichtigt, neue Vergütungsbestandteile könnten in der Freistellungsphase nicht entstehen.
10Mit der am 19.07.2023 beim Arbeitsgericht K. erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
11Er ist der Ansicht, dass ihm auch eine Inflationsausgleichsprämie zustehe. Ein sachlicher Grund dafür, ihn von der Zahlung auszunehmen, bestehe nicht.
12Der Kläger beantragt nach Klagerücknahme im Übrigen zuletzt,
13die beklagte Partei zu verurteilen, an die klägerische Partei einen Betrag in Höhe von 1.500, 00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.12.2022 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie ist der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie habe. Die Herausnahme aus der Zusage sei wirksam. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Die Vergleichsgruppe seien andere Altersteilzeitbeschäftigte, die sich zum Stichtag in der Freistellungsphase befunden hätten. Jedenfalls sei ein sachlicher Grund mit der Erfüllung der zukünftigen Betriebstreue gegeben.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19I.
20Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.500,00 netto gegenüber der Beklagten.
211. Ein Anspruch folgt aus der Gesamtzusage der Beklagten vom 13.12.2022 in Verbindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
22a) Zwar erfüllt der Kläger unstreitig die von der Beklagten festgesetzten Voraussetzungen für die Auszahlung einer solchen Prämie nicht. Ein unmittelbarer Anspruch aus einer Gesamtzusage vom 13.12.2022 besteht daher nicht.
23aa) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags.
24bb) Die Beklagte hat Beschäftigte in Altersteilzeit, die sich am 01.12.2022 in der Freistellungsphase befunden haben, ausdrücklich von der Zahlung ausgenommen. Dazu gehört auch der Kläger.
25b) Ein Anspruch besteht aber aus der gleichheitswidrig von der Beklagten geschaffenen Ordnung i.V.m. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
26aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung begünstigter Arbeitnehmer (vgl. BAG 20. März 2018 - 3 AZR 861/16 - Rn. 28; 21. August 2012 - 3 AZR 81/10 - Rn. 24 f. mwN).
27Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt danach, dass eine vorgenommene Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. etwa BAG 12. August 2014 - 3 AZR 764/12 - Rn. 25 mwN). Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen (vgl. dazu etwa BAG 14. November 2017 - 3 AZR 516/16 - Rn. 20; 12. August 2014 - 3 AZR 764/12 - Rn. 26 mwN).
28bb) In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 1.500,00 € netto zu.
29Die Beklagte hat hier eine personenbezogene Gruppenbildung vorgenommen und behandelt die Altersteilzeitarbeitnehmer unterschiedlich. Arbeitnehmer, die sich am 01.12.2022 in der Arbeitsphase befunden haben, erhalten die Zahlung. Arbeitnehmer, die sich am 01.12.2022 in der Freistellungsphase befunden haben, sind ausgenommen. Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, die angesichts des Regelungszwecks die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind überhaupt nicht ersichtlich. Von der Inflation sind beide Gruppe betroffen. Betriebstreue haben beide Gruppen erbracht. Bei beiden Gruppen steht ein einvernehmlich bestimmtes Ende der Betriebszugehörigkeit schon fest. Die Mitarbeiter in der Passivphase erbringen zwar keine tatsächliche Arbeitsleistung mehr. Die tatsächliche Arbeitsleistung zu berücksichtigen und in Form der Prämienzahlung zwar nicht zusätzlich zu vergüten, aber doch zumindest zu belohnen bzw. anzuerkennen, war aber nicht Zweck der Regelung. Dies lässt sich aus der von der Beklagten weiter aufgestellten Voraussetzung erkennen, nach der Mitarbeiter an mindestens einem Tag zwischen dem 01.01.2022 und dem 30.11.2022 Anspruch auf Entgelt gehabt haben müssen. Ein Entgeltanspruch setzt bei Urlaubsvergütung oder Entgeltfortzahlung auch keine Arbeitsleistung voraus. Dementsprechend sind auch ansonsten ruhende Arbeitsverhältnisse etwa wegen Langzeiterkrankung nicht ausgenommen, solange zumindest ein Tag in dem betreffenden Zeitraum vergütet worden ist.
30Ein hinreichender Grund für die Gruppenbildung zwischen Arbeits- und Freistellungsphase ist mithin weder erkennbar noch konnte er auf Nachfrage im Kammertermin angegeben werden. Die außergerichtliche Ablehnung lässt hier aber vermuten, dass die Beklagte rechtsirrig davon ausgegangen ist, sie könne einem Altersteilzeitmitarbeiter in der Freistellungsphase keine zusätzlichen Zahlungen gewähren. Hier verweist die Kammer auf die Entscheidung des BAG zur Corona-Sonderzahlungen während der Freistellungsphase zur Altersteilzeit nach dem TV FlexAZ. Der dortige § 7 Abs. 2 TV FlexAZ regelt lediglich die Auszahlungsmodalitäten für das in der Aktivphase angesammelte Wertguthaben, ohne das Entstehen zukünftiger, im Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrags noch nicht absehbarer Vergütungsansprüche für die Altersteilzeit auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, für Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell zusätzlich zum Wertguthaben Leistungen vorzusehen, die - wie vorliegend die einmalige Corona-Sonderzahlung - unabhängig von einer bestimmten Arbeitsleistung gewährt werden. (BAG, Urteil vom 28. März 2023 – 9 AZR 330/22 –, Rn. 18, juris). Inhaltlich ist die Regelung in § 7 TV Falter zwar anders ausgestaltet. Die Kammer sieht die Entscheidung zum TV FlexAZ aber als übertragbar an. Eine tarifliche Vorschrift zur Frage, was in der Altersteilzeit in der aktiven Phase ausgezahlt oder ins Wertguthaben für die passive Phase gestellt wird, hindert auch den Arbeitgeber nicht daran, für Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit zusätzlich zum Wertguthaben Leistungen vorzusehen, die - wie die Inflationsausgleichsprämie - unabhängig von einer bestimmten Arbeitsleistung gewährt werden.
312. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 286 BGB.
32II.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Kosten waren danach aufgrund der Klagerücknahme in hälftiger Höhe und dem Obsiegen mit dem hälftigen Restanspruch ebenfalls zur Hälfte zu teilen.
34Der Streitwert nach § 61 Abs. 1 ArbGG ist im Urteil festgesetzt. Der für die Gerichtsgebühr maßgeblich Streitwert nach § 63 Abs. 2 GKG beläuft sich demgegenüber auf 3.000,00 €.